OGH 3Ob51/98s

OGH3Ob51/98s15.9.1999

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Angst als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Graf, Dr. Pimmer, Dr. Zechner und Dr. Sailer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei mj. Aaron K*****, vertreten durch Dr. Günter Tews, Rechtsanwalt in Linz, gegen die beklagte Partei Stadt L*****, vertreten durch Dr. Gottfried Eypeltauer und andere Rechtsanwälte in Linz, wegen S 205.944,-- sA und Feststellung (Gesamtstreitwert S 361.176,--), infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht vom 1. Dezember 1997, GZ 3 R 224/97z-17, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Linz vom 14. August 1997, GZ 4 Cg 341/96a-10, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben. Die Rechtssache wird zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten der Rechtsmittelverfahren sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Der Kläger ist am 17. 11. 1990 geboren. Seine Mutter, die österreichische Staatsbürgerin ist, wandte sich noch im November 1990 an das Jugendamt der beklagten Partei. Am 24. 7. 1991 erteilte sie der beklagten Partei die schriftliche Zustimmung, als Sachwalter für ihr uneheliches Kind zur Feststellung der Vaterschaft und für die Festsetzung und Durchsetzung der Unterhaltsansprüche tätig zu werden. Sie gab an, sie habe im empfängniskritischen Zeitraum (19. 1. 1990 bis 21. 5. 1990) mit drei Männern, darunter dem Schweizer Staatsbürger Rene H*****, Geschlechtsverkehr gehabt. Die beiden anderen Männer würden aufgrund der blutserologischen Gutachten von der Vaterschaft auszuschließen sein.

Mit Schreiben vom 23. 8. 1991 ersuchte der Sachbearbeiter der beklagten Partei die Österreichische Botschaft in Bern, Ermittlungen betreffend Rene H***** durchzuführen. Er schloß einen Ermittlungsbogen an und begehrte für den Fall des Vaterschaftsanerkenntnisses einen monatlichen Unterhaltsbetrag von S 2.000,--. Die beklagte Partei erhielt am 4. 10. 1991 ein Schreiben des Österreichischen Konsulats Luzern, in dem mitgeteilt wurde, daß Rene H***** mit eingeschriebenem Brief aufgefordert worden sei, beim Konsulat vorzusprechen. Dieser Brief sei jedoch mit dem Vermerk "abgereist, ohne Adressenangabe" an das Konsulat zurückgesendet worden; es sei nicht möglich, die gegenwärtige Adresse ausfindig zu machen. Mit Schreiben vom 11. 10. 1991 ersuchte der Sachbearbeiter der beklagten Partei das Österreichische Konsulat Luzern, beim zuständigen Wohnsitzgemeindeamt die fehlenden Daten amtlich zu eruieren bzw eine Abfrage bei der zuständigen Krankenkasse durchzuführen. Dieser Brief blieb unbeantwortet.

Über Umwege gelangte die Mutter des Klägers im Juli 1992 zu einer Postfachadresse des Rene H*****, die sie dem Sachbearbeiter der beklagten Partei übergab.

Die beklagte Partei unternahm in der Zeit vom 11. 10. 1991 bis 25. 9. 1992 keine weiteren Versuche, um die Vaterschaft des Rene H***** feststellen zu lassen. Am 25. 9. 1992 wandte sich der Sachbearbeiter der beklagten Partei an das Österreichische Konsulat Luzern, weil die Mutter des Klägers mitgeteilt hatte, daß Rene H***** über ein bestimmtes Postfach zu erreichen sei. Am 15. 10. 1992 teilte das Österreichische Generalkonsulat Zürich der beklagten Partei mit, daß Rene H***** in einer Strafanstalt verstorben sei. Tatsächlich war Rene H*****, bereits am 8. 8. 1992, offensichtlich durch Einnahme einer Überdosis Heroin, in der Strafanstalt verstorben.

