OGH 2Ob122/99a

OGH2Ob122/99a24.6.1999

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Niederreiter als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schinko, Dr. Tittel, Dr. Baumann und Hon.Prof. Dr. Danzl als weitere Richter in der Pflegschaftssache der mj. Jasmin R*****, geboren am 11. Juni 1986, infolge Revisionsrekurses der Mutter Gerhild P*****, vertreten durch Dr. Hans Dieter Sereinig, Rechtsanwalt in Ferlach als Verfahrenshelfer, gegen den Beschluß des Landesgerichtes Klagenfurt als Rekursgericht vom 18. September 1998, GZ 4 R 380/98v-26, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Ferlach vom 18. August 1998, GZ 1 P 69/96m-23, teilweise abgeändert wurde, den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung

Das Erstgericht wies den Antrag des durch die Bezirkshauptmannschaft Klagenfurt, Außenstelle Ferlach, Referat für Jugend und Familie als Unterhaltssachwalter vertretenen Kindes, die Mutter für den Zeitraum vom 25. April 1996 bis einschließlich 31. März 1998 zu einem monatlichen Unterhaltsbeitrag von S 1.500,-- zu verpflichten ab. Es ging von nachstehenden wesentlichen Feststellungen aus:

Die mj. Jasmin ist das eheliche Kind der Gerhild P*****, geschiedene R***** und des Dieter R*****, deren Ehe mit Beschluß des Erstgerichtes vom 29. Juli 1996 gemäß § 55a EheG geschieden wurde. Die Obsorge wurde dem Vater übertragen. Das Kind befindet sich seit der Trennung der Eltern am 25. April 1996 in Pflege und Erziehung des Vaters. Die Mutter hat in der Zeit zwischen 25. April 1996 und 3. Juli 1996 kein Einkommen erzielt. Zwischen dem 4. Juli 1996 und 19. April 1998 bezog sie Notstandshilfe von S 260,50 täglich, das sind S 7.945,25 monatlich. Ab dem 20. April 1998 bezieht sie Karenzgeld von S 185,50 täglich, das sind S 5.657,75 monatlich. Sie trifft außerdem noch die Sorgepflicht für die mj. Isabella P*****, geboren am 24. April 1993 und die mj. Carina P*****, geboren am 28. Februar 1998. Der Vater erzielt ein monatliches durchschnittliches Einkommen von S 17.000,-- netto und hat außerdem keine weiteren Sorgfaltspflichten.

Rechtlich erörterte das Erstgericht, daß die Mutter im fraglichen Zeitraum nur ein Einkommen in der Höhe des Existenzminimums bezogen habe, weshalb ihr eine Unterhaltsleistung nicht zumutbar sei, weil bei Bezahlung eines rückwirkenden Unterhalts im Hinblick auf die sie treffenden Sorgepflichten ihre Existenz und die ihrer Kinder gefährdet wäre.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Kindes teilweise Folge und verpflichtete die Mutter, für das Kind für den Zeitraum vom 4. Juli 1996 bis 31. März 1998 einen monatlichen Unterhaltsbeitrag von S 1.000,-- zu bezahlen. Das Mehrbegehren wies es ab. Es sprach zunächst aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei. Die Mutter treffe grundsätzlich die Verpflichtung zur Zahlung von Unterhaltsbeiträgen für das nicht in ihrem Haushalt lebende Kind. Die Bemessung des Unterhaltsbeitrages richte sich einerseits nach den Bedürfnissen des Kindes und andererseits nach der Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen. Der vom Vater begehrte Unterhaltsbeitrag für den strittigen Zeitraum reiche zur Deckung sämtlicher Bedürfnisse nicht aus, weil der Regelbedarf eines über 10 Jahre alten Kindes über dem begehrten Unterhaltsbeitrag liege. Die üblicherweise anzuwendende Prozentsatzmethode versage hier aber auf Grund des geringen Einkommens der Mutter. Es sei zu prüfen, wieviel die unterhaltspflichtige Mutter insgesamt und im konkreten für die mj. Jasmin an Unterhalt im fraglichen Zeitraum aufzubringen imstande gewesen sei, wo also bei der von ihr hiebei zu fordernden äußersten Einschränkung jene Belastungsgrenze anzusetzen sei, bei der ihr noch ein solches Resteinkommen verbleibe, das zur Erhaltung ihrer Körperkräfte und ihrer geistigen Persönlichkeit gerade noch erforderlich gewesen sei. Die Belastungsgrenze für den strittigen Zeitraum sei dahin zu veranschlagen, daß ihr jedenfalls rund S 7.000,-- im Monat für ihren eigenen Lebensbedarf und für den Bedarf der (in ihrem Haushalt lebenden) mj. Isabella zu verbleiben habe. Bei einem Einkommen von S 8.000,-- sei eine monatliche Unterhaltsverpflichtung von S 1.000,-- gerade noch vertretbar, weshalb das Mehrbegehren abzuweisen sei.

