OGH 4Ob129/99w

OGH4Ob129/99w22.6.1999

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Kodek als Vorsitzenden und durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Graf, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Griß und Dr. Schenk sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Vogel als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei P***** GmbH, *****, vertreten durch Schönherr, Barfuss, Torggler & Partner, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei H***** Inc., *****, vertreten durch Dr. Johann Etienne Korab, Rechtsanwalt in Wien, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert im Provisorialverfahren 450.000 S), infolge Revisionsrekurses beider Parteien gegen den Beschluß des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom 5. März 1999, GZ 3 R 186/98i-13, mit dem der Beschluß des Handelsgerichts Wien vom 4. September 1998, GZ 37 Cg 230/98x-9, teilweise abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs der Beklagten wird nicht Folge gegeben; dem Revisionsrekurs der Klägerin wird teilweise Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluß wird dahin abgeändert, daß die Entscheidung, einschließlich des bestätigten Teils, insgesamt wie folgt zu lauten hat:

"Einstweilige Verfügung

Zur Sicherung des Anspruchs der Klägerin gegen die Beklagte auf Unterlassung wettbewerbswidriger Handlungen wird der Beklagten aufgetragen, es im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs zu unterlassen,

a) für die nicht zugelassene Arzneispezialität VIAGRA Werbung zu betreiben;

b) den Eindruck zu erwecken, daß ihre auf VIAGRA bezüglichen Rundschreiben, mit welchen Arzneimittelwerbung betrieben und nicht zugelassene Indikationen angekündigt werden, im Zusammenwirken mit der Klägerin oder zumindest mit deren Wissen oder Billigung erfolgen.

Das Mehrbegehren, der Beklagten zu untersagen,

Versandhandel mit Arzneimitteln, insbesondere mit der Arzneispezialität VIAGRA, zu betreiben,

die Arzneispezialität VIAGRA mit einer nicht zugelassenen Indikation (Anwendung an Frauen) - insbesondere unter gleichzeitiger Propagierung von Anwendungsbeobachtungen - anzubieten und zu vertreiben,

wird abgewiesen."

Die Klägerin hat die halben Kosten des Rekursverfahrens, ein Drittel der Kosten ihres Revisionsrekurses sowie die gesamten Kosten ihrer Revisionsrekursbeantwortung vorläufig selbst zu tragen; die halben Kosten des Rekursverfahrens und zwei Drittel der Kosten ihres Revisionsrekurses hat sie endgültig selbst zu tragen.

Die Klägerin ist schuldig, der Beklagten die mit 17.549,10 S bestimmten anteiligen Kosten des Rechtsmittelverfahrens (darin 2.924,85 S USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Die Beklagte hat die Kosten ihres Revisionsrekurses endgültig selbst zu tragen.

Text

Begründung

Die Klägerin ist ein Unternehmen des P*****-Konzerns, der die Arzneispezialität VIAGRA zur Behandlung der erektilen Dysfunktion entwickelt hat. Sie wird die Arzneispezialität in Österreich vertreiben.

Die Beklagte bezeichnet sich als Botendienst, der beim Eigenimport von Medikamenten in der Form behilflich ist, daß er ein auf VIAGRA lautendes Originalrezept in einer Internationalen Apotheke einlöst und das Arzneimittel dem Patienten zusendet. Die Beklagte versandte an zumindest drei österreichische Ärzte ein Schreiben, dem ein Rechtsgutachten des Beklagtenvertreters, ein Auftragsschein sowie ein Anforderungsschein für weitere Auftragsscheine angeschlossen waren. In diesem Schreiben vertrat die Beklagte die Auffassung, daß jeder Arzt für Allgemeinmedizin und jeder Facharzt, in dessen Sonderfach die Verschreibung von VIAGRA fällt, berechtigt sei, VIAGRA bei entsprechender Indikation zu verschreiben. Die Beklagte sei lediglich ein Botendienst. Sie sei weder fachlich noch rechtlich dazu befugt, über die jeweiligen Medikamente zu informieren. Man möge sich daher immer an den jeweiligen Hersteller wenden; das sei im Fall von VIAGRA die Klägerin. Der im Rechtsgutachten geschilderte Vorgang - Verschreibung durch den Arzt, Eigenimport durch den Patienten - gelte für jedes Medikament, nicht nur für VIAGRA.