Die beiden Töchter des Rene H***** schlugen die Erbschaft aus. Die konkursamtliche Nachlaßliquidation wurde mit Entscheid des Amtsgerichtes Hochdorf, Kanton Luzern, Schweiz, vom 27. 9. 1993 als geschlossen erklärt.

Am 7. 7. 1994 brachte der durch die beklagte Partei vertretene Kläger die Klage auf Feststellung der Vaterschaft gegen die mj. Töchter des Rene H***** beim Bezirksgericht Linz ein. Die Klage wurde mit Urteil vom 17. 3. 1995 mangels Passivlegitimation abgewiesen. Gegen dieses Urteil wurde kein Rechtsmittel erhoben. Die beklagte Partei hätte jedenfalls auch nicht den Rat erteilt, gegen dieses Urteil ein Rechtsmittel zu erheben, weil sie von dessen Richtigkeit überzeugt war.

Da die Vaterschaft des Rene H***** gegenüber dem Kläger nicht rechtswirksam feststeht, hat der Kläger keinen Waisenpensionsanspruch gegenüber der Kantonalen Ausgleichskasse Aargau.

Das Jugendamt der beklagten Partei hat etwa 4.500 Minderjährige rechtlich zu betreuen. Dafür stehen 17 Mitarbeiter zur Verfügung. Wird das Jugendamt von einer Mutter mit der Feststellung der Vaterschaft im Sinn des § 212 ABGB befaßt, wird üblicher- und sinnvollerweise zunächst versucht, außergerichtlich ein Anerkenntnis des mutmaßlichen Vaters zu erlangen. Erst wenn dieser Versuch fehlschlägt, wird die Vaterschaftsklage bei Gericht eingebracht.

Der Kläger begehrt von der beklagten Partei den Ersatz einer Waisenrente für die Zeit bis einschließlich August 1996 in Höhe von S 205.944,-- sA, die er von der Kantonalen Ausgleichskassa Aargau im Fall einer Feststellung der Vaterschaft des Rene H***** erhalten hätte, sowie die Feststellung der Haftung der beklagten Partei für alle Schäden aus der mangelhaften Vertretung bei der Geltendmachung der Vaterschaft. Die beklagte Partei habe unvertretbarer Weise die Klage nicht sofort im Juli 1991 eingebracht. Selbst wenn es zuträfe, daß Rene H***** verzogen war, hätte das Verfahren bei ordnungsgemäßer Betreibung spätestens Ende Juli 1992 rechtskräftig beendet und die Vaterschaft des Rene H***** zum Kläger festgestellt werden können. Ferner sei haftungsbegründend, daß die beklagte Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Linz vom 17. 3. 1995 in Rechtskraft erwachsen lassen und der Mutter von einem Rechtsmittel abgeraten habe. Nach dem anzuwendenden schweizerischen Zivilrecht seien die Kinder des Rene H***** auch dann passiv legitimiert, wenn sie sich der Verlassenschaft entschlagen haben. Ein Verschulden der beklagten Partei liege auch darin, daß sie nach dem Tod des Rene H***** nicht in der Schweiz geklagt habe.

Die beklagte Partei wendete ein, es stehe keineswegs fest, daß Rene H***** der Vater des Klägers sei und eine biologische Untersuchung dies mit hinreichender Sicherheit ergeben hätte. Insofern mangle es einem allfälligem Fehlverhalten an der Kausalität für den eingetretenen Schaden. Im übrigen sei es übliche Vorgangsweise, zunächst zu versuchen, auf außergerichtlichem Weg zu einem Vaterschaftsanerkenntnis zu kommen. Das Jugendamt habe mehrere Schreiben an die österreichischen Vertretungsbehörden in der Schweiz gesendet, um die Sache voranzutreiben. Da dem Jugendamt der Aufenthalt des Rene H***** in der Strafanstalt erst kurz vor dessen Tod bekannt geworden sei, hätte eine Klage nur mehr ganz knapp vor dem Tod eingebracht werden können. Eine solche Klage sei schon aus zeitlichen Gründen ohne jede Aussicht auf Vaterschaftsfeststellung gewesen. Darin, daß das Urteil des Bezirksgerichtes Linz nicht angefochten wurde, liege kein Fehlverhalten, weil es der Rechtslage entsprechen habe. Auch eine in der Schweiz eingebrachte Klage hätte wegen des nach Art 68 schwIPRG für die Vaterschaftsklage anzuwendenden österreichischen Rechtes abgewiesen werden müssen.

