OGH 5Ob156/99y

OGH5Ob156/99y15.6.1999

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Klinger als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Floßmann, Dr. Baumann, Dr. Hradil und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofes Dr. Hurch als weitere Richter in der Grundbuchssache der Antragsteller 1.) Hildegard S***** und 2.) Ferdinand G***** beide vertreten durch Dr. Josef Schoffnegger, öffentlicher Notar in 9821 Obervellach, betreffend Eintragungen in der Einlage EZ *****, infolge Revisionsrekurses der Antragsteller gegen den Beschluß des Landesgerichtes Klagenfurt als Rekursgericht vom 14. April 1999, AZ 3 R 94/99d, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Spittal/Drau vom 27. Jänner 1999, TZ 434/99, abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung

Mit Notariatsakt vom 6. Februar 1998 übergab der Zweitantragsteller der Erstantragstellerin die in seinem Alleineigentum stehende Liegenschaft EZ ***** mit dem Wohnhaus ***** und hat sich dabei ua die Einräumung eines Wohnungsgebrauchsrechtes an Ferdinand G***** jun. (geboren am ) ausbedungen. Anna G*****, die Ehegattin des Zweitantragstellers, der ebenfalls ein Wohnungsgebrauchsrecht eingeräumt wurde, ist diesem Vertrag beigetreten und hat ebenso wie die Erstantragstellerin "für sich und ihre Nachkommen" (zu denen Ferdinand G***** jun. gehört) auf ihr gesetzliches Pflichtteilsrecht gegenüber dem Zweitantragsteller verzichtet. Der Notariatsakt ist von Ferdinand G***** jun. nicht unterschrieben. Die Verbücherungsklausel enthält jedoch auch für das ihm zugewendete Wohnungsgebrauchsrecht eine Aufsandungsklausel.

Das Erstgericht verbücherte diesen Übergabsvertrag antragsgemäß auch hinsichtlich des dem Ferdinand G***** jun. zugewendeten Wohnungsgebrauchsrechtes. Über dessen Rekurs wies jedoch das Rekursgericht die begehrte Einverleibung des Wohnungsgebrauchsrechtes für Ferdinand G***** jun. ab. Ausgehend von der Formulierung in Punkt

2.4 des Notariatsaktes, in dem es heißt, daß Ferdinand G***** jun. das fragliche Wohnungsgebrauchsrecht "in Abfindung erbbeziehungsweise pflichtteilsrechtlicher Ansprüche" eingeräumt wird und daß "die anteiligen Kosten für Beheizung, Strom und die sonstigen Betriebskosten im Sinne des Mietrechtsgesetzes von Wohnungsberechtigten selbst zu tragen sind", ließ es sich dabei von folgenden Erwägungen leiten:

Es bestehe zweifellos ein Interesse des Rekurswerbers daran, daß eine solche - ohne bzw gegen seinen Willen erfolgte - Eintragung gelöscht wird.

Beim Vertrag zugunsten Dritter verspreche der Schuldner dem Versprechensempfänger die Erbringung einer Leistung an einen Dritten (§ 881 ABGB). Dabei könne vereinbart sein, daß nur der Versprechensempfänger das Recht hat, die Leistung an den Dritten zu fordern (unechter Vertrag zugunsten Dritter); das Forderungsrecht könne aber auch oder allein dem Dritten zustehen (echter Vertrag zugunsten Dritter). Nach § 881 Abs 2 sei im Zweifel ein echter Vertrag zugunsten Dritter anzunehmen, wenn die Leistung hauptsächlich dem Dritten zum Vorteil gereichen soll. Da sich aber niemand gegen seinen Willen etwas zuwenden lassen müsse, könne der Dritte das ihm eingeräumte Forderungsrecht zurückweisen (§ 882 ABGB).

Verträge zu Lasten Dritter seien grundsätzlich nicht möglich, weil die Verpflichtung eines Dritten ohne dessen Zustimmung dem Grundsatz der Privatautonomie widersprechen würde. Der Erklärende könne nur dann mit Wirkung für einen anderen Verpflichtungen eingehen, wenn die Voraussetzungen der direkten Stellvertretung erfüllt sind (Koziol-Welser Band I10 308 f).

