Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden als nichtig aufgehoben.
Dem Erstgericht wird die Fortsetzung des Verfahrens aufgetragen.
Text
Begründung
Auf Antrag der zuständigen Staatsanwaltschaft wurde mit Beschluß des Landesgerichtes Innsbruck vom 28. 8. 1998 nach Einleitung einer Voruntersuchung gegen die Betroffene wegen des Verdachtes der versuchten schweren Nötigung und der schweren Sachbeschädigung die vorläufige Anhaltung in einer öffentlichen Krankenanstalt für Geisteskrankheiten angeordnet. Aufgrund einer Entscheidung des Gerichtes zweiter Instanz hat diese vorläufige Anhaltung aus dem Haftgrund der Tatbegehungsgefahr nach § 180 Abs 2 Z 3 lit a StPO vorerst gemäß § 429 Abs 4 StPO fortzudauern. Die gegen die Betroffene erhobene Anklage war zum Zeitpunkt der hier angefochtenen Rekursentscheidung noch nicht rechtskräftig.
Das nach dem gewöhnlichen Aufenthalt der Betroffenen zuständige Bezirksgericht (§ 109 JN) hatte nach Durchführung einer Erstanhörung (ON 18) einen vom Verein für Sachwalterschaft und Patientenanwaltschaft namhaft gemachten einstweiligen Sachwalter für das zur Bestellung eines Sachwalters eingeleitete Verfahren (§ 238 Abs 1 AußStrG) bestellt und diesem Sachwalter gemäß § 238 Abs 2 leg cit gleichzeitig auch die Besorgung dringlicher Angelegenheiten, nämlich der Vertretung vor Ämtern, Behörden und im anhängigen Verfahren vor der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck wegen der Erlassung eines Waffenverbotes übertragen (ON 22). Der dagegen erhobene Rekurs des einstweiligen Sachwalters blieb erfolglos (ON 30).
Nach den aktenkundigen psychiatrischen Gutachten aus dem Strafverfahren leidet die Betroffene an wahnhaften Störungen, zeigt ein autistisches Zustandsbild und ist strafrechtlich unzurechnungsfähig. Das Fremdgefährdungsrisiko wird bei Einhaltung einer nervenärztlichen Versorgung von einem Gutachter als nicht besonders hoch eingeschätzt. Mit einer solchen Versorgung wäre eine Unterbringung gemäß § 21 Abs 1 StGB substituierbar (Gutachten zu ON 31 und ON 35). Auch die vom Pflegschaftsgericht im Sachwalterbestellungsverfahren beigezogene Gutachterin diagnostizierte wahnhafte Vorstellungen und nahm eine paranoide Schizophrenie an. Da die Betroffene keine Krankheitseinsicht zeige und kategorisch eine Behandlung ablehne, empfiehlt diese Gutacherin eine Sachwalterschaft "zur Durchführung notwendiger medizinischer Maßnahmen" (ON 38).
Die Betroffene war vom 13. bis 30. 7. 1998 im Landeskrankenhaus Hall stationär aufhältig und ist dort seit dem 20. 8. 1998 im Rahmen der vom Strafgericht verfügten vorläufigen Anhaltung nach § 429 Abs 4 StPO im geschlossenen Bereich des Krankenhauses aufhältig.
Das Erstgericht erweiterte den Wirkungskreis des einstweiligen Sachwalters auf die dringenden Angelegenheiten der Ersetzung der Zustimmung zur derzeit notwendigen medizinischen Heilbehandlung, insbesonders der Sicherung der nervenärztlichen Kontrolle, nach entsprechender ärztlicher Aufklärung. Es setzte diese Verfügung sofort in Vollzug. Das Erstgericht stellte fest, daß die Betroffene entgegen zweifelsfreier ärztlicher Diagnosen keinerlei Krankheitseinsicht besitze und nicht wahrhaben wolle, daß sie behandlungsbedürftig sei. Die Urteilsfähigkeit der Betroffenen sei ausdrücklich zu verneinen. Die Haltung der Betroffenen sei auf ihre psychische Erkrankung zurückzuführen (S 3 in ON 33).
Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Sachwalterin nicht Folge. Es führte in rechtlicher Hinsicht im wesentlichen aus, daß Behandlungen eines Kranken nur mit dessen Einverständnis durchgeführt werden dürften. Für besondere Heilbehandlungen einschließlich operativer Eingriffe sei eine vorangehende schriftliche Zustimmung des Kranken erforderlich (§ 36 Abs 1 UbG). Davon sei der Fall der dringenden Heilbehandlung im Sinne des § 37 leg cit zu unterscheiden. Hier seien die Zustimmung und gerichtliche Genehmigung zu einer Heilbehandlung dann nicht erforderlich, wenn die Behandlung so dringend notwendig sei, daß der mit der Einholung verbundene Aufschub das Leben des Kranken gefährden würde oder mit der Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung verbunden wäre. Ein solcher Fall liege hier nicht vor. Wohl aber bedürfe die Betroffene einer Behandlung mit Medikamenten sowie einer Psychotherapie. In diesem Sinne sei die Formulierung im Beschluß des Erstgerichtes "Sicherung der nervenärztlichen Kontrolle" zu verstehen. Wenn auch keine Gefahr im Verzug sei, so sei doch die Behandlung der Betroffenen dringend erforderlich. Der einstweilige Sachwalter solle nun anstelle der nicht einsichtigen Kranken, die wider allen Untersuchungsergebnissen eine Erkrankung in Abrede stelle, nach Rücksprache mit den behandelnden Ärzten über die Behandlung entscheiden und die Zustimmung der Betroffenen ersetzen. Diese Zustimmung könne von dem mit der Strafsache befaßten Gericht derzeit nicht ersetzt werden. Die Meinung der rekurrierenden Sachwalterin, daß über die ärztliche Behandlung das Vollzugsgericht aufgrund der vorläufigen Anhaltung gemäß § 429 Abs 4 StPO zu entscheiden hätte, sei nicht zu teilen. Hier sei keine Freiheitsstrafe zu vollziehen. Es sei offen, ob und wegen welcher Delikte eine Strafverfolgung der Betroffenen erfolgen werde. Das Strafgericht sei daher nicht befugt, über eine Behandlung der Betroffenen zu entscheiden. Es sei eine spezifische Therapie dringend erforderlich, um den Krankheitsprozeß zu stoppen. Unbehandelt führe die Krankheit der Betroffenen zu einer erheblichen Gesundheitsgefährdung. Es liege daher eine dringende Angelegenheit im Sinne des § 238 Abs 2 AußStrG vor. Ohne die Einnahme von Medikamenten werde die Psychose der Betroffenen fortschreiten.
Das Rekursgericht sprach aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei.
Mit seinem außerordentlichen Revisionsrekurs beantragt der (nach einer Umbestellung) nunmehrige einstweilige Sachwalter die ersatzlose Behebung der Beschlüsse der Vorinstanzen, hilfsweise ihre Aufhebung zur Verfahrensergänzung.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Rekursgerichtes zulässig; er ist auch berechtigt.