Gegen diese Rekursentscheidung richtet sich der beim Erstgericht erhobene (nach Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung des Rechtsmittels als rechtzeitig anzusehender) "außerordentliche" Revisionsrekurs der Mutter (ON 29; vgl ON 30). In diesem Rechtsmittel wird vor allem geltend gemacht, bei Beurteilung der Bemessungsgrundlage zur Unterhaltsberechnung sei auch ein von der Mutter zurückzuzahlender Kredit von monatlich S 2.300,-- zu berücksichtigen, weshalb ihr lediglich S 5.700,-- verblieben.

Das Rekursgericht gab einem nach § 14a Abs 1 AußStrG gestellten Antrag statt und sprach in der Folge aus, daß der Revisionsrekurs zulässig sei, weil eine ausdrückliche Rechtsprechung zur Frage fehle, ob bei äußerst geringem Einkommen des Unterhaltspflichtigen die im Scheidungsvergleich übernommenen Kreditrückzahlungen, die dem unterhaltsberechtigten Kind auch zugutekämen, entgegen den allgemeinen Grundsätzen bei der Unterhaltsbemessung zu berücksichtigen seien.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist entgegen dem nicht bindenden Ausspruch des Rekursgerichtes unzulässig, weil es auf die vom Rekursgericht als erheblich anzusehende Frage nicht ankommt.

Zutreffend hat das Rekursgericht dargelegt, daß es bei einem geringen Einkommen des Unterhaltspflichtigen und konkurrierenden Unterhaltspflichten vorkommen kann, daß der nach der Prozentwertmethode ermittelte Unterhaltsbedarf den Unterhaltspflichtigen über Gebühr belasten würde, was zur Vermeidung von Existenzgefährdung und Verminderung der Erwerbsmotivation des Verpflichteten verhindert werden muß (Schwimann in Schwimann2 Rz 42 zu § 140 mwN).

Seit der EO-Novelle 1991 orientiert sich der Oberste Gerichtshof bei Beurteilung der der Vermeidung einer ungebührlichen Belastung des Unterhaltspflichtigen dienenden Belastungsgrenze an den Freibeträgen des § 291b EO und der Existenzminimumverordung, läßt aber deren Unterschreitung im Einzelfall zu (SZ 67/162). Ein pflichtbewußter Unterhaltspflichtiger würde seine Kinder im Normalfall an seinen, wenngleich kärglichen Einkommensverhältnissen teilhaben lassen (ÖA 1998, 122). Dem Verpflichteten hat ein Betrag zu verbleiben, der zur Erhaltung seiner Körperkräfte und seiner geistigen Persönlichkeit notwendig ist, wobei ein Ermessensspielraum besteht. In der Entscheidung SZ 67/47 wurde der unpfändbare Freibetrag gemäß § 291b EO auf S 3.619,-- herabgesetzt, in der Entscheidung SZ 67/162 sah der Oberste Gerichtshof S 3.600,-- als ausreichend für die Bedürfnisse des Vaters, der keinen Mietaufwand hatte, an. In der Entscheidung ÖA 1998, 122 wurde dies für Beträge zwischen S 4.140,-- und S 4.380,-- (für 1994 bis 1997) ausgesprochen. In der Entscheidung 3 Ob 250/97d (zum Teil veröffentlicht in ZfRV 1998, 77) wurde ausgeführt, es erscheine angemessen, dem Vater monatlich S 4.800,-- zu belassen, dies allerdings unter Berücksichtigung seines höheren Lebenshaltungskostenniveaus in Deutschland. Zuletzt hat der erkennende Senat ausgesprochen, es erscheine nicht unangemessen, einem unterhaltspflichtigen Vater lediglich einen Betrag von S 4.200,-- zu belassen (2 Ob 258/98z = ÖA 1999,34).

Wendet man diese Grundsätze auf den vorliegenden Fall an, dann verbliebe der Mutter selbst bei ausnahmsweiser Berücksichtigung von Kreditrückzahlungen ein Betrag von S 5.700,-- monatlich, der jedenfalls über den bereits dargelegten Belastungsgrenzen liegt. Auf die Frage, ob Kreditrückzahlungen, die auch dem mj. Kind zugute kommen, bei Beurteilung der Belastungsgrenze zu berücksichtigen sind, kommt es daher nicht an.

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