OGH 2Ob314/97h

OGH2Ob314/97h2.9.1999

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Niederreiter als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Graf, Dr. Schinko, Dr. Tittel und Dr. Baumann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ing. Dkfm. Peter G*****, vertreten durch Dr. Reinhold Kloiber und Dr. Ivo Burianek, Rechtsanwälte in Mödling, wider die beklagte Partei V***** Versicherungs-AG, ***** vertreten durch Dr. Ferdinand Neundlinger, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 535.000,-- sA und Feststellung (Gesamtstreitwert S 585.000,--), infolge Revision und Rekurses der beklagten Partei gegen das Teilurteil und den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom 26. Mai 1997, GZ 14 R 10/97m-45, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 18. November 1996, GZ 11 Cg 318/94d-38, teilweise abgeändert und teilweise aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Teilurteil, das in seinem abweisenden Teil bereits in Rechtskraft erwachsen ist, wird in seinem stattgebenden Teil aufgehoben. Die Rechtssache wird in diesem Umfang an das Erstgericht zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind als weitere Verfahrenskosten zu behandeln.

Text

Begründung

Am 13. 1. 1993 um ca 8.00 Uhr lenkte Dkfm. Josef S***** einen bei der beklagten Partei haftpflichtversicherten und in Österreich zugelassenen PKW in Tschechien auf der Straße Nr 38 von Znaim in Richtung Prag. Der Kläger, ein österreichischer Staatsbürger, fuhr in diesem PKW als Fahrgast auf dem Beifahrersitz mit, wobei er angegurtet war. Vor diesem PKW lenkte Jan R***** einen in Tschechien zugelassenen Lieferwagen in dieselbe Richtung. Auf Höhe der Znaimer Kaserne geriet der PKW, der eine Geschwindigkeit von etwa 70 km/h einhielt, beim Überholen des Lieferwagens auf glatter und rutschiger Fahrbahn ins Schleudern, kollidierte zweimal seitlich mit dem Lieferwagen, brach nach links aus und kam von der Fahrbahn ab, stieß frontal gegen einen Baum und landete verkehrt im Straßengraben. Dabei wurde der Kläger schwer verletzt; er erlitt einen Bruch des inneren und äußeren Knöchels mit Abbruch eines hinteren Schienbeinkeiles und einen Bruch des Wadenbeines im körpernahen Abschnitt links. Der Kläger hatte dadurch zwei Tage starke, 12 Tage mittelstarke und 120 Tage leichte Schmerzen zu erleiden. Beim Kläger liegt ein Dauerschaden und eine Minderung der Erwerbsfähigkeit von etwa 10 % vor. Er war vom Unfallstag bis zum 20. 4. 1993 vollkommen arbeitsunfähig. Sein Verdienstentgang für Jänner bis April 1993 beträgt S 155.000,-- weiters hatte er zusätzliche Aufwendungen von S 5.000,-- zu tragen. Von der Allgemeinen Unfallversicherungsanstalt bezog der Kläger von Jänner 1993 bis Dezember 1994 eine Versehrtenrente von insgesamt S 43.082,65.

Mit der am 1. 12. 1994 beim Erstgericht eingelangten Klage begehrte der Kläger von der beklagten Partei - nach Einschränkung und Ausdehnung (AS 67) - die Zahlung von S 535.000,-- sA sowie die Feststellung der Haftung der beklagten Partei für alle zukünftigen Schäden aus diesem Unfall. Der Lenker des PKW habe den Unfall allein verschuldet. Der tschechische Lieferwagen sei nicht "beteiligt" im Sinne des Haager Straßenverkehrsabkommens gewesen, sodaß österreichisches Recht anzuwenden sei. Dem Kläger stünde ein Schmerzengeld von S 250.000,--, pauschale zusätzliche Aufwendungen von S 5.000,-- und ein Verdienstentgang von Jänner bis April 1993 von S 280.000,-- zu. Die ihm gewährte Versehrtenrente habe Ausgleichsfunktion für die Beschwerden aufgrund der Spätfolgen, sodaß sie mit dem begehrten Verdienstentgang nicht kongruent sei.

Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Es sei tschechisches Recht anzuwenden, weil sich der Unfall in Tschechien ereignet habe und ein tschechischer Lieferwagen beteiligt gewesen sei. Nach tschechischem Recht stünden dem Kläger die geltend gemachten Ansprüche nicht zu. Die Versehrtenrente stelle eine kongruente Leistung zum Verdienstentgang dar und sei daher von diesem abzuziehen.

Das Erstgericht verpflichtete die beklagte Partei zur Zahlung von S 344.000,-- sA und gab auch dem Feststellungsbegehren des Klägers statt, wies jedoch das Mehrbegehren von S 191.000,-- sA ab. Es traf im wesentlichen die eingangs wiedergegebenen Feststellungen. Rechtlich beurteilte das Erstgericht den Sachverhalt nach österreichischem Recht, weil der Lenker des österreichischen PKW den Unfall allein verursacht und verschuldet habe. Es erachtete ein Schmerzengeld von S 184.000,-- für angemessen. Weil die Versehrtenrente nicht kompensando eingewendet worden sei, hätte über den diesbezüglichen Einwand der beklagten Partei nicht entschieden werden können. Dem Kläger stünden daher auch der volle Verdienstentgang von S 155.000,-- sowie die pauschalierten Aufwendungen von S 5.000,-- zu.

Der gegen den klagsstattgebenden Teil dieses Urteils gerichteten Berufung der beklagten Partei gab das Berufungsgericht hinsichtlich des geltend gemachten Schmerzengeldes und der pauschalierten Aufwendungen teilweise Folge und änderte das angefochtene Urteil in diesem Umfang dahin ab, daß es die beklagte Partei mit dem nunmehr bekämpften Teilurteil zur Zahlung von S 155.000,-- sA verpflichtete und auch dem Feststellungsbegehren stattgab, das Mehrbegehren von S 225.000,-- sA jedoch abwies. Es sprach weiters aus, daß die ordentliche Revision zulässig sei. Hinsichtlich des Verdienstentganges gab das Berufungsgericht der Berufung der beklagten Partei ebenfalls Folge und hob mit dem nunmehr bekämpften Beschluß das Urteil des Erstgerichtes in diesem Umfang auf; auch diesbezüglich erklärte es den Rekurs an den Obersten Gerichtshof für zulässig.

Das Berufungsgericht ging in seiner rechtlicher Beurteilung davon aus, daß die Frage, ob ein Fahrzeug an einem Verkehrsunfall als "beteiligt" im Sinne des Haager Straßenverkehrsübereinkommens anzusehen sei, aufgrund der Umstände des jeweiligen Einzelfalles zu entscheiden sei. Ein ausländisches Fahrzeug könne demnach dann nicht als beteiligt angesehen werden, wenn der Unfall auf einen durch dieses Fahrzeug nicht adäquat verursachten Umstand zurückzuführen sei; wenn etwa der Unfall aufgrund eines alleinigen Fahrfehlers des österreichischen Fahrzeuges bereits vor dem Kontakt erfolgt sei und das ausländische Fahrzeug eine zufällige Rolle gespielt habe. Dies sei insbesondere beim Überholen eines ausländisches Fahrzeuges der Fall, das ohne Kontakt für das anschließende Abkommen überhaupt keinen begründeten Anlaß gegeben habe, oder das bei einem streifenden Kontakt keine Mehrbelastung der Fahrzeuge (gemeint: Fahrzeuginsassen) insgesamt bewirkt habe. Auch wenn hier das Abkommen von der Fahrbahn nach links durch das zweimalige Kontaktieren des tschechischen Lieferwagens (vergleichbar mit dem streifenden Kontakt mit einer Leitplanke) erfolgt sein sollte (eine Beschädigung des Lieferwagens wie auch ein Fehlverhalten des tschechischen Lenkers habe das Erstgericht nicht festgestellt, Anhaltspunkte dafür fänden sich im Akt nicht), sei doch die Schleuderbewegung allein durch den Fahrfehler des Lenkers des PKW (infolge Glatteis) ausgelöst worden. Die Beteiligung des Lieferwagens sei daher zufälliger Natur gewesen, selbst wenn man von den von der Berufungswerberin gewünschten Feststellungen (nicht nur leichte Streifung und nicht das Unfallgeschehen nicht weiter präzisierendes Kollidieren, sondern Abprallen des PKW von der linken Seite des von diesem überholten Lieferwagen) ausgehe. Es sei daher österreichisches Recht anzuwenden.

