OGH 4Ob189/99v

OGH4Ob189/99v13.7.1999

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kodek als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Graf, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofes Dr. Griß und Dr. Schenk sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Vogel als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Herta K*****, vertreten durch Dr. Barbara Jantscher, Rechtsanwältin in Feldbach, wider die beklagte Partei Anna R*****, vertreten durch Dr. Alfons K. Hauer, und andere Rechtsanwälte in Gleisdorf, wegen Feststellung, Leistung und Räumung (Gesamtstreitwert 47.950 S), infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz als Berufungsgericht vom 20. Jänner 1999, GZ 3 R 390/98i-30, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Feldbach vom 30. Juni 1998, GZ 2 C 1360/97g-19, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 4. 871,04 S bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Entgegen dem - den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) - Ausspruch des Berufungsgerichts hängt die Entscheidung nicht von der Lösung einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO ab:

Rechtliche Beurteilung

Es besteht eine ausreichende und einhellige Judikatur, daß Wohnungsrechte ganz allgemein wie jedes andere Dauerschuldverhältnis aus wichtigen Gründen aufgelöst werden können; dies wurde nicht nur für obligatorische Wohnungsrechte (MietSlg 46.149; JBl 1996, 106; immolex 1997/36 uva), sondern - mit ausführlicher Begründung - auch schon für eine dinglich gesicherte lebenslängliche Dienstbarkeit des Wohnrechts ausgesprochen, die im Rahmen eines Übergabsvertrags zugunsten der dort Beklagten begründet wurde und ganz offenbar deren Existenzsicherung diente (NZ 1994, 20); in dieser Entscheidung wurde auch darauf hingewiesen, daß von der Auflösung der Anspruch der Wohnungsberechtigten auf Vergütung des Geldwerts des Wohnrechts unberührt bleibt. Voraussetzung für eine Auflösung ist insbesondere, daß einem Teil die Aufrechterhaltung des Vertragsverhältnisses nicht mehr zumutbar ist (JBl 1992, 187; SZ 66/81; NZ 1994, 20; immolex 1997/36 uva). Die Auflösung eines Dauerschuldverhältnisses aus wichtigem Grund ist aber das "äußerste Notventil" (JBl 1996, 106). Es ist ein strenger Maßstab anzulegen, ob ein wichtiger Grund für die Auflösung vorliegt (6 Ob 1530/95; immolex 1997/36); die Gründe müssen entsprechend gewichtig sein (JBl 1992, 187; NZ 1994, 20; MietSlg 46.149). Ähnliches gilt für den vergleichbaren Fall der Kündigung eines Bestandvertrags, bei dem Kündigungsverzicht auf Lebenszeit bedungen wurde, wegen Unzumutbarkeit der Fortsetzung des Bestandverhältnisses (JBl 1956, 405; MietSlg 40.164; WoBl 1991, 58 [Würth]; WoBl 1991, 137 ua).

Die rechtliche Beurteilung des festgestellten Sachverhalts durch das Berufungsgericht steht im Einklang mit dieser Rechtsprechung. Die Vorinstanzen haben eine Abwägung des Bestandinteresses der Beklagten und des Auflösungsinteresses der Klägerin vorgenommen und dem Interesse der Klägerin eine größere Beachtlichkeit zugemessen (vgl NZ 1994, 20; SZ 61/281). Auflösungsgründe, die die Beklagte als "nicht des Wohnungsrechts würdig" erscheinen ließen (vgl MietSlg 31.222; immolex 1997/63), liegen nach der Beurteilung der Vorinstanzen vor allem darin, daß die Beklagte, bei der ein Hinweis auf eine sensitiv paranoide Persönlichkeitsstörung besteht, der Klägerin den Zutritt zu deren Haus unmöglich macht, obwohl sich das Wohnrecht der Beklagten nur auf ein Mansardenzimmer erstreckt. Der Sachverhalt entspricht damit nahezu vollständig jenem, der der Entscheidung NZ 1994, 20 zugrundelag; sachliche Gründe für eine Differenzierung in der Zulässigkeit der Auflösung eines Dauerschuldverhältnisses danach, ob - wie hier - der Wohnungsberechtigte zugleich Vertragspartner des Übergabevertrags ist oder ob die Person des Übergebers und jene des Dienstbarkeitsberechtigten auseinanderfallen (so NZ 1994, 20), sind nicht ersichtlich. Unter Würdigung des gesamten Verhaltens der Parteien zueinander (vgl SZ 61/281) ist die Einzelfallbeurteilung (4 Ob 501/88; SZ 60/218) keine auffallende Fehlbeurteilung; es liegt daher keine Verkennung der Rechtslage vor.

Für das Vorliegen einer gesicherten Rechtsprechung reicht im übrigen auch eine einzige (jüngere) Entscheidung aus, sofern sie ausführlich begründet und veröffentlicht wurde, gegenteilige Entscheidungen nicht vorliegen und sie auch im Schrifttum nicht auf beachtliche Kritik gestoßen ist (Kodek in Rechberger ZPO Rz 3 zu § 502, 6. Absatz; 4 Ob 2154/96k; 4 Ob 272/98).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 41 Abs 1, § 50 Abs 1 ZPO. Die Klägerin hat in ihrer Revisionsbeantwortung inhaltlich auf die Unzulässigkeit des Rechtsmittels hingewiesen, weshalb ihr Schriftsatz der zweckentsprechenden Rechtsverteidigung diente.

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