OGH 8ObA188/99a

OGH8ObA188/99a8.7.1999

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Petrag als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Langer und Dr. Spenling sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Peter Bukovec und Stefan Schöller als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Eva-Maria K*****, Sekretärin, *****, vertreten durch Dr. Georg Grießer ua, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei L*****, *****, vertreten durch die Finanzprokuratur, 1011 Wien, Singerstraße 17-19, wegen S 121.153,85 brutto sA, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 22. März 1999, GZ 10 Ra 1/99m-13, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 13. August 1998, GZ 18 Cga 51/98w-9, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 6.760,- bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin gehört aufgrund des Bescheides des Landesinvalidenamtes für Wien, Niederösterreich und das Burgenland vom 9. 4. 1986 zum Kreis der begünstigten Behinderten. Nach dem Inhalt des Bescheides besteht bei ihr neben anderen, insgesamt eine Minderung der Erwerbsfähigkeit von 50 % bewirkenden Gesundheitsschädigungen eine neurotische Depression, wobei die dadurch bedingte Minderung der Erwerbsfähigkeit mit "0 %" beziffert wurde.

Die Klägerin wurde vom beklagten Verein als Sekretärin eingestellt; das Arbeitsverhältnis wurde mit einer einmonatigen Probezeit abgeschlossen.

Die Klägerin hatte vor dem Abschluß des Vertrages dem beklagten Verein von ihrer Stellung als begünstigte Behinderte keine Mitteilung gemacht. Als dessen Geschäftsführer durch Einsichtnahme in den von der Klägerin bei Dienstantritt vorgelegten Bescheid vom 9. 4. 1986 hievon erfuhr, "stieß er sich an dem dort aufscheinenden Befund, daß die Klägerin an einer neurotischen Depression leide". Er interpretierte dies dahin, daß die Klägerin offenbar nicht "streßmäßig voll belastbar" sei, was "für das Anforderungsprofil einer Sekretärin nicht günstig" sei. Am nächsten Tag erklärte er der Klägerin, hiermit das Dienstverhältnis in der Probezeit zu beenden.

Rechtliche Beurteilung

Das Berufungsgericht vertrat die Rechtsauffassung, daß der beklagte Verein das Probedienstverhältnis innerhalb der Probezeit ohne Angabe von Gründen habe lösen können und der Einwand der Sittenwidrigkeit der Auflösung des Dienstverhältnisses nicht berechtigt sei, weil die mangelnde Belastbarkeit des Dienstnehmers kein verpöntes Auflösungsmotiv sei. Diese Rechtsauffassung ist zutreffend, sodaß es insoweit ausreicht, auf die Richtigkeit der Begründung der angefochtenen Entscheidung zu verweisen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Ergänzend ist auszuführen:

Nach § 8 Abs 1 Satz 2 BEinstG kann ein auf Probe vereinbartes Dienstverhältnis eines begünstigten Behinderten während des ersten Monats von beiden Teilen jederzeit gelöst werden. Dabei ist es ohne Bedeutung, aus welchem Grunde der Dienstgeber die Lösung herbeiführt, sofern die Rechtsausübung nicht schikanös erfolgt (Arb 6742; Ernst/Haller, Behinderteneinstellungsgesetz, Rz 65 zu § 8; Ernst, Die rechtmäßige Beendigung des Arbeitsverhältnisses eines begünstigten Behinderten ohne Zustimmung des Behindertenausschusses, DRdA 1997, 1 f; offenbar billigend auch Martinek/M.Schwarz/W.Schwarz, AngG7 370; vgl auch Grillberger in Floretta/Spielbüchler/Strasser, Arbeitsrecht I4 401 sowie Krejci in Rummel, ABGB**2 Rz 19 zu §§ 1158-1159c).

Daß Art 7 Abs 1 B-VG seit der Nov. BGBl I Nr. 87/1997 normiert, daß niemand wegen seiner Behinderung benachteiligt werden darf, ändert an der wiedergegebenen Rechtslage nichts. § 8 Abs 1 Satz 2 BEinstG bewirkt keine unsachliche Benachteiligung Behinderter, weil auch Probedienstverhältnisse anderer Personen während der Probezeit frist- und begründungslos gelöst werden können. Eine Einschränkung dieses Grundsatzes für begünstigte Behinderte würde eine Bevorzugung bedeuten, die der Gesetzgeber - wie § 8 Abs 1 Satz 2 BEinstG zeigt - nicht beabsichtigt hat. Damit verstößt der Gesetzgeber nicht gegen Art 7 B-VG, weil diese Bestimmung lediglich unsachliche Benachteiligungen untersagt (785 BlgNR 20. GP 5), aber keine Bevorzugung anordnet.

Das Begehren der Klägerin könnte daher iS der dargestellten Rechtslage nur erfolgreich sein, wenn dem beklagten Verein schikanöse Rechtsausübung vorzuwerfen wäre. Dies ist aber nicht der Fall. Im Sinne der neueren Rechtsprechung liegt Schikane dann vor, wenn Schädigungszweck und unlautere Motive so augenscheinlich im Vordergrund stehen, daß andere Ziele der Rechtsausübung völlig in den Hintergrund treten (SZ 69/289; RZ 1998/3 uva). Davon kann aber keine Rede sein, wenn der Dienstgeber ein Probedienstverhältnis beendet, weil er von einer (ihm vor Begründung des Dienstverhältnisses nicht mitgeteilten) Krankheit des Dienstnehmers Kenntnis erlangt, die ihn nach seiner (jedenfalls nicht von vornherein unhaltbaren) Einschätzung befürchten läßt, daß der Dienstnehmer den Anforderungen des Arbeitsverhältnisses nicht gewachsen sein werde. Eine undifferenzierte "Ablehnung begünstigter Behinderter als Gruppe" durch den beklagten Verein ist den Feststellungen nicht zu entnehmen.

Auf den vom Berufungsgericht hervorgehobenen Umstand, daß nach dem Inhalt des maßgebenden Bescheides die neurotische Depression der Klägerin für die ihre Stellung als begünstigte Behinderung rechtfertigende Minderung der Erwerbsfähigkeit nicht kausal ist, braucht daher nicht mehr eingegangen zu werden.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf die §§ 41, 50 Abs 1 ZPO.

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