Vor Eingehen in die Sache ist der Umstand zu erörtern, daß der Revisionsrekurs nach der Aktenlage verspätet ist. Der angefochtene Beschluß zweiter Instanz wurde vom Erstgericht am 8. 2. 1998 abgefertigt. Der Rückschein ist nach einem Amtsvermerk vom 16. 3. 1999 (AS 236) in Verstoß geraten. Der Revisionsrekurswerber behauptet eingangs seines Rechtsmittels eine Zustellung am 9. 2. 1999. Danach ist der am 24. 2. 1999 beim Erstgericht überreichte, also nicht zur Post gegebene Revisionsrekurs außerhalb der 14tägigen Rekursfrist beim Erstgericht eingelangt und daher verspätet. Gemäß § 11 Abs 2 AußStrG kann auf verspätete Rekurse Rücksicht genommen werden, wenn sich die Verfügung noch ohne Nachteil eines Dritten abändern läßt. Der Oberste Gerichtshof vertritt zur Bestellung eines Sachwalters nach § 236 AußStrG die Auffassung, daß mit der Bestellung weder dem Betroffenen (seine Rechtsstellung wird ja durch die Sachwalterbestellung eingeschränkt) noch Dritten Rechte erwachsen, daß aber aus der im § 247 AußStrG angeordneten Rechtskraftwirkung abzuleiten sei, daß die Bestellung eines Sachwalters nicht mit einem verspäteten Rechtsmittel angefochten werden könne (so schon SZ 60/104). Im vorliegenden Fall geht es aber um die Erweiterung der Aufgaben eines schon bestellten einstweiligen Sachwalters. In vergleichbaren Fällen hat der Oberste Gerichtshof schon mehrfach ausgesprochen, daß auf verspätete Rekurse im Sinne des Fürsorgeprinzips gemäß § 11 Abs 2 AußStrG Bedacht genommen werden könne, beispielsweise im Falle der Bestellung eines einstweiligen Sachwalters nach § 238 Abs 1 AußStrG (9 Ob 382/97k; 7 Ob 264/98v).
Danach kann auch hier, weil auch die Rekurslegitimation des einstweiligen Sachwalters gegen die Erweiterung seines Aufgabenbereichs zu bejahen ist (SZ 68/95), auf den Revisionsrekurs meritorisch eingegangen werden.
Vorweg ist zu den Ausführungen des Revisionsrekurswerbers zur Zuständigkeitsfrage einzugehen. Er steht zusammengefaßt auf dem Standpunkt, daß auf den Vollzug einer vorläufigen Anhaltung in psychiatrischen Krankenanstalten gemäß § 429 Abs 5 StPO die Bestimmungen über den Maßnahmenvollzug in einer solchen Krankenanstalt sinngemäß anzuwenden seien. Das Vollzugsrecht in der vorläufigen Maßnahme unterliege den Regeln des § 167a Abs 2 StVG und damit auch den dort angeführten Bestimmungen der §§ 33 bis 39 UbG. Anstelle des Unterbringungsgerichtes sei das Vollzugsgericht zuständig. Die vom UbG dem Unterbringungsgericht vorbehaltenen Entscheidungsmöglichkeiten in bezug auf Heilbehandlungen stünden dem Vollzugsgericht zu. Entscheidungen über die Vornahme von ärztlichen Behandlungen unterlägen gar nicht dem Gericht. Bei dringenden Behandlungsmaßnahmen im Sinne des § 37 UbG sei ohne Rücksicht auf zustimmende oder ablehnende Willenserklärungen des Patienten oder dritter Personen die medizinische Indikation gegeben. Die Entscheidung darüber obliege dem Abteilungsleiter der Krankenanstalt. Das Gericht habe lediglich im Nachhinein über die Zulässigkeit der Behandlung gemäß § 38 UbG zu entscheiden. Lediglich bei der besonderen Heilbehandlung nach § 36 UbG habe das Gericht eine ex-ante-Entscheidungskompetenz. Im vorliegenden Fall sei überhaupt nicht geprüft worden, ob eine solche besondere Heilbehandlung hier zur Beurteilung anstehe. Selbst wenn man diese Frage bejahte, wäre hiefür in sinngemäßer Auslegung des § 429 Abs 5 StPO das Vollzugsgericht zuständig, bei der vorläufigen Anhaltung also der in Strafsachen tätige Gerichtshof erster Instanz.
