OGH 2Ob244/97i

OGH2Ob244/97i26.8.1999

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Niederreiter als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schinko, Dr. Tittel, Dr. Baumann und Hon. Prof. Dr. Danzl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. Günter B*****, vertreten durch DDr. Manfred Walter, Rechtsanwalt in Salzburg, wider die beklagte Partei W*****, vertreten durch Dr. Michael Gärtner, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen DM 50.000,-- sA, infolge außerordentlicher Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht vom 6. Mai 1997, GZ 4 R 271/96t-51, womit infolge Berufung beider Parteien das Urteil des Landesgerichtes Salzburg vom 12. August 1996, GZ 13 Cg 51/94z-42, teilweise bestätigt und teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben. Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden aufgehoben und dem Erstgericht eine neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen.

Die Kosten der Rechtsmittelverfahren sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Der Kläger begehrt die Verpflichtung der - ursprünglich als "L*****" Gesellschaft mbH, ***** bezeichneten - beklagten Partei zur Rückzahlung eines am 31. 12. 1992 zugezählten Darlehens von DM 50.000,--. Er habe dieses Darlehen mit Schreiben vom 23. 3. 1994 aufgekündigt und die beklagte Partei zur Rückzahlung samt vereinbarten 8 % Zinsen jährlich bis längstens 30. 4. 1994 erfolglos aufgefordert.

Die beklagte Partei beantragt die Abweisung des Klagebegehrens und wendete mangelnde passive Klagelegitimation ein. Das Darlehen sei nicht ihr, sondern dem Verein "W***** gewährt worden. Sie stehe mit dem Kläger in keiner geschäftlichen Verbindung, sondern sei nur Eigentümerin der Liegenschaft, auf welcher der Verein, deren Mitglied und Vorstandsmitglied der Kläger gewesen sei, seine Seminare veranstaltet habe.

Vorsichtshalber erhebe sie gegen die Klageforderung den Schuldtilgungseinwand. Der Kläger habe seine vertragliche Verpflichtung gegenüber dem Verein "W*****" zur Abhaltung von "Selbsterfahrungsseminaren" grundlos abgebrochen. Für den daraus entstandenen Schaden von mindestens DM 80.810,-- habe er dem Verein zu haften. Der Verein habe seine Schadenersatzforderung gegen die Darlehensforderung des Klägers aufgerechnet. Die Darlehensforderung sei somit durch Aufrechnung erloschen.

Vorsichtshalber werde aber für den Fall, daß die Darlehensforderung des Klägers tatsächlich gegenüber der beklagten Partei bestanden haben sollte, eingewendet, daß die Schadenersatzforderung des Vereins an die beklagte Partei abgetreten worden sei. Sie habe ihrerseits Aufrechnung der Darlehensforderung mit der Schadenersatzforderung erklärt, weshalb auch in diesem Fall die Forderung zur Gänze erloschen sei.

Der Kläger erwiderte darauf, daß er seine Tätigkeit aus triftigen Gründen beendet habe und ihm seinerseits Schadenersatzforderungen gegenüber dem Verein zustünden, welche er gegen die Schadenersatzforderungen des Vereins aufrechne. Dem hielt die beklagte Partei entgegen, daß eine Gegenaufrechnungseinrede prozessual unzulässig sei und schon deshalb ins Leere gehe, weil sie bereits außerhalb des Prozesses die Aufrechnung erklärt und den Schuldtilgungseinwand erhoben habe.

Das Erstgericht erkannte in einem dreigliedrigen Spruch die Forderung des Klägers als mit S 350.000,-- samt 4 % Zinsen seit dem 1. 5. 1994 als zu Recht und die Gegenforderung der beklagten Partei als mit S 309.728,-- samt 4 % Zinsen seit dem 1. 5. 1994 als zu Recht bestehend an und verpflichtete diese zur Zahlung von S 40.272,-- sA. Das Mehrbegehren wies es ab.

