OGH 15Os116/99

OGH15Os116/9923.9.1999

Der Oberste Gerichtshof hat am 23. September 1999 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Markel als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag. Strieder, Dr. Schmucker, Dr. Zehetner und Dr. Danek als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Horvath als Schriftführer, in der Strafsache gegen Karl H***** und andere Angeklagte wegen des Verbrechens nach § 28 Abs 2 SMG und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung des Angeklagten Karl H***** sowie über die Berufung der Staatsanwaltschaft betreffend den Angeklagten Patrick M***** gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 17. März 1999, GZ 8 Vr 2513/98-68, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Fabrizy, der Angeklagten H***** und M***** sowie der Verteidiger Mag. Pöschl und Mag. Braun zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung des Angeklagten H***** wird nicht Folge gegeben.

Hingegen wird der Berufung der Staatsanwaltschaft dahin Folge gegeben, daß beim Angeklagten Patrick M***** der unbedingte Strafteil auf 4 (vier) Monate Freiheitsstrafe erhöht wird.

Gemäß § 390a StPO fallen den Angeklagten H***** und M***** auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen (auch einen rechtskräftigen Schuldspruch des Angeklagten Othmar S***** enthaltenden) Urteil wurden Karl H***** (zu A 1.) des Verbrechens nach § 28 Abs 2 SMG und Patrick M***** (zu A 3.) als Beitragstäter nach § 12 dritter Fall StGB zum versuchten Verbrechen nach §§ 15 StGB, 28 Abs 2 SMG schuldig erkannt.

Danach haben die Angeklagten (soweit für das Rechtsmittelverfahren von Bedeutung) in Graz (zu A) den bestehenden Vorschriften zuwider ein Suchtgift in einer großen Menge (§ 28 Abs 6 SMG) dadurch, daß

1. Karl H***** Mitte August 1998 dem Othmar S***** 80 bis 100 Gramm Kokain von sehr guter Qualität kommissionsweise zum Weiterverkauf übergab, in Verkehr gesetzt;

2. Othmar S***** am 1. September 1998 das zu 1. genannte von Karl H***** erhaltene Kokain, welches er nach Entnahme von 10 Gramm für den Eigenbedarf auf rund 150 Gramm aufgestreckt hatte, zu einem Preis von 120.000 S an einen vermeintlichen Suchtgiftabnehmer namens "Marcel" (tatsächlich verdeckter Ermittler des Bundesministeriums für Inneres) zu verkaufen trachtete, in Verkehr zu bringen versucht, wobei es wegen Observierung und rechtzeitiger Festnahme nicht zur Vollendung der Tat kam;

3. Patrick M***** im August 1998 dem Othmar S***** den vermeintlichen Suchtgiftabnehmer namens "Marcel" als Käufer für 100 Gramm Kokain vermittelte, den Kontakt zwischen den beiden herstellte, das Treffen organisierte, Othmar S***** Ratschläge für dieses Treffen erteilte und sich überzeugte, daß "Marcel" über genügend Kaufgeld verfügte, zu der unter 2. geschilderten versuchten Tathandlung des Othmar S***** vorsätzlich beigetragen.

Der Angeklagte H***** bekämpft den Schuldspruch A 1. mit Nichtigkeitsbeschwerde (nominell) aus Z 3, 5, 5a und 10 des § 281 Abs 1 StPO, der keine Berechtigung zukommt.

Rechtliche Beurteilung

Entgegen der Verfahrensrüge (Z 3) ist bei verständiger Leseart und gesamtheitlicher Betrachtung schon dem Urteilsspruch A (US 2) unmißverständlich (§ 260 Abs 1 Z 1 StPO) zu entnehmen, daß der Beschwerdeführer durch Übergabe von 80 bis 100 Gramm Kokain an Othmar S***** des vollendeten Verbrechens nach § 28 Abs 2 SMG schuldig erkannt wurde, sodaß es zur Klarstellung der von der Beschwerde unberechtigt geäußerten Zweifel nicht auch noch der Heranziehung der Entscheidungsgründe (insbes US 9, 15, 17) bedurfte (vgl Mayerhofer StPO4 § 260 E 2a).

Der Einwand, es finde sich zur Annahme des vollendeten Delikts nach § 28 Abs 2 StGB in US 3 keine Begründung (Z 5), weil nach Ansicht des Erstgerichtes der Angeklagte H***** Kokain in einer großen Menge in Verkehr setzen "wollte" (vgl US 13 dritter Absatz), stützt sich nur auf einen Teil dieser Feststellung, übergeht aber den wesentlichen, dieses (hier als Absicht zu verstehende) "Wollen" des Beschwerdeführers präzisierenden Nebensatz ("..., indem er dem Othmar S***** das vorhin beschriebene Kokain ... übergab".), womit der spezifische Vorsatz zureichend festgestellt ist, sondern auch die korrespondierende Urteilsbegründung (US 17), die in ihrem Kontext eine ausreichende Begründung für die Verbrechensvollendung enthalten.

