OGH 3Ob295/98y

OGH3Ob295/98y15.9.1999

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Angst als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Graf, Dr. Pimmer, Dr. Zechner und Dr. Sailer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. Herta E*****, und 2. DI Adolf E*****, beide vertreten durch Dr. Joachim W. Leupold und Mag. Eleonore Neulinger, Rechtsanwälte in Irdning, gegen die beklagte Partei DI Franz G*****, vertreten durch Dr. Theodor Strohal und Dr. Wolfgang G. Kretschmer, Rechtsanwälte in Wien, wegen Unterlassung (Streitwert S 80.000), infolge außerordentlicher Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Leoben als Berufungsgericht vom 29. September 1998, GZ 3 R 157/98i-16, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Irdning vom 9. März 1998, GZ C 439/97 g-11, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, den klagenden Parteien die mit S 6.695,04 (darin enthalten S 1.115,84 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die klagenden Parteien sind je zur Hälfte Eigentümer einer Liegenschaft EZ 7 Grundbuch T*****, zu der ua die Grundstücke 1058/1, 1058/2 und 1058/4 gehören. Sie betreiben dort eine Zimmervermietung.

Der Beklagte und seine Gattin sind je zur Hälfte Eigentümer der angrenzenden Liegenschaft, bestehend aus dem Grundstück 1057 Baufläche und Garten.

Der Beklagte erwarb einen Teil dieses Grundstücks bereits im Jahr 1958, den anderen Teil erhielt er im Notariatsakt vom 11. 3. 1971 von seinem Vater geschenkt. In der Aufsandungsvereinbarung vom 30. 1. 1958 wurde zu Lasten des nunmehrigen Grundstücks 1058/1 dem Beklagten und seinen Rechtsnachfolgern als Eigentümer des Grundstücks 1057 ein Geh- und Fahrrecht eingeräumt und in der Folge auch verbüchert. Aufgrund der Löschungsurkunde vom 29. 6. 1971 wurde dieses Geh- und Fahrrecht über das nunmehrige Grundstück 1058/1 wieder gelöscht. Mit Beschluß des Bezirksgerichtes Irdning vom 24. 10. 1977 wurde aufgrund des rechtskräftigen Zusammenlegungsplanes der Agrarbezirksbehörde Stainach vom 16. 3. 1977 zugunsten des jeweiligen Eigentümers des Grundstücks 1057 neuerlich das Geh- und Fahrrecht über das Grundstück 1058/1 einverleibt.

Im Schenkungsvertrag vom 11. 3. 1971 ist in Punkt 3 festgelegt:

"... Der Geschenkgeber räumt für sich und seine Rechtsnachfolger im Besitze des genannten Grundstreifens des restlichen Abfindungskomplexes 24/b der Liegenschaft Einlagezahl 7 Katastralgemeinde T***** dem Geschenknehmer für diesen und dessen Rechtsnachfolger im Besitze des Vertragsobjektes für immerwährende Zeiten das Recht ein, unentgeltlich über diesen, den Parteien bekannten, derzeit asphaltierten Grundstreifen zur Nordwestecke des Vertragsobjektes zu gehen und mit ortsüblichen Fahrzeugen, auch Kraftfahrzeugen, zu fahren sowie diesen Weg bis zur Nordwestecke des Vertragsobjektes von der öffentlichen Straße her stets im derzeitigen Zustande zu erhalten.

Die Parteien stellen ausdrücklich fest, daß der jeweilige Eigentümer des restlichen Abfindungskomplexes 24/b jederzeit das Recht hat, von der Straße her diesen asphaltierten Weg und weiter den eingangs genannten Rasenwegstreifen gegen Osten zu landwirtschaftlichen Nutzungszwecken zum Gehen und Fahren zu benützen.

Dieser ganze Weg, also der asphaltierte Weg und derzeit bestehende Rasenstreifen darf jedoch nicht für andere Zwecke als für die landwirtschaftliche Nutzung des östlich des Vertragsobjektes befindlichen restlichen Abfindungskomplexes 24/b verwendet werden.