Das Erstgericht wies die Klage ab; es stellte neben dem bereits eingangs wiedergegebenen Sachverhalt fest, daß der Seelsorger der Strafanstalt Lensburg mit Schreiben vom 28. 10. 1992 der Mutter des Klägers mitteilte, Rene H***** habe ihm von der Existenz eines Sohnes erzählt und ihm auch mitgeteilt, er wolle die Angelegenheit der Vaterschaftsfeststellung regeln. Das Erstgericht konnte nicht feststellen, ob es Rene H***** damit ernst war, "da er ja ohne entsprechende Schritte zu setzen, am 8. 8. 1992 aus dem Leben schied". Weiters stellte das Erstgericht fest, daß das Jugendamt bereits kurze Zeit nach dem erfolglosen Schreiben vom 11. 10. 1991 eine Vaterschaftsklage beim Bezirksgericht Linz hätte einbringen können. Selbst bei einer Klagsführung ab Oktober 1991 könne jedoch nicht gesagt werden, daß es bis zum Tod des Rene H***** zur Feststellung der Vaterschaft gekommen wäre.

In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht aus, daß die außereheliche Vaterschaft gemäß § 163b ABGB entweder durch Urteil oder durch Anerkenntnis festzustellen sei. Es stelle daher keinen Sorgfaltsverstoß dar, daß die beklagte Partei zuerst versuchte, die Feststellung der Vaterschaft außergerichtlich durch Anerkenntnis zu erlangen. Die gewählte Vorgangsweise sei üblich und auch sinnvoll. Ein weit teureres Gerichtsverfahren solle wohl erst dann eingeleitet werden, wenn der mutmaßliche Vater sich nicht außergerichtlich zu einem Anerkenntnis der Vaterschaft bereit findet. Bis zum 4. 10. 1991 könne jedenfalls in der Tätigkeit der beklagten Partei kein Fehlverhalten erblickt werden. Hinsichtlich dieses Verhaltens sei der Sorgfaltsmaßstab des § 1299 ABGB anzuwenden, weil sich die beklagte Partei zu der für ihre Tätigkeit erforderlichen Qualifikation öffentlich bekenne. Daß sie sich als besonderer Sachwalter zur Feststellung der Vaterschaft, nachdem sie mit Schreiben des Österreichischen Konsulats in Luzern vom 4. 10. 1991 informiert wurde, daß Rene H***** unbekannt verzogen war, nicht an das zuständige schweizerische Jugendamt mit der Bitte um Ausforschung des Aufenthalts gewandt bzw nicht die Klage auf Feststellung der Vaterschaft eingebracht habe, sondern vom 11. 10. 1991 bis 25. 9. 1992 untätig geblieben sei, sei allerdings zweifellos als sorgfaltswidriges Verhalten zu werten, das vom Maßstab eines maßstabgerechten Sachwalters abweiche.

Die Beweislast, daß dieses sorgfaltswidrige Verhalten zum Schadenseintritt geführt habe, liege allerdings beim Kläger. Es habe aber nicht festgestellt werden können, daß selbst bei früherer Einbringung der Vaterschaftsklage - dafür komme allenfalls ein Zeitraum ab Oktober 1991 in Betracht - die Vaterschaft des Rene H***** hätte rechtskräftig festgestellt werden können. Es gebe zwar Anzeichen dafür, daß Rene H***** tatsächlich der Vater des Klägers ist. Es gebe allerdings keine verläßlichen Anhaltspunkte dafür, daß er diese Vaterschaft auch anerkannt hätte. Nach der allgemeinen Lebenserfahrung sei aber nicht anzunehmen, daß ein Gerichtsverfahren bis zum Tod des Rene H***** rechtskräftig abgeschlossen werden hätte können. Sein Tod hätte den Prozeß gemäß § 155 ZPO unterbrochen. Mangels Rechtsnachfolge hätte er auch nicht wiederaufgenommen werden können.