Der Erbverzicht bedürfe ebenso wie der Verzicht auf den Pflichtteil der Notariatsaktform oder der Beurkundung zu gerichtlichem Protokoll (MGA ABGB34 § 551 E 1 f). Der Verzicht auf diese Rechte erfolge durch Vertrag zwischen dem potentiell Berechtigten und dem Erblasser (Koziol-Welser II10 301). Im gegenständlichen Fall sei die Einverleibung des Wohnungsrechtes gemäß Punkt 2.4. des Übergabsvertrages samt Pflichtteilsverzicht begehrt und durchgeführt worden, obwohl der Rekurswerber dem Titelgeschäft überhaupt nicht beigezogen worden war. Da nach dem Inhalt der bezughabenden Vertragsbestimmungen dem Rekurswerber nicht nur Rechte eingeräumt, sondern auch Lasten (Verzicht auf Erb- und Pflichtteilsrecht), anteilige Tragung der Betriebskosten etc auferlegt werden sollten, hätte es jedenfalls auch seiner Zustimmung zu diesem Vertragspunkt und des urkundlichen Nachweises derselben (§ 26 GBG) bedurft. Das Grundbuchsgesuch sei also in diesem Punkt durch die vorliegenden Urkunden nicht gedeckt und daher gemäß § 94 Abs 1 Z 3 GBG abzuweisen.

Diese Entscheidung enthält den Ausspruch, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 260.000,-- übersteigt und der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Letzteres wurde damit begründet, daß eine höchstgerichtliche Judikatur zur entscheidungsrelevanten Rechtsfrage fehle.

Den Beschluß des Rekursgerichtes haben die Antragsteller fristgerecht mit Revisionsrekurs angefochten. Sie führen die Anfechtungsgründe der unrichtigen Tatsachenfeststellung sowie der unrichtigen rechtlichen Beurteilung aus und haben den Antrag gestellt, in Abänderung des zweitinstanzlichen Beschlusses die Einverleibung der Dienstbarkeit des Wohnungsgebrauchsrechts für Ferdinand G***** jun. zu bewilligen.

Rechtliche Beurteilung

Dieses Rechtsmittel ist aus dem vom Rekursgericht angeführten Grund zulässig; es ist jedoch nicht berechtigt.

Als "unrichtige Tatsachenfeststellung" (gemeint ist offenbar eine unrichtige Wiedergabe oder Auslegung der Eintragungsurkunde) rügen die Rechtsmittelwerber die Annahme des Rekursgerichtes, das dem Ferdinand G***** jun. eingeräumte Wohnungsgebrauchsrecht sei mit dessen Verzicht auf Pflichtteilsansprüche gegenüber dem Zweitantragsteller verknüpft und insofern nicht vorteilhaft. Einen Pflichtteilsverzicht hätten nämlich nur die Erstantragstellerin und Anna G***** (in Punkt 10 des "Übergabsvertrages samt Pflichtteilsverzicht") erklärt; Punkt 2.4 des Vertrages (der die Einräumung des fraglichen Wohnungsgebrauchsrechtes enthält) lege nur Verpflichtungen der Übernehmerin, nicht auch des Ferdinand G***** jun. fest.

Diese Rüge ist nicht berechtigt. Schon eingangs dieser Entscheidung wurde darauf hingewiesen, daß die Einräumung des fraglichen Wohnungsgebrauchsrechts an Ferdinand G***** jun. (den Bruder der Erstantragstellerin und Sohn des Zweitantragstellers) nach dem Vertragswortlaut "in Abfindung erb- beziehungsweise pflichtteilsrechtlicher Ansprüche" erfolgte und daß Anna G***** (die Ehefrau des Zweitantragstellers und offenbar auch die Mutter des Ferdinand G***** jun.) in Punkt 10 des Vertrages ihren Pflichtteilsverzicht "für sich und ihre Nachkommen" erklärte. Genau davon ist auch das Rekursgericht in seiner Entscheidung ausgegangen. Ob es diesen Sachverhalt rechtlich richtig beurteilte, indem es in der Zuwendung des Wohnungsgebrauchsrechtes an Ferdinand G***** jun. keinen echten Vertrag zugunsten Dritter erblickte, ist bei der Behandlung der Rechtsrüge zu erörtern.

