Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben.
Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, daß sie zu lauten haben:
"Es wird festgestellt, daß das Dienstverhältnis des Klägers zur beklagten Partei auch nach dem 31. 8. 1997 weiterhin aufrecht ist.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 83.907,-- (darin S 13.984,50 USt) bestimmten Kosten des Verfahren erster Instanz binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Die beklagte Partei ist weiters schuldig, der klagenden Partei die mit S 19.059,-- (darin enthalten S 3.176,50 Ust) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen."
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 13.725,-- (darin enthalten S 2.287,50 Ust) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Kläger ist seit 4. 10. 1989 als Musikschullehrer bei der beklagten Partei beschäftigt; auf dieses Dienstverhältnis finden die Bestimmungen des NÖ Gemeinde-Vertragsbedienstetengesetztes 1976, LGBl 2420, Anwendung. Mit Schreiben des Bürgermeisters der beklagten Partei vom 27. 5. 1997 wurde das Dienstverhältnis des Klägers zum 31. 8. 1997 gekündigt.
Mit seiner Klage vom 1. 7. 1997 begehrte der Kläger die aus dem Spruch ersichtliche Feststellung. Die Kündigung durch die beklagte Partei sei ohne gesetzlichen Grund erfolgt und somit unwirksam. Insbesondere sei der von der beklagten Partei dem Kläger gegenüber erhobene Vorwurf, er habe eigenmächtig Musikschulstunden zeitlich und örtlich verlegt, genauso unberechtigt wie der, daß er am 25. 4. 1997 ohne Zustimmung der Schulleitung bzw. des Bürgermeisters eine Musikveranstaltung im Ausland besucht und die an diesem Tag stattfindenden Unterrichtsstunden ausgelassen habe. Am 8. 9. 1995 habe eine Versammlung stattgefunden, wobei es um allgemeine Belange des Musikunterrichts, aber auch um die Gründung eines Vereins gegangen sei. Auf einvernehmlichen Wunsch der Eltern sei an diesem Tage eine Musikstunde entfallen. Die beklagte Partei habe dies zum Vorwand genommen, um auf den Kläger Druck auszuüben, weil dieser ein eigenes Musikensemble außerhalb der Schule, gegründet habe.
Sofern am 5. 2. 1996 keine Musikstunden abgehalten worden seien, so sei dies im Einvernehmen mit den Eltern geschehen; die Unterrichtsstunden seien zu einem anderen Termin nachgeholt worden. Am 6. 2. 1996 habe sich der Kläger ebenfalls nicht unberechtigt vom Unterricht entfernt, vielmehr habe er, nachdem er von 11.45 bis 16.30 Uhr Unterrichtsstunden abgehalten habe, wegen einer schon den ganzen Tag anhaltenden Übelkeit den Unterricht abbrechen müssen; davon habe er auch eine Kollegin verständigt. Der Verweis vom 9. 2. 1996 betreffend diese Angelegenheiten sei daher unberechtigt.
Am 25. 2. 1997 habe der Kläger eine Randstunde vorverlegt, weil andere Stunden durch Abwesenheiten von Schülern ausgefallen seien; auch dies sei im Einverständnis mit den Eltern und dem betroffenen Schüler erfolgt. Der Schulleiter habe mangels Anwesenheit nicht verständigt werden können. Am 28. 2. 1997 habe der Kläger den Unterricht deshalb vorzeitig beenden müssen, weil der für die Unterrichtsstunde vorgesehene Schüler nicht erschienen sei. Der Kläger habe sogar bis nahezu zum Ende dieser Stunde zugewartet und sich persönlich nach dem Verbleib des Schülers erkundigt und dabei erfahren, daß der Schüler auf die Stunde vergessen habe. Diese Schulstunde sei im Einvernehmen mit dem Schüler und dessen Eltern an einem anderen Ort nachgeholt worden. Diese am 26. 3. 1997 durch die Beklagte erhobenen Vorwürfe seien daher ebenfalls unberechtigt. Genau so verhalte es sich mit dem am 28. 4. 1997 durch die Beklagte geäußerten Vorhalt, der Kläger habe entgegen einer Weisung die Führung von Schülerleistungsblättern und Aufgabenheften verweigert. Wenngleich diese Maßnahmen aus pädagogischer Sicht entbehrlich seien, habe sich der Kläger hinsichtlich der Schülerleistungsblätter an die Weisung gehalten. Aufgabenhefte seien nur für jene Schüler geführt worden, welche dies gewollt hätten. Der Kläger sei für den 25. 