Zu diesen Rekursausführungen ist in aller Kürze nur auszuführen, daß gerade aus den Bestimmungen des StVG über den Maßnahmenvollzug, die allenfalls gemäß § 429 Abs 5 StPO auch für die vorläufige Anhaltung nach Abs 4 leg cit maßgeblich sein könnten, klar abzuleiten ist, daß die Bestellung eines Sachwalters oder eines einstweiligen Sachwalters zur Besorgung dringender Angelegenheiten immer nur dem nach § 109 JN zuständigen Gericht und nie dem Strafgericht obliegen kann. Für den Vollzug durch Aufnahme in öffentlichen Krankenanstalten für Psychiatrie ordnet § 167a Abs 2 StVG für die Vollziehung der Anhaltung die Geltung der §§ 33 bis 38 UbG an. Die im § 167a Abs 2 Z 1 StVG normierte Zuständigkeit des Vollzugsgerichtes anstelle des Unterbringungsgerichtes kann nur Angelegenheiten der Vollziehung betreffen (also die im Abs 2 angeführten Entscheidungen über Unterbrechungen, Ausgänge und Entlassungen sowie die in den zitierten Bestimmungen des UbG angeführten Verfügungen, also Beschränkungen der Bewegungsfreiheit nach § 30; Regelung des Verkehrs mit der Außenwelt nach § 34; ärztliche Behandlung nach den §§ 35 bis 37), nicht aber die vorgelagerte Frage, ob und mit welchem Aufgabenkreis für den Kranken ein Sachwalter nach § 273 ABGB oder ein einstweiliger Sachwalter nach § 238 Abs 1 und 2 AußStrG zu bestellen ist. Nichts anderes wird in der vom Revisionsrekurswerber zitierten Lehrmeinung Kopetzkis (Unterbringungrecht II 941 f) ausgeführt. Diese Lehrmeinung deckt zwar allenfalls die Ansicht des Revisionsrekurswerbers, daß bei der ärztlichen Behandlung im Rahmen einer in einer Krankenanstalt durchgeführten Anhaltung die Organe der Krankenanstalt Vollzugskompetenz haben, die sie nach den Vorschriften der §§ 33 bis 37 UbG ausüben müssen. Daß damit aber die Notwendigkeit einer Sachwalterbestellung entfiele oder die Entscheidungskompetenz darüber dem Vollzugsgericht zukäme, wird an keiner Stelle angedeutet und wäre auch nicht mit dem Gesetz in Einklang zu bringen. Die ärztliche Behandlung mit oder gegen den Willen des Kranken setzt dessen Einsicht voraus. Wenn diese nicht gegeben ist, muß ein Sachwalter bestellt werden, der wie ein obsorgeberechtigter Elternteil für sein minderjähriges Kind an der Entscheidung über eine ärztliche Behandlung oder Operation mitzuwirken hat (vgl § 36 UbG). Das StVG und die verwiesenen Bestimmungen des UbG setzen bei der ärztlichen Behandlung die Mitwirkung des Kranken voraus, bei minderjährigen Kranken und diesen gleichzuhaltenden geistig Behinderten oder Geisteskranken die Mitwirkung von Vertretern, die für die Vertretenen die vom Gesetz verlangten Erklärungen abzugeben haben. Wenn sich erst bei der Vollziehung der Anhaltung die Notwendigkeit der Bestellung eines Sachwalters ergibt, hat diese das nach § 109 JN zuständige Gericht vorzunehmen. Das StVG verschiebt diese Kompetenz nicht an das Vollzugsgericht bzw die für die gerichtliche Voruntersuchung in Strafsachen zuständigen Gerichtsorgane. Die vom Sachwalter relevierte Zuständigkeitsfrage ist daher hier noch keineswegs entscheidungswesentlich, sondern höchstens für die nachfolgenden Fragen, welches Gericht für die gerichtliche Genehmigung einer Heilbehandlung zuständig ist (dazu kommen das nach § 109 JN zuständige Pflegschaftsgericht, das nach § 12 UbG nach dem Sitz der Anstalt zuständige Bezirksgericht oder das nach § 167a Abs 2 StVG zuständige Vollzugsgericht in Frage). Bei der Bestellung eines einstweiligen Sachwalters handelt es sich nicht um eine Unterbringungssache, die im Strafvollzug oder in dem allenfalls gleichzuhaltenden Vollzug einer vorläufigen Anhaltung nach § 429 Abs 4 StPO vom Vollzugsgericht wahrzunehmen wäre. Die Zuständigkeit des Pflegschaftsgerichtes für diese Aufgabe bleibt unberührt (Hopf/Aigner, Unterbringungsgesetz Anm 2 zu § 12). Im Justizausschußbericht zum Unterbringungsgesetz (JAB, 1202 BlgNR 17. GP, 7) wird dazu sogar unmißverständlich und entgegen den Rechtsansichten des Revisionsrekurswerbers sogar zur gerichtlichen Genehmigung einer ärztlichen Behandlung ausgeführt, daß bei der erforderlichen gerichtlichen Genehmigung, soweit es sich um wichtige Angelegenheiten des Pflegebefohlenen handelt (§§ 216 Abs 2 und 282 ABGB), die Zuständigkeit des Pflegschaftsgerichts für derartige Genehmigungen durch § 12 Abs 1 zweiter Satz UbG nicht berührt werde, da es sich insoweit nicht um Aufgaben handle, die dem Unterbringungsgericht zur Besorgung übertragen seien. Umso mehr muß das für die Bestellung eines einstweiligen Sachwalters gelten.