Im angeschlossenen Rechtsgutachten vertrat der Beklagtenvertreter die Auffassung, daß der Eigenimport von VIAGRA durch österreichische Patienten nach geltendem Recht durchaus zulässig sei. Die in § 5 Abs 1 Z 8 ArzneiwareneinfuhrG genannten Voraussetzungen für eine solche Einfuhr seien erfüllt. Das Versandhandelsverbot des § 59 Abs 9 AMG werde dadurch nicht berührt.

Mit dem Auftragsschein wird die Beklagte beauftragt, "beiliegendes Originalrezept über ... bei einer Internationalen Apotheke einzulösen und die Zustellung an folgende Adresse zu veranlassen". Bei den für die Angabe der gewünschten Packungen vorgedruckten Rubriken ist "max. 3 Packungen pro Patient" vermerkt. Oberhalb der Unterschrift findet sich der Vermerk "Ich bestätige hiermit, daß das Medikament nur für meinen Eigenbedarf und nicht zur Weitergabe an Dritte bestimmt ist".

Die Beklagte versendet weitere Rundschreiben an Ärzte, denen Unterlagen über das "VIAGRA-Forschungsprogramm" und mit "Anwendungsbeobachtungen VIAGRA" überschriebene Bögen beigeschlossen sind. In den Vordrucken für Anwendungsbeobachtungen sind Rubriken für Männer und für Frauen enthalten, aus denen sich ergibt, daß auch eine Einnahme durch Frauen vorgesehen ist.

Die Klägerin begehrt zur Sicherung ihres inhaltsgleichen Unterlassungsanspruchs, der Beklagten aufzutragen, es im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs zu unterlassen,

a) für die nicht zugelassene Arzneispezialität VIAGRA Werbung zu betreiben;

b) Versandhandel mit Arzneimitteln, insbesondere mit der Arzneispezialität VIAGRA, zu betreiben;

c) die Arzneispezialität VIAGRA mit einer nicht zugelassenen Indikation (Anwendung an Frauen) - insbesondere auch unter gleichzeitiger Propagierung von Anwendungsbeobachtungen - anzubieten und zu vertreiben;

d) den Eindruck zu erwecken, daß ihre auf VIAGRA bezüglichen Rundschreiben, mit welchen Arzneimittelwerbung betrieben und der Versandhandel mit Arzneimitteln sowie nicht zugelassene Indikationen angekündigt werden, im Zusammenwirken mit der Klägerin oder zumindest mit deren Wissen oder Billigung erfolgen.

Die Beklagte werbe für ein nicht zugelassenes Arzneimittel und verstoße damit gegen § 50 Abs 1 AMG. Sie verstoße auch gegen das Versandhandelsverbot des § 59 Abs 9 AMG. VIAGRA sei in keinem Mitgliedstaat des EWR-Abkommens zugelassen und dürfe in diesen Ländern nicht in Verkehr gebracht werden. Durch die Aufforderung, sich wegen weiterer Informationen an die Klägerin zu wenden, werde der unzutreffende Eindruck erweckt, daß der Versand im Zusammenwirken mit der Klägerin erfolge. Anwendungsbeobachtungen seien auf die systematische Beobachtung der Anwendung zugelassener Arzneispezialitäten beschränkt. Bei VIAGRA sei keine Indikation für Frauen vorgesehen; der Hinweis auf die Anwendbarkeit von VIAGRA für Frauen verstoße gegen § 2 UWG.

Die Beklagte beantragt, den Sicherungsantrag abzuweisen. Zwischen den Parteien bestehe kein Wettbewerbsverhältnis, weil die Klägerin erst in Zukunft tätig werden wolle. Die Klägerin sei im übrigen Großhändlerin, die Beklagte ein Botendienst für Letztverbraucher. Die Beklagte werbe nicht für das Produkt, sondern für ihre Dienstleistung. Sie betreibe keinen Versandhandel, sondern besorge das Arzneimittel als Bote des Patienten. Die Einfuhr des Medikaments erfolge gemäß § 5 Abs 1 Z 8, Abs 3 ArzneiwareneinfuhrG. Die Beklagte beziehe VIAGRA aus Deutschland. Dort dürfe VIAGRA in Verkehr gebracht werden. An der Universität Wien werde derzeit VIAGRA an Frauen getestet. Die Beklagte versende Erfassungsbögen für eine wissenschaftliche Arbeit und nicht für Anwendungsbeobachtungen im Sinne des § 2a Abs 1 AMG. Sie habe auf die Klägerin nur als Herstellerin Bezug genommen. Ihr Verhalten sei ihr subjektiv nicht vorwerfbar. Sie habe zwei Rechtsgutachten eingeholt, um abzuklären, ob ihre Vorgangsweise durch das Gesetz gedeckt sei.