Gemäß § 1300 ABGB sei ein Sachverständiger auch verantwortlich, wenn er in Angelegenheiten seiner Kunst oder Wissenschaft bloß aus Versehen einen nachteiligen Rat erteilt, falls er dies gegen Belohnung tut. Ein Rat im Rahmen eines öffentlich-rechtlichen Schuldverhältnisses sei allerdings als entgeltlich zu betrachten. Die beklagte Partei würde daher bei falscher Raterteilung (hier Einbringung der Klage bzw Nichterhebung eines Rechtsmittels) auch dann haften, wenn sie unentgeltlich tätig geworden sei.

Eine Berufung gegen das Urteil des Bezirksgerichtes Linz, mit dem die Klage auf Feststellung der außerehelichen Vaterschaft des Rene H***** gegen seine beiden mj. Töchter abgewiesen wurde, hätte erfolglos bleiben müssen, weil das Urteil der anzuwendenden Rechtslage entsprochen habe. Weil Rene H***** schweizerischer Staatsbürger gewesen sei, habe das Bezirksgericht Linz aufgrund des Auslandsbezuges das österreichische IPRG anzuwenden gehabt. Nach § 25 IPRG sei die Voraussetzung zur Feststellung der Vaterschaft zu einem unehelichen Kind nach dessen Personalstatut im Zeitpunkt der Geburt zu beurteilen. Da der Kläger österreichischer Staatsbürger sei, habe das Bezirksgericht Linz daher österreichisches materielles Recht anzuwenden gehabt. Gemäß § 164d ABGB könne die Vaterschaftsklage auch gegen die Rechtsnachfolger des mutmaßlichen Vaters eingebracht werden. Bei der Lösung der Frage der Rechtsnachfolge sei als Teilfrage kollisionsrechtlich gesondert an § 28 IPRG anzuknüpfen. Demnach sei die Rechtsnachfolge von Todes wegen nach der für das Personalstatut des Erblassers geltenden Rechtsordnung zu beurteilen, hier nach dem schweizerischen Zivilgesetzbuch. Aufgrund des Prinzips der kanalisierten Verweisung werde dabei nur auf das schweizerische Erbrecht verwiesen. Nach Art 560 ZGB erwürben die Erben die Erbschaft als Ganzes mit dem Tod des Erblassers kraft Gesetzes, soweit sie die Erbschaft nicht fristgerecht ausgeschlagen haben (Art 566 und 567 ZGB). Daß es nach dem Schweizer Familienrecht (vgl Art 261 ZGB) in derartigen Vaterschaftssachen kein Entschlagungsrecht gebe, sei aufgrund des Prinzips der kanalisierten Verweisung und des dadurch gegebenen Umstandes, daß ausschließlich das schweizerische Erbrecht und nicht dessen Ausnahmen im Familienrecht anzuwenden sind, unbeachtlich. Tatsächlich hätten sich die mj. Töchter des Rene H***** der Erbschaft entschlagen, weshalb eine konkursamtliche Nachlaßliquidation stattgefunden habe. Mangels Rechtsnachfolger sei daher die beim Bezirksgericht Linz eingebrachte Klage auf Vaterschaftsfeststellung richtigerweise abzuweisen gewesen. Der Vorwurf, die beklagte Partei habe sorgfaltswidrig gehandelt, weil sie das Urteil in Rechtskraft habe erwachsen lassen, sei daher nicht stichhaltig.