4. 1997 eingeladen worden, mit Schülern der Musikschule Gänserndorf eine Musikschüleraustauschveranstaltung in der Slowakei zu besuchen. Weil der Chauffeur ausgefallen sei, hätte der Kläger auch als Fahrer fungieren sollen. Davon habe er am 18. 4. dem Schulleiter gegenüber Mitteilung gemacht, welcher einen schriftlichen Vorschlag hinsichtlich der Abhaltung von Ersatzstunden verlangt habe. Dem habe der Kläger auch entsprochen, indem für 15 Schüler Ausweichtermine für den 22., 23. und 26. 4 sowie 3. 5. 1997 festgelegt worden seien. Entsprechend einer in einer Konferenz erörterten Vorgangsweise habe der Schulleiter seine Zustimmung dadurch erklärt, daß er die vom Kläger am 21. 4. 1997 vorgelegte schriftliche Liste unterfertigt und angeschlagen habe. Der Kläger habe daher am 22. 4. 1997 diese Zustimmung zur Kenntnis nehmen können. Am 23. 4. 1997 sei der Kläger abends davon verständigt worden, daß der Entfall des Unterrichts am 25. 4. und die Verlegung der Termine durch den Bürgermeister doch nicht genehmigt worden seien. Dies habe der Kläger als Schikane empfunden, weil er einerseits bereits vorverlegte Stunden abgehalten habe und andererseits für die Fahrt unbedingt vonnöten gewesen sei. Er habe daher den Auslandstermin wahrgenommen und die restlichen verlegten Unterrichtsstunden abgehalten. Hievon sei der Bürgermeister der Beklagten am 28. 4. verständigt und am 2. 5. 1997 sei der Kläger zu diesem Vorfall einvernommen worden. Erst mit Schreiben vom 27. 5. 1997, und somit verspätet, sei seine Kündigung ausgesprochen worden.
Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Der Kläger habe mehrfach die Kündigungsgründe des § 37 Abs 2 lit a, d und f NÖ GVBG verwirklicht, darüber hinaus ein Verhalten gesetzt, welches eine Entlassung nach § 39 Abs 2 lit d NÖ GVBG rechtfertigen würde. Am 8. 9. 1995 habe er wegen einer mit Schulzwecken nicht im Zusammenhang stehenden Elternversammlung eine Unterrichtsstunde einfach fallengelassen. Am 5. 2. 1996 habe er eine Unterrichtsstunde unberechtigt nicht abgehalten, am 6. 2. 1996 habe er ohne Verständigung des Schulleiters oder dessen Stellvertreters den Unterricht abgebrochen. Trotz einer eindeutigen Weisung vom 16. 2. 1997, Aufgabenhefte und für alle Schüler mit Einzelunterricht Schulleistungsblätter zu führen, habe der Kläger dies verweigert und deshalb am 26. 3. und 28. 4. 1997 strenge Verweise des Bürgermeisters zur Kenntnis nehmen müssen. Es sei ihm bereits mit einer Kündigung zum 28. 4. 1997 gedroht worden. Am 25. 2. und 28. 2. habe der Kläger erneut eigenmächtige Verlegungen bzw. Auslassungen von Unterrichtsstunden durchgeführt. Als er deshalb vom Schulleiter zur Rede gestellt worden sei, habe er diesem den Rücken zugekehrt und das Gespräch abgebrochen. Zuletzt habe der Kläger eigenmächtig die für 25. 4. 1997 angesetzten Unterrichtsstunden auf andere Tage verlegt, insbesondere auch auf zwei Samstage, was schon wegen des Fehlens eines Schulwarts zu organisatorischen Problemen geführt habe. Als der Schulleiter am 18. 4. 1997 von dieser Veranstaltung und dem Verlegungswunsch verständigt worden sei, habe er dem Kläger aufgetragen, eine Liste über die möglichen Ersatztermine zu erstellen, dabei aber ausdrücklich darauf hingewiesen, daß eine solche Verlegung nur vorbehaltlich der Zustimmung des Bürgermeisters in Frage komme. Nach Übergabe dieser Liste am 22. 4. 1997 habe der Bürgermeister am darauffolgenden Tag eine Genehmigung abgelehnt. Der Schulleiter habe den Kläger noch am selben Tag hievon verständigt, dennoch habe dieser am 25. 4. 1997 seine Auslandsreise angetreten und die Unterrichtsstunden an diesem Tag entfallen lassen. Nach einer Einvernahme vom 2. 5. 1997 habe der hiezu berechtigte Bürgermeister der beklagten Partei die Kündigung des Dienstverhältnisses ausgesprochen.