Das Erstgericht erließ die einstweilige Verfügung. Die von der Beklagten gewählte Botendienst-Konstruktion verdecke den wahren Sachverhalt, um das Verbot des § 59 Abs 9 AMG zu umgehen. Die Beklagte wolle den österreichischen Konsumenten VIAGRA schon vor der Zulassung verkaufen. Sie werde - wirtschaftlich gesehen - als Zwischenhändlerin zwischen Apotheker und Letztverbraucher tätig. Ein derartiger Handel setze eine entsprechende Organisation voraus. Zwischen den Streitteilen bestehe ein Wettbewerbsverhältnis, weil die Klägerin mit dem Antrag auf Zulassung bereits eine Wettbewerbshandlung im weiteren Sinn vorgenommen habe. Die Rundschreiben der Beklagten seien geeignet, Personen zu beeinflussen, VIAGRA zu kaufen. Die Beklagte verstoße damit gegen § 50 Abs 1 Z 1 AMG; ihr Verhalten sei sittenwidrig im Sinne des § 1 UWG. Die Rechtsansicht der Beklagten sei nicht vertretbar. Eine Anwendungsbeobachtung nicht zugelassener Arzneimittel sei gesetzwidrig und, weil der Gesetzesverstoß einen Wettbewerbsvorteil bringe, auch sittenwidrig im Sinne des § 1 UWG. Die Beklagte erwecke den Eindruck, mit der Klägerin zusammenzuarbeiten. Darin liege ein Verstoß gegen § 2 UWG.

Das Rekursgericht bestätigte die Entscheidung zu Punkt a) des Sicherungsantrags; das Begehren zu Punkt b), c), d) wies es ab und sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstands 260.000 S übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Zwischen den Streitteilen bestehe ein Wettbewerbsverhältnis, weil auch wettbewerbswidrige Handlungen vor Zulassung des Arzneimittels dessen Absatz in Österreich nach der Zulassung beeinträchtigten. Die Beklagte werbe für VIAGRA; da VIAGRA in Österreich nicht zugelassen sei, verstoße sie damit gegen § 50 Abs 1 AMG und auch gegen § 1 UWG. Ein allfälliger Wegfall der Wiederholungsgefahr sei nicht von Amts wegen wahrzunehmen. Es habe daher nicht überprüft werden müssen, ob VIAGRA mittlerweile zugelassen wurde. Die Beklagte betreibe keinen Versandhandel, weil sie nicht ein bestimmtes Sortiment bereithalte, aus dem der Kunde wählen kann. Aus ihren Rundschreiben ergebe sich nur, daß sie als Botendienst einschreite und das Rezept bei einer Internationalen Apotheke einlöse. Damit kaufe die Beklagte das Medikament im Namen und auf Rechnung eines Dritten ein, ohne selbst Eigentum zu erwerben. Der Schutzzweck des § 59 Abs 9 AMG und des § 50 Abs 2 GewO - fachkundige Beratung durch Arzt oder Apotheker - werde durch einen Botendienst nicht umgangen, der lediglich vom Arzt verschriebene Medikamente für den Patienten besorgt. Gemäß § 5 Abs 1 Z 8 ArzneiwareneinfuhrG könne sich jede Person rezeptpflichtige Arzneimittel zuschicken lassen; damit bestünden auch keine Bedenken, die Arzneimittel durch einen Botendienst zu besorgen. Eine Verpflichtung, verschriebene Medikamente selbst in der Apotheke zu holen, bestehe nicht. Ob VIAGRA in Deutschland in Verkehr gebracht werden darf, sei nicht zu prüfen, weil die Klägerin nur ein Verbot des Versandhandels begehre. Das Begehren gehe aber jedenfalls zu weit, weil es sich nur auf Arzneimittel beziehen könne, die die Klägerin selbst herstellt und in Verkehr bringt. Als Betreiberin eines Botendiensts könne der Beklagten nicht verboten werden, VIAGRA mit einer nicht zugelassenen Indikation anzubieten und zu vertreiben. Auch ein flüchtiger Durchschnittsinteressent entnehme dem Rundschreiben, daß die Klägerin nur als Herstellerin genannt werde.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen diese Entscheidung gerichteten Revisionsrekurse beider Parteien sind zulässig, weil Rechtsprechung zu einem gleichartigen Sachverhalt fehlt. Der Revisionsrekurs der Beklagten ist nicht berechtigt; jener der Klägerin ist teilweise berechtigt.