Der Geschenkgeber beabsichtigt, seinen restlichen Realbesitz, also auch den restlichen Abfindungskomplex 24/b, seiner Tochter Frau Herta E***** zu übergeben.

Sollte Frau Herta E***** oder einer ihrer Familienangehörigen sich auf dem anschließend an das Vertragsobjekt gegen Osten befindlichen Abfindungskomplex 24/b ein Bauwerk errichten, so kann sowohl der asphaltierte Weg als auch der heute als Rasenweg bezeichnete Grundstreifen auch zum Gehen und Fahren zu diesem Bauobjekt mit Fahrzeugen jeder üblichen Art, auch Kraftfahrzeugen, also nicht nur mit landwirtschaftlichen Fuhrwerken, benützt werden.

Sollte jedoch an Familienfremde anschließend an das Vertragsobjekt ein Baugrund verkauft werden, so hat der jeweilige Eigentümer dieses Baugrundes kein Recht, diesen Weg überhaupt zu benützen, dies auch dann, wenn anschließend an einen Baugrund und einem Bauwerk eines Familienangehörigen weiter gegen Osten ein Baugrund verkauft wird."

Dieser Schenkungsvertrag wurde am 20. 7. 1971 grundbücherlich durchgeführt. Mit Übergabsvertrag vom 7. 4. 1971 hat der Vater der Erstklägerin und des Beklagten seine restliche Liegenschaft EZ 7 KG T***** an die Erstklägerin übergeben, dies mit Ausnahme eines Trennstückes im Ausmaß von ungefähr 500 m**2. Dieser Vertrag, der am 3. 8. 1971 grundbücherlich durchgeführt wurde, enthält für die Übernehmerin umfangreiche Ausgedingsverpflichtungen. Hinweise auf die im Schenkungsvertrag vom 11. 3. 1971 enthaltenen Belastungen des Grundstücks 1058/1 finden sich im Übergabsvertrag nicht.

Der Zweitkläger, der die Erstklägerin bereits am 19. 8. 1967 geheiratet hatte, wurde aufgrund eines Ehepaktes vom 8. 4. 1975 Hälfteeigentümer der EZ 7 KG T*****. Bei Abschluß des Schenkungsvertrags vom 11. 3. 1971 war der Zweitkläger nicht anwesend.

In den Jahren 1973 bis 1977 bauten die Kläger auf ihrer Liegenschaft das neue Haus mit der Hausnummer T***** Nr 189. In diesem Haus begannen sie dann mit der Vermietung von Zimmern.

Die kürzeste Verbindung von der Liegenschaft der Kläger bzw ihrem Haus T***** Nr 189 in das Ortszentrum von T***** führt über das Grundstück 1058/1 und sodann über eine Gemeindestraße. Vom Ortszentrum T***** kommend ist der Weg auf dem Grundstück 1058/1 zuerst bis zum Haus des Beklagten asphaltiert, die Fortsetzung bildet ein einfacher Wiesenweg.

Zum Haus der Kläger gibt es eine Zufahrt zur Landesstraße über einen auf dem Grundstück 1058/4 befindlichen Weg.

Die Kläger haben immer wieder Gäste aus ihrer Zimmervermietung ermutigt, den Wiesenweg über das Grundstück 1058/1 zu benutzen, um in das Ortszentrum von T***** zu gelangen. Seit 1978 hat der Beklagte zumindest ein- bis zweimal im Jahr zu Gästen der Kläger gesagt, daß sie diesen Weg nicht benützen dürften. Viele Gäste waren daraufhin verärgert, einige benützten infolge des Verbotes durch den Beklagten den Weg auch nicht mehr.

