OGH 2Ob149/99x

OGH2Ob149/99x27.5.1999

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Niederreiter als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schinko, Dr. Tittel, Dr. Baumann und Hon. Prof. Dr. Danzl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Karl S*****, vertreten durch Dr. Kurt Zangerl, Rechtsanwalt in Innsbruck, wider die beklagte Partei Maria Anna H*****, vertreten durch Dr. Karl-Heinz Plankel und andere Rechtsanwälte in Dornbirn, wegen S 150.000,-- sA, infolge Rekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichts Innsbruck vom 20. April 1999, GZ Jv 1326-1/99-7, womit ein Ablehnungsantrag der beklagten Partei im Verfahren 2 R 48/99x, 2 R 49/99v des Oberlandesgerichts Innsbruck zurückgewiesen wurde, den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung

Der Kläger begehrte von der Beklagten Zahlung von S 150.000,-- sA. Zugleich mit seiner Klage beantragte er, ihm die Verfahrenshilfe im vollen Umfang zu bewilligen.

Mit Beschluß des Landesgerichts Innsbruck vom 13. 2. 1997, 14 Cg 244/96v-10, wurde ua der Antrag des Klägers auf Gewährung der Verfahrenshilfe im vollen Umfang abgewiesen. Das Erstgericht ging davon aus, daß das monatliche Nettoeinkommen des Klägers S 11.181,24 betrage und er zudem über Bargeld in Höhe von S 5.800,-- und über ein Sparguthaben von S 4.235,-- verfüge. Weiters stellte das Erstgericht fest, daß der Kläger aufgrund eines Vergleichs verpflichtet sei, einer Bank den Betrag von S 459.457,61 sA in monatlichen Raten a S 6.000,-- zu bezahlen. Welche Zahlungen der Kläger aufgrund dieses Vergleiches geleistet habe, stehe nicht fest. Mit dem Finanzamt habe der Kläger eine Ratenzahlungsvereinbarung hinsichtlich eines Abgabenrückstandes getroffen, aufgrund der er bis zum 12. 9. 1996 S 13.662,-- bezahlt habe. Der aktuelle Kontostand könne nicht festgestellt werden. Zudem habe der Kläger 1995 für seinen Sohn insgesamt S 48.000,-- an Unterhalt bezahlt. Ob er diese Unterhaltszahlungen auch 1996 geleistet habe, stehe nicht fest. Weiters kam das Erstgericht zum Ergebnis, daß auch Bedenken gegen die Richtigkeit des Vermögensbekenntnisses bestünden, weil der Kläger einerseits monatliche Belastungen von S 14.000,-- behaupte, aber nur ca S 11.000,-- verdiene. Im übrigen sei es dem Kläger zumutbar, die Kosten des voraussichtlich einfachen Verfahrens auch mit einem monatlich verfügbaren Einkommen von ca S 11.000,-- aufzubringen.

Dem dagegen erhobenen Rekurs gab das Oberlandesgericht Innsbruck in der Besetzung Senatspräsident des Oberlandesgerichts Dr. G***** als Vorsitzender sowie Richter des Oberlandesgerichts Dr. R***** und Dr. W***** als Senatsmitglieder teilweise Folge, indem der klagenden Partei die Verfahrenshilfe im Umfang des § 64 Abs 1 Z 1 lit a bis c und Z 3 ZPO bewilligt wurde. Das auf Bewilligung der Verfahrenshilfe auch im Umfang des § 64 Abs 1 Z 1 lit d bis f, Z 2 und 4 ZPO gerichtete Mehrbegehren wurde hingegen abgewiesen.

