OGH 7Ob49/98a

OGH7Ob49/98a28.4.1999

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kropfitsch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schalich, Dr. Tittel, Dr. Huber und Hon. Prof. Dr. Danzl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Republik Österreich (Bundesstraßenverwaltung), vertreten durch die Finanzprokuratur, 1011 Wien, Singerstraße 17-19, wider die beklagten Parteien 1. Martina M*****, 2. Markus K*****, und

3. Johannes N*****, alle vertreten durch Dr.Herwig Hauser, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 41.957,73 sA und Feststellung infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 27. Oktober 1997, GZ 35 R 749/97z-22, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 26. Mai 1997, GZ 32

C 315/96 d-16, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung

I. zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird, soweit sie sich gegen die Abweisung des Leistungsbegehrens richtet, nicht Folge gegeben. Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden in diesem Umfang als Teilurteil bestätigt.

Insoweit bleibt die Kostenentscheidung dem Endurteil vorbehalten.

II. den

Beschluß

gefaßt:

Insoweit sich die Revision gegen die Abweisung des Feststellungsbegehrens richtet, wird ihr Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden in diesem Umfang sowie im Kostenpunkt aufgehoben;

die Rechtssache wird an das Erstgericht zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.

Die auf das Feststellungsbegehren entfallenden Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Entscheidungsgründe:

Am 11. 3. 1993 beauftragte die klagende Partei die Firma S***** AG mit Ausbauarbeiten der Ennstalbundesstraße B 146 im Baulos "Stainach-Liezen". Die S***** AG begann mit diesen Arbeiten am 29. 3. 1993 im Bereich des Kilometer 54 der Bundesstraße. Die S***** AG war die einzige Vertragspartnerin der klagenden Partei. Sie führte die Arbeiten teils selbst aus, teils beauftragte sie Subunternehmer. Ab 11. 4. 1993 begannen im Bereich des Baustellengeländes und in dessen näherer Umgebung verschiedene Kundgebungen und Veranstaltungen von Gegnern des Straßenbauprojektes. Im Rahmen dieser Kundgebungen waren im weiteren Umfeld des Baugeländes tageweise zwischen 20 und 30 Personen oder auch mehrere 100 Personen anwesend, wodurch die Bauarbeiten der S***** AG erheblich behindert wurden. Im April 1993 errichtete die S***** AG einen rund 2 m hohen Zaun um das eigentliche Baustellengelände. Ab diesem Zeitpunkt kam es nur mehr außerhalb des Baustellengeländes entlang des Zaunes zu Kundgebungen. Dort wurden auch Zeltlager aufgestellt. Weiters kam es auch zu Versammlungen auf der Zufahrtsstraße zum Baustellengelände.

Das umzäunte Baustellengelände steht großteils im Eigentum der klagenden Partei. Der restliche Teil, der einer Privatperson gehört, wurde von der klagenden Partei in Bestand genommen.

Seit der Errichtung des Zaunes war nur eine einzige Zufahrt zum Baustellengelände vorhanden, die auch mit schweren Baustellengeräten und LKWs befahrbar war. Diese Zufahrt führte über ein öffentliches Straßenstück durch ein Tor im Zaun in das Baustellengelände. Im Rahmen der Bauarbeiten der S***** AG wurde nur diese Zufahrt benützt. Andere Zufahrtsmöglichkeiten, die über kleinere Gemeindestraßen führten, waren wegen der Tonnagebeschränkungen auf den Brücken im Zuge dieser Straßen mit großen Baustellengeräten und LKWs nicht befahrbar.

Nach einem zwischenzeitigen Abflauen der Kundgebungen der Gegner des Bauvorhabens kam es insbesondere am 9. 6. 1993 zu einer neuerlichen Kundgebung vor dem Einfahrtstor der Baustelle, in deren Verlauf eine größere Anzahl von Personen das Einfahren zweier LKWs eines Subunternehmers der S***** AG in das Baustellengelände verhinderten. Die LKWs wurden vor dem Einfahrtstor angehalten. Zahlreiche Personen setzten sich unter, neben und vor diese LKWs. Einige Personen ketteten sich auch an die LKWs an. Diese Aktion dauerte etwa von 6.30 Uhr bis 14 Uhr.