Aber auch die Einbringung der Klage in der Schweiz wäre aussichtslos gewesen. Gemäß Art 68 ZGB habe das Schweizer Gericht bei Vaterschaftsklagen das Recht am gewöhnlichen Aufenthaltsort des Kindes anzuwenden. Das Schweizer Gericht hätte daher aufgrund des Aufenthaltes des mj. Klägers in Österreich materielles österreichisches Recht anzuwenden gehabt. Nach dem Tod des Rene H***** wäre die Rechtslage daher wiederum identisch gewesen.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers nicht Folge und sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes hinsichtlich des Feststellungsbegehrens S 50.000,-- übersteigt und die ordentliche Revision nicht zulässig sei, weil das Berufungsgericht bei der hier maßgeblichen Frage der Beweislastverteilung von der zitierten gesicherten Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes nicht abgewichen sei und die weitere Frage, inwieweit auf den vorliegenden Fall Schweizer Recht anzuwenden sei, schon nach dem klaren Wortlaut der kollisionsrechtlichen Normen zu lösen sei. In rechtlicher Hinsicht führte das Berufungsgericht aus, nach der eindeutigen Anordnung des § 25 Abs 1 IPRG seien die Voraussetzungen für die Feststellung der Vaterschaft zu einem unehelichen Kind nach dessen Personalstatut zum Zeitpunkt der Geburt zu beurteilen. Aufgrund der österreichischen Staatsbürgerschaft des Klägers sei daher die Vaterschaftsklage grundsätzlich nach österreichischem Recht zu beurteilen; dies gelte auch für die Beurteilung der Passivlegitimation in einem Vaterschaftsprozeß. Nach § 164d ABGB könne die Vaterschaftsklage - wenn etwa eine Geltendmachung gegenüber dem mutmaßlichen Vater im Sinn des § 164c ABGB nicht mehr möglich sei - auch gegen seinen Gesamtrechtsnachfolger gerichtet werden. Nur zur Klärung der Frage, ob eine derartige Rechtsnachfolge vorliege, sei nach § 28 Abs 1 IPRG Schweizer Recht anzuwenden. Auch nach diesem Recht könnten jedoch die mj. Kinder des Rene H***** in der Schweiz angesichts ihrer Entschlagung nicht Gesamtrechtsnachfolger geworden sein, was für ihre Passivlegitimation nach § 164d ABGB aber erforderlich gewesen wäre. Aufgrund dieser österreichischen Rechtslage hätte auch eine Klagseinbringung in der Schweiz zu keinem anderen Ergebnis führen können, weil nach Art 68 ZGB für die Vaterschaftsklage das Recht am gewöhnlichen Aufenthalt des Kindes anzuwenden sei.

Daß aus der Existenz des EWR kein Gleichbehandlungsgebot in familienrechtlichen Angelegenheiten zwischen EU-Bürgern und Bürgern jener Staaten, welche der EU oder dem EWR nicht angehören, abgeleitet werden könne, bedürfe keiner näheren Ausführung.

Zur Rechtsfrage der Beweislastverteilung sei festzuhalten, daß auch bei Haftungsprozessen gegen Bevollmächtigte wegen schuldhafter und schadensstiftender Unterlassungen grundsätzlich den Geschädigten die Beweislast für die Kausalität zwischen rechtswidrig-schuldhaftem Verhalten des Schädigers und dem beim Geschädigten eingetretenen Schaden treffe. Allerdings komme bei einer Beweisführung über die Kausalität einer Unterlassung in der Regel nur eine Bedachtnahme auf die Wahrscheinlichkeit des Tatsachenzusammenhangs in Betracht. Der Geschädigte sei dafür beweispflichtig, daß überwiegende Gründe dafür vorliegen, der Schaden sei durch das Verhalten des Beklagten herbeigeführt worden. Die Gegenpartei könne dann den typischen Geschehensablauf in Zweifel ziehen, in dem sie einen anderen Tatsachenzusammenhang gleich wahrscheinlich mache oder eine andere ernstlich in Betracht zu ziehende Möglichkeit des Geschehensablaufs aufzeige. Gelinge ihm das, dann müsse der Beweispflichtige den vollen Beweis führen. Hier sei es dem Kläger nicht gelungen, auch nur im Sinn einer überwiegenden Wahrscheinlichkeit einen Beweis zu erbringen, wonach bei Einbringung einer Klage schon im Oktober 1991 der Vaterschaftsprozeß gegen Rene H***** bis August 1992 rechtskräftig hätte abgeschlossen werden können.