Das Oberlandesgericht Innsbruck führte in seiner Entscheidung aus, daß Anspruch auf die Gewährung von Verfahrenshilfe für natürliche Personen bestehe, deren notwendiger Unterhalt durch die Verfahrenskosten beeinträchtigt wäre. Als notwendiger Unterhalt werde ein zwischen dem "notdürftigen" und dem "standesgemäßen" Unterhalt liegender angesehen, der abstrakt zwischen dem statistischen Durchschnittseinkommen eines unselbständigen Erwerbstätigen und dem Existenzminimum liege und unter Würdigung der Umstände des Einzelfalles eine die Bedürfnisse des Einzelnen berücksichtigende bescheidene Lebensführung gestatte. Selbst wenn der Kläger den vom Erstgericht festgestellten Verpflichtungen nicht nachkäme und bei ihrer Erfüllung säumig wäre, wären die Voraussetzungen für die Bewilligung der Verfahrenshilfe dennoch gegeben. Der Kläger verfüge nämlich über ein verhältnismäßig geringes Einkommen (ca S 11.000,--) und über kein nennenswertes Vermögen. Bei dieser wirtschaftlichen Situation des Klägers wäre dessen notwendiger Unterhalt durch die Verfahrenskosten auch dann beeinträchtigt, wenn sich das Verfahren - wie vom Erstgericht angenommen - als von kurzer Dauer herausstelle. Grundsätzlich habe der Kläger daher Anspruch auf Bewilligung der Verfahrenshilfe. Nicht begründet sei der Antrag und der Rekurs aber insoweit, als die Bewilligung der Verfahrenshilfe auch im Umfang des § 64 Abs 1 Z 1 lit d bis f, Z 2 und Z 4 ZPO beantragt werde. In diesem Umfange bedürfe der Kläger der Verfahrenshilfe nicht, sodaß seinem Rekurs nur teilweise stattzugeben gewesen sei.

Mit Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 30. 9. 1998, 14 Cg 244/96v-62, wurde die Klagsforderung mit S 150.000,-- als zu Recht bestehend und die Gegenforderung mit S 26.000,-- als zu Recht bestehend anerkannt. Die Beklagte wurde daher schuldig erkannt, dem Kläger S 124.000,-- sA zu bezahlen. Das Mehrbegehren von S 26.000,-- sA wurde hingegen abgewiesen.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die am 19. 11. 1998 bei Gericht eingelangte Berufung der Beklagten. Zugleich mit dieser stellte sie einen Antrag auf Gewährung der Verfahrenshilfe im vollen Umfang.

Mit Beschluß des Landesgerichts Innsbruck vom 26. 1. 1999, 14 Cg 244/96v-76, wurde dieser Antrag abgewiesen.

Das Oberlandesgericht Innsbruck hat nunmehr über die Berufung der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 30. 9. 1998 sowie über den Rekurs der beklagten Partei gegen den Beschluß des Landesgerichtes Innsbruck vom 26. 1. 1999 zu entscheiden. Nach der Geschäftsverteilung des Oberlandesgerichtes Innsbruck ist zur Entscheidung der Senat 2 in der Besetzung Senatspräsident des Oberlandesgerichts Dr. G***** als Vorsitzender sowie Richter des Oberlandesgerichts Dr. R***** und Dr. W***** berufen.

Mit Schriftsatz vom 22. 3. 1999 lehnte die Beklagte sowohl den Vorsitzenden als auch die beiden genannten Mitglieder des Senates 2 als befangen ab und führte dazu im wesentlichen aus, daß der zur Entscheidung berufene Senat über den klägerischen Rekurs gegen den Beschluß des Landesgerichtes Innsbruck vom 13. 2. 1997, 14 Cg 244/96v-10, wegen Gewährung der Verfahrenshilfe eine völlig unerklärliche Entscheidung getroffen hätte. Es handle sich dabei um eine derart bedenkliche Fehlbeurteilung und so oberflächlich begründete Entscheidung, daß an der Objektivität der beteiligten Richter zu zweifeln sei.

Die drei abgelehnten Richter erklärten sich in ihrer Stellungnahme für nicht befangen.

Das Oberlandesgericht Innsbruck wies den Ablehnungsantrag als nicht gerechtfertigt zurück und führte hiezu folgendes aus:

Ein Richter sei nur dann als befangen anzusehen, wenn Umstände vorlägen, die es nach objektiver Prüfung und Beurteilung rechtfertigten, seine Unbefangenheit in Zweifel zu ziehen. Es sei nicht erforderlich, daß der Befangenheitsgrund geradezu evident sei, doch müsse die Partei begründeterweise besorgen, daß sich der Richter auch von unsachlichen Gesichtspunkten leiten lassen könnte.