Die Beklagten hatten die Nacht vom 8. 6. auf den 9. 6. 1993 in einem Zeltlager außerhalb des eingezäunten Geländes verbracht und beobachteten diese Vorgänge. Sie begaben sich ebenfalls zu den LKWs, die wegen der schon darunter sitzenden und liegenden Personen nicht mehr weiterfahren konnten. Um etwa 10 Uhr ketteten sie sich mit Fahrradschlössern an das Heck eines der LKWs an. Die Beklagten blieben bis etwa 12.30 Uhr durchgehend angekettet. Um diese Zeit erschienen größere Einheiten von Gendarmerieeinsatzkräften, die die um die LKWs versammelte Menschenmenge aufforderten, ihre Aktion zu beenden. Darauf öffneten die Beklagten mit ihren mitgebrachten Schlüsseln die Schlösser der Ketten. Sie wurden um ca 12.30 Uhr festgenommen und zur Feststellung ihrer Personalien in das umzäunte Baustellengelände geführt. Dieses hatten sie zuvor nicht betreten. Ein gegen die Beklagten wegen dieses Vorfalles geführtes Verwaltungsstrafverfahren, das auf einer Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Liezen vom 7. 6. 1993 beruhte, wurde eingestellt.

Die Räumung des Geländes durch die Exekutive war gegen 14 Uhr abgeschlossen. Die S***** AG konnte die für diesen Tag geplanten Arbeiten, nämlich unter anderem den Erdaushub und Abtransport sowie Schalungs-, Betonierungs- und Bewehrungsarbeiten, nicht in der dafür vorgesehenen Zeit und im geplanten Umfang durchführen. Infolge der Blockade der Baustellenzufahrt konnte weder das Aushubmaterial abtransportiert noch Beton angeliefert werden. Das an der Baustelle anwesende Personal und die dort vorhandenen Maschinen konnten in dieser Zeit nicht eingesetzt werden, wodurch der S***** AG ursprünglich nicht eingeplante Stehzeitkosten entstanden. Diese verrechnete die S***** AG der klagenden Partei unter Berücksichtigung der Eigenersparnis durch nicht verbrauchtes Material. Die klagende Partei zahlte hiefür der S***** AG im Jahr 1993 S 41.957,73. Darüber hinaus verrechnete Stehzeitkosten wurden von der klagenden Partei nicht anerkannt. Die S***** AG akzeptierte die betreffenden Abzüge nicht und nahm die ihrer Ansicht nach noch offenen Stehzeitkosten in ihre mittlerweile gelegte Schlußrechnung auf. Die Höhe der Schlußrechnung ist unter anderem wegen dieser Stehzeitkosten strittig.

Die klagende Partei begehrte von den Beklagten S 41.957,73 zur ungeteilten Hand und die Feststellung ihrer solidarischen Haftung für den Ersatz aller Aufwendungen, welche der klagenden Partei aus Anlaß der Baustellenbesetzung in Zukunft noch entstehen werden. Die klagende Partei sei aufgrund des Gesetzes und des zwischen ihr und der S***** AG abgeschlossenen Bauvertrages zum Ersatz der Stehzeitkosten, die in der Zeit von 6.30 Uhr bis 14 Uhr entstanden seien, verpflichtet. Der der Firma S***** AG zustehende Schadenersatzanspruch sei auf die klagende Partei übergegangen. Die Beklagten hätten den Schaden rechtswidrig und vorsätzlich verschuldet, weil sie die mit dem Straßenbau im Zusammenhang stehenden Arbeiten verhindern hätten wollen. Sie hafteten gemäß § 1301 ABGB als Mittäter und gemäß § 1302 ABGB solidarisch. Es stehe noch nicht endgültig fest, ob die klagende Partei über den bereits geleisteten Betrag von S 41.957,73 hinaus weitere Ansprüche der S***** AG zu erfüllen haben werde, weshalb insoweit ein Feststellungsinteresse gegeben sei.