Es kam zum rechtlichen Ergebnis, daß die Darlehensgewährung nicht an den Verein "W*****", sondern an die beklagte Partei erfolgt sei. Der Kläger sei jederzeit zur Aufkündigung berechtigt gewesen. Der Verein Weißer Lotus habe seine Schadenersatzansprüche rechtswirksam abgetreten, weshalb die beklagte Partei berechtigt sei, diese Schadenersatzansprüche der Darlehensforderung des Klägers aufrechnungsweise entgegenzuhalten. Die Schadenersatzforderung sei auch in festgestelltem Umfang berechtigt, weshalb die Gegenforderung in dieser Höhe als zu Recht bestehend zu erkennen gewesen sei.

Das von beiden Seiten angerufene Berufungsgericht berichtigte die Bezeichnung der beklagten Partei auf "W*****" und gab der Berufung der Beklagten nicht, jener des Klägers hingegen teilweise Folge und verpflichtete die beklagte Partei zur Zahlung von DM 50.000,-- zahlbar in österreichischen Schillingen, zu dem am Zahlungstag in Geltung stehenden Wechselkurs samt 4 % Zinsen seit 1. 1. 1993 sowie zum Ersatz der Prozeßkosten. Ein Zinsenmehrbegehren wurde abgewiesen. Es sprach aus, daß die ordentliche Revision nicht zulässig sei.

Es führte aus, daß die Aufrechnung als Schuldtilgungseinwand, der sich auf eine vor oder während des Prozesses bereits vollzogene außergerichtliche Aufwendung stütze oder durch prozessuale Aufrechnungseinrede geltend gemacht werden könne. Die außergerichtliche Aufrechnung werde unbedingt ohne Rücksicht auf das Bestehen der Hauptforderung erklärt, setze also die Anerkennung der Hauptforderung voraus und stelle ihr nur die Gegenbehauptung entgegen, daß sie wegen Schuldtilgung nicht mehr bestehe; die Aufrechnungseinrede im Prozeß sei hingegen eine bedingte Erklärung, welche erst und nur für den Fall wirksam werde, daß das Gericht das Bestehen der Hauptforderung bejahe. Der Beklagte müsse im Prozeß klar stellen, von welcher der gegebenen rechtlichen Möglichkeiten er Gebrauch mache. Hier habe die beklagte Partei ausdrücklich und wiederholt klargestellt, sich auf eine bereits vollzogene Aufrechnung zu stützen und nicht eine prozessuale Aufrechnungseinrede geltend zu machen. Da die außergerichtliche Aufrechnung die Anerkennung der Hauptforderung voraussetze und die beklagte Partei bis zum Schluß der Verhandlung erster Instanz ihre Passivlegitimation und damit die Berechtigung der vom Kläger gegen sie erhobenen Forderung bestritten habe, sei ihre bloß für den Fall der Berechtigung der Darlehensforderung des Klägers gegen sie erklärte Aufrechnung mit einer für diesen Fall abgetretenen Schadenersatzforderung des Vereins unwirksam und die Schuld durch Aufrechnung nicht getilgt. Dies sei vom Berufungsgericht wahrzunehmen, weshalb inhaltlich auf die Gegenforderung und die darauf bezughabenden Ausführungen in den Rechtsmittelschriften nicht mehr weiter einzugehen sei. Das Berufungsgericht sprach aus, daß die ordentliche Revision nicht zulässig sei, weil es von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes nicht abgewichen sei.

Dagegen richtet sich die außerordentliche Revision der beklagten Partei wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, die Entscheidung dahin abzuändern, daß das Klagebegehren zur Gänze abgewiesen werde. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die klagende Partei beantragt in der ihr freigestellten Berufungsbeantwortung, die Revision zurückzuweisen, hilfsweise ihr nicht Folge zu geben.

Die Revision ist zulässig, weil die Feststellungen zur endgültigen Beurteilung des Sachverhaltes nicht ausreichen.

