OGH 1Ob226/99p

OGH1Ob226/99p5.8.1999

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schlosser als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer, Dr. Gerstenecker, Dr. Rohrer und Dr. Zechner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden und gefährdeten Partei Ursula K*****, vertreten durch Dr. Peter Banwinkler, Rechtsanwalt in Linz, wider die beklagte Partei und Gegner der gefährdeten Partei Eckhard K*****, vertreten durch Dr. Günther Dobretsberger und Dr. Martin Steininger, Rechtsanwälte in Linz, wegen einstweiligen Unterhalts, infolge Revisionsrekurses der beklagten Partei und Gegners der gefährdeten Partei gegen den Beschluß des Landesgerichts Linz als Rekursgericht vom 11. März 1999, GZ 14 R 36/99h-31, womit der Beschluß des Bezirksgerichts Linz vom 3. Dezember 1998, GZ 3 C 26/98w-21, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die klagende und gefährdete Partei hat die Kosten des Revisionsrekursverfahrens vorläufig, die beklagte Partei und Gegner der gefährdeten Partei hat diese endgültig selbst zu tragen.

Text

Begründung

Die Ehe der klagenden und gefährdeten Partei (in der Folge Klägerin) mit der beklagten Partei und Gegner der gefährdeten Partei (in der Folge Beklagter) wurde mit Urteil vom 20. 10. 1996 aus dem überwiegenden Verschulden des Beklagten geschieden.

Die Klägerin begehrte mit ihrer am 11. 3. 1998 bei Gericht eingelangten Klage gemäß § 66 EheG Unterhalt im Betrag von S 10.500 monatlich abzüglich des vom Beklagten geleisteten monatlichen Unterhalts von S 5.000. Zugleich beantragte sie die Erlassung einer einstweiligen Verfügung nach § 382 Abs 1 Z 8 lit a EO, nach der der Beklagte der Klägerin bis zur rechtskräftigen Beendigung des Unterhaltsverfahrens einen monatlichen Unterhalt von S 10.500 ab Klagstag zu leisten habe. Der vom Beklagten bezahlte Unterhalt entspreche nicht seiner Unterhaltsverpflichtung. Er erziele ein monatliches Nettoeinkommen von etwa S 35.000, und überdies sei eine Dienstwohnung als Sachbezug mit monatlich S 5.000 zu veranschlagen. Die Klägerin habe 1998 lediglich S 11.500 verdient. In der Tagsatzung vom 23. 11. 1998 schränkte sie ihr Unterhaltsbegehren auf monatlich S 9.000 ein und gestand zu, daß der Beklagte Unterhaltsnachzahlungen und ab August 1998 stets S 7.700 an Unterhalt geleistet habe.

Der Beklagte wendete ein, er habe lediglich ein Einkommen von S 26.878,91 monatlich netto. Bis Juni 1998 sei er für zwei Kinder sorgepflichtig gewesen, ab Juli 1998 bestehe nur mehr eine Sorgepflicht. Der Unterhaltsanspruch der Klägerin belaufe sich bis Juni 1998 auf S 6.700, ab Juli 1998 auf S 7.800 monatlich. Diese Beträge habe der Beklagte geleistet; eine Unterhaltsverletzung liege daher nicht vor. Durch die Dienstwohnung erspare sich der Beklagte maximal S 2.000 im Monat. Der Klägerin hingegen stehe aufgrund eines Übergabsvertrags im nunmehr ihrer Tochter gehörigen Haus ein unentgeltliches, bücherlich sichergestelltes Wohnungsrecht zu, das als Eigeneinkommen der Klägerin mit mindestens S 5.000 zu berücksichtigen sei. Demnach gebühre der Klägerin lediglich ein vom Beklagten zu leistender monatlicher Unterhalt von S 6.528.

