OGH 3Ob386/97d

OGH3Ob386/97d28.4.1999

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Angst als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Graf, Dr. Pimmer, Dr. Zechner und Dr. Sailer als weitere Richter in der Exekutionssache der betreibenden Partei Anneliese T*****, vertreten durch Dr. Peter Kaltschmid, Rechtsanwalt in Innsbruck, wider die verpflichtete Partei Franz T*****, vertreten durch Dr. Robert Eiter, Rechtsanwalt in Landeck, wegen 118.906,46 S und monatlich 265,89 DM seit 1. Mai 1997, infolge Revisionsrekurses der betreibenden Partei gegen den Beschluß des Landesgerichtes Innsbruck als Rekursgericht vom 12. September 1997, GZ 1 R 331/97a-11, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Landeck vom 5. Mai 1997, GZ 6 E 1474/97d-4, abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die betreibende Partei ist schuldig, der verpflichteten Partei die mit 8.249,40 S (darin 1.374,90 S Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Revisionsrekursbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Das Amtsgericht-Familiengericht Waiblingen hat mit dem seit 7. 7. 1992 rechtskräftigen Urteil die zwischen der Antragstellerin (betreibende Partei) und dem Antragsgegner (verpflichtete Partei) am 19. 9. 1964 vor dem Standesbeamten in Serfaus geschlossene Ehe geschieden (Punkt 1), und den Antragsgegner gegenüber der Antragstellerin ab Rechtskraft des Urteils zu einer monatlichen Leistung von 265,89 DM verpflichtet (Punkt 2). Es wandte auf den, dem Antragsgegner am 18. 2. 1983 zugestellten Scheidungsantrag der Antragstellerin, welche ebenso wie der Antragsgegner österreichische, daneben aber auch deutsche Staatsangehörige ist, gemäß Art 17 Abs 1 EGBGB alter Fassung deutsches Recht an, "weil die Antragstellerin in erster Linie deutsche Staatsangehörige sei", obwohl es festgestellt hatte, daß die Parteien am 19. 9. 1964 vor dem Standesamt Serfaus/Tirol die Ehe geschlossen und bis 1978 in Österreich gemeinsam gelebt hatten. Die Zahlungsverpflichtung begründete es damit, daß zugunsten der Antragstellerin ein Versorgungsausgleich durchzuführen sei. Da der Antragsgegner Pensionsanwartschaften ausschließlich bei der Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter, Landesstelle Salzburg, erworben habe, österreichische Pensionsanwartschaften aber nicht übertragen werden könnten, könne ein öffentlich-rechtlicher Versorgungsausgleich gemäß § 1587b BGB nicht durchgeführt werden, weshalb auf Antrag der Antragstellerin ein schuldrechtlicher Versorgungsausgleich in der Höhe des monatlichen Betrages von 265,89 DM zu erfolgen habe (§§ 1587b Abs 4 sowie 1587f Nr 5 BGB).

Die betreibende Partei beantragt, das genannte Urteil für vollstreckbar zu erklären und ihr zur Hereinbringung des bis einschließlich April 1997 aufgelaufenen Rückstandes von 118.906,46 S sowie der ab Mai 1997 fälligen Beträge von monatlich je 285,69 DM (gemeint wohl: 265,89 DM) die Fahrnis- und Forderungsexekution nach § 294a EO zu bewilligen.

Das Erstgericht erklärte das Urteil des Amtsgerichtes Waiblingen hinsichtlich des Anspruchs der Betreibenden auf Zahlung monatlich 265,89 DM wegen Vorliegens der Voraussetzungen nach den §§ 79 ff EO für vollstreckbar (die Entscheidung über die Exekutionsbewilligungsanträge behielt es vor).