1. Zum Revisionsrekurs der Beklagten

Die Beklagte hält an ihrer Auffassung fest, daß ihr Verhalten bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise nicht geeignet sei, den Absatz der Klägerin auch nur mittelbar zu beeinträchtigen. Auch das von ihr erworbene VIAGRA stamme aus dem P*****-Konzern.

Das ist zwar unstrittig; die Klägerin ist aber jenes österreichische Unternehmen des P*****-Konzerns, dessen Umsatz geschmälert wird, wenn VIAGRA aus dem Ausland bezogen wird. Es ist daher nicht richtig, daß das Verhalten der Beklagten nicht geeignet wäre, die Wettbewerbsposition der Klägerin zu beeinträchtigen. Ihr Verhalten ist demnach als Handeln zu Zwecken des Wettbewerbs zu werten.

Nicht zu folgen ist den Ausführungen der Beklagten auch insoweit, als sie darzulegen versucht, daß sie keine Arzneimittelwerbung betreibe. Die Beklagte bietet zwar in erster Linie an, VIAGRA gegen Vorlage eines Originalrezepts in einer Internationalen Apotheke zu besorgen; ihr Bestreben, Interesse für die von ihr angebotene Dienstleistung zu wecken, ist aber untrennbar damit verbunden, Personen zu veranlassen, VIAGRA zu erwerben. Nur wenn dies der Beklagten gelingt, ist ihr Angebot überhaupt erst sinnvoll. Daß die Beklagte (auch) für VIAGRA wirbt, zeigt sich auch darin, daß sie mit ihrem Angebot die Beschaffbarkeit von VIAGRA herausstreicht. Es bedarf keiner Begründung, daß es sich bei der Beschaffbarkeit um eine wesentliche Produkteigenschaft handelt.

Die Beklagte macht geltend, daß ihr die Werbung für ein nicht zugelassenes Arzneimittel nicht mehr untersagt werden könne, weil VIAGRA mittlerweile für den gesamten EG-Raum zugelassen wurde. Sie meint, daß die nach der Entscheidung des Erstgerichts erfolgte Zulassung zu berücksichtigen wäre und verweist darauf, daß die Zulassung im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften veröffentlicht wurde.

Soweit die Beklagte daraus ableitet, daß die Zulassung notorisch wäre, ist ihr zu entgegnen, daß eine Tatsache nur dann gerichtskundig ist, wenn der Richter die Tatsache kennt, ohne erst in bestimmte Unterlagen Einsicht nehmen zu müssen. Das wurde für Eintragungen im Firmenbuch ausgesprochen (JBl 1999, 333), muß aber genauso für Tatsachen gelten, die in Amtsblättern bekanntzumachen sind. Selbst wenn aber die mittlerweile erfolgte Zulassung im vorliegenden Fall berücksichtigt würde, könnte dies der Beklagten nicht den von ihr angestrebten Rechtsmittelerfolg bringen. Die Zulassung führte nämlich dazu, daß die Beklagte durch eine Entscheidung, die ihr die Werbung für das nicht zugelassene Arzneimittel untersagt, nicht mehr beschwert wäre. Ihr Rechtsmittel wäre zurückzuweisen, weil in Zukunft keine Exekution mehr in Frage käme (SZ 61/6; ÖBl 1991, 38 ua).