Das Erstgericht verpflichtete den Beklagten zur Zahlung eines einstweiligen Unterhalts von S 7.900 vom 11. 3. bis "Juli 1998" und von S 8.800 ab 1. 7. 1998; das Mehrbegehren wies es ab. Es nahm an, daß der Beklagte in den Jahren 1997 und 1998 monatlich netto S 26.878,91 verdient habe. Für die von ihm bewohnte Dienstwohnung habe er lediglich die Betriebskosten zu bestreiten. Bis 30. 6. 1998 sei er für zwei Kinder sorgepflichtig gewesen, ab 1. 7. 1998 bestehe nur mehr eine Sorgepflicht. Die Klägerin bewohne im Haus ihrer Tochter unentgeltlich den ersten Stock, wobei dieses Wohnrecht grundbücherlich gesichert sei. Ohne entsprechende Verpflichtung bezahle sie die für das Haus anfallenden Betriebskosten. Das monatliche Einkommen der Klägerin habe durchschnittlich monatlich S 1.029,17 betragen. Von Juli 1997 bis Februar 1998 habe der Beklagte der Klägerin S 5.000 an monatlichem Unterhalt bezahlt. Im März 1998 habe er eine Nachzahlung von S 17.815 geleistet. Ab April 1998 habe er monatlich S 5.700 bezahlt und S 4.100 als Nachzahlung geleistet. Ab August 1998 habe er seine monatlichen Zahlungen auf S 7.700 erhöht.

Rechtlich meinte das Erstgericht, zugrundezulegen sei das Nettoeinkommen des Beklagten von S 26.878,91, weil die Sachbezüge der Streitteile (Dienstwohnung des Beklagten und unentgeltliche Unterkunft der Klägerin) außer acht gelassen werden könnten. Ausgehend vom durchschnittlichen Familiennettoeinkommen im Betrag von S 27.908 errechne sich der Unterhaltsanspruch der Klägerin für die Zeit vom 11. 3. 1998 bis 30. 6. 1998 mit 32 % der Unterhaltsbemessungsgrundlage abzüglich des Eigenverdiensts von S 1.029,17. Der Klägerin stünde daher für diesen Zeitraum ein monatlicher Unterhalt von S 7.900 zu. Ab 1. 7. 1998 habe der Beklagte grundsätzlich 36 % der Unterhaltsbemessungsgrundlage zu leisten, sodaß sich ein Anspruch der Klägerin von etwa S 9.000 ergebe. Bedenke man jedoch den exorbitanten Einkommensunterschied beim Verdienst der Streitteile, so sei lediglich der Zuspruch von 33 % des Einkommens des Unterhaltsverpflichteten berechtigt, sodaß ab 1. 7. 1998 der der Klägerin gebührende Unterhalt mit S 8.800 festzusetzen sei.

Das Rekursgericht änderte die Entscheidung des Erstgerichts dahin ab, daß es der Klägerin einen monatlichen einstweiligen Unterhalt für die Zeit vom 11. 3. 1998 bis 30. 6. 1998 von S 7.200 und ab 1. 7. 1998 einen solchen von S 8.400 zuerkannte und das Mehrbegehren abwies. Es sprach aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Die Klägerin müsse sich ihr Wohnrecht an einem Teil des Hauses ihrer Tochter nicht als Eigeneinkommen anrechnen lassen. Bei diesem Wohnungsrecht handle es sich um eine wiederkehrende Sachleistung, die dann nicht als Einkommen zu beurteilen sei, wenn sie nur ein Äquivalent für andere Vermögenswerte darstelle, somit nur eine Vermögensumschichtung vorliege. Genau dies treffe hier zu, denn die Klägerin habe das Alleineigentum an der nunmehr ihrer Tochter gehörigen Liegenschaft aufgegeben und ihr diese übertragen, um das lebenslange Wohnrecht eingeräumt zu erhalten. Berücksichtige man dieses Wohnrecht, so wäre im Ergebnis die Vermögenssubstanz der Klägerin in deren Eigeneinkommen einbezogen. Demgegenüber sei aber der Naturalbezug des Beklagten in Form der Dienstwohnung bei der Ermittlung der Bemessungsgrundlage in Anschlag zu bringen. Unter Bedachtnahme auf die Zielsetzung des Provisorialverfahrens und den Umstand, daß eine Bewertung dieses Naturalbezugs vom Erstgericht nicht vorgenommen worden sei, erscheine eine vorläufige Bewertung des Naturalbezugs der Dienstwohnung in der vom Beklagten zugestandenen Höhe von monatlich S 2.000 gerechtfertigt, doch werde eine exakte Bewertung im Hauptverfahren vorgenommen werden müssen. Unter Bedachtnahme auf diesen Naturalbezug ergebe sich eine Bemessungsgrundlage von S 28.878. Da das eigene Einkommen der Klägerin im Verhältnis zum Nettoeinkommen des Beklagten verschwindend gering sei, sei auf das Eigeneinkommen nicht Bedacht zu nehmen. Der Unterhalt sei bis einschließlich Juni 1998 mit 25 % und ab 1. 7. 1998 mit 29 % der Unterhaltsbemessungsgrundlage zu bemessen, wobei sich die Klägerin ihr eigenes Einkommen nicht anrechnen lassen müsse. Demnach stehe der Klägerin für die Zeit vom 11. 3. bis 30. 6. 1998 ein einstweiliger Unterhalt von S 7.200 monatlich und ab 1. 7. 1998 ein solcher von S 8.400 zu. Ein Unterhaltsverletzung sei anzunehmen, weil der Beklagte in den zuvor genannten Zeiträumen die nunmehr zugesprochenen Unterhaltsbeiträge nicht zur Gänze geleistet habe.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs des Beklagten ist zulässig, aber nicht berechtigt.