Das Erstgericht wies die Klage ab.
Es traf hiebei folgende wesentliche Feststellungen:
Da der Kläger beabsichtigte, einen Orchesterverein zu gründen, berief er für den 8. 9. 1995 eine Versammlung der interessierten Eltern ein, anstatt den üblichen Musikunterricht abzuhalten. Auch in der Folge verlegte der Kläger nach Belieben Unterrichtsstunden zeitlich und örtlich, seine Tätigkeit war für die Schulleitung daher nicht ausreichend überblick- und kontrollierbar. Am 9. 2. 1996 wurde ihm deshalb vom Bürgermeister der Beklagten ein Verweis erteilt. Am 16. 2. 1997 erging eine Dienstanweisung an alle Musikschullehrer, für jeden Schüler ein Aufgabenheft sowie für alle Schüler im Einzelunterricht ein Schülerleistungsblatt zu führen. Der Kläger verweigerte dies zunächst unter Hinweis auf "zusätzliche bürokratische Arbeit". Erst nach mehrmaligen Ermahnungen erklärte sich der Kläger bereit, ein Schülerleistungsblatt zu führen, Aufgabenhefte wurden von ihm jedoch weiterhin nicht angelegt. Am 26. 3. 1997 wurde ihm deshalb vom Bürgermeister der Beklagten ein strenger Verweis erteilt. Am 25. 2. 1997 verlegte der Kläger wieder eigenmächtig Unterrichtsstunden, ohne die Schulleitung zu verständigen. Wegen des Besuchs einer Veranstaltung am 25. 4. 1997 wollte der Kläger die für diesen Tag angesetzten Unterrichtsstunden auf vier andere Tage verlegen, worunter sich auch zwei Samstage befanden. Der Schulleiter erfuhr hievon erstmals am 18. 4. 1997 und forderte vom Kläger eine genaue Aufstellung der verlegten Unterrichtsstunden. Im Hinblick darauf, daß auch Samstage im Verlegungsplan enthalten waren, teilte der Schulleiter dem Kläger mit, daß hiezu die Zustimmung des Bürgermeister eingeholt werden müsse. Am 22. 4. 1997 erhielt der Schulleiter die gewünschte schriftliche Aufstellung und erörterte diese am 23. 4. 1997 mit dem Bürgermeister. Dieser genehmigte die Veränderungen nicht. Noch am 23. 4. 1997 teilte der Schulleiter dem Kläger telefonisch mit, daß die Verlegung nicht genehmigt worden sei. Der Schulleiter versah die schriftliche Aufstellung auch mit dem Zusatz, daß die geplante Änderung vom Bürgermeister nicht genehmigt sei. Dennoch nahm der Kläger den Termin vom 25. 4. 1997 wahr und hielt die Unterrichtsstunden so ab, wie sie seinem Verlegungsplan entsprachen. Am 2. 5. 1997 wurde der Kläger zu diesem Vorfall im Gemeindeamt Strasshof vernommen. Mit Schreiben des Bürgermeisters vom 27. 5. 1997 wurde die Kündigung ausgesprochen. Diese wurde in einer Sitzung des Gemeinderates der Beklagten vom 27. 6. 1997 genehmigt.
Das Erstgericht vertrat die Rechtsauffassung, daß der Kläger die Kündigungsgründe des § 37 Abs 2 lit a, c und f gesetzt habe, weshalb die Kündigung durch die Beklagte berechtigt gewesen sei. Das Dienstverhältnis sei somit seit 31. 8. 1997 nicht mehr aufrecht.
Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Es vertrat die Rechtsauffassung, daß der Kläger durch sein Verhalten den Kündigungsgrund nach § 37 Abs lit a NÖ GVBG (entspricht § 32 Abs 2 lit a VBG) gesetzt habe, nicht jedoch auch die weiteren vom Erstgericht angenommenen Kündigungsgründe. In Anbetracht der Kompliziertheit der Willensbildung bei der beklagten Partei als juristischer Person könne der Kläger auch keine Verzögerungen beim Ausspruch der Kündigung für sich ins Treffen führen. Eine sachliche Begründung für die Verzögerungen liege in der notwendigen Erhebung und Bewertung der Vorfälle sowie in der Befassung zuständiger Zentralstellen. Auch aus dem Verweis vom 28. 4. 1997 habe der Kläger keinen Verzicht auf den Kündigungsgrund wegen des Vorfalls vom 25. 4. 1997 ableiten können, weil sich dieser Verweis auf ein anderes Ereignis bezogen habe.
