Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die Klägerin hat die Kosten des Revisionsverfahrens selbst zu tragen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die am 2. 6. 1942 geborene Klägerin hat keine Berufsausbildung absolviert. Aufgrund ihres medizinischen Leistungskalküls kann sie die von ihr als landwirtschaftliche Hilfskraft bzw zuletzt als selbständige Landwirtin verrichtete Tätigkeit nicht mehr ausüben. Auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt könnte die Klägerin beispielsweise noch die Tätigkeiten einer Adjustiererin und Verpackerin von leichten Gegenständen sowie leichte Hilfsarbeiten in der Schuhindustrie und Kartonagenerzeugung verrichten.
Etwa im Juli/August 1988 kam es zu einer Verschlechterung des Gesundheitszustandes der Klägerin, der ab diesem Zeitpunkt nur mehr ein Anmarschweg zur Arbeitsstätte oder zu einem Verkehrsmittel bis 500 m unter günstigen landesüblichen Straßenverhältnissen zumutbar ist. Für die Zurücklegung dieses Anmarschweges sind aber etwa 3 bis 5 Pausen von jeweils ca 5 Minuten notwendig, in denen die Klägerin auch teilweise die Möglichkeit zum Sitzen haben sollte. Trotz dieser weiteren Einschränkung des medizinischen Leistungskalküls kann die Klägerin noch einfache manuelle Heimarbeiten wie beispielsweise Verpackungsarbeiten, Walzen und Kuvertieren verrichten. Heimarbeitsplätze der genannten Art gibt es in ausreichender Anzahl auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt.
Mit Bescheid vom 28. 4. 1997 wies die beklagte Partei den Antrag der Klägerin vom 20. 1. 1997 auf Gewährung der Erwerbsunfähigkeitspension mangels Erwerbsunfähigkeit ab.
Das Erstgericht wies das auf Zuerkennung der Erwerbsunfähigkeitspension ab 1. 2. 1997 gerichtete Klagebegehren ab. Es vertrat in rechtlicher Hinsicht die Auffassung, die Klägerin sei aufgrund ihrer Gehbehinderung nur mehr zu einfachen manuellen Heimarbeiten in der Lage, die in einem für eine Verweisung ausreichenden Umfang auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zur Verfügung stünden, sodaß Erwerbsunfähigkeit im Sinne des § 124 Abs 1 BSVG nicht vorliege.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin keine Folge. Nach seinen Rechtsausführungen sei ein Versicherter nach § 124 Abs 1 BSVG ebenso wie nach der wortgleichen Bestimmung des § 133 Abs 1 GSVG auf alle in Betracht kommenden - selbständigen oder unselbständigen - Erwerbstätigkeiten, sohin auch auf Heimarbeiten, verweisbar. Daß Heimarbeitsplätze in einer für eine Verweisung ausreichenden Anzahl zur Verfügung stünden, sei notorisch. Dem Einwand der Klägerin, es könne von einem regelmäßigen Erwerb im Sinn des § 124 Abs 1 BSVG in bezug auf Heimarbeiten deshalb nicht ausgegangen werden, weil es hiefür nur für Frauen einen entsprechenden Arbeitsmarkt gebe, hielt das Berufungsgericht entgegen, daß im Hinblick auf das geltende Gleichbehandlungsgesetz von einer "Ungleichbehandlung" zwischen männlichen und weiblichen Versicherten bei der Verweisung auf Heimarbeiten nicht ausgegangen werden könne. Wenn es aufgrund der faktischen Gegebenheiten einem/einer Versicherten nicht gelingen sollte, aufgrund seines/ihres Geschlechtes einen bestimmten Arbeitsplatz zu erlangen, liege der Versicherungsfall der Arbeitslosigkeit, nicht jedoch jener der geminderten Arbeitsfähigkeit vor.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der Klägerin aus dem Rechtsmittelgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, daß dem Klagebegehren stattgegeben werde.
Die beklagte Partei beantragte in ihrer Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist nicht berechtigt.