Das vom Verpflichteten angerufene Rekursgericht wies den Antrag auf Vollstreckbarerklärung des Urteiles ab und sprach aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Ein ausländischer Exekutionstitel sei für vollstreckbar zu erklären, wenn er nach den Bestimmungen des Staates, in dem er errichtet worden sei, vollstreckbar und Gegenseitigkeit durch Staatsverträge oder Verordnungen verbürgt sei (§ 79 EO). Zweck dieser - durch die Exekutionsnovelle 1995 geschaffenen - Neuregelung sei es, die Bestimmungen über die Exekution aufgrund ausländischer Exekutionstitel an jene des LGVÜ bzw EuGVÜ anzupassen. Staatsverträge im Sinn des § 79 Abs 2 EO, aufgrund derer ausländische Exekutionstitel für vollstreckbar erklärt werden könnten, seien auch multilaterale Abkommen, insbesondere das LGVÜ BGBl 1996/448. Da der Versorgungsausgleich eines Ehegatten nach den §§ 1587 ff BGB (auch der schuldrechtliche wie im vorliegenden Fall) unter den in Art 1 Abs 2 Z 3 LGVÜ bzw EuGVÜ angeführten Ausschlußbereich für Ansprüche, die die soziale Sicherheit beträfen, falle (Schlosser, EuGVÜ Rz 2 zu Art 1), scheide die Anwendung sowohl des LGVÜ als auch des EuGVÜ im vorliegenden Verfahren jedenfalls aus. Damit sei die Frage der Vollstreckbarerklärung des Urteils des Amtsgerichtes Waiblingen auf der Grundlage des am 6. 6. 1959 in Wien unterzeichneten deutsch-österreichischen Vertrages über die gegenseitige Anerkennung und Vollstreckung von gerichtlichen Entscheidungen, Vergleichen und öffentlichen Urkunden in Zivil- und Handelssachen (BGBl 1960/105) zu beurteilen. Nur weil der dem ausländischen Urteil zugrundeliegende Anspruch der österreichischen Rechtsordnung unbekannt sei, liege noch kein Verstoß gegen den orde public vor. Zutreffend verweise der Verpflichtete aber darauf, daß zufolge der Bestimmung des Art 3 des deutsch-österreichischen Vollstreckungsvertrages die vorliegende Entscheidung bezüglich des schuldrechtlichen Versorgungsausgleichs vom Erstgericht nicht für vollstreckbar erklärt hätte werde dürfen:

Aus Art 3 Abs 1 Vollstreckungsvertrag ergebe sich, daß die Anerkennung eines Exekutionstitels nicht allein deshalb versagt werden dürfe, weil das Gericht, das die Entscheidung erlassen hat, nach den Regeln seines internationalen Privatrechtes andere Gesetze angewendet habe, als sie nach dem internationalen Privatrecht des Staates, in dem die Entscheidung vollstreckt werden solle, anzuwenden gewesen wären. Dieser Grundsatz erfahre allerdings eine Ausnahme im Abs 2 leg cit, wonach die Anerkennung jedoch in den Fällen versagt werden dürfe, wenn die Entscheidung auf der Beurteilung eines familienrechtlichen Verhältnisses eines Angehörigen des Staates beruhe, in dem die Entscheidung vollstreckt werden solle, es sei denn, daß sie auch bei Anwendung des internationalen Privatrechtes des Staates, in dem sie geltend gemacht werde, gerechtfertigt wäre. Im Verfahren, in welchem der vorliegenden Exekutionstitel ergangen sei, habe das Amtsgericht Waiblingen deshalb, weil die Betreibende für den Bereich der Bundesrepublik Deutschland "in erster Linie" deutsche Staatsangehörige gewesen sei, deren Heimatrecht für die Entscheidung über den Scheidungsantrag und die Scheidungsfolgen angewendet. Vor den österreichischen Gerichten hätte bei Durchführung des Scheidungsverfahrens im Inland zufolge der Bestimmungen der §§ 20 Abs 1, 18 Abs 1 Z 1 und 9 Abs 1 zweiter SatzIPRG österreichisches materielles Recht zur Anwendung gelangen müssen. Die Durchführung eines (auch des schuldrechtlichen) Versorgungsausgleichs wäre diesfalls mangels entsprechender gesetzlicher Grundlage im österreichischen Rechtsbereich nicht möglich gewesen. Damit komme die Ausnahmebestimmung des Art 3 Abs 2 letzter Halbsatz des Vollstreckungsvertrages nicht zum Tragen, weshalb dem Exekutionstitel insoweit, als das Amtsgericht Waiblingen der Betreibenden einen schuldrechtlichen Versorgungsausgleich zuerkannt habe, die Anerkennung versagt bleiben müsse.

Der Frage der Vollstreckbarkeit eines von einem deutschen Gericht erlassenen Exekutionstitels bezüglich eines Versorgungsgleichsanspruches eines Ehegatten für Österreich komme über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zu, überdies liege dazu keine höchstgerichtliche Rechtsprechung vor.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs der betreibenden Partei ist zwar aus den vom Rekursgericht zutreffend genannten Gründen zulässig, in der Sache aber nicht berechtigt.

