Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die klagende Partei ist schuldig, den beklagten Parteien die mit S 5.601,70 (darin enthalten S 933,62 USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Begründung
Am 26. 1. 1997, ereignete sich im Ortsgebiet von Gmunden ein Verkehrsunfall an welchem der Kläger mit seinem PKW und der Erstbeklagte mit dem von der Zweitbeklagten gehaltenen und bei der drittbeklagten Partei haftpflichtversicherten PKW beteiligt waren. Der Kläger wollte auf einer 6 m breiten, eine langgezogene Linkskrümmung und 12 %ige Steigung aufweisenden Fahrbahn an einem in seiner Fahrtrichtung gesehen rechts abgestellten PKW vorbeifahren. Durch diesen PKW wurde die Fahrbahnbreite von 6 m auf 3,8 m eingeengt. Der Kläger fuhr etwa 30 m vor der späteren Unfallstelle (etwa auf Höhe des Hecks des abgestellten PKWs) los. Er hat eine Geschwindigkeit von etwa 20 km/h erreicht, als er am abgestellten PKW vorbeifahren wollte. Als er den entgegenkommenden vom Erstbeklagten gelenkten Kombi bemerkte, bremste er und kam noch vor dem Zusammenstoß zum Stillstand. Der aus der Gegenrichtung kommende Erstbeklagte fuhr mit etwa 72 - 73 km/h. Als er über eine Fahrbahnkuppe kam, sah er den abgestellten PKW und das Fahrzeug des Klägers. Er bremste voll ab und rutschte mit blockierenden Rädern auf den PKW des Klägers zu und stieß gegen diesen mit einer Restgeschwindigkeit von etwa 20 km/h. Zum Kollisionszeitpunkt befand sich das vom Kläger gelenkte Fahrzeug mit einem Drittel und das vom Erstbeklagten gelenkte Fahrzeug mit der Hälfte der Fahrzeugbreite über der Fahrbahnmitte. Wäre der Erstbeklagte 50 km/h gefahren, hätte er überhaupt nicht bremsen müssen. Es konnte nicht festgestellt werden, ob bei Beginn des Vorbeifahrmanövers des vom Kläger gelenkten Fahrzeuges das entgegenkommende Fahrzeug bereits im Sichtbereich des Klägers war.
Der Kläger begehrt mit der vorliegenden Klage den Ersatz seiner Reparaturkosten sowie weiterer Spesen und brachte vor, er habe an dem abgestellten PKW vorbeifahren wollen; als er auf die linke Fahrspur ausgeschert sei, sei das Gegenfahrzeug noch nicht wahrnehmbar gewesen. Das Alleinverschulden treffe den mit überhöhter Geschwindigkeit entgegenkommenden Erstbeklagten.
Die beklagten Parteien beantragten die Abweisung des Klagebegehrens und wendeten ein, der Kläger habe den Unfall allein verschuldet, weil er entgegen § 17 StVO die Fahrbahnmitte überschritten habe, ohne den Gegenverkehr zu beachten. Da der Erstbeklagte Sicht auf den PKW des Klägers (vor dessen Vorbeifahrmanöver) gehabt habe, hätte auch der Kläger das vom Erstbeklagten gelenkte Fahrzeug bei entsprechender Aufmerksamkeit wahrnehmen und von einem Vorbeifahrmanöver unter Inanspruchnahme der Gegenfahrbahn absehen müssen. Aufrechnungsweise wurde der eigene Reparaturaufwand eingewendet.
Das Erstgericht sprach aus, daß die Klageforderung zu Recht, die Gegenforderung nicht zu Recht bestehe und gab dem Klagebegehren statt. Es erörterte rechtlich, daß den Erstbeklagten infolge der Geschwindigkeitsüberschreitung ein Verschulden treffe, während dem Kläger ein Verschulden im Sinne eines Verstoßes gegen § 17 StVO nicht nachgewiesen werden könne.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der beklagten Parteien teilweise Folge. Es hielt ausgehend von der Negativfeststellung, "ob bei Beginn des Vorbeifahrmanövers des vom Kläger gelenkten Fahrzeuges das entgegenkommende Fahrzeug bereits im Sichtbereich des Klägers gewesen sei, kann nicht festgestellt werden", eine Verschuldenteilung von 1 : 1 für gerechtfertigt. Der Kläger hätte am abgestellten Fahrzeug unter Überschreitung der Fahrbahnmitte nur dann vorbeifahren dürfen, wenn er mit Sicherheit damit rechnen habe können, dadurch den Gegenverkehr nicht zu gefährden oder zu behindern. Da das vom Kläger gelenkte Fahrzeug die Fahrbahnmitte nicht nur unerheblich überschritten habe und der Kläger nicht unter Beweis gestellt habe, daß zum Zeitpunkt des beginnenden Seitenversatzes das vom Erstbeklagten gelenkten Fahrzeug noch nicht im objektiven Sichtbereich gewesen sei, gehe die bekämpfte Negativfeststellung zu seinen Lasten, weshalb die Nichtabstandnahme vom Vorbeifahren ein Verschulden begründe.