In erster Linie kämen als Befangenheitsgründe private persönliche Beziehungen zu einer der Prozeßparteien oder ihren Vertretern in Betracht, die ein Naheverhältnis begründeten, das bei objektiver Betrachtung zumindest geeignet sei, den Anschein einer Voreingenommenheit zu begründen. Im konkreten Fall leite die Beklagte die Befangenheit des abgelehnten Senates nicht aus einer Nahebeziehung zu einer der Prozeßparteien, sondern aus einer im gegenständlichen Verfahren bereits gefällten Entscheidung ab. Diesbezüglich werde darauf verwiesen, daß nach ständiger Rechtsprechung eine unrichtige Sachentscheidung bzw eine Mißbilligung vorangegangener Entscheidungen nicht zur Begründung einer Befangenheit herangezogen werden könne. Lediglich Verfahrensmängel, die schwerwiegende Verstöße gegen Verfahrensgrundsätze, insbesondere zum Schutz des Parteigehörs, bildeten und an der Objektivität des Richters mit Grund zweifeln ließen, seien dagegen ein Befangenheitsgrund. Entgegen den Ausführungen der Ablehnungswerberin in ihrer Ablehnungserklärung habe das Rekursgericht seiner Entscheidung vom 21. 3. 1997, 2 R 65/97v, lediglich das vom Erstgericht festgestellte monatliche Durchschnittseinkommen des Klägers und die vom Erstgericht festgestellten Verbindlichkeiten, welche im übrigen unbekämpft geblieben seien, zugrundegelegt und hiezu ausgeführt, daß selbst dann, wenn der Kläger den vom Erstgericht festgestellten Verpflichtungen nicht nachkäme und bei ihrer Erfüllung säumig wäre, die Voraussetzungen für die Bewilligung der Verfahrenshilfe dennoch gegeben wären. Eine allfällige Säumigkeit des Klägers bei der Erfüllung seiner Verbindlichkeiten könne nämlich an deren Bestand nichts ändern. Eine Gesamtbetrachtung der Entscheidungsbegründung des für den Ablehnungsantrag anlaßgebenden Beschlusses gebe weder Anhaltspunkte für eine oberflächliche Beurteilung noch Bedenken gegen ein objektives Zustandekommen der Entscheidung und noch weniger Anhaltspunkte für einen in der aufgezeigten Richtung fundamentalen Verfahrensverstoß. Da im vorliegenden Fall somit insgesamt keinerlei Umstände vorlägen, die auch nur den Anschein begründen könnten, daß sich die Mitglieder des Senates 2 des Oberlandesgerichts Innsbruck von unsachlichen Motiven leiten lassen könnten, sei eine Befangenheit im Sinne des § 19 Abs 2 JN nicht gegeben.

Gegen diese Entscheidung richtet sich der Rekurs der Beklagten wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluß dahin abzuändern, daß dem Ablehnungsantrag stattgegeben werde.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist gemäß § 24 Abs 2 JN zulässig, er ist aber nicht berechtigt.

Die Rechtsmittelwerberin macht im wesentlichen geltend, der abgelehnte Senat hätte dem Kläger die Verfahrenshilfe keinesfalls bewilligen dürfen; bei angegebenen monatlichen Einkünften von S 11.000,-- könne der Kläger nicht monatliche Zahlungsverpflichtungen von S 14.000,-- erfüllen; die offensichtliche Unrichtigkeit des Vermögensbekenntnisses habe der abgelehnte Senat aber negiert.

Demgegenüber hält der erkennende Senat die Begründung des angefochtenen Beschlusses für zutreffend, weshalb es ausreicht, auf deren Richtigkeit hinzuweisen (§ 510 Abs 3 zweiter Satz, § 528a ZPO). Den Rechtsmittelausführungen ist kurz noch folgendes entgegenzuhalten:

Die - angebliche - Unrichtigkeit einer Gerichtsentscheidung bildet nach ständiger Rechtsprechung grundsätzlich keinen Ablehnungsgrund (RIS-Justiz RS0046019; jüngst 5 Ob 335/98w = RdW 1995, 350). Auch Verfahrensmängel oder eine unrichtige Beweiswürdigung rechtfertigen in der Regel eine Ablehnung nicht, es sei denn, die Verstöße wären so schwerwiegend, daß sie die mangelnde Objektivität des Richters erkennen lassen (RIS-Justiz RS0045916, RS0046090; Mayr in Rechberger § 19 JN Rz 6 mwN). Hievon kann im vorliegenden Fall aber keine Rede sein. Wenn vom abgelehnten Senat keine Bedenken gegen die Richtigkeit des Vermögensbekenntnisses des Klägers geäußert wurden, so stellt dies entgegen der Ansicht der Rechtsmittelwerberin keinen Verstoß dar, "wie er gravierender kaum mehr denkbar wäre". Vielmehr kommt es nach der Lebenserfahrung immer wieder vor, daß die Zahlungsverpflichtungen von Personen ihre Einkünfte übersteigen.

Dem Rekurs war somit ein Erfolg zu versagen.

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