Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben.
Die Urteile der Vorinstanzen werden im angefochtenen Umfang aufgehoben. Die Rechtssache wird insoweit zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung
Die Klägerin ist (im Zeitpunkt des Schlusses der Verhandlung erster Instanz) Wohnungseigentümerin einer Büroeinheit, die von der Beklagten mit Mietvertrag vom 29. 12. 1988 auf unbestimmte Zeit gemietet wurde. Im Mietvertrag wurde über die Betriebskosten folgendes vereinbart: "Die Betriebskosten gehen zu Lasten der Mieterin und sind von ihr direkt zu begleichen. Etwaige der Vermieterin vorgeschriebene Betriebskosten hat die Mieterin der Vermieterin zu ersetzen".
Die Klägerin begehrte von der Beklagten Zahlung offener Mietzins- und Betriebskostenbeträge von zuletzt S 285.677,27 sA.
Das Erstgericht verurteilte die Beklagte zur Zahlung von S 214.609,56 sA und wies das Mehrbegehren von S 71.067,71 ab. Rechtlich war es der Auffassung, daß in der Formulierung des Mietvertrages eine vom gesetzlichen Betriebskostenschlüssel abweichende Vereinbarung nicht zu erblicken sei. Dort werde nur gesagt, daß die Betriebskosten zu Lasten der Mieterin gingen und von dieser direkt zu begleichen seien, nicht jedoch sei vereinbart, daß ein abweichender Schlüssel zu gelten habe. Es sei daher nach dem MRG-Schlüssel von 24,44 % (und nicht nach dem WEG-Schlüssel von 28,5 %) abzurechnen.
Das Berufungsgericht gab den Berufungen beider Parteien teilweise Folge, verpflichtete die Beklagte zur Zahlung von S 257.093,51 sA und wies das Mehrbegehren von S 28.583,76 sA ab. Es sprach aus, daß die ordentliche Revision - mangels über den Einzelfall hinausgehender Bedeutung der Entscheidung - nicht zulässig sei, und führte zum Betriebskostenschlüssel folgendes aus:
Die Formulierung im Mietvertrag, wonach die Betriebskosten zu Lasten der Mieterin gingen, von ihr direkt zu begleichen und etwaige der Vermieterin vorgeschriebenen Betriebskosten von der Mieterin zu ersetzen seien, werde im Einklang mit der einschlägigen höchstgerichtlichen Judikatur für zulässig erachtet. Es dürfe nämlich nicht übersehen werden, daß der Mieter eines Wohnungseigentumsobjekts (auch) im vollen Anwendungsbereich des Mietrechtsgesetzes zwar wie jeder andere Hauptmieter den nach § 17 MRG (also in der Regel nach dem Verhältnis der Nutzflächen) berechneten Anteil der Betriebskosten des Hauses zu entrichten habe, ohne Rücksicht darauf, welcher Anteil nach § 19 WEG auf den Vermieter als Wohnungseigentümer entfalle. Wegen der Sonderstellung des Hauptmietvertrages zwischen einem Wohnungseigentümer und seinem Mieter sei die vermietete Eigentumswohnung aber einem vermieteten Einfamilienhaus so gleichgestellt, daß die im schriftlichen Mietvertrag enthaltene Betriebskostenvereinbarung kraft der der Mieter abweichend vom Nutzflächenschlüssel sämtliche dem Wohnungseigentümer vorgeschriebenen Betriebskosten (nach Nutzwertschlüssel) zu zahlen habe, zulässig und wirksam sei.
Gegen diese Berufungsentscheidung, soweit darin der Klage im Umfang von S 131.450,75 sA stattgegeben wurde, richtet sich die außerordentliche Revision der Beklagten wegen Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens, Aktenwidrigkeit und unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, daß das Klagebegehren im Umfang eines weiteren Betrages von S 131.450,75 sA abgewiesen werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die Klägerin beantragt in der ihr freigestellten Revisionsbeantwortung, die außerordentliche Revision der Beklagten zurückzuweisen, hilfsweise ihr nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist im Interesse der Rechtssicherheit zulässig, sie ist im Sinne des Aufhebungsantrages auch berechtigt.
Die geltend gemachten Revisionsgründe der Mangelhaftigkeit und der Aktenwidrigkeit liegen nicht vor (§ 510 Abs 3 Satz 3 ZPO).
In ihrer Rechtsrüge macht die Rechtsmittelwerberin im wesentlichen geltend, die beiden streitgegenständlichen Betriebskostenabrechnungen 1994 und 1996 beruhten auf einem unrichtigen Aufteilungsschlüssel, weil Wohnungseigentum erst 1996 begründet worden sei und 1988 bei der Bestandsrechtseinräumung mit der Beklagten allein ein abweichender Verteilungsschlüssel nicht wirksam habe vereinbart werden können; eine solche Vereinbarung lasse sich aus der betreffenden Textstelle des Mietvertrages auch nicht ableiten. Zu weiteren Mängeln der Betriebskostenabrechnungen verweist die Rechtsmittelwerberin auf ihre Berufungsausführungen; insoweit ist ihre Revision nicht gehörig ausgeführt.
Im übrigen wurde erwogen:
Der erkennende Senat billigt zunächst die Auslegung des
Berufungsgerichts, daß mit dem festgestellten Passus des
Mietvertrages die Überwälzung der der Vermieterin (nach § 19 Abs 1
WEG idF vor der Novelle BGBl I 1997/22) vorgeschriebenen
Betriebskosten auf die Mieterin vereinbart wurde. Für die Wirksamkeit
dieser Vereinbarung im Lichte des § 17 Abs 1 MRG kommt es aber darauf
an, ob die Klägerin beim Mietvertragsabschluß 1988 schon
Wohnungseigentümerin war oder nicht (vgl die Glossen von Call zu WoBl
1994/56 und 58). Im ersten Fall konnte entsprechend der
Berufungsentscheidung im Sinne von 7 Ob 594, 1624/93 = SZ 66/182 =
WoBl 1994/58 = MietSlg 45/34 allein mit der Mieterin des
Wohnungseigentumsobjekts der Betriebskostenschlüssel nach
Wohnungseigentumsrecht (Nutzwertschlüssel) vereinbart werden; im
zweiten Fall bedurfte es hiefür einer - nicht behaupteten -
Vereinbarung zwischen dem Vermieterin (allen Miteigentümern; vgl
Würth/Zingher, Miet- und Wohnrecht20 § 2 MRG Rz 3 lit a mwN) und
allen Mietern des Hauses; mangels einer solchen Vereinbarung bliebe
es beim Nutzflächenschlüssel des MRG (vgl 5 Ob 119/89 = SZ 63/22 =
WoBl 1990/40 [Würth] = MietSlg 42/11).
In der Klage wurde zum Bestehen von Wohnungseigentum vorgebracht, daß mit bestimmten Liegenschaftsanteilen Wohnungseigentum an der vermieteten Büroeinheit "verbunden ist (werden soll)". Die Vorinstanzen haben trotz dieser Undeutlichkeit nur festgestellt, daß die Klägerin Wohnungseigentümerin "ist", nicht aber, ob dies schon beim Mietvertragsabschluß der Fall war. Im Hinblick auf die oben dargestellte Rechtslage war die Rechtssache daher unter Aufhebung der vorinstanzlichen Urteile im angefochtenen Umfang an das Erstgericht zurückzuverweisen, welches das unklare Klagsvorbringen mit den Parteien zu erörtern und die vermißte, für eine abschließende Beurteilung unter den hier gegebenen Umständen erforderliche Feststellung nachzuholen haben wird.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 52 ZPO.
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