Die Beklagten beantragten die Abweisung des Klagebegehrens. Sie bestritten, daß Stehzeitkosten angefallen seien und wendeten im übrigen zusammenfassend ein: Die Ausführung des Werkes sei nicht aus Gründen, die die Beklagten zu vertreten hätten, unterblieben. Den Beklagten sei der Auftraggeber nicht bekannt gewesen. Sie hätten bloß gewußt, daß es sich um eine illegale Bautätigkeit der S***** AG in einem schutzwürdigen Gebiet gehandelt habe. Die S***** AG sei nicht berechtigt gewesen, das Bauwerk "Wanne Stainach" ohne Vorliegen einer wasserrechtlichen Bewilligung zu errichten. Es sei kein Schaden eingetreten, weil das Bauprojekt nicht mehr durchgeführt werden dürfe. Das Verhalten der Beklagten sei für die behaupteten Stehzeiten nicht kausal. Sie hätten den LKW nicht zum Anhalten genötigt. Die Bauarbeiten hätten infolge der Besetzung der Baustelle ohnehin nicht durchgeführt werden können. Die Beklagten hätten auch nicht rechtswidrig gehandelt. Der Aufenthalt auf einer öffentlichen Straße stelle keine Verletzung des Eigentums der klagenden Partei dar. Die Rechtswidrigkeit sei auch aufgrund einer umfassenden Interessenabwägung, die den breiten öffentlichen Protest gegen das Projekt der "Ennsnahen Trasse" sowie die bei einem öffentlichen Bauvorhaben wohl beispiellosen Rechtsverletzungen durch die Projektwerberin und die Wasserrechtsbehörde miteinbeziehen müsse, zu verneinen. Hilfsweise werde der Rechtfertigungsgrund der Nothilfe geltend gemacht. Durch die Beeinträchtigung des Hochwasserabflusses der Enns habe eine Beeinträchtigung der Anrainer gedroht. Die Beklagten träfe kein Verschulden. Sie hätten nicht erreichen wollen, daß der klagenden Partei ein Schaden infolge von Stehzeitkosten entstehe. Da sich zahlreiche andere Personen auf der Zufahrtsstraße aufgehalten hätten, hätten sie nicht damit rechnen können, daß ihr Verhalten irgendwelche Stehzeiten zur Folge haben werde. Sie seien überzeugt gewesen, durch ihre Protesthaltung Schaden durch Zerstörung schutzwürdiger Gebiete abzuwenden. Durch das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 20. 7. 1995 seien die von den Trassengegnern bereits im Frühjahr 1993 erhobenen Vorwürfe betreffend die fehlende wasserrechtliche Genehmigung und die Verletzung von Nachbarrechten vollinhaltlich bestätigt worden. Die klagende Partei und die S***** AG hätten angesichts der am 12. 4. 1993 begonnenen Baustellenbesetzung bis zur Räumung der Baustelle zuwarten müssen, um Stehzeitkosten zu vermeiden. Die klagende Partei hätte auch im Rahmen der Hoheitsverwaltung dazu beitragen können, daß die Exekutivbeamten die Aufrechterhaltung der Baustellenbesetzung nicht tagelang duldeten. Die Exekutivbeamten hätten jederzeit die Möglichkeit gehabt, die Zufahrtsstraße zu räumen. Die Räumung sei erst zu einem willkürlich gewählten Zeitpunkt erfolgt. Es liege kein gemeinschaftliches Vorgehen der Beklagten oder der sonst anwesenden Personen vor. Die Menschenmenge habe sich ohne jede Absprache und Organisation versammelt. Einzelne Personen hätten jeweils aus eigener Verantwortung und Überzeugung gehandelt. Da das Projekt der "Ennsnaher Trasse" inzwischen gescheitert sei, sei kein Schaden eingetreten; vielmehr seien die Proteste geeignet gewesen, zur Schadensminderung beizutragen. Die Klageführung sei rechtsmißbräuchlich. Es fehle der klagenden Partei am Feststellungsinteresse.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es stellte zusätzlich zum eingangs wiedergegebenen Sachverhalt fest, daß im Jahr 1993 die entsprechenden behördlichen Bewilligungen für das Bauprojekt vorlagen sowie daß die Verrechnung der Stehzeitkosten durch die S***** AG den Bestimmungen des mit der klagenden Partei vereinbarten Bauvertrages entsprach. Das Erstgericht verneinte jedoch die Rechtswidrigkeit, weil die Hinderung der Zufahrt zu einem Grundstück keine physische Einwirkung auf die Sache sei und nur dann eine Nutzungsbeeinträchtigung darstelle, wenn Dauer und Intensität ein bestimmtes Maß erreichten. Eine Zufahrtsblockade von zwei bis maximal drei Stunden habe auf den Marktwert des Grundstückes keine Auswirkung und erreiche noch nicht die Qualität einer erheblichen Nutzungsbeeinträchtigung. Zudem könne aus der Beeinträchtigung eines absoluten Rechtes allein noch nicht zwingend auf die Rechtswidrigkeit einer Handlung geschlossen werden. Die Rechtswidrigkeit könne nur aufgrund einer umfassenden Interessenabwägung beurteilt werden. Im vorliegenden Fall stünden der kurzfristigen Behinderung der Baustellenzufahrt die verfassungsmäßig gewährleisteten Rechte auf freie Meinungsäußerung und auf Versammlungsfreiheit gegenüber. Das Verwaltungsstrafverfahren gegen die Beklagten sei eingestellt worden. Die Bestimmungen der StVO könnten nicht zur Begründung der Rechtswidrigkeit des Handelns der Beklagten herangezogen werden, weil sich der Schutzzweck dieser Normen nicht auf das konkrete Tun der Beklagten erstrecke.