Unter Berücksichtigung aller Umstände aufgrund der vom Erstgericht getroffenen Feststellungen sei ein Schmerzengeld von S 150.000,-- angemessen.

Entgegen der Meinung des Erstgerichtes bedürfe es keiner Aufrechnungseinrede, um die eingewendete Legalzession gemäß § 332 Abs 1 ASVG zu berücksichtigen. Davon erfaßt seien aber nur solche Haftpflichtansprüche des Verletzten, die der Deckung eines Schadens dienten, den auch die Sozialversicherungsleistung liquidieren soll. Der Zweck dieser Regelung liege darin, einerseits den Schädiger nicht im Ausmaß der Sozialversicherungsleistung im Wege der Vorteilsausgleichung von seiner Ersatzpflicht zu befreien. Andererseits solle aber im Fall der Vorteilsnichtanrechnung der Geschädigte nicht doppelt Ersatz erhalten. Es werde als Voraussetzung des Forderungsüberganges persönliche, sachliche und zeitliche Kongruenz zwischen der Leistung des Sozialversicherungsträgers und dem Schadenersatzanspruch des Verletzten verlangt. Die sachliche Kongruenz sei zu bejahen, wenn der Ausgleichszweck des Sozialversicherungsanspruches und des Schadenersatz- anspruches identisch sei, wenn daher beide Ansprüche darauf abzielten, denselben Schaden zu decken. Der Grundsatz der zeitlichen Kongruenz besage, daß die sachlich kongruenten Sozialversicherungs- und Schadenersatzansprüche für denselben Zeitraum zustehen müßten. Der Versicherungsträger, der eine Geldleistung für einen bestimmten Zeitraum erbringe, dürfe sich den Rückersatz seines Leistungsaufwandes nicht mittels eines an sich sachlich kongruenten Haftpflichtanspruches verschaffen, der für einen anderen Zeitraum bestehe. Der Schadenersatzanspruch auf Ersatz von Verdienstentgang diene dem gleichen Zweck wie der Anspruch gegen den Sozialversicherungsträger auf Leistung einer Versehrtenrente, nämlich dem Ausgleich des durch die Schadenzufügung verminderten oder nur unter erschwerten Voraussetzungen erzielbaren Erwerbseinkommens. Die sachliche Kongruenz zwischen dem Anspruch des Verletzten gegen den Schädiger auf Ersatz von Verdienstentgang und dem Anspruch des Verletzten gegen den Sozialversicherungsträger auf Leistung einer Versehrtenrente (Unfallrente) sei daher zu bejahen. Da die dem Kläger gewährte Unfallrente weit über jenen Zeitraum hinausreiche, für den ihm Verdienstentgang zustehe, seien im fortgesetzten Verfahren Feststellungen zur Beurteilung der zeitlichen Kongruenz zu treffen.

Die ordentliche Revision und der Rekurs an den Obersten Gerichtshof wurden deshalb für zulässig erklärt, weil der Oberste Gerichtshof zwar zur Beteiligung im Sinne des Haager Straßenverkehrübereinkommens einzelne Fälle, nicht aber einen unmittelbar mit dem vorliegenden Fall vergleichbaren Verkehrsunfall, entschieden habe.

Gegen den stattgebenden und aufhebenden Teil dieser Entscheidung des Berufungsgerichtes richten sich die Revision und der Rekurs der beklagten Partei wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit den Anträgen, die Entscheidung im Sinne einer Abweisung des Klagebegehrens abzuändern; hilfsweise wird jeweils ein Aufhebungsantrag gestellt.

Der Kläger beantragte, der Revision und dem Rekurs keine Folge zu geben.

