Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Der angefochtene Beschluß wird dahin abgeändert, daß der Beschluß des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.
Der Bund hat dem Zweitbeklagten die mit S 4.871,04 (darin S 811,84 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsrekurses binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Begründung
Das Erstgericht wies die von der Staatsanwaltschaft Feldkirch erhobene Ehenichtigkeitsklage wegen örtlicher Unzuständigkeit zurück.
§ 76 Abs 1 JN sehe eine ausschließliche örtliche Zuständigkeit für Ehesachen im engeren Sinn vor. Da die beiden Beklagten nach dem Klagevorbringen keinen gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland gehabt hätten, sei für die vorliegende Klage gemäß § 76 Abs 1 letzter Halbsatz JN das Bezirksgericht Innere Stadt Wien zuständig. Denn die Formulierung in § 76 Abs 1 zweiter Satz: "....in dessen Sprengel der gewöhnliche Aufenthalt des beklagten Ehegatten oder, falls ein solcher gewöhnlicher Aufenthalt im Inland fehlt, der gewöhnliche Aufenthalt des klagenden Ehegatten liegt" betreffe nach seinem Wortlaut und objektiven Sinn nur Streitigkeiten aus einem Eheverhältnis, in welchem sich die Eheleute als Kläger und Beklagter gegenüberstünden.
Das Gericht zweiter Instanz hob diesen Beschluß ersatzlos auf und trug dem Erstgericht die Fortsetzung des Verfahrens auf. Bei Bedachtnahme auf den Gesamtzusammenhang und den Zweck der Regelung werde deutlich, daß die Zuständigkeitsregeln des § 76 Abs 1 JN betreffend den gewöhnlichen Aufenthalt ohne jede Einschränkung auch für den Fall, daß die Staatsanwaltschaft als Klägerin auftrete und beide Ehegatten beklagte Parteien seien, anzuwenden seien. Der "gewöhnliche Aufenthalt" sei der zentrale Gesichtspunkt der Bestimmung, wobei offensichtlich ausschließlich jenes Bezirksgericht mit der jeweils stärksten Ausprägung dieses Kriteriums tätig werden solle. Daraus ergebe sich, daß dann, wenn ein gemeinsamer Aufenthalt der Ehegatten im Inland fehle, der im Inland gelegene gewöhnliche Aufenthalt des Beklagten oder - im Fall der Nichtigkeitsklage durch die Staatsanwaltschaft - eines der Beklagten die örtliche Zuständigkeit dort und nicht beim Bezirksgericht Innere Stadt Wien bewirke. Diese Überlegungen würden durch § 76 Abs 2 JN unterstützt:
Wenn es demnach für die Begründung der inländischen Gerichtsbarkeit in Ehesachen genüge, daß der Beklagte und im Fall der Nichtigkeitsklage gegen beide Ehegatten zumindest einer von ihnen seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland habe, so sei dies wohl auch für die Begründung der örtlichen Zuständigkeit ausreichend. Das Rekursgericht sprach aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs gemäß § 528 Abs 1 ZPO zulässig sei, weil eine diesbezügliche Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes fehle.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs des Zweitbeklagten ist zulässig und berechtigt.
Aus § 76 Abs 2 JN läßt sich entgegen der Ansicht des Rekursgerichtes für die von ihm vorgenommene Auslegung des Abs 1 dieser Bestimmung nichts gewinnen. Für das Vorliegen der inländischen Gerichtsbarkeit sind andere Gesichtspunkte maßgebend. Daß die inländische Gerichtsbarkeit bereits dann gegeben ist, wenn im Fall der Nichtigkeitsklage gegen beide Ehegatten auch nur einer von ihnen seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat, besagt nichts darüber aus, vor welchem örtlich zuständigen inländischen Gericht ein solches Verfahren abzuführen ist.
Gemäß § 28 Abs 1 EheG steht die Klagebefugnis nur dem Staatsanwalt zu, wenn die Ehe aufgrund des § 23 EheG, der hier geltend gemacht wurde, nichtig ist. Gemäß § 82 1. DVO zum EheG ist die Nichtigkeitsklage des Staatsanwaltes gegen beide Ehegatten zu richten (und nur, wenn einer von ihnen bereits verstorben ist, gegen den überlebenden Ehegatten). Die Frage, ob das Gericht des gewöhnlichen Aufenthaltes für Klagen des Staatsanwaltes nach diesen Bestimmungen zuständig ist, wenn beide beklagten Ehegatten ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Sprengel desselben Gerichtes haben, stellt sich hier nicht. Nur auf diesen Fall bezieht sich aber offenbar die vom Rekursgericht herangezogene Belegstelle in Fasching, Lehrbuch2, Rz 280, wo ausgeführt wird, daß subsidiär "das Gericht des gewöhnlichen Aufenthaltes des beklagten oder der beklagten Ehegatten...."
zuständig sei.
Im vorliegenden Fall ist aber nicht bekannt, wo der Zweitbeklagte wohnt, so daß auch nicht von dessen gewöhnlichem Aufenthalt im Sprengel des Erstgerichtes ausgegangen werden kann. Die Lösung des Rekursgerichtes würde dem Staatsanwalt ein Wahlrecht dahin einräumen, die Klage nach seinem Belieben beim Gericht des gewöhnlichen Aufenthaltes der Frau oder bei jenem des gewöhnlichen Aufenthaltes des Mannes einzubringen, falls diese in verschiedenen Sprengeln wohnen und niemals ein gemeinsamer gewöhnlicher Aufenthalt bestanden hat. Dem steht aber die damit nicht in Einklang zu bringende Anordnung des ausschließlichen Gerichtsstandes des gewöhnlichen Aufenthaltes des (jeweiligen) Beklagten und der Umstand entgegen, daß eine gemeinsame Klage gegen beide Beklagte einzubringen ist. Die Anordnung, daß auf den gewöhnlichen Aufenthalt des Beklagten abzustellen ist, kann daher auf den Fall, daß beide Ehegatten vom Staatsanwalt als Beklagte in Anspruch genommen werden, zumindest dann nicht angewendet werden, wenn die Ehegatten in unterschiedlichen Gerichtssprengeln aufhältig sind. Es kommt daher bei der hier vorliegenden Konstellation nur die gegenüber allen sonstigen Möglichkeiten des § 76 Abs 1 JN subsidiäre Zuständigkeit des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien in Betracht. Dieser beide Beklagte erfassende besondere gemeinsame Gerichtsstand schließt den Gerichtsstand der Streitgenossenschaft nach § 93 JN aus (vgl Fasching, Kommentar I Anm 2 zu § 93 JN), so daß auch diese Bestimmung nicht zur Begründung der Zuständigkeit des Erstgerichtes für die Klage, soweit sie gegen den Zweitbeklagten gerichtet ist, herangezogen werden kann.
Die Kostenentscheidung in diesem Zwischenstreit gründet sich auf § 85
1. DVO EheG iVm den §§ 41 und 50 ZPO.
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