Die außerordentliche Revision des Klägers ist zulässig, weil zu den Voraussetzungen der Haftung des Jugendwohlfahrtsträgers als Sachwalter des unehelichen Kindes gemäß § 212 Abs 2 ABGB im Zusammenhang mit der Feststellung der Vaterschaft eines ausländischen mutmaßlichen Vaters keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes vorliegt; sie ist auch berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Der Jugendwohlfahrtsträger als Amtsvormund, Sachwalter kraft Gesetzes, bestellter Vormund oder solcher Sachwalter, dh jene Gebietskörperschaft, der er funktionell zuzurechnen ist, das sind das Bundesland für die Bezirksverwaltungsbehörde und (hier) die Statutarstadt für ihren Magistrat, haftet nach bürgerlichem Recht, nicht aber nach AHG, weil er dadurch keine Hoheitsverwaltung besorgt (SZ 59/98; Pichler in Rummel, ABGB2 Rz 4 zu § 264 mwN; Schlemmer in Schwimann, ABGB2 Rz 5 zu § 264 mwN).

Der Kläger macht mehrere Gründe geltend, die eine Haftung der beklagten Partei begründen sollen. Das schuldhafte Verhalten der beklagten Partei soll erstens darin bestehen, daß sie die Vaterschaftsklage nicht bereits im Juli 1991 eingebracht hat. Wie die Vorinstanzen zutreffend erkannt haben, liegt eine der beklagten Partei vorzuwerfende Säumnis darin, daß sie nach Einlangen der Mitteilung des Österreichischen Konsulats Luzern vom 4. 10. 1991, wonach die Adresse des mutmaßlichen Vaters nicht ausfindig gemacht werden könne, zwar am 11. 10. 1991 dieses Konsulat ersuchte, die Daten amtlich zu ermitteln, danach aber bis 25. 9. 1992 keine weiteren Schritte unternahm. Diese Säumnis ist der beklagten Partei bei Anwendung des Sorgfaltsmaßstabs des § 1299 ABGB vorzuwerfen, weil sie vom Maßstab eines sorgfältigen Sachwalters abweicht.

§ 1299 ABGB ist jedoch keine Anspruchsgrundlage (EvBl 1975/4; Harrer in Schwimann, ABGB2 Rz 3 zu § 1299) und enthält keine Umkehrung der Beweislast, sondern hebt nur den Grad der Diligenzpflicht besonders hervor (EvBl 1957/63; SZ 35/130; JBl 1972, 426 ua). Auch bei erwiesenem Verschulden des Bevollmächtigten trifft den Geschädigten die Beweislast für den Kausalzusammenhang zwischen dem vertragswidrigen Verhalten und dem eingetretenen Schaden (SZ 52/15; SZ 54/179; RdW 1987, 96 ua), auch wenn es sich um eine Unterlassung handelte (EvBl 1957/171; RdW 1987, 96 mwN). Eine Unterlassung ist dann für den Schadenserfolg kausal, wenn die Vornahme eines bestimmten und möglichen aktiven Handelns das Eintreten des Erfolges verhindert hätte. Keine Kausalität liegt vor, wenn derselbe Nachteil auch bei pflichtgemäßem Tun entstanden wäre. Bei einer Beweisführung über die Kausalität einer Unterlassung kommt allerdings, wie der Oberste Gerichtshof wiederholt ausgeführt hat, in der Regel nur eine Bedachtnahme auf die Wahrscheinlichkeit des Tatsachenzusammenhanges in Betracht. Der Geschädigte ist dafür beweispflichtig, daß überwiegende Gründe dafür vorliegen, der Schaden sei durch das Verhalten des Beklagten herbeigeführt worden. Die Gegenpartei kann dann den typischen Geschehensablauf in Zweifel ziehen, indem sie einen anderen Tatsachenzusammenhang gleich wahrscheinlich macht oder eine ernstlich in Betracht zu ziehende Möglichkeit des Geschehensablaufs aufzeigt (ZVR 1977/231; NZ 1980, 73; RZ 1982/49; EvBl 1983/120; RdW 1987, 96). An einen für die Haftungsbegründung erforderlichen Kausalitätsbeweis darf jedoch keine allzu strengen Anforderungen gestellt werden (JBl 1990, 458).