Dagegen richtet sich die Revision der klagenden Partei aus den Gründen der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, die Entscheidungen der Vorinstanzen dahin abzuändern, daß dem Klagebegehren stattgegeben werde.
Die Beklagte beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.
Die Revision ist berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Die für die vorzeitige Auflösung des Arbeitsverhältnisses aus wichtigem Grund entwickelten Grundsätze, insbesondere das Erfordernis der Unverzüglichkeit, sind wegen Rechtsähnlichkeit auch auf die Kündigung von nur aus wichtigen Gründen kündbaren Arbeitsverhältnissen anzuwenden (RIS-Justiz RS0029273). Dies trifft auf eine Kündigung nach dem NÖ GVBG zu. Bei juristischen Personen ist wohl zu berücksichtigen, daß die Willensbildung umständlicher ist als bei physischen Personen, weil Aktenlauf und Wahrnehmung der Kompetenzverteilung gewisse Zeiten in Anspruch nehmen, doch ist auch ein solcher Dienstgeber gehalten, von seinem Kündigungsrecht bei sonstigem Verlust desselben unverzüglich nach Kenntnisnahme des die Kündigung rechtfertigenden Sachverhalts durch die für den Ausspruch der Kündigung zuständigen Organe Gebrauch zu machen (4 Ob 125/79 u. a.).
Gemäß § 42 Abs 1 zweiter Satz NÖ GVBG, LGBl 2420-35, kann der Bürgermeister die Kündigung (§ 37) und die Entlassung (§ 39) eines Vertragsbediensteten aussprechen, wenn dies im Gemeindeinteresse gelegen ist und die Genehmigung des nach § 1 Abs 5 zuständigen Organes der Gemeinde (- dies ist hinsichtlich der Auflösung von Dienstverhältnissen von Vertragsbediensteten gemäß § 35 Abs 2 Z 16 NÖ Gemeindeordnung, LGBl 1000-6, der Gemeinderat -) nicht rechtzeitig eingeholt werden kann. Diese Genehmigung ist jedoch ehestmöglich einzuholen (Satz 3 leg cit). Der schon erwähnte Grundsatz, daß Kündigungen von Vertragsbediensteten unverzüglich auszusprechen sind, gebietet demnach in jenen Fällen, wo eine Einberufung des Gemeinderates binnen kurzer Frist nicht möglich ist, daß der Bürgermeister von dieser Ermächtigung auch Gebrauch macht. Nach den für den Obersten Gerichtshof bindenden Feststellungen fand am 2. 5. 1997 eine Einvernahme des Beklagten zu den im Zusammenhang mit den Ereignissen vom 25. 4. 1997 erhobenen Vorwürfen statt, sodaß davon ausgegangen werden kann, daß der Bürgermeister schon vor dieser Einvernahme über die dem Kläger zur Last gelegten Verstöße Bescheid erhalten hatte. Nach dieser Einvernahme war der - verhältnismäßig einfache - Sachverhalt geklärt, sodaß daran unschwer eine Beurteilung schließen konnte, ob der Kläger einen der im Gesetz klar umrissenen Kündigungsgründe gesetzt hatte. Selbst dann, wenn man für die Klärung der rechtlichen Lage einen weiteren Zeitraum zubilligen wollte (- die von der beklagten Partei erst im Berufungsverfahren und somit unter Verstoß gegen das Neuerungsverbot erhobene Einwendung, daß der Gemeindesekretär krank geworden sei, ist schon deshalb nicht überzeugend, weil die Einholung der erforderlichen Auskünfte in einem solchen Fall auch dem Bürgermeister selbst zuzumuten gewesen wäre -), ist hierfür ein Zeitraum von 25 Tagen bis zum Ausspruch der Kündigung jedenfalls zu lange, um dem Erfordernis der Unverzüglichkeit noch Rechnung zu tragen.
Die Kündigung erweist sich somit als verspätet und ist daher unwirksam (RIS-Justiz RS0029273).
Dem Feststellungsbegehren des Klägers ist daher unabhängig davon, ob er die von der Beklagten behaupteten Kündigungsgründe gesetzt hat, stattzugeben.
Die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens erster Instanz gründet sich auf § 41 ZPO, diejenige über die Kosten der Rechtsmittelverfahren auch auf § 50 Abs 1 ZPO.
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