Die Revision ist im Sinne des hilfweise gestellten Aufhebungsantrages berechtigt; dem Rekurs kommt hingegen keine Berechtigung zu.

Rechtliche Beurteilung

Die Rechtsmittelwerberin macht im wesentlichen geltend, daß die beiden Vorinstanzen zu Unrecht österreichisches Recht angewendet hätten. Der überholte tschechische Lieferwagen sei zumindest passiv am Unfall beteiligt gewesen. Zudem ergebe sich eine aktive Beteiligung aus dem zweimaligen Touchieren durch den PKW. Der überholte Lieferwagen sei sohin (auch) Verursacher des Unfalls, weil ohne den Lieferwagen der PKW nicht zweimal touchiert hätte und mit großer Sicherheit anzunehmen sei, daß der Unfall nicht in dieser Form und insbesondere nicht mit dem Kontakt mit dem Baum geschehen wäre. Durch den streifenden Kontakt sei sehr wohl eine Mehrbelastung für die Insassen, nämlich für den Kläger, im Sinne der Entscheidung ZVR 1995/35 eingetreten, weil dieser ohne diesen Kontakt vermutlich unverletzt geblieben wäre. Aufgrund dessen sei daher im vorliegenden Fall tschechisches Recht anzuwenden.

Hiezu wurde erwogen:

Gemäß Art 1 Abs 1 des Haager Straßenverkehrsübereinkommens (BGBl 1975/387; im folgenden Übereinkommen) bestimmt dieses das auf die außervertragliche zivilrechtliche Haftung aus einem Straßenverkehrsunfall anzuwendende Recht unabhängig von der Art des Verfahrens, in dem darüber befunden wird. Gemäß Art 1 Abs 2 des Übereinkommens ist unter Straßenverkehrsunfall jeder Unfall zu verstehen, an dem ein oder mehrere Fahrzeuge beteiligt sind und der mit dem Verkehr auf öffentlichen Straßen zusammenhängt. Das anzuwendende Recht ist nach Art 3 des Übereinkommens das innerstaatliche Recht des Staates, in dessen Hoheitsgebiet sich der Unfall ereignet hat. Ist nur ein Fahrzeug an dem Unfall beteiligt und ist dieses Fahrzeug in einem anderen als dem Staat zugelassen, in dessen Hoheitsgebiet sich der Unfall ereignet hat, so ist gemäß Art 4 lit a des Übereinkommens in Abweichung von seinem Art 3 das innerstaatliche Recht des Zulassungsstaates anzuwenden. Sind mehrere Fahrzeuge an dem Unfall beteiligt, so gilt dies gemäß Art 4 lit b des Übereinkommens nur, wenn alle Fahrzeuge im selben Staat zugelassen sind.

Der Oberste Gerichtshof hat zur hier strittigen Frage, unter welchen Umständen ein Fahrzeug an einem Verkehrsunfall als "beteiligt" im Sinne des Art 4 lit a und b des Übereinkommens anzusehen ist, bereits wiederholt Stellung genommen (zuletzt in ZVR 1995/35 unter ausführlicher Darstellung des Schrifttums und der bisherigen Judikatur des Obersten Gerichtshofes und der Gerichte zweiter Instanz). Dabei hat er ausgesprochen, daß der Ausdruck "beteiligt" in Art 4 lit a und b des Übereinkommens im objektiven (weiteren) Sinn dahin zu verstehen ist, daß das Fahrzeug beim Unfall eine - aktive oder passive - Rolle gespielt hat. Es muß als Verursacher in Betracht kommen und darf bei dem Verkehrsunfall nicht bloß eine zufällige Rolle spielen (ZVR 1988/57; ZVR 1990/161; ZVR 1995/35 mwN).