Die Kläger haben mit notariellem Schenkungs- und Erbvorhilfevertrag vom 11. 12. 1996 das Grundstück 1058/3 Baufläche ihrem Sohn Andreas übergeben. Dessen Eigentumsrecht wurde mit Beschluß des Bezirksgerichtes Irdning vom 15. 4. 1997 verbüchert. Der Sohn der Kläger beabsichtigt, auf dem Grundstück ein Wohnhaus mit angebauter Garage zu errichten. Die Baubewilligung dafür wurde mit Bescheid der Gemeinde T***** vom 21. 5. 1997 erteilt. Die Kläger haben ihrem Sohn das Geh- und Fahrrecht mit Fahrzeugen aller Art über ihr Grundstück 1058/1 vorläufig eingeräumt, um das Baugrundstück auch von Westen her aufzuschließen. Dieses Wegerecht ist nicht verbüchert.

Anläßlich der Bauverhandlung betreffend das Wohnhaus des Sohnes der Kläger gab der Beklagte eine schriftliche Stellungnahme ab, in der er festhielt, daß der Sohn der Kläger diesen Weg zwar grundsätzlich benützen dürfe, er sich aber vorher mit dem Beklagten als Nutzungsberechtigten ins Einvernehmen zu setzen habe. Der Beklagte sagte zu ihm ausdrücklich, er solle ihn jeweils um Erlaubnis fragen, wenn er über den Weg auf dem Grundstück 1058/1 zu seinem Haus zufahren wolle. Der Beklagte behauptete den Klägern gegenüber mehrfach, daß der Weg über das Grundstück der Kläger nur zur landwirtschaftlichen Zwecken verwendet werden dürfe.

Die Kläger begehren das Urteil auszusprechen, der Beklagte sei schuldig, die Behauptung, der über das in ihrem Eigentum stehende Grundstück 1058/1 Grundbuch T***** führende Weg dürfe nur zu landwirtschaftlichen Zwecken zum Gehen und Fahren verwendet werden und dürfe ohne Zustimmung des Beklagten nur von ihnen persönlich, nicht aber von ihrem Sohn Andreas und ihren Gästen benützt werden, oder ähnliche Äußerungen hinsichtlich der Benützung des genannten Weges zu unterlassen, in eventu auszusprechen, der Beklagte sei schuldig, Dritten gegenüber, wie insbesondere ihrem Sohn sowie ihren Gästen und Besuchern gegenüber, die Behauptung, der über das in ihrem Eigentum stehende Grundstück 1058/1 führende Weg dürfe ohne seine Zustimmung nur zu landwirtschaftlichen Zwecken zum Gehen und Fahren, nicht aber von Dritten, wie insbesondere ihrem Sohn Andreas und ihren Gästen und Besuchern benützt werden oder ähnliche Äußerungen hinsichtlich der Benutzung des genannten Weges zu unterlassen. Zur Begründung brachten sie vor, der Beklagte mache ihnen das Verfügungsrecht über den über ihr Grundstück führenden Weg streitig; er habe mehrfach behauptet, der Weg über ihr Grundstück dürfe nur zu landwirtschaftlichen Zwecken verwendet werden, für die geplante Nutzung als Zufahrt zum Baugrundstück ihres Sohnes müsse vorher das Einvernehmen mit ihm hergestellt werden, ihr Sohn müsse ihn vor jeder einzelnen Wegbenützung um Erlaubnis fragen. Weiters habe er ihren Gästen verboten, den Weg über das Grundstück 1058/1 zu benutzen, um auf ihr Grundstück 1058/2 zu gelangen. Gegenüber dem Erstkläger habe er mehrfach behauptet, der Weg dürfe nur von beiden Klägern begangen, nicht aber befahren und von den Gästen und ihrem Sohn überhaupt nicht benützt werden. Der Beklagte vertrete offenbar den Standpunkt, er sei berechtigt, ihnen die Art der Benützung des über ihr Grundstück führenden Weges vorzuschreiben. Sie befürchteten daher weitere Eingriffe in ihr Eigentumsrecht; insbesondere sei das Verhalten des Beklagten gegenüber den Gästen ihrer Zimmervermietung untragbar. Es bestehe Wiederholungsgefahr, die eine Unterlassungsklage rechtfertige.