Unabhängig davon, ob die Anwendung des LGVÜ oder auch des EuGVÜ deshalb ausscheidet, weil der Versorgungsausgleich eines Ehegatten nach den §§ 1587 ff BGB (auch als schuldrechtlicher Anspruch) unter die Ausschlußbestimmung des Art 1 Abs 2 Z 3 LGVÜ bzw EuGVÜ ("soziale Sicherheit") fällt (so unter Hinweis auf eine Lehrmeinung die Vorinstanz), kommen diese Übereinkommen schon gemäß deren Art 54 Abs 1 und 56 Abs 2 nicht zur Anwendung, weil sie für vor ihrem Inkrafttreten (sowohl im Ursprungs- als auch im ersuchten Staat) ergangene Urteile nicht anwendbar sind und für solche Urteile weiterhin die bilateralen Verträge wirksam bleiben (Czernich/Tiefenthaler, Die Übereinkommen von Lugano und Brüssel Rz 1 zu Art 54 und Rz 2 zu Art 56). Das seit 7. 7. 1992 rechtskräftige (und in der Bundesrepublik Deutschland vollstreckbare) Urteil des Amtsgerichtes Waiblingen ist daher in Ansehung seiner Vollstreckbarerklärung für Österreich nach den Bestimmungen (Art 2, 3) des deutsch-österreichischen Vollstreckungsvertrages BGBl 1960/105 zu beurteilen.

Zutreffend hat nun das Rekursgericht den der Anerkennung (und damit der Vollstreckbarerklärung) entgegenstehenden Versagungsgrund des Art 3 Abs 2 dieses Vertrages aufgegriffen, weshalb zunächst auf dessen Ausführungen verwiesen werden kann (§ 78 EO, § 528a iVm § 510 Abs 3 ZPO). Selbst wenn nämlich der im BGB geregelte "schuldrechtliche" (also nicht amtswegig, sondern nur auf Antrag durchzuführende) Versorgungsausgleich nach den §§ 1587 ff (insb §§ 1587g und 1587h) BGB in manchen Aspekten einem Unterhaltsanspruch besonderer (rentenrechtlicher) Art ähnlich sein mag, so unterscheidet er sich von einem sogenannten regulären Unterhaltsanspruch (wie etwa auch nach den §§ 1569 ff BGB) doch mit Rücksicht darauf, daß Bedürftigkeit nicht Voraussetzung ist und es auf die Leistungsfähigkeit des Verpflichteten nicht ankommt (vgl Diederichsen in Palandt, BGB58 § 1587g Rz 3) ganz erheblich.

Die Entscheidung des Amtsgerichtes Waiblingen beruhte nun auf der Beurteilung eines familienrechtlichen Verhältnisses (Ehescheidung und Ehescheidungsfolgenwirkungen) des dortigen Antragsgegners (Verpflichteten), eines Angehörigen des Staates Österreich, nach dessen internationalem Privatrecht (zufolge der §§ 20 Abs 1, 18 Abs 1, 9 Abs 1 IPRG) österreichisches materielles Recht anzuwenden gewesen und eine derartige Entscheidung - mangels Rechtsbestandes eines Versorgungsausgleichsanspruches - nicht ergangen und demnach auch nicht gerechtfertigt wäre. Ohne daß es sich dabei um die Wahrung des ordre public handelte, wie auch die Vorinstanz zutreffend darlegte, ist doch einer ausländischen Entscheidung, die im Zusammenhang mit einem Scheidungsausspruch einem österreichischen Staatsangehörigen eine Leistung auferlegt, zu welcher er bei Anwendung österreichischen internationalen Privatrechts und hier damit österreichischen materiellen Rechtes nicht verurteilt hätte werden können (vgl BGH-IPRax 1983, 236), aufgrund des Art 3 Abs 2 des deutsch-österreichischen Vollstreckungsvertrages die Vollstreckbarerklärung zu versagen. Daß nach der genannten Bestimmung die Anerkennung (unter den dort genannten Voraussetzungen) versagt werden darf (und nicht etwa versagt werden muß), eröffnet dem Gericht beim Vorliegen der für diese Rechtsfolge vorgesehenen Voraussetzungen keine Ermessensübung in dem der Revisionsrekurswerberin vorschwebenden Sinn, vielmehr ist diese Bestimmung zwingend anzuwenden. Aus diesen Erwägungen ist die zweitinstanzliche Entscheidung zu bestätigen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 78 EO, 50, 40 ZPO.

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