Der - ohnehin keinen entscheidenden Umstand berührende - Aktenvermerk vom 1. September 1998 wurde - entgegen der Beschwerde - nach Einlangen bei Gericht ordnungsgemäß als ON 66/I einjournalisiert. Dessen Inhalt wurde dem Angeklagten in der Hauptverhandlung am 17. März 1999 zunächst ausdrücklich vorgehalten, wozu er auch Stellung nahm (S 3/II). Er wurde vor Schluß des Beweisverfahrens gemäß § 252 Abs 1 Z 4 StPO auch noch verlesen, wobei das Protokoll hiefür bloß ein anderes, sinngleiches Zeitwort ("wird vorgetragen") enthält. Bei dieser Gelegenheit äußerte sich der Angeklagte neuerlich hiezu (S 12/II). Somit wurde der zum Gegenstand der Hauptverhandlung gemachte Aktenvermerk rite im Urteil verwertet.

Die als aktenwidrig gerügte (hier nicht entscheidungswesentliche) Konstatierung, daß eine weitere, genauere Auswertung des im PKW des Angeklagten H***** gefundenen Messers auf Kokainspuren durch die KTU Graz nicht mehr möglich war (US 13), deckt sich mit dem vorangeführten Aktenvermerk ebenso wie mit der Aussage des Zeugen N***** (S 425/I).

Die auf tragendende Beweisergebnisse gestützte Feststellung zur tatsächlich erfolgten Übergabe einer Menge von ca 80 bis 100 Gramm Kokain durch den Nichtigkeitswerber an den Angeklagten S***** (US 9, 13) sind weder undeutlich noch unzureichend begründet (US 13 ff). Die ihrerseits mit bloßen Vermutungen argumentierende Beschwerde kritisiert im Kern die an sich unanfechtbaren Erwägungen, demnach unzulässig die Beweiswürdigung der Tatrichter, ohne einen formalen Begründungsmangel aufzuzeigen.

Keine entscheidenden (also entweder für die Schuld oder für den anzuwendenden Strafsatz maßgebenden), daher nicht näher erörterungsbedürftigen Umstände betreffen die vom Beschwerdeführer aufgeworfenen Fragen, wann er S***** begegnet ist, ob er ihm die Kokainsteine beim ersten oder bei weiteren Treffen übergeben hat, wie hoch der Verkaufspreis und die Provision wirklich waren, daß er S***** kein Geld geschuldet hat und sich beim Treffen im Lokal "A*****" als "Franz" vorgestellt hat (vgl hiezu S 83/I). Aber auch mit den Aussagen der Zeugen Alois Sch***** und Erwin K***** setzt sich das Erstgericht genügend auseinander (US 15, 17).

Die Tatsachenrüge (Z 5a) weckt auf Aktengrundlage keine erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zugrunde gelegten entscheidenden Tatsachen.

Mit der Wiederholung bereits im Rahmen der Mängelrüge erfolglos vorgebrachter Argumente sowie mit weitwendigen Darlegungen, warum nach Meinung der Beschwerde die belastende Verantwortung des Mitangeklagten S***** nicht glaubwürdig sei und die Aussage des Alois Sch***** für die Schuldlosigkeit des Nichtigkeitswerbers spreche, trachtet dieser lediglich (neuerlich) nach Art einer unzulässigen Schuldberufung die nach den Grundsätzen des § 258 Abs 2 StPO formell fehlerfrei vorgenommene, jedoch zu seinem Nachteil ausgefallene tatrichterliche Lösung der Schuldfrage in Zweifel zu ziehen, um seiner leugnenden Verantwortung doch noch zum Durchbruch zu verhelfen.

Daran ändert auch der Umstand nichts, daß nach Aussage des Zeugen N***** der Angeklagte M***** am 8. Juni 1998 dem verdeckten Fahnder eine Kokainprobe von 0,2 Gramm angeboten hat (S 423/I); denn nach der Darstellung des Angeklagten M***** hat er diese Suchtgiftmenge von Mario C***** und nicht von S***** erhalten (S 418/I). Damit kommt dem Einwand des Beschwerdeführers, er habe vor dem erwähnten Zeitpunkt dem Mitangeklagten S***** schon deshalb kein Suchtgift übergeben können, weil er sich am erwähnten Tag (8. Juni 1998) noch in Haft befunden habe, keine Bedeutung zu, zumal er laut Eintragung in der Strafregisterauskunft (S 35/I) die Strafe bereits am 5. Juni 1998 verbüßt hatte.