Die Klägerin weist aber zu Recht darauf hin, daß sich die Werbung der Beklagten auch auf die Anwendung bei Frauen bezieht (Anwendungsbeobachtungen laut ./D). Nach den Zulassungsbedingungen darf VIAGRA jedoch weder bei Frauen noch bei Patienten unter 18 Jahren eingesetzt werden (s Mitteilung der Kommission 12/21-98 in JUSletter 32-98). Insoweit wirbt die Beklagte demnach auch noch nach der Zulassung von VIAGRA für ein nicht zugelassenes Arzneimittel; eine Exekution aufgrund der gegen sie ergangenen einstweiligen Verfügung bleibt demnach auch in Zukunft möglich. Das begründet ihre Beschwerde und führt dazu, daß ihr Rechtsmittel nicht zurückzuweisen, sondern - aus den oben angeführten Gründen im abweisenden Sinn - inhaltlich zu erledigen ist.

2. Zum Revisionsrekurs der Klägerin

a) zu Punkt b des Begehrens

Die Klägerin macht geltend, daß die Beklagte einen unzulässigen Versandhandel betreibe und sowohl gegen § 59 Abs 9 AMG als auch gegen § 50 Abs 2 GewO verstoße. Die Beklagte kaufe das Arzneimittel in einer "Internationalen Apotheke" um einen bestimmten Preis und verrechne dem Letztverbraucher einen (durch Zuschlag der Bearbeitungs- und Zustellgebühr) höheren Preis. Ihre gesamte Handlungsweise entspreche den typischen Erscheinungsformen des unzulässigen Versandhandels.

Der der Beklagten damit vorgeworfene Verstoß gegen das Versandhandelsverbot kann für sich allein genommen das beantragte Unterlassungsgebot nicht rechtfertigen. Dem Sicherungsantrag kann nur stattgegeben werden, wenn die Beklagte mit dem Gesetzesverstoß sittenwidrig im Sinne des § 1 UWG handelt. Dies setzt voraus, daß die Gesetzesverletzung subjektiv vorwerfbar und geeignet ist, dem gesetzwidrig Handelnden einen Vorsprung vor den gesetzestreuen Mitbewerbern zu verschaffen. Ist bei unterschiedlicher Auslegung der verletzten Vorschrift die Auffassung des Beklagten über ihre Bedeutung durch das Gesetz so weit gedeckt, daß sie mit gutem Grund vertreten werden kann, dann liegt keine sittenwidrige Wettbewerbshandlung vor (stRsp ua SZ 56/2 = EvBl 1983/49 = ÖBl 1983, 40 - Metro-Post I; ÖBl 1994, 17 - Contact).

Zu prüfen ist daher, ob die Auffassung der Beklagten, keinen unzulässigen Versandhandel zu betreiben, mit gutem Grund vertreten werden kann. Dazu ist zu erwägen:

Der Vertrieb von Arzneimitteln im Versandhandel ist sowohl nach dem Arzneimittelgesetz (§ 59 Abs 9 AMG) als auch nach der Gewerbeordnung (§ 50 Abs 2 GewO) verboten. Unter das Verbot gemäß § 50 Abs 2 GewO fallen nur Stoffe und Präparate, deren Verkauf an Letztverbraucher durch bundesrechtliche Vorschriften auch außerhalb von Apotheken gestattet ist. Soweit Arzneimittel nur durch Apotheken an Letztverbraucher abgegeben werden dürfen (§ 59 Abs 1 AMG), kann nämlich ihr Verkauf gemäß § 2 Abs 1 Z 11 GewO nicht Gegenstand einer gewerblichen Regelung sein (941 BlgNR 18. GP 7). Der Versandhandel mit Arzneimitteln, die unter den Apothekenvorbehalt fallen, wird demnach nur von § 59 Abs 9 AMG erfaßt. Mit dieser Bestimmung sollte klargestellt werden, daß auch Apotheken keinen Versandhandel betreiben dürfen (1362 BlgNR 18. GP 40). Daraus folgt aber nicht, daß die Bestimmung nur für Apotheken gilt. Wer, ohne Apotheker zu sein, apothekenpflichtige Arzneimittel im Versandhandel vertreibt, verstößt sowohl gegen § 59 Abs 1 AMG als auch gegen § 59 Abs 9 AMG. Die Entscheidung ÖBl 1996, 53 - N's Figur-Paket spricht nicht gegen die hier vertretene Auffassung. In dem dieser Entscheidung zugrundeliegenden Fall ging es um die Frage, ob der Versandhandel mit Verzehrprodukten schon vor Inkrafttreten des § 59 Abs 9 AMG verboten war. Diese Frage wurde unter Hinweis auf § 50 Abs 2 GewO 1973 bejaht. In diesem Zusammenhang wurde auf den Gesetzeszweck des § 59 Abs 9 AMG hingewiesen, ohne aber auf die - im zugrundeliegenden Fall nicht relevante - Frage einzugehen, ob § 59 Abs 9 AMG den Versandhandel mit apothekenpflichtigen Arzneimitteln durch Nichtapotheker erfaßt.