Der Entscheidung ZVR 1990/161 lag ein Unfallsgeschehen zugrunde, bei dem ein KFZ-Lenker anläßlich eines Überholmanövers dem Lenker des neben ihm fahrenden, zu überholenden Fahrzeuges ohne irgendeinen begründeten Anlaß eine "sichtbare Handbewegung" gemacht hat, die "zur Folge hatte", daß das überholende Fahrzeug unmittelbar darauf ins Schleudern und auf den linken Grünstreifen der Straße geriet und in der Folge nach rechts schleudernd von der Fahrbahn abkam und in der rechts angrenzenden Wiese stehen blieb. Der Oberste Gerichtshof gelangte zur Ansicht, daß der PKW, der überholt wurde, nicht im Sinn des Art 4 lit a und b des Übereinkommens beteiligt war; er sei überholt worden und habe bei diesem Unfall eine bloß zufällige Rolle insoweit gespielt, als dieser Unfall keineswegs durch ihn, sondern ausschließlich durch ein Fehlverhalten des Lenkers des überholenden Fahrzeuges verursacht worden sei.

Ein vergleichbarer Fall lag auch der Entscheidung ZVR 1995/35 zugrunde. Ein tschechischer PKW war unabhängig von der Fahrweise des österreichischen PKW von der Fahrbahn abgekommen, in eine Baugrube gestürzt und dort stehen geblieben. Der österreichische PKW, in welchem der verletzte Kläger als Beifahrer mitfuhr, gelangte aufgrund einer für die damaligen Sichtverhältnisse viel zu hohen Geschwindigkeit in einer Rechtskurve zuerst auf die linke Fahrbahnhälfte und in weiterer Folge an den linken Straßenrand, wo er von der Fahrbahn abkam. Er stürzte die steile Böschung in die Baugrube hinab und streifte noch leicht mit seinem linken vorderen Fahrzeugbereich den bereits in der Baugrube stehenden tschechischen PKW, bevor es zum wuchtigen Frontalanprall des Fahrzeuges gegen die steil ansteigende Böschung auf der anderen Seite der Baugrube kam. Durch die leichte Berührung der beiden Fahrzeuge wurde beim österreichischen Fahrzeug ein gewisser Geschwindigkeitsteil ohne heftige Verzögerung abgebaut, so daß die Anprallgeschwindigkeit an die Gegenböschung etwas geringer war, als wenn die Streifkollision nicht erfolgt wäre. Durch diese leichte Streifung der Fahrzeuge trat keine Mehrbelastung der Insassen des österreichischen PKW ein. Viel eher ergab sich durch den Geschwindigkeitsabbau eine günstige Wirkung auf die Mitfahrer. Der Oberste Gerichtshof führte dazu aus, daß die Tatsache, daß der österreichische PKW im Zuge des späteren Unfallgeschehens den in der Baugrube befindlichen tschechischen PKW gestreift habe, mit dem Unfall des Klägers insoweit in keinem Zusammenhang stehe, als die leichte Streifung der Fahrzeuge keine Mehrbelastung der Insassen des österreichischen Fahrzeuges bewirkt habe, der Kläger dadurch also nicht verletzt worden sei, die Wucht des Aufpralls des österreichisches Fahrzeuges durch die Streifkollision vielmehr etwas verringert worden sei. Unter diesen Umständen könne nicht von einer Unfallidentität zwischen der Kollision der beiden Fahrzeuge und jenem Schadensereignis gesprochen werden, das zu den Verletzungen des Klägers geführt habe; der tschechische PKW habe daher bei dem vom Lenker des österreichischen PKW verursachten Verkehrsunfall, der zu den der Klage zugrundeliegenden Verletzungen des Klägers geführt habe, tatsächlich bloß eine zufällige Rolle gespielt, sodaß nur von der Beteiligung eines Fahrzeuges, nämlich jenes des Erstbeklagten, an dem Unfall auszugehen sei.