Mit der Subsumtionsrüge (Z 10) strebt der Beschwerdeführer die Beurteilung seiner Tat bloß als Versuch des Verbrechens nach § 28 Abs 2 SMG an, weil er seiner Ansicht nach durch die (vom Erstgericht ausdrücklich festgestellte) Übergabe von 80 bis 100 Gramm Kokain an Othmar S***** (US 9, 13, 17) noch keine große Menge an Suchtgift in Verkehr gesetzt hat. Dabei verkennt er, daß Inverkehrsetzen jede Tätigkeit bedeutet, durch die die Verfügungsgewalt über ein Suchtgift mittels eines tatsächlichen oder rechtlichen Vorgangs von einem Verfügungsberechtigten auf einen anderen übertragen wird (Foregger/Litzka/Matzka SMG Anm V.2. zu § 28 mit Judikaturhinweisen). Demnach ist auch die Übergabe von Suchtgift zum kommissionsweisen Verkauf ein Inverkehrsetzen im Sinne des § 28 Abs 2 vierter Fall SMG. Mit der Übertragung der Verfügungsgewalt über das Suchtgift in einer großen Menge war die deliktische Tätigkeit abgeschlossen und das inkriminierte Verbrechen vollendet.

Soweit der Beschwerdeführer aber das Fehlen von Feststellungen seines auf Inverkehrsetzen des Suchtgiftes gerichteten Vorsatzes moniert (insoweit Z 9 lit a), übergeht er prozeßordnungswidrig die unmißverständlichen Urteils- konstatierungen zur subjektiven Tatseite (abermals US 9, 13, 17 f).

Die unbegründete Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.

Das Erstgericht verurteilte die Angeklagten nach § 28 Abs 2 SMG, und zwar Karl H***** unter Bedachtnahme gemäß §§ 31, 40 StGB auf ein Urteil des Bezirksgerichtes Salzburg vom 22. September 1998, AZ 28 U 508/98d (ein Monat Freiheitsstrafe wegen Vergehens nach §§ 15, 127 StGB), zu einer (Zusatz-)Freiheitsstrafe von dreieinhalb Jahren und Patrick M***** zu sechzehn Monaten, wovon es gemäß § 43a Abs 3 StGB einen Teil von vierzehn Monaten für eine Probezeit von drei Jahren bedingt nachsah.

Bei der Strafbemessung wertete es als erschwerend beim Angeklagten H***** achtzehn Vorstrafen, eine gewisse Urheberfunktion und den raschen Rückfall, beim Angeklagten M***** keinen Umstand; mildernd war demgegenüber bei H***** die Sicherstellung des Suchtgiftes und der Umstand, daß es trotz Vollendung seiner Straftat bei den weiteren Tätern beim Versuch geblieben ist, beim Angeklagten M***** die Unbescholtenheit, das umfassende und der Wahrheitsfindung dienliche Geständnis, die Sicherstellung des Suchtgiftes, eine gewisse untergeordnete Funktion und Rolle sowie die Tatsache, daß die Tathandlung im Versuchsstadium verblieben ist.

Karl H***** strebt mit seiner Berufung sowohl eine Reduktion der zusätzlichen Freiheitsstrafe als auch deren teilweise bedingte Nachsicht gemäß § 43a StGB an.

Nach Ansicht der gegen den Strafausspruch betreffend den Angeklagten M***** gerichteten Berufung der Staatsanwaltschaft "wäre eine höhere unbedingte, in eventu teilbedingte Freiheitsstrafe von zumindest einem Drittel des Strafrahmens zu verhängen gewesen und - in Anwendung des § 43a Abs 3 StGB - lediglich ein geringerer Teil der Strafe bedingt nachzusehen gewesen, sodaß der unbedingte Teil an das vorgesehene Höchstmaß des Drittels der Strafe zumindest heranreicht".

Nur der Berufung des öffentlichen Anklägers kommt teilweise Berechtigung zu.

Das Schöffengericht hat die Strafzumessungsgründe im wesentlichen richtig festgestellt und gewichtet und über die Angeklagten Freiheitsstrafen verhängt, die sowohl der differenzierten personalen Täterschuld als auch dem abgestuften Unrechtsgehalt der Urteilstaten gerecht werden.

Daß der Angeklagte H***** "bisher mit Suchtmitteln noch nie zu tun hatte", kann - seiner Berufung zuwider - nicht zusätzlich mildernd sein. Eine "gewisse Urheberfunktion" ergibt sich aus den aktenkonformen Urteilsfeststellungen (US 8 f).

Ungeachtet des beim Angeklagten M***** zusätzlich vorliegenden Milderungsgrundes des Alters unter 21 Jahren (§ 34 Abs 1 Z 1 StGB) trifft es im Sinne der Berufung der Staatsanwaltschaft zu, daß die fünffache Überschreitung der Grenzmenge von 15 Gramm Kokain sowie seine intensiven von Bemühungen um die Abwicklung der tataktuellen Suchtgifttransaktion eine Anhebung des unbedingt ausgesprochenen Strafteils von zwei auf vier Monate Freiheitsstrafe gebieten, um general- und spezialpräventiven Belangen entsprechend Rechnung zu tragen.

Demnach war nur dieser Berufung im eingeschränkten Umfang, hingegen jener des Angeklagten H***** keine Folge zu geben.

Stichworte