Das Gericht zweiter Instanz bestätigte dieses Urteil. Es sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000 übersteige und daß die ordentliche Revision zulässig sei. Die Beklagten hätten die Baustelle - anders als in dem der Entscheidung 3 Ob 501/94 zugrundeliegenden Sachverhalt - nicht betreten und somit nicht in die Substanz des Eigentums Dritter eingegriffen. In der hier vorliegenden bloßen Nutzungsbeeinträchtigung sei keine Eigentumsverletzung zu erblicken, weil die Blockadedauer von bloß zwei bis drei Stunden weder den Marktwert der Liegenschaft gesenkt noch die wirtschaftliche Situation des Betreibers der Baustelle eklatant beeinträchtigt habe. Selbst bei Bejahung eines Eingriffes in das Eigentum der klagenden Partei wäre eine Interessenabwägung vorzunehmen. Die Aktion der Beklagten habe zu einer bloß "schädigungsneutralen" Nebenwirkung geführt. Dafür, daß die Beklagten mit dem Vorsatz gehandelt hätten, dem Betreiber der Baustelle oder dessen Auftraggeber einen Schaden zuzufügen, gebe es nach dem Akteninhalt keine ausreichenden Anhaltspunkte. Bei der Interessenabwägung seien auch Umweltschutzbestimmungen zu berücksichtigen. Zumindest Teilen der Öffentlichkeit könne ein gesteigertes Interesse an der Einstellung der Bauarbeiten nicht abgesprochen werden. Ein Verstoß gegen Bestimmungen der StVO oder gegen §§ 105, 135 StGB könne den Beklagten nicht zur Last gelegt werden. Die bloße Teilnahme an einer nicht angezeigten Versammlung könne nicht zur Begründung der Rechtswidrigkeit einer Aktion, die die Nutzungsmöglichkeit eines fremden Grundes beeinträchtige, herangezogen werden. Eine Haftung der Beklagten scheide daher schon mangels Rechtswidrigkeit aus. Die Revision sei zulässig, weil keine gesicherte Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zur Frage der Haftung von Schäden infolge Demonstrationen auf öffentlichem Grund vorliege.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision der klagenden Partei mit dem Antrag auf Abänderung im Sinne einer Klagestattgebung.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig und hinsichtlich des Feststellungsbegehrens im Sinne einer Aufhebung der Entscheidungen der Vorinstanzen zur Verfahrensergänzung auch berechtigt.