Für eine - vom Revisionswerber angestrebte - Umkehr der Beweislast im Fall einer Säumnis des gemäß § 212 Abs 2 ABGB einschreitenden Sachwalters besteht keine gesetzliche Grundlage; die Sachlage ist hier gleich zu beurteilen wie bei der Säumnis eines sonstigen Vertreters, der der Qualifikation des § 1299 ABGB unterliegt.

Im vorliegenden Fall ist der mutmaßliche Vater bereits am 8. 8. 1992 verstorben. Der Kläger hat nach den Tatsachenfeststellungen der Vorinstanzen nicht den Beweis erbracht, daß vorher die Vaterschaft anerkannt oder durch gerichtliches Urteil festgestellt worden wäre. Für die Bereitschaft zu einem Anerkenntnis der Vaterschaft bei rechtzeitiger Kontaktaufnahme besteht kein konkreter Anhaltspunkt. Für die Beurteilung der Möglichkeit einer Feststellung der Vaterschaft durch gerichtliche Entscheidung ist, abgesehen von der zu erwartenden Dauer eines Vaterschaftsprozesses, zu berücksichtigen, daß es der beklagten Partei ja noch oblag, überhaupt den Aufenthalt des mutmaßlichen Vaters ausfindig zu machen. Die Beurteilung der Vorinstanzen, daß der Kläger den ihm obliegenden Beweis der Kausalität auch nicht prima facie erbracht hat, wird vom Obersten Gerichtshof gebilligt.

Die Haftung der beklagten Partei wird auch damit begründet, daß das Urteil des Bezirksgerichtes Linz, mit dem die nach dem Tod des mutmaßlichen Vaters gegen die Kinder eingebrachte Vaterschaftsklage abgewiesen wurde, nicht mit Berufung angefochten wurde.

Hiezu ist zu erwägen:

Der Kläger ist österreichischer Staatsbürger, der mutmaßliche Vater hingegen schweizerischer Staatsbürger. Für den hier vorliegenden Sachverhalt mit Auslandsbeziehung sieht § 25 Abs 1 Satz 1 IPRG vor, daß die Voraussetzungen der Feststellung (und der Anerkennung) der Vaterschaft zu einem unehelichen Kind nach dessen Personalstatut im Zeitpunkt der Geburt zu beurteilen sind. Hier ist somit materielles österreichisches Recht anzuwenden.

Nach § 164c Z 1 ABGB steht das Recht zur Klage auf Feststellung der Vaterschaft dem unehelichen Kind gegen den mutmaßlichen Vater zu; die Vaterschaftsklage kann nach § 164d ABGB nach dem Tod des mutmaßlichen Vaters gegen dessen Rechtsnachfolger eingebracht werden. Wer Rechtsnachfolger des mutmaßlichen Vaters ist, muß gemäß dem zumindest analog anzuwendenden § 28 Abs 1 IPRG nach der für dessen Personalstatut des Erblassers geltenden Rechtsordnung gelöst werden; darauf, ob der als Rechtsnachfolger des angeblichen Vaters Belangte auch nach österreichischem Recht dessen Rechtsnachfolger wäre, kommt es grundsätzlich nicht an (vgl SZ 47/64). Da der mutmaßliche Vater schweizerischer Staatsbürger war, ist die Frage, wer sein Rechtsnachfolger ist, nach den Bestimmungen des schweizerischen ZGB zu beurteilen.