In ihrer Rechtsrüge führen die Antragsteller zunächst zutreffend aus, daß die Belastung eines Wohnungsgebrauchsberechtigten mit den Betriebskosten und öffentlichen Abgaben der betreffenden Wohnung nicht gegen eine iSd § 881 Abs 2 ABGB vorteilhafte Zuwendung spricht. Diese Kostenbelastung wiegt den Nutzen des Wohnungsgebrauchsrechtes keineswegs auf. Sie sollte Ferdinand G***** jun. offenbar auch nur für den Fall und die Dauer der Inanspruchnahme des Wohnungsgebrauchsrechtes treffen, sodaß sie das Nutzungsrecht nicht zu einem entgeltlichen macht (vgl etwa die Judikatur zur Bittleihe, die auch den Charakter der Unentgeltlichkeit nicht dadurch verliert, daß der Nutzungsberechtigte die Betriebskosten des Objekts oder einen "Anerkennungszins" zu zahlen hat: SZ 63/31; 3 Ob 1501/92; 1 Ob 2087/96k = EWr III/974 A/3 ua). Dennoch bleibt, wie das Rekursgericht richtig erkannte, eine die Vermutung des § 881 Abs 2 letzter Satz ABGB widerlegende Belastung des Ferdinand G***** jun. und damit das Eintragungshindernis des § 94 Abs 1 Z 3 GBG bestehen.

Der Oberste Gerichtshof hat sich zwar bereits zu der vor allem von Hofmeister vertretenen Rechtsauffassung bekannt, daß der aus einem Vertag zugunsten Dritter Begünstigte auf sein Zurückweisungsrecht nach § 882 Abs 1 ABGB beschränkt und damit weder Partei des Titelgeschäfts iSd § 26 GBG noch Partei iSd § 31 Abs 1 GBG ist (5 Ob 182/98w = RPflSlgG 2604 mwN), doch hat gerade Hofmeister betont, daß dies nur für den echten Vertrag zugunsten Dritter gilt (siehe etwa seine Anmerkung zu NZ 1986, 135/69). Ob ein solcher Vertrag vorliegt, ist gemäß § 881 Abs 2 ABGB aus der Vereinbarung und der Natur und dem Zweck des Vertrages zu beurteilen, wobei noch die bereits angesprochene Zweifelsregel zu beachten ist, daß der Begünstigte das ihm zugewendete Recht unmittelbar erwirbt, wenn die Leistung hauptsächlich ihm zum Vorteil gereichen soll. Diese Beurteilung kann im Grundbuchsverfahren nur an Hand der Titelurkunde erfolgen (vgl etwa NZ 1997, 196/387 mwN).

Im gegenständlichen Fall wurde das fragliche Wohnungsgebrauchsrecht dem Ferdinand G***** jun. nach dem Vertragswortlaut zur Abgeltung von Pflichtteilsansprüchen gegen den Zweitantragsteller eingeräumt, und das von der Erstantragstellerin, die mit ihm bei möglichen Erb- und Pflichtteilsansprüchen konkurriert. Auch wenn damit (schon im Hinblick auf das Formgebot des § 551 ABGB) kein rechtswirksamer Pflichtteilsverzicht erfolgen konnte, bleibt bei der Auslegung, ob ein echter Vertrag zugunsten Dritter vorliegt, der eindeutig dokumentierte Parteiwille der Vertragspartner des Übergabsvertrages zu beachten, daß bei der Zuwendung des Wohnungsgebrauchsrechts an Ferdinand G***** jun. nicht hauptsächlich dessen Vorteil gewahrt, sondern eine Abfindung seiner Pflichtteilsansprüche erreicht werden sollte. Daß dies nicht beabsichtigt war, wie jetzt im Revisionsrekurs argumentiert wird, muß im Grundbuchsverfahren, das keine Beweisaufnahmen zur Erforschung der Parteienabsicht zuläßt, unberücksichtigt bleiben.

Zu Recht hat daher das Rekursgericht in der Zuwendung des Wohnungsgebrauchsrechtes an Ferdinand G***** jun. keinen echten Vertrag zugunsten Dritter gesehen und zur Verbücherung dessen Einwilligungserklärung in grundbuchsfähiger Form gefordert.

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