Der Beklagte wendete ein, seine Behauptungen seien jedenfalls vom Grundrecht auf freie Meinungsäußerung umfaßt. Die bloße Behauptung eines die Freiheit des Eigentums beschränkenden Rechtes könne überdies nicht den Anlaß zur Erhebung einer Eigentumsfreiheitsklage bilden; konkrete Störungshandlungen durch ihn oder durch Dritte würden nicht behauptet. Die Kläger müßten die nicht verbücherte Servitut laut Schenkungsvertrag vom 11. 3. 1971 gegen sich gelten lassen; sie seien bei Abschluß des betreffenden Notariatsakts anwesend gewesen und hätten seinen Inhalt gekannt; die Erstklägerin sei weiters Rechtsnachfolgerin des Geschenkgebers.

Das Erstgericht gab der Klage mit ihrem Hauptbegehren statt; es stellte den eingangs wiedergegebenen Sachverhalt fest, konnte jedoch nicht feststellen, ob die Erstklägerin bei der Besprechung des Schenkungsvertrages vom 11. 3. 1971 bzw bei dessen Unterfertigung in der Kanzlei des hiemit befaßten Notars anwesend war und ob die Erstklägerin oder der Zweitkläger zur Zeit des Abschlusses des Übergabsvertrages hinsichtlich der Liegenschaft EZ 7 Grundbuch T***** oder zur Zeit der grundbücherlichen Durchführung dieses Übergabsvertrags von der im Schenkungsvertrag vom 11. 3. 1971 zwischen dem Beklagten und dessen Vater vereinbarten Dienstbarkeit über die nur eingeschränkte Nutzung des Weges über das Grundstück 1058/1 wußte.

In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht aus, eine Eigentumsfreiheitsklage gemäß § 523 ABGB könne von den Eigentümern nur dann erhoben werden, wenn eine Störung, ein unbefugter Eingriff in ihr Eigentumsrecht bestehe. Eine bloße Behauptung eines die Freiheit des Eigentums beschränkenden Rechtes wäre noch keine Anmaßung und könnte daher mit der Eigentumsfreiheitsklage nicht geltend gemacht werden. Die vom Beklagten ausgesprochenen Verbote stellten aber einen über eine bloße Behauptung hinausgehenden Eingriff in die Eigentumsrechte der Kläger dar. Bereits das Aufstellen einer Tafel "Privatweg - Nichtberechtigten Befahren und Begehen verboten" durch den Eigentümer auf dem Servitutsweg zu einem Gasthaus sei als unzulässiger Eingriff in die Servitut zu werten. Der Ansicht des Beklagten, daß ein mündliches Verbot nie eine derartige Störungshandlung sein könne, sei insoferne nicht zu folgen, als die vom Beklagten über viele Jahre hindurch geäußerten Verbote gegenüber Gästen der Kläger und auch gegenüber deren Sohn insgesamt doch von einer solchen Intensität gewesen seien, daß die Verunsicherung der Betroffenen in diesem Fall wohl zumindest gleich groß wie durch ein etwaiges Verbotsschild gewesen sei. Die Handlungen des Beklagten könnten somit nicht als "bloße Behauptung" eines die Freiheit des Eigentums der Kläger beschränkenden Rechtes gewertet werden, sondern stellten die Anmaßung einer Servitut durch den Beklagten im Sinn des § 523 ABGB dar. Dies werde auch dadurch sichtbar, daß der Beklagte - wenn seine gegenüber den Gästen der Kläger geäußerten Verbote sie vom Begehen des Weges abhalten würden - die von ihm behauptete Dienstbarkeit auch durch Ersitzung erwerben könnte. Eine solche Anmaßung liege natürlich dann nicht vor, wenn der Beklagte den Beweis erbrächte, daß sein Eingriff in das Recht der Kläger aufgrund einer aufrechten Dienstbarkeit zu Lasten von deren Liegenschaft zulässig wäre. Die vom Beklagten mit seinem Vater im Schenkungsvertrag vom 11. 3. 1971 vereinbarte Dienstbarkeit, die zu einer Beschränkung des Eigentumsrechtes am Grundstück 1058/1 führen würde, sei gegenüber dem nunmehrigen Eigentümer nur dann wirksam, wenn die Erstklägerin zum Zeitpunkt des Abschlusses des Übergabsvertrags bzw zumindest zum Zeitpunkt der grundbücherlichen Einverleibung ihres Eigentumsrechtes gewußt hätte, daß am 11. 3. 1971 eine derartige Dienstbarkeit vereinbart wurde, oder wenn sie dies zumindest hätte wissen müssen. Ansonsten hätte die Erstklägerin und in der Folge auch der Zweitkläger die Liegenschaft ohne die vom Beklagten behauptete Dienstbarkeit erworben. Der Inhalt dieser weiteren Dienstbarkeit sei auch so untypisch, daß ein Erwerber ohne konkretes Wissen von ihrer Vereinbarung keinesfalls von ihrem Bestehen ausgehen habe müssen.