Der Begriff des Versandhandels ist weder in § 59 Abs 9 AMG noch in § 50 Abs 2 GewO definiert. In den Materialien zur Gewerbeordnung 1972 (AB 941 BlgNR 18. GP 7) wird auf den allgemeinen Sprachgebrauch verwiesen. Danach wird unter Versandhandel eine Betriebsform des Einzelhandels verstanden, bei der das Anbieten der Waren nicht in offenen Ladengeschäften (Schaufenster), sondern schriftlich mittels Katalogen, Anzeigen, Prospekten oder auch durch Vertreter erfolgt und die schriftlich bestellten Waren den Käufern im Versandweg (meist Postversand) zugestellt werden. Für den Versandhandel ist demnach wesentlich, daß der Verkäufer seine Waren einem unbestimmten Personenkreis schriftlich (= nicht persönlich) anbietet und die bestellte Ware zugesandt wird.

Im vorliegenden Fall bietet die Beklagte Ärzten an, ihnen für ihre Patienten VIAGRA oder auch andere Arzneimittel zu besorgen. Sie verschickt Auftragsscheine, in denen sie sich beauftragen läßt, "beiliegendes Originalrezept über ... bei einer Internationalen Apotheke einzulösen und die Zustellung an folgende Adresse zu veranlassen". Die Beklagte tritt demnach nicht als Verkäuferin der Arzneimittel auf, sondern bietet an, die Arzneimittel bei einer Internationalen Apotheke zu besorgen.

Nach Auffassung der Klägerin soll dennoch ein Versandhandel vorliegen, weil die gesamte Handlungsweise der Beklagten den typischen Erscheinungsformen des unzulässigen Versandhandels entspreche. Insbesondere liege eine "entsprechende Organisation" und nicht bloß ein einzelfallbezogener "Botendienst" vor. Es sei unbestritten, daß das Arzneimittel durch Versand an den Letztverbraucher abgegeben werde.

Das allein reicht aber nicht aus, um einen Versandhandel anzunehmen, und zwar unabhängig davon, ob bei dieser Abgabeform eine Apotheke überwacht, was der Patient letztlich zugesandt erhält. Gegen einen Versandhandel spricht nämlich, daß nicht der Patient und Letztverbraucher, sondern der Arzt ein schriftliches Angebot bekommt; er (oder der Patient) bestellt schriftlich und der Patient erhält das Arzneimittel zugesandt. Es kommt damit zwar zu einem Versand von Arzneimitteln an Letztverbraucher, dem kein persönlicher Kontakt zwischen diesen und dem Apotheker vorausgeht und bei dem es auch beim Empfang der Arzneimittel zu keinem persönlichen Kontakt Apotheker - Patient kommt; diesem Versand geht aber kein Angebot des Verkäufers an Letztverbraucher voraus, das dem Anbieten durch Kataloge, Inserate, Prospekte oder Vertreter gleichzuhalten wäre.