Nach Art 261 Abs 2 ZGB richtet sich die Klage auf Festellung der Vaterschaft nach dem Tod des Vaters, dh des Mannes, der nach der Behauptung des Klägers das Kind gezeugt haben soll, nicht mehr wie früher für die bis 1. 1. 1978 geborenen Kinder - so wie nach österreichischer Rechtslage - gegen die Erben, sondern unabhängig davon gegen die Nachkommen, die Eltern oder Geschwister oder, wenn solche fehlen, gegen die zuständige Behörde des letzten Wohnsitzes des Vaters (Hegnauer in BernerKomm ZGB4 Rz 78 zu Art 261;

Tuor/Schnyder/Schmid, Das Schweizerische Zivilgesetzbuch11, 293;

Stettler in Schweizerisches Privatrecht III/2 49). Die Vaterschaftsklage richtet sich als Statusklage nicht gegen die nur vermögensrechtlich betroffenen Erben, sondern primär gegen seine Nachkommen (Hegnauer aaO).

Bei der Beurteilung, gegen wen nach dem Tod des mutmaßlichen Vaters als dessen Rechtsnachfolger iSd § 164d ABGB die Vaterschaftsklage eingebracht werden kann, ist somit nicht auf diejenigen Bestimmungen des schweizerischen ZGB abzustellen, welche die Gesamtrechtsnachfolge regeln. Der Umstand, daß im vorliegenden Fall die Kinder des mutmaßlichen Vaters die ihnen zugefallene Erbschaft nach Art 566 Abs 1 schwZGB ausgeschlagen hatten und somit nach der erbrechtlichen Regelung nicht Gesamtrechtsnachfolger sind, ist hier bedeutungslos. Die Kinder des mutmaßlichen Vaters sind vielmehr unabhängig davon als dessen Nachfolger für die Vaterschaftsklage passiv legitimiert. Die Angehörigen können sich nicht durch Ausschlagung der Erbschaft der Passivlegitimation entziehen (Hegnauer aaO Rz 80). Sie trifft in diesem Fall keine Unterhaltspflicht; die durch Vaterschaftsklage gegen sie erwirkte Feststellung der Vaterschaft ist jedoch die notwendige Grundlage für alle aus dem Tod des Vaters abgeleiteten Rechte des Kindes, insb die (hier nach Liquidation des Nachlasses nicht in Frage kommenden) erbrechtlichen Ansprüche und die Sozialversicherungsrenten (Hegnauer aaO Rz 77).

Die Abweisung der Vaterschaftsklage wegen mangelnder passiver Klagslegitimation der Kinder des mutmaßlichen Vaters ist somit rechtsirrig erfolgt. Die Entscheidung SZ 47/64, auf die sich die Vorinstanzen berufen, ist im übrigen zum alten schweizerischen Recht ergangen, wonach sich die Klage nach dem Tod des mutmaßlichen Vaters gegen die Erben gerichtet hat.

Die Haftung der beklagten Partei kann somit nicht deshalb verneint werden, weil die Erhebung der Berufung gegen das die Vaterschaftsklage abweisende Urteil erfolglos gewesen wäre. Der beklagten Partei ist es als Verschulden zuzurechnen, daß sie sich nicht Klarheit über diese Rechtslage verschafft; gerade bei Zweifeln über die Rechtslage wäre ein gewissenhafter Vertreter zur Einbringung der Berufung verpflichtet gewesen.

Dem Erstgericht obliegt es, nunmehr zu prüfen, ob dem Erfolg der Vaterschaftsklage andere Gründe entgegengestanden wären und ob dem Kläger nach Erwirkung eines Vaterschaftsurteils ein Anspruch auf Waisenrente nach Art 25 ff schwAHVG zugestanden wäre.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 52 ZPO.

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