Auch wenn der Beklagte sich auf das Recht auf freie Meinungsäußerung berufe, könne dies seinem Rechtsstandpunkt nicht zum Durchbruch verhelfen. Eine Meinungsäußerung sei grundsätzlich zwar auch dann geschützt, wenn sie falsch oder verletzend ist, das Recht auf freie Meinungsäußerung stehe jedoch sowohl nach Art 13 Staatsgrundgesetz als auch nach Art 10 MRK unter Gesetzesvorbehalt. Jene Bestimmungen des ABGB, die einem Eigentümer gerichtlichen Schutz für den Fall eines Eingriffs in sein Eigentum gewähren, insbesondere § 523 ABGB, seien verfassungsrechtlich zulässige, einfachgesetzliche Einschränkungen des Rechtes auf freie Meinungsäußerung. Es wäre daher für den Beklagten geboten gewesen, sich nicht durch mündliche Verbote gegenüber den Gästen und dem Sohn der Kläger eine Dienstbarkeit anzumaßen und somit rechtswidrig in das Eigentum der Kläger einzugreifen. Da auch nach der nunmehrigen Rechtsmeinung des Beklagten die Gefahr bestehe, daß er weiterhin in das Eigentum der Kläger eingreifen würde, sei das Erheben einer Unterlassungsklage jedenfalls gerechtfertigt. Den Klägern sei es freigestanden, nur den Beklagten als Störer oder den Beklagten und seine Gattin als Miteigentümer des angeblich herrschenden Grundstückes nach § 523 ABGB zu klagen.

Das Berufungsgericht bestätigte infolge Berufung des Beklagten dieses Urteil und sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes im Hinblick auf die mit der Klage verfolgten Interessen insgesamt S 260.000 übersteigt und die ordentliche Revision nach § 502 Abs 1 ZPO mangels Vorliegens der gesetzlichen Voraussetzungen nicht zulässig sei.

In rechtlicher Hinsicht führte das Berufungsgericht aus, es sei nicht erwiesen, daß zwischen Vater und Tochter übereinstimmende Willenserklärungen über die in Rede stehende Eigentumsbeschränkung zustandekamen. Damit sei die vom Beklagten als "Servitut" bezeichnete Eigentumsbeschränkung laut Schenkungsvertrag nur ein Wunsch des Vaters, der für die Rechtswelt ohne Bedeutung sei. Den Klägern stehe das unbeschränkte Eigentum an ihrer Liegenschaft zu.