Ein Versandhandel liegt auch nicht schon deshalb vor, weil der Patient bei Erhalt des Medikaments nicht beraten wird. Zu keiner Beratung durch eine Apotheke kommt es auch dann, wenn sich der Patient gemäß § 5 Abs 1 Z 8 ArzneiwareneinfuhrG rezeptpflichtige Arzneimittel aus dem Ausland zuschicken läßt. Anders als bei Arzneimitteln, die nicht der Rezeptpflicht unterliegen und für die auch keine ärztliche Verschreibung vorliegt, braucht die Einfuhr in diesem Fall nicht über eine inländische öffentliche Apotheke zu erfolgen (§ 5 Abs 3 ArzneiwareneinfuhrG). Dennoch liegt in einem solchen Fall kein unzulässiger Versandhandel vor; die Materialien zum Arzneiwareneinfuhrgesetz führen als Beispiel für einen unzulässigen Versandhandel mit Arzneimitteln Angebote über Kataloge an (739 BlgNR 18. GP 5).

Im vorliegenden Fall werden weder Kataloge verschickt noch gibt es überhaupt ein unmittelbar an den Letztverbraucher gerichtetes Angebot. Dies läßt die Auffassung der Beklagten, keinen unzulässigen Versandhandel zu betreiben, als mit gutem Grund vertretbar erscheinen. Damit entfällt unabhängig davon ein Verstoß gegen § 1 UWG, ob die Beklagte VIAGRA zulässigerweise einführt. Ein allfälliger Verstoß gegen Bestimmungen des Arzneiwareneinfuhrgesetzes wird im übrigen vom Begehren nicht erfaßt.

b) zu Punkt c des Begehrens

Die Klägerin begehrt zu Punkt c des Begehrens, der Beklagten zu verbieten, die Arzneispezialität VIAGRA mit einer nicht zugelassenen Indikation (Anwendung an Frauen) - insbesondere auch unter gleichzeitiger Propagierung von Anwendungsbeobachtungen - anzubieten und zu vertreiben. Das Rekursgericht hat das Begehren mit der Begründung abgewiesen, daß die Beklagte (bloß) einen Botendienst betreibe. Die Klägerin habe den behaupteten Hinweis auf eine nicht zugelassene Indikation auch nicht bescheinigt.

Dagegen wendet die Klägerin ein, daß die Beklagte durch den Inhalt der von ihr versandten Formulare den Eindruck erwecke, die Anwendung von VIAGRA an Frauen sei nach dem Stand der medizinischen Wissenschaft ebenso üblich wie Anwendungsbeobachtungen in bezug auf die Anwendung bei Frauen. Dem damit konfrontierten Arzt werde dadurch nahegelegt, VIAGRA auch für Frauen zu verschreiben. Da Anwendungsbeobachtungen nur für zugelassene Arzneispezialitäten vorgesehen seien, werde möglicherweise auch der irreführende Eindruck erweckt, daß VIAGRA ein zugelassenes Arzneimittel sei.

Die Klägerin macht zu Recht geltend, daß die von der Beklagten versandten Formulare den Eindruck erwecken, die Anwendung von VIAGRA an Frauen sei wissenschaftlich ebenso vertretbar wie die Anwendung an Männern. Zum Zeitpunkt der Entscheidung erster Instanz war VIAGRA jedoch weder für Männer noch für Frauen zugelassen, was aufgrund des großen Medieninteresses allgemein bekannt war. Die von der Klägerin befürchtete Irreführung über die Zulassung von VIAGRA - sei es nur für Männer oder auch für Frauen - ist daher ausgeschlossen. Die Klägerin erblickt die Gefahr der Irreführung aber offenbar darin, daß der Eindruck entstehen könnte, eine Zulassung für die Anwendung von VIAGRA an Frauen sei zu erwarten, weil die Anwendung wissenschaftlich vertretbar sei.

Träfe dies zu, so wären die von der Beklagten versandten "Anwendungsbeobachtungen" unter der Voraussetzung zur Irreführung geeignet, daß die Anwendung von VIAGRA an Frauen wissenschaftlich nicht vertretbar und insoweit eine Zulassung auch in Zukunft nicht zu erwarten ist. Dies hat die Klägerin aber nicht bescheinigt. Soweit sie eine Bescheinigung in der Erwägung unterlassen haben sollte, daß dies ohnedies bekannt sei, entfällt auch insoweit eine Eignung zur Irreführung. Eine solche Eignung ist, anders bei dem von Punkt a des Begehrens erfaßten Verstoß gegen das Werbeverbot des § 50 Abs 1 AMG, Tatbestandsvoraussetzung des zu Punkt c des Begehrens geltend gemachten Verstoßes gegen § 2 UWG; ihr Fehlen muß daher dazu führen, daß der Revisionsrekurs der Klägerin insoweit erfolglos zu bleiben hat.