Im Hinblick auf die dargestellte Rechtslage braucht auf die weitwendige Anregung des Revisionsrekurswerbers, beim Verfassungsgerichtshof ein Gesetzesprüfungsverfahren nach Art 89 Abs 2 B-VG wegen unklarer Zuständigkeitsregelungen (des § 429 Abs 4 und 5 StPO iVm § 167a StVG und §§ 33 ff UbG) zu beantragen, nicht mehr eingegangen werden.
In der Sache selbst rügt der Revisionsrekurswerber 1. eine Nichtigkeit des Verfahrens aus dem Grund, daß die Betroffene zur beabsichtigten Erweiterung des Aufgabenkreises ihres einstweiligen Sachwalters nicht gehört worden war, und 2. Feststellungsmängel zum Thema der Einsichtsfähigkeit der Betroffenen in bezug auf die in Aussicht genommene nervenärztliche Behandlung. Zu beiden Rekursgründen kann in einem Stellung genommen werden:
Gemäß § 237 AußStrG hat sich das Gericht vom Betroffenen einen persönlichen Eindruck zu verschaffen, bevor es gemäß § 238 Abs 1 AußStrG zur Bestellung eines Rechtsbeistandes (Verfahrenssachwalters) oder zusätzlich auch gemäß Abs 2 leg cit zur Bestellung eines einstweiligen Sachwalters zur Besorgung dringender Angelegenheiten schreitet. Gitschthaler vertritt zumindest für den zweitgenannten Fall eines einstweiligen Sachwalters, daß die Bestellung ohne sogenannte Erstanhörung die Nichtigkeit der Entscheidung zur Folge habe (in ÖJZ 1990, 762 [765] und in NZ 1990, 265 [268]). Auch der Oberste Gerichtshof vertrat diese Ansicht bereits mehrmals (NZ 1996, 109; 1 Ob 305/98d mwN). Die Besonderheit des vorliegenden Falles liegt darin, daß der rekurrierende Sachwalter nach erfolgter Erstanhörung bereits rechtskräftig bestellter Verfahrenssachwalter und einstweiliger Sachwalter nach § 238 Abs 2 AußStrG war und mit der nun angefochtenen Verfügung nur sein Aufgabenkreis ohne weitere Anhörung der Betroffenen erweitert wurde. Der erkennende Senat vertritt die Auffassung, daß es auch hier - weil es in der Frage der Heilbehandlung um das höchstpersönliche Recht der körperlichen Integrität geht - einer Vernehmung der Betroffenen vor der Gerichtsentscheidung bedurft hätte. Wenn auch in diesem Bereich die Substituierung der Einwilligung der psychisch kranken Person durch die Erklärung ihres gesetzlichen Vertreters (eines Sachwalters nach § 273 ABGB bzw eines einstweiligen Sachwalters nach § 238 Abs 2 AußStrG) in Frage kommt (EvBl 1988/85; SZ 50/161; zuletzt 7 Ob 355/97z), so setzt die Zulässigkeit dieser Substitution voraus, daß der Betroffene zu einer Willenserklärung nicht in der Lage ist, ihm also die Einsichtsfähigkeit zur Beurteilung des Grundes und der Bedeutung der ärztlichen Behandlung (§§ 35 f UbG) fehlt. Die rechtskräftige Bestellung des rekurrierenden Sachwalters zur Vertretung der Betroffenen vor Gerichten und Behörden bedeutet noch nicht zwangsläufig, daß sie nicht in der Lage ist, eine Aufklärung über die geplante Behandlung zu verstehen und danach eine Erklärung abzugeben. Wenn auch die Vorinstanzen nach den im Akt erliegenden Gutachten durchaus zutreffend von einer mangelnden Einsicht der Betroffenen über ihre Erkrankung ausgehen durften, so ist hier schon wegen der Besonderheit