Richtig sei, daß die bloße Behauptung eines die Freiheit des Eigentums beschränkenden Rechtes nicht mit der Eigentumsfreiheitsklage abgewehrt werden könne. Hier greife aber der Beklagte nicht nur durch eine bloße Behauptung, sondern dadurch unbefugt und störend in das Eigentum der Kläger ein, daß er ihrem Sohn und ihren Gästen durch die festgestellten Äußerungen die Benützung des Weges verleide. Das von ihm angestrebte und teilweise bereits erreichte Ziel liege klar auf der Hand: Er wolle erreichen, daß diese Personen von der Benützung des Weges Abstand nehmen. Bei diesen Umständen sei der Eigentumsfreiheitsklage zu Recht stattgegeben worden. Der Urteilsspruch sei auch nicht unbestimmt; er sei so zu verstehen, wie er im Zusammenhang mit den Entscheidungsgründen gemeint sei. Somit stehe hier fest, daß der Beklagte seine Äußerungen gegenüber den Gästen und dem Sohn der Kläger unterlassen müsse, dies mangels einer verfügten Einschränkung zu jeder Tages- und Nachtzeit bis an sein Lebensende.

Die außerordentliche Revision des Beklagten ist zulässig, weil zu den Voraussetzungen einer Unterlassungsklage gemäß § 523 ABGB bei mündlichen Behauptungen eines das Eigentum beschränkenden Rechtes in der hier zu beurteilenden, in der Bedeutung über den Anlaßfall hinausgehenden Fallkonstellation Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes nicht vorliegt; sie ist jedoch nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Der Einwand der Revisionsgegner, der Ausspruch des Berufungsgerichtes, der Entscheidungsgegenstand übersteige S 260.000 (§ 500 Abs 2 Z 1 ZPO), sei unzulässig, weil hier der (darunter liegende) Einheitswert maßgeblich sei, ist unbegründet. Gemäß § 60 Abs 2 JN ist als Wert einer grundsteuerpflichtigen unbeweglichen Sache jener Betrag anzusehen, welcher als Steuerwert für die Gebührenbemessung in Betracht kommt. Diese Bestimmung ist jedoch nur dann anzuwenden, wenn das Streitinteresse ausschließlich vom Wert der Liegenschaft bestimmt wird (SZ 64/1); dies trifft etwa auf den Streit um die grundbücherliche Löschung oder Aufrechterhaltung eines Wegerechts nicht zu (5 Ob 107/92). Dasselbe gilt auch hier, wo der Umfang der zulässigen Benützung eines Weges strittig ist. Der Oberste Gerichtshof ist daher an den Ausspruch des Berufungsgerichtes über den Wert des Entscheidungsgegenstandes gebunden.

Der Beklagte wendete ein, eine bloße Behauptung über die Beschränkung des Eigentums der Kläger, und zwar in der Richtung, daß ein über ihre Liegenschaft führender Weg nur in einer bestimmten Weise benützt werden dürfe, stelle noch keinen Eigentumseingriff dar, der zu einer Unterlassungsklage berechtige.

Mit der Eigentumsfreiheitsklage des § 523 ABGB kann sich der Eigentümer gegen jeden unberechtigten Eingriff in sein Eigentum, mag der Eingreifende ein Recht hiezu behaupten oder nicht, zur Wehr setzen. Die Klage dient dem Schutz des Eigentümers vor der Anmaßung oder unberechtigten Erweiterung einer Servitut wie auch zur Abwehr jeder sonstigen Störung des Eigentums durch unberechtigte Eingriffe (SZ 43/47; SZ 60/216; SZ 68/55; 6 Ob 80/98b uva). Das Klagebegehren kann auf die bestimmte Feststellung des Nichtbestehens der Servitut, die Wiederherstellung des früheren Zustands, die Unterlassung künftiger Störung und auf Schadenersatz gerichtet sein (Petrasch in Rummel, ABGB**2 Rz 3 zu § 523 mwN; Kiendl-Wendner in Schwimann, ABGB**2 Rz 6 zu § 523). Im Gesetz sind die angeführten einzelnen Ansprüche nicht besonders geregelt. Es spricht nur vom Schutz des Eigentums gegen die Anmaßung einer Servitut.