Die rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichtes ist zutreffend (§ 510 Abs 3 zweiter Satz ZPO). Den Revisionsausführungen ist folgendes entgegenzuhalten:
Die Frage der Erwerbsfähigkeit der Klägerin ist im Hinblick auf den Stichtag 1. 2. 1997, zu welchem Datum sie das 55. Lebensjahr noch nicht vollendet hatte, auf der Grundlage des strengen Erwerbsunfähigkeitsbegriffes des § 124 Abs 1 BSVG idF des Strukturanpassungsgesetzes 1996, BGBl 201, zu beurteilen. Danach gilt als erwerbsunfähig ein Versicherter, der infolge von Krankheit oder anderen Gebrechen oder Schwäche seiner körperlichen oder geistigen Kräfte außerstande ist, einem regelmäßigen Erwerb nachzugehen. Der Begriff der (früher: dauernden) Erwerbsunfähigkeit im Sinn des § 124 Abs 1 BSVG bedeutet hiebei nach der Rechtsprechung ebenso wie der gleichlautende Begriff der Erwerbsunfähigkeit im Sinn des § 133 Abs 1 GSVG die gänzliche Unfähigkeit, einem regelmäßigen Erwerb nachzugehen; ein Versicherter muß sich daher auf jede wie immer geartete - selbständige oder unselbständige - Tätigkeit auf dem Arbeitsmarkt verweisen lassen. Der Begriff der Erwerbsunfähigkeit im Bereich der Pensionsversicherung der Selbständigen (GSVG und BSVG) ist damit an wesentlich strengere Voraussetzungen geknüpft als der Begriff der Invalidität in der Pensionsversicherung der Arbeiter (§ 255 ASVG) oder der Begriff der Berufsunfähigkeit in der Pensionsversicherung der Angestellten (§ 273 ASVG), weil sich der Versicherte auf jede wie immer geartete Tätigkeit auf dem Arbeitsmarkt verweisen lassen muß. Maßgebend ist nur, ob es auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt Berufe gibt, die der Versicherte aufgrund der noch vorhandenen körperlichen und geistigen Fähigkeiten zumutbarer Weise ausüben kann (SSV-NF 10/29; 8/83; 4/81 mwN ua; Teschner in Tomandl, System des österreichischen Sozialversicherungsrechtes 10. Erg-Lfg 378 f).
Da somit das Verweisungsfeld der §§ 133 Abs 1 GSVG und 124 Abs 1 BSVG mit dem gesamten Arbeitsmarkt gleichzusetzen ist, wurde in der Rechtsprechung bereits mehrfach entschieden, daß bei der Prüfung der Erwerbsunfähigkeit im Sinn des § 133 Abs 1 GSVG auch die Möglichkeit der Heimarbeit zu berücksichtigen ist, wobei es als gerichtsbekannt angesehen wurde, daß Heimarbeiten in einem für eine Verweisung ausreichenden Umfang auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen (SSV-NF 8/83; 6/96; zuletzt 10 ObS 385/98k; vgl auch RIS-Justiz RS0084422). Dieser im Zusammenhang mit der Bestimmung des § 133 Abs 1 GSVG ausgesprochene Grundsatz hat auch für die gleichlautende Bestimmung des § 124 Abs 1 BSVG zu gelten.
Soweit die Klägerin geltend macht, es stünde keine für eine Verweisung ausreichende Anzahl von Arbeitsstellen für Heimarbeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zur Verfügung, ist ihr die gegenteilige, vom Erstgericht aufgrund der Ausführungen des berufskundlichen Sachverständigen in seinem Ergänzungsgutachten ON 30 getroffene Feststellung entgegenzuhalten. Danach besteht für Heimarbeit auch im Rahmen einer Vollbeschäftigung ein ausreichender Arbeitsmarkt (in diesem Sinne auch 10 ObS 385/98k). Auch aus dem weiteren Vorbringen der Klägerin, daß Heimarbeitsplätze im wesentlichen nur für Frauen zur Verfügung stünden und nur eine geringe Zahl von Stellen für Heimarbeit mit Männern besetzt sei, läßt sich für ihren Prozeßstandpunkt schon deshalb nichts ableiten, weil es jedenfalls für weibliche Versicherte wie die Klägerin einen ausreichenden Heimarbeitsmarkt gibt. Eine Erwerbsunfähigkeit der Klägerin im Sinn des § 124 Abs 1 BSVG liegt somit nicht vor.
Der Revision ist daher ein Erfolg zu versagen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG. Gründe für einen Kostenzuspruch nach Billigkeit sind nicht ersichtlich.
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