Dazu komme, daß der Kläger in der Lage gewesen wäre, das Vorbeifahrmanöver gefahrlos zu beenden, wobei bei ansonsten gleichen Prämissen die Kollision zwischen Fahrzeug der Streitteile unterblieben wäre. Das vom Kläger verfehlte Abstehen von der Beendigung des Vorbeifahrmanövers rechtfertige gleichfalls einen Schuldvorwurf, weil bei schlechter Sicht die Pflicht zur besonderen Aufmerksamkeit bestehe und die vom Gesetz aufgestellte Forderung nach einem kurzen und zügigen Überholvorgang sinngemäß auch auf das Vorbeifahren dann anzuwenden sei, wenn hiemit die Benützung der Gegenfahrbahn verbunden sei. Beide Lenker treffe ein etwa gleichteiliges Verschulden.
Das Berufungsgericht sprach zunächst aus, daß die ordentliche Revision nicht zulässig sei, änderte diesen Ausspruch schließlich in Stattgebung eines Antrags gemäß § 508 ZPO dahin ab, daß die Revision doch zulässig sei. Unbeschadet der vom Berufungsgericht zitierten Judikatur könne die Beweislastverteilung im vorliegenden Fall anders beurteilt werden, wenngleich das Berufungsgericht vermeine, daß der Lenker eines KFZ, das auf die linke Fahrbahnhälfte geraten sei, zu beweisen habe, daß er unverschuldet daran gehindert gewesen sei, dem Rechtsfahrgebot zu entsprechen und allfällige Unklarheiten zu seinen Lasten gingen.
In der Revision wird geltend gemacht, die Rechtsprechung, daß das Vorbeifahren an einem abgestellten Fahrzeug und die Überschreitung der Fahrermitte nur dann zulässig sei, wenn der Lenker mit Sicherheit damit rechnen könne, hiedurch den Gegenverkehr nicht zu gefährden, könne nicht im Sinne einer Beweislastregel umgedeutet werden, ebenso könnten die zum Überholen entwickelten Grundsätze nicht analog auf das Vorbeifahren angewendet werden.
Die Beklagten beantragten in der ihr freigestellten Revisionsbeantwortung die Revision als unzulässig zurückzuweisen, hilfsweise ihr nicht Folge zu geben.
Die Revision ist ungeachtet des nicht bindenden Ausspruches des Berufungsgerichtes (§ 508a ZPO) nicht zulässig, weil Rechtsfragen von erheblicher Bedeutung nicht zu lösen sind.
Rechtliche Beurteilung
Zutreffend hat das Berufungsgericht darauf hingewiesen, daß nach der allgemeinen Beweislastregel jede Partei die Beweislast für das Vorliegen aller tatsächlichen Voraussetzungen der ihr günstigen Rechtsnorm trifft. Danach hat im Regelfall der ein Recht Behauptende die rechtsbegründenden und der ein Recht Leugnende, die rechtshindernden, rechtsvernichtenden und rechtshemmenden Tatsachen zu beweisen (Rechberger in Rechberger ZPO vor § 266 Rz 11 mwN). Der erkennende Senat ist in der jüngst ergangenen Entscheidung 2 Ob 181/97z zur Frage der Beweislast bei der Verletzung von Schutzgesetzen zu folgendem Ergebnis gekommen: Bei Verletzung eines Schutzgesetzes, trifft den Geschädigten die volle Beweislast für den Schadenseintritt und die Verletzung des Schutzgesetzes als solche; dabei ist der Nachweis der Tatsache ausreichend, daß die Schutznorm objektiv übertreten wurde, der Schädiger hat dagegen zu beweisen, daß ihm die objektive Übertretung des Schutzgesetzes nicht als schutzgesetzbezogenes Verhaltensunrecht anzulasten ist.
Im vorliegenden Fall steht fest, daß das vom Kläger gelenkte Fahrzeug die Fahrbahnmitte nicht unwesentlich überschritten hat, wodurch jedenfalls das Schutzgesetz des § 17 StVO verletzt wurde. Es wäre nun Sache des Klägers gewesen, nachzuweisen, daß er mit seinem Vorbeifahrmanöver dh mit seinem Linksausschwenkmanöver zu einem Zeitpunkt begonnen habe, als das vom Erstbeklagten gelenkte Fahrzeug noch nicht in seinem Sichtbereich war (vgl auch ZVR 1998/3). Dieser Beweis ist ihm nach der getroffenen Negativfeststellung mißlungen, obwohl er diesen Beweis auch nach seinem eigenen Vorbringen in der Klage erbringen hätte müssen. In der Klage wird nämlich ausdrücklich ausgeführt, daß das vom Erstbeklagten gelenkte Fahrzeug noch nicht im objektiven Sichtbereich des Klägers gewesen sei, als dieser mit seinem Ausschwenkmanöver begonnen habe.
Das Berufungsgericht hat daher ein von der neuesten Rechtsprechung zur Beweislastverteilung bei Schutzgesetzen gedecktes Ergebnis erzielt. Da auch sonst erhebliche Rechtsfragen nicht aufgezeigt werden, war die Revision mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage als unzulässig zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO, weil die beklagten Parteien auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen haben.
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