Ebenso wie im Rechtsfall 6 Ob 201/98x, bei dem die dort Beklagten im wesentlichen durch das Aufstellen von Traktoren die Bauführung auf derselben Baustelle wie hier verhinderten, ist auch im vorliegenden Fall die Klärung einer Reihe grundsätzlicher Fragen des Schadenersatzrechtes erforderlich. Der Senat 7 schließt sich dabei den Auffassungen des 6. Senates an, wobei es im Hinblick auf die früher ergangene Entscheidung desselben (in einem weitgehend vergleichbaren Fall) zielführend erscheint, auf dessen umfassende Ausführungen zu verweisen. Lediglich ergänzend ist noch auszuführen:

a) Soweit sich der vorliegende Sachverhalt von jenem der Entscheidung 6 Ob 201/98x unterscheidet, hat dies insofern keine andere rechtliche Beurteilung zur Folge, als auch das Anketten von Demonstrationsteilnehmern an Traktoren im wesentlichen das gleiche Ergebnis zeitigte als die Behinderung der Zufahrt von Baumaschinen durch abgestellte Traktoren: Nämlich einen auf Dauer ausgerichteten Baustop herbeizuführen.

b) Wie in der genannten Vorentscheidung zutreffend ausgeführt wurde, ist zumindest bei vorsätzlich handelnden Blockadeteilnehmern, wovon im hier vorliegenden Fall auszugehen ist, die Verletzung eines Schutzgesetzes als Voraussetzung ihrer Haftung für Vermögensschäden zu bejahen.

c) Infolge der Besonderheit des vorliegenden Falles kommen hier die auf den eingehenden Ausführungen zur Notwehr beruhenden Darlegungen des 6. Senates zur Nothilfe in Betracht, auf die ebenfalls verwiesen wird.

d) Ein Mitverschulden der klagenden Partei dahin, daß diese ein verspätetes Einschreiten der Exekutive zu verantworten habe, liegt nicht vor. Nach den Feststellungen der Vorinstanzen begannen die die Baustelle blockierenden Aktionen erst in der Früh des 9. 6. 1993. Die Räumung der Baustelle durch die Gendarmerie wurde bereits zu Mittag in Angriff genommen. Mit Rücksicht auf die Zeitdauer, die die Organisation eines größeren Gendarmerieeinsatzes in Anspruch nimmt sowie auf die generelle Problematik der Konfrontation von Sicherheitskräften mit Demonstranten, die für ein Abwarten der Situation sprach, war die Zeitspanne zwischen dem Beginn der Aktionen der Demonstranten und dem Beginn des Gendarmerieeinsatzes durchaus angemessen. Auf die Frage der Berücksichtigung hoheitlichen Vorgehens im Rahmen eines Mitverschuldenseinwandes gegen Schadenersatzansprüche, die dem Bund im Bereich der Privatwirtschaftsverwaltung entstanden sind, ist daher nicht weiter einzugehen.

e) Allerdings haften alle drei Beklagten nur für den während ihrer Teilnahme an der Aktion hervorgerufenen Schaden. Zu den bereits vor ihrem Anketten an die LKWs gesetzten behindernden Aktivitäten anderer Demonstranten haben sie nach den Feststellungen in keiner Weise beigetragen. Insoweit liegt kein gemeinschaftliches Handeln mit anderen Akteuren im Sinn des § 1301 ABGB vor.

