Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben. Der angefochtene Beschluß wird dahin abgeändert, daß der erstgerichtliche Beschluß wiederhergestellt wird.
Der Antrag auf Zuspruch von Kosten des Revisionsrekursverfahrens wird abgewiesen.
Text
Begründung
Mit Testament vom 28. 5. 1997 setzte die Erblasserin ihren Sohn Johann W***** zum Alleinerben ein und beschränkte ihre zwei weiteren Kinder auf den gesetzlichen Pflichtteil.
Die Pflichtteilsberechtigten beantragten die Inventarisierung des Nachlasses einschließlich eines Wohnungseigentumsobjektes. Die Gültigkeit des Schenkungsvertrages vom 28. 5. 1997, mit welchem die Erblasserin dieses dem Erben Johann W***** geschenkt habe, werde bestritten.
Das Erstgericht wies den Antrag der Noterben auf Inventarisierung dieses Wohnungeigentumsobjektes mit der Begründung ab, daß nach dem aktenkundigen Grundbuchsauszug das gegenständliche Wohnungseigentumsobjekt nicht im grundbücherlichen Eigentum der Erblasserin stehe; aufgrund des Schenkungsvertrages vom 28. 5. 1997 sei das Eigentumsrecht für Johann W***** einverleibt worden, weshalb eine Schätzung und Inventarisierung nicht stattzufinden habe.
Das Rekursgericht änderte den Beschluß dahingehend ab, daß dem Gerichtskommissär die Nachlaßinventarisierung unter Einbeziehung des genannten Wohnungseigentumsobjekts aufgetragen wurde, sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 260.000,-- übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei. Es begründete seine Entscheidung damit, daß gemäß § 97 Abs 1 AußStrG für die Aufnahme in das Inventar der Besitz des Erblassers zum Zeitpunkt seines Todes maßgeblich sei; das Eigentum oder obligatorische Ansprüche Dritter auf Eigentumsübertragung seien nicht entscheidend. Es genüge, daß eine Vermutung zumindest für einen Mitbesitz des Erblassers spreche. Das sei hier der Fall, weil der letzte Wohnsitz der Erblasserin mit der Anschrift der geschenkten Eigentumswohnung übereinstimme und daher die Aktenlage dafür spreche, daß die Erblasserin bis zu ihrem Ableben weiterhin das geschenkte Wohnungseigentumsobjekt tatsächlich benützt und den Besitz daran keineswegs aufgegeben habe. Da somit von der Vermutung eines Besitzes oder zumindest Mitbesitzes der Erblasserin auszugehen sei, werde das gegenständliche Wohnungseigentumsobjekt in das Nachlaßinventar einzubeziehen sein.
Gegen diesen Beschluß richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs des erblasserischen Sohnes Johann W***** wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung im Sinn der Wiederherstellung des erstgerichtlichen Beschlusses; der Antrag der pflichtteilsberechtigten Kinder auf Inventarisierung auch der Eigentumswohnung sei abzuweisen.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist zulässig und berechtigt.
Zu Recht weist der Revisionsrekurswerber darauf hin, daß die Entscheidung des Rekursgerichts der Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom 5. 12. 1996, 6 Ob 2332/96a, 2333/96y widerspricht, die sich mit einem nahezu identen Sachverhalt zu befassen hatte.
Aus dem unbedenklichen Notariatsakt vom 28. 5. 1997, der Grundlage der Eigentumseinverleibung für Johann W***** nach dem Tod der Erblasserin war, ergibt sich nämlich, daß die spätere Erblasserin nicht nur die Liegenschaft dem nunmehrigen Revisionsrekurswerber geschenkt hat und die Übergabe laut Punkt 4 des Vertrages mit Unterfertigung dieses erfolgt sein soll, sondern auch, daß sich die Geschenkgeberin die Dienstbarkeit der lebenslänglichen unentgeltlichen Wohnung vorbehielt, wobei dieses Recht grundbücherlich sicherzustellen war (P 6 des Vertrages).