c) zu Punkt d des Begehrens

Das Rekursgericht hat dieses Begehren mit der Begründung abgewiesen, es ergebe sich aus dem Text des Schreibens ./B eindeutig, daß die Klägerin nur als Herstellerin genannt werde. Nach Auffassung der Klägerin soll sich dieser Eindruck nicht ergeben; es könne bezweifelt werden, daß selbst der sorgfältig prüfende Leser aufgrund der Schreiben ./B und ./C zur Ansicht gelange, die Aussendungen erfolgten ohne Wissen und gegen den Willen der Klägerin. Durch die Nennung ihres Unternehmens im Zusammenhang mit der Werbung für den Vertrieb eines nicht zugelassenen Arzneimittels im Versandhandel sei die Klägerin ins Zwielicht geraten. Das treffe schon dann zu, wenn der Eindruck erweckt wurde, die Versandhandelsankündigungen erfolgten mit Wissen und Billigung der Klägerin. Es sei aber nicht auszuschließen, daß auch der Eindruck entstanden sei, die Klägerin stehe mit der Beklagten geschäftlich in Verbindung.

Die Klägerin hat ihr Begehren insoweit auf § 2 UWG und auf § 7 UWG gestützt. Nach beiden Gesetzesstellen ist ihr Anspruch nur begründet, wenn ihre Nennung als Herstellerin - zumindest - den Eindruck erweckt, daß sie um die Tätigkeit der Beklagten wisse und diese billige.

Für eine solche Auslegung des beanstandeten Hinweises spricht, daß Name, Anschrift, Telefon- und Faxnummer der Klägerin nicht genannt werden, um deren Herstellereigenschaft offenzulegen, sondern um auf die Klägerin als Informationsquelle zu verweisen. Wird aber jemand als Auskunftsstelle genannt und wird dazu aufgefordert, sich mit allfälligen Fragen an den Genannten zu wenden, so läßt dies - jedenfalls bei der auch hier gebotenen ungünstigsten Auslegung (ua ÖBl 1993, 161 - Verhundertfachen Sie Ihr Geld mwN) - darauf schließen, daß der Genannte (zumindest) davon wisse und damit einverstanden sei. Der hier erweckte Anschein des Einverständnisses der Klägerin läßt das Angebot der Beklagten seriöser und damit attraktiver erscheinen.

Mit der beanstandeten Angabe verstößt die Beklagte demnach gegen § 2 UWG. Schon aus diesem Grund ist das zu Punkt d erhobene Begehren berechtigt; ob auch eine im Sinne des § 7 UWG herabsetzende Tatsachenbehauptung vorliegt, braucht nicht mehr geprüft zu werden. Im Spruch hatte der zur näheren Bestimmung der Rundschreiben der Beklagten aufgenommene Hinweis auf den Versandhandel mit Arzneimitteln zu entfallen, weil aus den oben angeführten Gründen offenbleiben kann, ob die Beklagte VIAGRA im Versandhandel vertreibt.

Dem Revisionsrekurs der Klägerin war teilweise Folge zu geben; der Revisionsrekurs der Beklagten mußte erfolglos bleiben.

Die Entscheidung über die Kosten der Klägerin beruht auf §§ 78, 402 Abs 4 EO iVm §§ 43, 50 ZPO (Revisionsrekurs), § 393 Abs 1 EO (Revisionsrekursbeantwortung); jene über die Kosten der Beklagten auf §§ 78, 402 Abs 4 EO iVm §§ 40, 50 ZPO (Revisionsrekurs), §§ 78, 402 Abs 4 EO iVm §§ 43, 50 ZPO (Revisionsrekursbeantwortung). Bemessungsgrundlage für die Revisionsrekursbeantwortung der Beklagten ist der auf drei von insgesamt vier Begehren entfallende Streitwert, die mangels anderer Anhaltspunkte gleich zu bewerten sind. Die Klägerin ist mit ihrem Revisionsrekurs mit einem der drei Begehren durchgedrungen; Obsiegen und Unterliegen waren daher wie ein Drittel zu zwei Drittel zu bewerten.

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