f) Der erkennende Senat teilt im übrigen auch die in der Vorentscheidung 6 Ob 201/98x dargestellten Grundsätze zum Eintritt und der Verwirklichung eines Schadens bei großen Bauprojekten, von denen nach der Schädigungshandlung Abstand genommen wurde, wie solche des Atomkraftwerkes Zwentendorf oder des Donaukraftwerkes Hainburg, die auch für den vorliegenden Straßenbau, der ebenfalls als Großprojekt in Angriff genommen wurde, Geltung haben.

Deshalb ist auch im vorliegenden Fall aufgrund des jahrelangen Stillstandes des Bauprojektes schon mangels einer in absehbarer Zeit möglichen Fertigstellung desselben im Vermögen der Klägerin derzeit noch kein der Höhe nach ermittelbarer und ersatzfähiger Schaden eingetreten, weshalb schon begrifflich einem dennoch gestellten Leistungsbegehren nicht stattgegeben werden kann.

Dem Grunde nach kann allerdings ein künftig entstehender und auch meßbarer Vermögensschaden noch nicht abschließend bejaht oder verneint werden. Das Feststellungsbegehren wäre dann berechtigt, wenn nicht nachgewiesen wird, daß das Bauprojekt endgültig gescheitert ist. Zu dieser Frage ist das Verfahren im Tatsachenbereich noch ergänzungsbedürftig, sodaß die Verfahrensergänzung durch das Erstgericht anzuordnen war.

Hiebei wird im Sinne der Ausführungen in der Vorentscheidung 6 Ob 201/98x zu beachten sein:

1. Mit der Blockade einer Zufahrtsstraße zu einem Bauplatz durch Demonstranten, wodurch die Bautätigkeit an einem öffentlichen Bauvorhaben verhindert wird, ist ein Eingriff in das Eigentumsrecht des Herrschaftseigentümers verbunden, wenn die Blockade auf die dauerhafte Entziehung der Benützung der Bauliegenschaft ausgerichet war, wovon auch hier nach den getroffenen Festststellungen auszugehen ist.

2. Ein solche Blockade ist nicht friedlich im Sinn des Art 11 MRK und kann nicht mit dem Grundrecht auf Versammlungsfreiheit gerechtfertigt werden.

3. Bei Vorliegen einer formell rechtskräftigen wasserrechtlichen Genehmigung können sich die Demonstranten mangels rechtswidriger Bauführung nicht auf eine Nothilfesituation und das Recht auf Selbsthilfe berufen.

4. Die vom Bauherrn dem Unternehmer gemäß § 1168 Abs 1 ABGB zu ersetzenden Stehzeiten sind ein Vermögensschaden, den die Demonstranten dann zu ersetzen haben, wenn feststeht, daß das Bauvorhaben fertiggestellt wird. Der Vermögensnachteil ist nach dem Zeitpunkt der Schadensfeststellung (Schluß der Verhandlung erster Instanz) zu ermitteln.

5. Unsicherheiten darüber, ob das Bauwerk fertiggestellt werden wird, führen zur Stattgebung eines Feststellungsbegehrens über die Haftung der Demonstranten für künftig mögliche Schäden.

6. Eine Haftung der Beklagten kommt nur für jene Schäden in Betracht, die auf ihre Teilnahme an der Blockade in der Zeit von 10 Uhr bis 12.30 Uhr zurückzuführen sind. Eine entsprechende Einschränkung wird auch in einem feststellenden Urteilsspruch ihren Niederschlag zu finden haben, sollte das grundsätzliche Bestehen eines Schadenersatzanspruches im zweiten Rechtsgang bejaht werden.

Der Vorbehalt der Kostenentscheidungen beruht auf § 52 Abs 1 und Abs 2 ZPO.

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