Rechtliche Beurteilung

Das Berufungsgericht hat zunächst zutreffend erörtert, daß die Aufrechnung als Schuldtilgungseinwand, der sich auf eine bereits vor oder auch erst während des Prozesses vollzogene ("außergerichtliche") Aufrechnung stützt (SZ 50/35; 4 Ob 146/84; 1 Ob 2097/96f; RIS-Justiz RS0040879) oder zufolge § 391 Abs 3 ZPO durch prozessuale Aufrechnungseinwendung geltend gemacht werden kann. Ersterer setzt voraus, daß aus dem Vorbringen des Beklagten eindeutig hervorgeht, er habe unter Anerkennung der behaupteten Forderung des Klägers eine privatrechtliche Gestaltungserklärung bereits abgegeben oder wolle eine solche Erklärung jedenfalls nun während des Prozesses abgeben, wogegen die prozessuale Aufrechnungseinwendung durch ihren Eventualcharakter charakterisiert ist, weil sie nur für den Fall erklärt wird, daß das Gericht die Klagsforderung bejaht (Rechberger in Rechberger, § 391 ZPO Rz 10 mwN; Fasching III 574). Im Zweifel ist die Geltendmachung einer Gegenforderung im Prozeß, mit der sich der Beklagte nicht auf eine schon vorher (außergerichtlich) vollzogene Aufrechnung stützt, als bloße Prozeßaufrechnung anzusehen; die Erhebung des (in der Praxis die seltene Ausnahme bildenden) Schuldtilgungseinwandes setzt voraus, daß aus dem Vorbringen des Beklagten eindeutig hervorgeht, daß er eine privatrechtliche Gestaltungserklärung bereits abgegeben hat oder während des Prozesses abgeben will (4 Ob 146/84).

Zwar ist nach der Rechtsprechung (SZ 50/35; EvBl 1979/171) die Aufrechnung als Gestaltungsrecht unbefristet und unbedingt zu erklären, doch wird die Zulässigkeit der Eventualanfechtung im Prozeß davon nicht tangiert (vgl Honsell/Heidinger in Schwimann ABGB2 § 1438 Rz 14). Zu unterscheiden ist daher zwischen der Aufrechnungserklärung, die die Forderung zum Erlöschen bringt und der Geltendmachung der erklärten Aufrechnung im Prozeß. Mit dieser Geltendmachung erhebt der Beklagte verteidigungsweise die rechtsvernichtende Einwendung, daß der Klageanspruch durch die Aufrechnung erloschen ist. Es spielt dabei keine Rolle, ob sich der Beklagte im Prozeß auf eine außergerichtliche Aufrechnungserklärung beruft oder ob die außergerichtliche und die prozessuale Erklärung zusammenfallen. Das Gericht darf die Aufrechnung erst dann berücksichtigen, wenn es die Klageforderung für begründet und andere Einwendungen des Beklagten für unbegründet hält (Honsell/Heidinger in Schwimann ABGB2 § 1438 Rz 28).

Dem Vorbringen der beklagten Partei ist zu entnehmen, daß sie primär die Gewährung eines Darlehens an sie überhaupt bestritten hat. Für den Fall, daß das Darlehen tatsächlich ihr gewährt worden sein sollte, hat sie vorgebracht, daß ihr diesfalls ein Schadenersatzanspruch abgetreten worden sei und sie gegen die Darlehensforderung außergerichtlich aufgerechnet habe. Danach hat sich die beklagte Partei ausdrücklich auf eine außergerichtliche Aufrechnung gestützt.

Das Berufungsgericht hat - ohne ausreichendes Feststellungssubstrat - angenommen, daß die außergerichtliche Aufrechnungserklärung der Beklagten ihrem Prozeßvorbringen entspricht. Eine derartige Annahme ist aber nicht gerechtfertigt, weil die Beklagte nicht ausdrücklich vorgetragen hat, wie ihre außergerichtliche Aufrechnungserklärung gelautet hat.

Den Feststellungen des Erstgerichtes, das die Einwendungen der beklagten Partei unzutreffenderweise als Geltendmachung einer Prozeßaufrechnung angesehen hat, ist aber nicht zu entnehmen, ob und wie diese Aufrechnung tatsächlich erklärt wurde, insbesondere ob das unter der genannten Bedingung geschah. Im fortgesetzten Verfahren werden daher Feststellungen zu treffen sein, ob und in welcher Form die beklagte Partei mit einer ihr zustehenden Schadenersatzforderung aufgerechnet hat. Erst dann läßt sich beurteilen, ob die geltend gemachte außergerichtliche Aufrechnung zur Schuldtilgung führen konnte oder nicht.

Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 ZPO.

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