In seinem Rechtsmittel releviert der Beklagte nur, daß das Rekursgericht zwar seinen Sachbezug (Dienstwohnung) berücksichtigt habe, nicht aber auch das der Klägerin zustehende Wohnrecht, wodurch sie sich Ausgaben "für das Wohnen" erspare. Im übrigen sei zu berücksichtigen, daß die Dienstwohnung dem Beklagten nur für die Dauer seines Dienstverhältnisses zur Verfügung stehe, er aber bereits zum 31. 1. 1999 in den Ruhestand getreten sei. Dieser Umstand ist als Neuerung unbeachtlich.

Es trifft zwar zu, daß jeder Anspruch mit Einkommenscharakter, der einem Pensionsberechtigten auf vertraglicher oder gesetzlicher Basis zusteht, als pensionsrechtlich und bei der Prüfung des Anspruchs auf Gewährung einer Ausgleichszulage tatsächliches Einkommen zu berücksichtigen ist und daß aus der Aktivierung eines Vermögens erzielte Einkünfte in Geld oder in Geldeswert bei der Feststellung der Ausgleichszulage als Einkommen nicht vernachlässigt werden dürfen (SSV-NF 11/122; EvBl 1993/181; SSV-NF 3/23); das bedeutet aber nicht, daß ein vertraglich vereinbartes Wohnungsrecht, das sich die Unterhaltsberechtigte bei der Übereignung einer Liegenschaft vorbehalten hat, als Einkommen im unterhaltsrechtlichen Sinn zu werten ist, denn dabei handelt es sich zwar um ausgleichszulagenrechtlich zu berücksichtigende Einkünfte (SSV-NF 6/141), aber nicht um Einkünfte aus Vermögen oder Erträgnisse einer Erwerbstätigkeit im Sinne des § 66 EheG, sondern selbst wieder nur um ein Vermögen. Allerdings ist darauf, daß der Klägerin ein unentgeltliches Wohnrecht zusteht und sich deshalb ihre Wohnungskosten erheblich vermindern, bei der Unterhaltsfestsetzung Bedacht zu nehmen (8 Ob 621/90), verringern sich doch dadurch die Bedürfnisse der Klägerin, der gegenüber dem Beklagten angemessener Unterhalt im Sinne des § 66 EheG zusteht, damit um die zur Bestreitung der Wohnungsbedürfnisse erforderlichen Aufwendungen.

Damit ist aber für den Beklagten nichts gewonnen:

Dem - wie hier - praktisch einkommenslosen Ehegatten (= Klägerin) wird von der Rechtsprechung grundsätzlich ein Drittel des Einkommens des anderen Ehegatten - abzüglich 4 % für jede weitere Sorgepflicht des Unterhaltspflichtigen - zuerkannt. Das ergibt nach der vom Beklagten insoweit nicht angezweifelten Berechnungsmethode des Gerichts zweiter Instanz einen der Klägerin monatlich zustehenden Unterhaltsbetrag von S 7.200 für die Zeit vom 11. 3. bis 30. 6. 1998 und von S 8.400 ab 1. 7. 1998. Der Oberste Gerichtshof hat aber auch schon ausgesprochen, daß zur Sicherung des Existenzminimums eine Erhöhung des Prozentsatzes von 33 % erfolgen kann; insgesamt seien jedenfalls immer die besonderen Umstände des Einzelfalls für die Festsetzung der Höhe des gemäß § 66 EheG zu leistenden "angemessenen Unterhalts" maßgebend (SZ 64/135). Ein solcher Fall liegt hier vor:

Der Richtsatz für die Gewährung einer Ausgleichszulage ist jener Betrag, der das Existenzminimum garantiert. Durch die Ausgleichszulage sollen nämlich jene Leistungen garantiert werden, die dem Rentenberechtigten eine bescheidene Existenz ermöglichen. Der Ausgleichszulagenrichtsatz legt das (konventionelle) Existenzminimum fest (2 Ob 99/98t). Nun beläuft sich der Richtsatz für die Gewährung von Ausgleichszulagen gemäß § 293 Abs 1 lit a/bb ASVG ab 1. 1. 1999 auf S 8.112, für das Jahr 1998 betrug er S 7.992. Da gemäß § 105 Abs 3 ASVG jährlich zwei Sonderzahlungen einschließlich der Ausgleichszulage gebühren, dann entspricht dem Richtsatz faktisch im Jahre 1998 ein monatlicher Betrag von etwa S 9.300 und ab 1. 1. 1999 ein solcher von etwa S 9.450. Unter Bedachtnahme auf die Rechtsprechung, daß Unterhalt zur Sicherung des Existenzminimums auch über dem (grundsätzlich maßgeblichen) Prozentsatz von 33 % zugesprochen werden darf, gebührt der Klägerin neben dem nach den von der Judikatur entwickelten Grundsätzen zustehenden Betrag an Unterhalt auch die Differenz zwischen diesem Betrag und dem zuvor genannten Richtsatz für die Gewährung der Ausgleichszulage, sodaß der Beklagte für die in Frage stehenden Zeiträume monatliche Unterhaltsbeträge von S 9.300 bzw S 9.450 zu leisten hätte.

Da ihm ohnehin ein einstweiliger Unterhalt nur im Betrag von S 7.200 bzw S 8.400 auferlegt wurde, erscheint das der Klägerin eingeräumte Wohnrecht zumindest für die Zwecke des (rasch zu beendenden) Provisorialverfahrens ausreichend berücksichtigt; im Hauptverfahren wird - wie das Gericht zweiter Instanz im Zusammenhang mit der Bewertung des Naturalbezugs des Beklagten zutreffend ausführte - eine exakte Bewertung vorzunehmen sein. Bei der Bewertung der Ersparnis der Klägerin auf der Bedarfsseite ist jedenfalls auch zu berücksichtigen, daß ihr angesichts der vom Beklagten geleisteten Unterhaltszahlungen nur ein relativ geringes Einkommen zur Verfügung steht, das ihr - wäre sie darauf insofern angewiesen - auch nur das Wohnen in bescheidenen Verhältnissen ermöglichte. Kann sie deshalb, weil sie ihr Vermögen der Tochter zuwandte, allenfalls ein nicht auf ihre Einkommensverhältnisse beschränktes Wohnrecht, so kann dies nicht einfach zur Folge haben, daß für dieses "Wohnen" ein Betrag veranschlagt wird, den die Klägerin unter Bedachtnahme auf ihre tatsächlichen Einkommensverhältnisse gar nicht aufzubringen in der Lage wäre. Soweit sich die Unterhaltsberechtigte infolge Veräußerung von Vermögen bzw Zuwendung durch Dritte Wohnverhältnisse schaffen konnte, wozu sie allein angesichts ihrer eigenen Einkommensverhältnisse außerstande gewesen wäre, können bei Berechnung des angemessenen Bedarfs der Unterhaltsberechtigten nur solche Wohnverhältnisse in Anschlag gebracht werden, die ihren Einkommensverhältnissen entsprechen, kämen doch sonst freiwillige Leistungen durch Dritte oder Vermögensumschichtungen nicht dem Unterhaltsberechtigten, sondern dem Unterhaltsschuldner zugute. Demnach erscheint es gerechtfertigt, daß - zumindest im Provisorialverfahren - für die Zeit ab 1. 7. 1998 lediglich eine Ersparnis der Klägerin aufgrund des ihr zustehenden unentgeltlichen Wohnrechts im Ausmaß von knapp mehr als S 1.000 monatlich angenommen wird.

Aus diesen Gründen ist dem Revisionsrekurs des Beklagten ein Erfolg zu versagen.

Die Entscheidung über den Kostenpunkt ist gemäß § 528 Abs 2 Z 3 ZPO unanfechtbar (Kodek in Rechberger ZPO Rz 5 zu § 528 mwN).

Gemäß § 393 Abs 1 EO hat die Klägerin die Kosten des Sicherungsverfahrens vorläufig selbst zu tragen. Dem Beklagten ist die Abwehr des Sicherungsantrags nicht gelungen; demnach hat er gemäß § 402 EO sowie §§ 40 und 50 ZPO keinen Kostenersatzanspruch.

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