Die bloße Behauptung eines die Freiheit des Eigentums beschränkenden Rechtes ist noch keine Anmaßung und daher nicht mit der Eigentumsfreiheitsklage abzuwehren; sie kann aber eine negative Feststellungsklage begründen (JBl 1962, 637; EvBl 1966/419; EvBl 1969/56; 6 Ob 80/98b; Klang in Klang**2 II 602; Petrasch in Rummel**2 Rz 9 zu § 523; Kiendl-Wendner in Schwimann**2 Rz 11 zu § 523).

Zu der Auslegung des Begriffes der Anmaßung im Sinn des § 523 ABGB hat der Oberste Gerichtshof zuletzt in der Entscheidung vom 10. 9. 1998, 6 Ob 80/98b, ausgeführt, das Eigentum sei das sachenrechtliche Vollrecht, in das mit der bloßen Behauptung eines einschränkenden Rechtes noch nicht eingegriffen werde. Der Begriff "Anmaßung" habe aber dann eine über die bloße Behauptung eines Rechtes hinausgehende Bedeutung, wenn die Behauptung gegenüber solchen Personen aufgestellt werde, von denen (wenn sie auf die Richtigkeit der Behauptung vertrauen) eine faktische Störungshandlung zu erwarten ist, etwa dann, wenn die Berühmung des vermeintlichen Servitutsberechtigten gegenüber einem Mieter erfolgt, der sich dann zur abgeleiteten Servitutsausübung für berechtigt hält. In diesem Fall stelle schon die Berühmung eine Eingriffshandlung in das Eigentum in Form einer Gefährdungshandlung dar, weshalb es gerechtfertigt erscheine, dem verletzten Eigentümer eine vorbeugende Unterlassungsklage zu gewähren. Eine Anmaßung in diesem Sinn sei bereits eine objektiv rechtswidrige Servitutsausübung. Es kann somit keineswegs generell gesagt werden, daß eine Behauptung keine Anmaßung im Sinn eines Eigentumseingriffs nach § 523 ABGB sein könne.

Auch im vorliegenden Fall beschränkt sich der Beklagte nicht auf eine bloße Meinungsäußerung über die Rechtslage, sondern stellt gegenüber den Klägern, deren Pensionsgästen und dem Sohn der Kläger die Behauptung auf, ein über die Liegenschaft der Kläger führender Weg dürfe nur auf eine bestimmte Weise benützt werden. Damit bezweckt der Beklagte konkret, diese angesprochenen Personen daran zu hindern, die Benützung des Weges in der von ihm bestrittenen Weise fortzusetzen. Dieses Verhalten des Beklagten ist dem Aufstellen eines entsprechenden Verbotsschildes gleichzusetzen, das ebenfalls untersagt werden könnte.

Soweit der Beklagte auch im Revisionsverfahren die Ansicht vertritt, die von ihm aufgestellten Behauptungen seien auch richtig, vermag er nicht aufzuzeigen, auf welcher Rechtsgrundlage eine derartige Verpflichtung der Kläger begründet sein sollte. Für die Begründung einer Dienstbarkeit fehlte es, wie schon die Vorinstanzen zutreffend erkannt haben, an einer entsprechenden Vereinbarung. Die Tatsachenfeststellungen bieten keine Grundlage dafür, daß die Kläger eine derartige nicht verbücherte Dienstbarkeit gekannt hätten oder zumindest hätten kennen müssen.

Die vom Beklagten somit wider besseres Wissen aufgestellten Behauptungen stellen einen Eigentumseingriff dar, der auch durch das Recht auf freie Meinungsäußerung nicht gerechtfertigt werden kann.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO. Die Bemessungsgrundlage richtet sich bei der vorliegenden Unterlassungsklage nach der Bewertung durch den Kläger (§ 4 RATG, § 56 Abs 2 JN); sie beträgt hier somit S 80.000.

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