OGH 11Os94/99

OGH11Os94/9921.9.1999

Der Oberste Gerichtshof hat am 21. September 1999 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kuch als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Ebner, Dr. Habl, Dr. Zehetner und Dr. Danek als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Lokay als Schriftführer, in der Strafsache gegen Helmut B***** wegen des Verbrechens der Veruntreuung nach § 133 Abs 1 und 2 zweiter Fall StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie über die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 27. April 1999, GZ 11d Vr 1057/99-18, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird teilweise Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, in seinem Schuldspruch wegen Veruntreuung auch von Gutscheinen im Wert von

77.700 S, demzufolge im Strafausspruch und im einen Betrag von 77.700 S betreffenden Teil des Privatbeteiligtenzuspruchs aufgehoben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Im übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde zurückgewiesen.

Mit ihren Berufungen werden der Angeklagte und die Staatsanwaltschaft auf die kassatorische Entscheidung verwiesen.

Dem Angeklagten fallen auch die den erfolglos gebliebenen Teil seiner Nichtigkeitsbeschwerde betreffenden Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Helmut B***** des Verbrechens der Veruntreuung nach § 133 Abs 1 und Abs 2 zweiter Fall StGB schuldig erkannt.

Danach hat er von Februar bis 11. Dezember 1998 in Wien als Filialleiter der Firma Bi***** in wiederholten Angriffen ihm anvertraute Güter, nämlich insgesamt 559.448,60 S Bargeld und Gutscheine im Wert von 77.700 S, sich mit dem Vorsatz unrechtmäßiger Bereicherung zugeeignet.

Gegen den Schuldspruch richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 4, 9 lit a und 10 gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.

Ihr kommt im Umfang der gegen den Schuldspruch auch wegen Veruntreuung von Gutscheinen im Wert von 77.700 S gerichteten Rechtsrüge (Z 9 lit a) im Ergebnis Berechtigung zu.

Rechtliche Beurteilung

Dem Ersturteil mangelt es nämlich an konkreten Feststellungen, die eine Beurteilung ermöglichen, ob die vom Angeklagten veruntreuten Gutscheine (oder durch sie begründete Forderungen gegenüber dem Aussteller) ein Gut im Sinn des § 133 StGB darstellten. Gutscheine können als selbständige Wertträger Gegenstand einer Veruntreuung sein (Leukauf/Steininger Komm3 § 133 RN 1c), dies sind sie nur dann, wenn sie ohne weitere Voraussetzungen einen Anspruch auf eine geldwerte Leistung vermitteln und solcherart jeden Inhaber zur jederzeitigen Realisierung des in ihnen verkörperten Wertes berechtigen (Leukauf/Steininger aaO § 127 RN 8). Sind die genannten Kriterien zwar nicht gegeben, begründet der Gutschein aber sonst eine Forderung gegenüber dem Aussteller, so kommt diese als veruntreuungsfähiges Gut in Betracht (vgl Bertel in WK2 § 133 Rz 20 ff).

Bloße Blankoformulare hingegen, die - ungeachtet des aufgedruckten Nominalbetrags - zu ihrer Gültigkeit als Gutscheine noch des Hinzufügens weiterer Merkmale, wie beispielsweise eines Stempels des ausgebenden Unternehmens, der Unterschrift eines Berechtigten oder eines Kassenaufdrucks bedürfen, begründen keine Forderung, repräsentieren daher keinen Wert und sind somit kein veruntreuungsfähiges Gut im Sinn des § 133 StGB.

Da infolge unterlassener Feststellungen über die Beschaffenheit der - insgesamt einen Nominalwert von 77.700 S aufweisenden - Gutscheine (nach der Aktenlage: solche der Firma Bi***** und "Fremdgutscheine" - S 175) eine abschließende Beurteilung, ob diese oder durch sie begründete Forderungen Gegenstand einer Veruntreuung sein konnten, nicht möglich ist, war das angefochtene Urteil - ungeachtet dessen, daß der Ausspruch, der Angeklagte habe das Verbrechen der Veruntreuung nach § 133 Abs 1 und Abs 2 zweiter Fall StGB begangen, insgesamt nicht berührt wird (vgl EvBl 1998/130) - im bezeichneten Umfang schon in nichtöffentlicher Sitzung aufzuheben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückzuverweisen (§ 285e StPO).

Im übrigen kommt der Nichtigkeitsbeschwerde Berechtigung nicht zu.

Der Verfahrensrüge (Z 4) zuwider durfte das Schöffengericht den Antrag auf Beischaffung der Kontoauszüge des Angeklagten für den Zeitraum von September bis Dezember 1998 zum Beweis dafür, daß der Angeklagte das veruntreute Geld nicht zu seiner Kontoabdeckung verwendet hat, mit der zutreffenden Begründung (S 177) abweisen, daß dieses Thema ungeeignet ist, auf die Entscheidung der Strafsache irgendeinen Einfluß zu üben. Mit der Behauptung, dieser Beweis hätte ergeben, daß sich der Angeklagte kein Bargeld über die von ihm zugestandenen Beträge hinaus zugeeignet und nicht mit "Zueignungsvorsatz" gehandelt habe, verstößt die Beschwerde gegen das im Nichtigkeitsverfahren geltende Neuerungsverbot.

Der weiters in der Hauptverhandlung von den Tatrichtern abgelehnte Beweisantrag auf Untersuchung des "Gutscheinkasterls", aus dem Geld verschwunden ist, auf Einbruchsspuren, enthielt überhaupt kein Beweisthema, sodaß infolge Unterlassung der Anführung jener Umstände, die durch ein beantragtes Beweismittel erwiesen werden sollten, die Geltendmachung des Nichtigkeitsgrundes des § 281 Abs 1 Z 4 StPO von vornherein ausgeschlossen ist (Mayerhofer StPO4 § 281 Z 4 E 16).

Die Subsumtionsrüge (Z 10) ist nicht prozeßordnungsgemäß ausgeführt, weil sie mit der Behauptung von Feststellungsmängeln dahingehend, ob der 103.292 S übersteigende schuldspruchgegenständliche Bargeldbetrag von Dritten gestohlen worden sei, die gegenteiligen Urteilskonstatierungen in Richtung Veruntreuung auch dieser Summe durch den Angeklagten (US 3 und 5) außer Acht läßt.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher - soweit hierüber nicht kassatorisch entschieden wurde - als offenbar unbegründet und nicht gesetzmäßig ausgeführt zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).

Mit ihren Berufungen waren der Angeklagte und die Staatsanwaltschaft auf den urteilsaufhebenden Teil der Entscheidung zu verweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

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