An diesen Grundsätzen ist nach Ansicht des erkennenden Senates auch

im vorliegenden Fall festzuhalten, wobei sich der gegenständliche

Sachverhalt von jenem, der den oben wiedergegebenen Entscheidungen

zugrundeliegt, jedoch erheblich unterscheidet. Das Erstgericht hat

nämlich zum Unfallsgeschehen - wenn auch ungenau - festgestellt, daß

der PKW, der eine Geschwindigkeit von etwa 70 km/h einhielt, auf Höhe

der Znaimer Kaserne beim Überholen des Lieferwagens auf glatter und

rutschiger Fahrbahn ins Schleudern geriet, zweimal seitlich mit dem

Lieferwagen kollidierte, nach links ausbrach und von der Fahrbahn

abkam, frontal gegen einen Baum stieß und verkehrt im Straßengraben

landete. Hier ereigneten sich die beiden Streifungen des Lieferwagens

durch den PKW - im Gegensatz zu den oben wiedergegebenen

Entscheidungen - sohin noch auf der Fahrbahn im Zuge des

Überholmanövers und vor dem eigentlichen Unfall, sodaß eine

Mehrbelastung der Insassen des PKW - sohin auch des Klägers - durch

die beiden Streifungen und damit eine Unfallidentität zwischen der

Kollision der beiden Fahrzeuge und dem folgenden Schadensereignis als

gegeben angesehen werden muß. Diesbezüglich hat die beklagte Partei

in ihrer Berufung - wenn auch fälschlicherweise in einer Beweisrüge -

sekundäre Feststellungsmängel dahin geltend gemacht, daß nicht nur

von einer leichten Streifung und einem das Unfallgeschehen nicht

weiter präzisierenden Kollidieren, sondern von einem Abprallen des

PKW von der linken Seite des von diesem überholten Lieferwagens

auszugehen sei, wofür aus den Beweisergebnissen des Verfahrens erster

Instanz tatsächlich Anhaltspunkte vorliegen (Blg 1: ".... PKW von der

linken Seite des zu überholenden Lieferwagens nach links in den

Straßengraben abgeprallt ..."; ZV Dkfm. Josef S*****, AS 25: "... das

zweimalige Touchieren veranlaßte, daß der PKW auf der Straße gegen den Baum geworfen wurde...."). Das Berufungsgericht führte dazu aus, daß die Beteiligung des Lieferwagens selbst dann zufälliger Natur gewesen wäre, wenn man von den von der Berufungswerberin gewünschten Feststellungen ausgehe, sodaß österreichisches Recht anzuwenden sei. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichtes ist hier jedoch bereits aufgrund der vom Erstgericht getroffenen Feststellungen davon auszugehen, daß der PKW durch die zweimalige Streifung des Lieferwagens nach links abgekommen und gegen den Baum geprallt ist, sodaß der Lieferwagen als weiterer Verursacher der Unfallfolgen anzusehen ist und sohin am gegenständlichen Unfall im Sinne des Art 4 lit a und b des Übereinkommens beteiligt war.

Aufgrund Art 3 iVm Art 4 lit b des Übereinkommens ist sohin als Recht des Unfallortes tschechisches Recht anzuwenden. Diesbezüglich erübrigt sich eine nähere Prüfung, ob das Übereinkommen auch in Tschechien, sohin in dem Staat, in Geltung steht, zu dem der Sachverhalt die entsprechenden Beziehungen aufweist, weil dieses nicht an Gegenseitigkeitsvoraussetzungen gebunden ist (JBl 1984, 506; ZVR 1989/79 ua). Für die Beurteilung der geltend gemachten Schadenersatzansprüche ist sohin tschechisches Recht maßgebend. Im fortgesetzten Verfahren wird das Erstgericht sohin durch entsprechende Erhebungen das anzuwendende tschechische Recht im Sinne des § 4 Abs 1 IPRG zu ermitteln und die geltend gemachten Schadenersatzansprüche unter diesem Gesichtspunkt zu prüfen haben.

In Stattgebung der Revision der beklagten Partei war daher die angefochtene Entscheidung im Umfang des stattgebenden Teiles des Teilurteiles aufzuheben und die Rechtssache an das Erstgericht zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen. Der Rekurs der beklagten Partei gegen den Aufhebungsbeschluß erweist sich jedoch im Ergebnis als nicht berechtigt, vielmehr wird das Erstgericht diesbezüglich nur die weiteren Erhebungsaufträge zu beachten haben.

Der Kostenvorbehalt stützt sich auf § 52 Abs 1 ZPO.

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