Der erkennende Senat schließt sich der in der oben genannten Entscheidung 6 Ob 2332/96a, 2333/96y ausführlich dargelegten Rechtsansicht an, auf die verwiesen wird. Hervorzuheben ist, daß für die Inventarerrichtung nach ständiger Rechtsprechung entscheidungswesentlich ist, ob die Liegenschaftsanteile zum Nachlaßvermögen gehören. Gemäß § 97 Abs 1 AußStrG muß das Inventar ein genaues und vollständiges Verzeichnis jenes Vermögens enthalten, in dessen Besitz sich die Erblasserin zur Zeit ihres Todes befunden hat. Ob sich eine Sache im Besitz der Erblasserin befunden hat, hat das Abhandlungsgericht ohne Verweisung auf den Rechtsweg zu entscheiden, auch wenn sie ein Dritter in Händen hat. Diese Entscheidung über die Aufnahme in das Inventar hat aber nur für das Verlassenschaftsverfahren, nicht jedoch darüber hinaus Wirkung (NZ 1969, 42, 137).
Nach herrschender Rechtsprechung ist für die Frage, ob eine Sache in das Inventar aufzunehmen ist, der Besitz der Erblasserin am Todestag maßgeblich, nicht jedoch das Eigentum. Eine Liegenschaft, die der Erblasser nach der Verfassung einer verbücherungsfähigen Vertragsurkunde dem Dritten tatsächlich übergeben hat, gehört nicht zum Nachlaß (NZ 1975, 190; 1995, 112 ua).
Hat der Revisionsrekurswerber vor dem Tod der Erblasserin Sachbesitz erworben, sind die Liegenschaftsanteile nicht in das Abhandlungsverfahren einzubeziehen, eine Inventarisierung unterbleibt.
Daß der Erblasserin ein Fruchtgenußrecht eingeräumt wurde, schließt einen allfälligen Sachbesitz des Erwerbers nicht aus. Der außerbücherliche Eigentümer, der ein Fruchtgenußrecht einräumt, bleibt Sachbesitzer, er hat die Liegenschaft in seiner Gewahrsam und will sie als die seine behalten. Hingegen übt der Fruchtgenußberechtigte ein auf Dauer angelegtes mit der Innehabung der Sache verbundenes Gebrauchsrecht im eigenen Namen aus und ist deshalb Rechtsbesitzer (Koziol/Welser Grundriß II10, 20 f, 169). Der Übergabsvertrag bildet zunächst nur den Erwerbstitel; die Art des Besitzerwerbes (der Modus) richtet sich nach § 312 ABGB, wobei auch eine Übergabe im Wege der Erklärung durch Besitzkonstitut in Frage kommt (§ 428 erster Halbsatz ABGB).
Nach dem unbedenklichen Notariatsakt erfolgte der Besitzerwerb des Revisionsrekurswerbers durch ein solches Besitzkonstitut. Den im Übergabsvertrag enthaltenen Erklärungen kann wie im zitierten Vorakt nichts anderes entnommen werden, als daß die Erblasserin als bisherige Sachbesitzerin die Anteile in Hinkunft (ab Vertragsabschluß) als Fruchtgenußberechtigte bzw als Wohnungsberechtigte (und somit als Rechtsbesitzerin) für den Erwerber innehaben wird; gilt dies für das weitergehende Recht der Fruchtnießung (§§ 509 ff ABGB), muß dies erst Recht für das eingeschränktere Recht der Dienstbarkeit der Wohnung (§§ 521 f ABGB) gelten. Solche Personen haben keine eigenen Sach(mit-)besitz mehr, sondern nur einen Rechtsbesitz.
Damit unterscheiden sich die beiden genannten Fälle von dem der Entscheidung vom 17. 7. 1996, 7 Ob 2190/96a zugrundeliegenden Fall; dort wurde ausgesprochen, daß auch angeblich fremde Sachen in das Inventar aufzunehmen sind, an denen nach dem äußeren Anschein (zB Vorhandensein einer gemeinsamen Wohnung) zumindest ein Mitbesitz des Erblassers vorlag. Eine solche Vermutung des Mitbesitzes der Erblasserin schwebte auch dem Rekursgericht vor. Im vorliegenden Fall wird aber diese Vermutung des Sachmitbesitzes der Erblasserin durch den Umstand entkräftet, daß sie nach dem Vertrag die Eigentumswohnung nur mehr als Wohnungsberechtigte und somit nur mehr als Rechtsbesitzerin zu nützen berechtigt war. Ein solcher reiner Rechtsbesitz genügt aber nicht dafür, eine Sache in das Inventar aufzunehmen.
Der erstgerichtliche Beschluß ist daher im Ergebnis wiederherzustellen.
Ein Kostenzuspruch ist im Außerstreitverfahren grundsätzlich nicht vorgesehen; eine Sonderbestimmung, daß die Kosten eines Streits über die Notwendigkeit der Inventarisierung zu ersetzen wäre, fehlt ebenfalls.
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