der diagnostizierten Schizophrenie die Möglichkeit nicht ausgeschlossen, daß die Kranke allenfalls doch zu einer selbständigen Beurteilung der Frage der Heilbehandlung in der Lage ist. Die Schizophrenie als Form der endogenen Psychose wird - wie allgemein bekannt ist - mit Neuroleptika und/oder Psychotherapien behandelt (Pschyrembel, Klinisches Wörterbuch257, 1376). Sie tritt - wie ebenfalls notorisch ist - häufig in Schüben auf (Brockhaus Enzyklopädie19 Bd 19, 376), sodaß ein Kranker außerhalb der Schübe in lichten Augenblicken geschäftsfähig sein kann (vgl § 865 ABGB; Koziol/Welser, Grundriß10 I 52). In einem solchen Zustand könnte die Kranke daher auch die Einsichtsfähigkeit zur Beurteilung einer ärztlichen Behandlung haben. Schon aus diesem Grund war hier die Einräumung des Gehörs zwingend geboten. Ob der Fall anders zu beurteilen wäre, wenn schon anläßlich der Erstanhörung hervorgekommen wäre, daß der Geisteszustand der Betroffenen ein solcher ist, daß die Einsichtsfähigkeit auf jeden Fall verneint werden müßte und deshalb eine neuerliche Anhörung vor der Entscheidung über die Erweiterung des Aufgabenkreises des einstweiligen Sachwalters unterbleiben könne, braucht hier nicht entschieden werden.
Der Argumentation des rekurrierenden Sachwalters, es liege keine dringende Angelegenheit im Sinne des § 238 AußStrG vor, weil eine dringende Heilbehandlung der Abteilungsleiter des Krankenhauses anordnen könne (§ 37 UbG), über nicht dringende Behandlungen aber auch noch nach Abschluß des Sachwalterbestellungsverfahrens entschieden werden könne, sind die durchaus zutreffenden Erwägungen des Rekursgerichtes entgegenzuhalten. Daß Fragen der medizinischen Heilbehandlung als Angelegenheit der Personensorge zumindest grundsätzlich als dringend qualifiziert werden können, liegt auf der Hand (6 Ob 2/98g mwN). Dies muß jedenfalls dann gelten, wenn sich ein Krankheitsbild - wie hier festgestellt wurde - durch die Unterlassung einer ärztlichen Behandlung verschlechtern wird, ohne daß damit durch den Aufschub der Behandlung auch schon der Fall einer Gefährdung des Lebens oder die Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung (§ 37 UbG) verbunden wäre. Es wird immer von den Umständen des Einzelfalls abhängen, ob die Frage der Heilbehandlung erst nach einer Sachwalterbestellung nach § 273 ABGB oder sofort (§ 37 UbG) oder eben unter Einschaltung eines einstweiligen Sachwalters nach § 238 Abs 2 AußStrG entschieden werden muß. Die hier bekämpfte Bejahung einer dringenden Angelegenheit nach der zuletzt genannten Gesetzesstelle ist nach Auffassung des erkennenden Senates nicht zu beanstanden.
Aus den dargelegten Gründen sind die Entscheidungen der Vorinstanzen wegen Verletzung des Gehörs als nichtig aufzuheben. Vor einer allfälligen neuerlichen Beschlußfassung wird das Erstgericht die Betroffene zu hören und die erforderlichen Feststellungen zu treffen haben. Erst danach kann die Frage der Einsichtsfähigkeit der Kranken zum Grund und der Bedeutung der medizinischen Behandlung beantwortet werden.
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