Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben.
Die angefochtene Entscheidung wird dahin abgeändert, daß das Urteil des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 29.137,20 (darin S 4.862,20 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens und die mit S 11.491,04 (darin S 811,84 Umsatzsteuer und S 6.620 Barauslagen) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Kläger war vom 20. 6. 1989 bis zum 26. 2. 1993 beim Beklagten als Tischler beschäftigt. Das Dienstverhältnis endete durch Entlassung.
Mit der Behauptung, er sei unberechtigt entlassen worden, begehrte der Kläger zunächst S 83.044,96 sA an Kündigungsentschädigung (S 11.112,-), Lohnrest für zwei Wochen (15. 2. 1993 bis 26. 2. 1993; S 10.162,-), Abfertigung (S 48.114,96), Urlaubsentschädigung (S 5.556,-) und Spesenersatz für einen Arbeitseinsatz auf einer ungarischen Baustelle (S 8.100,-). In der Tagsatzung vom 26. 5. 1994 schränkte er das Klagebegehren im Hinblick auf eine am 13. 3. 1993 geleistete Zahlung von S 6.000,- auf S 77.044,96 ein.
Der Beklagte beantragte, das Klagebegehren abzuweisen. Der Kläger habe sich immer wieder geweigert, ihm übertragene Aufgaben durchzuführen und sei mehrmals nicht zu den Baustellen, für die er eingeteilt gewesen sei, mitgefahren. Er sei deshalb vom Beklagten mehrmals unter Androhung der Entlassung abgemahnt worden. Am 26. 2. 1993 habe sich der Kläger abermals geweigert, einer Aufforderung, eine ihm zumutbare und angemessene Arbeit zu verrichten, Folge zu leisten. Daraufhin sei er wegen Arbeitsverweigerung entlassen worden.
Mit Urteil vom 27. 4. 1995 gab das Erstgericht dem Klagebegehren im Umfang von S 4.162,- sA statt und wies das Mehrbegehren des Klägers ab. Es ging davon aus, daß der Kläger Anspruch auf Lohnzahlung für zwei Wochen für den Zeitraum vom 15. 2. 1993 bis zum Entlassungstag (26. 2. 1993) im Ausmaß von S 10.162,- habe, worauf vom Beklagten am 13. 3. 1993 S 6.000,- bezahlt worden seien. Im übrigen nahm es als erwiesen an, daß sich der Kläger am 26. 2. 1993, einem Freitag, weigerte, einer Anordnung des Arbeitgebers Folge zu leisten, auf eine Baustelle nach Wien mitzufahren, obwohl die wöchentliche Normalarbeitszeit, die an diesem Tag vier Stunden betragen habe (bis Mittag), durch diese Arbeit nicht überschritten worden und der Kläger zu Mittag wieder nach Hause gekommen wäre. Aufgrund dieser Feststellungen erachtete das Erstgericht die wegen dieser Weigerung des Klägers ausgesprochene Entlassung nach § 82 f GewO 1859 als gerechtfertigt. Der Kläger habe daher keinen Anspruch auf Kündigungsentschädigung, Abfertigung und Urlaubsentschädigung.
Der Zuspruch von S 4.162,- (Lohnrest für die Zeit vom 15. 2. 1993 bis zum 26. 2. 1993) und die Abweisung des Klagebegehrens im Umfang von S 8.100,- erwuchsen unangefochten in Rechtskraft. Im übrigen wurde das Ersturteil vom Berufungsgericht bestätigt.
Der Oberste Gerichtshof hob mit Beschluß vom 12. 6. 1997 über Revision des Klägers die Urteile der Vorinstanzen im angefochtenen Umfang auf und verwies die Arbeitsrechtssache in diesem Umfang zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurück. Zwar sei nach den erstgerichtlichen Feststellungen von einer schuldhaften Verletzungen der arbeitsvertraglichen Pflichten des Klägers auszugehen; trotz entsprechender Behauptungen des Beklagten fehle es aber an Feststellungen darüber, ob von einer "beharrlichen" Pflichtverletzung des Klägers auszugehen sei. Solche Feststellungen seien aber entbehrlich, wenn das pflichtwidrige Verhalten des Klägers im Hinblick auf in der Revision geltend gemachte Rechtfertigungsgründe gerechtfertigt wäre. Der Kläger berufe sich in seinem Rechtsmittel primär darauf, zur Verweigerung der Arbeitsleistung berechtigt gewesen zu sein, weil ihm der Beklagte ungerechtfertigt die Auszahlung des Lohnes für die Vorwoche verweigert habe. Es treffe auch zu, daß der Arbeitnehmer berechtigt sei, seine Arbeitsleistung so lange zurückzuhalten, bis der Arbeitgeber einen bereits fällig gewordenen Lohnrückstand gezahlt habe. Dabei genüge es, wenn im Prozeß ein Rechtfertigungsgrund nachgewiesen werde; es komme nicht darauf an, ob dieser Grund im Zeitpunkt der Ablehnung der Arbeit vorgebracht worden sei. Allerdings müsse der entlassene Arbeitnehmer Rechtfertigungsgründe für das ihm vorgeworfene pflichtwidrige Verhalten im Prozeß als solche geltend machen. Auf den nunmehr geltenden Rechtfertigungsgrund habe sich der Kläger in erster Instanz nicht berufen, sodaß auf sein erst im Rechtsmittelverfahren dazu erstattetes Vorbringen nicht eingegangen werden könne.
Im fortgesetzten Verfahren brachte der Kläger ua vor, die Arbeit am 26. 2. 1993 deshalb verweigert zu haben, weil ihm bis zu diesem Zeitpunkt der Lohn der Vorwoche nicht gezahlt worden sei.
Mit Urteil vom 3. 11. 1997 gab das Erstgericht dem noch offenen Klagebegehren statt. Es erachtete als nicht feststellbar, daß der Kläger schon vor seiner Entlassung wegen Arbeitsverweigerung ermahnt worden sei, daß er in der Zeit von Anfang bis Mitte Februar 1993 seine Arbeitsleistung mangelhaft erbracht habe und daß ihm erklärt worden sei, er bekomme für diesen Zeitraum keinen Lohn. Ebenso sei nicht feststellbar, ob die Absicht des Beklagten, den Kläger auf eine Baustelle nach Wien zu schicken, letzterem in dieser Form übermittelt worden sei. Auf dieser Grundlage verneinte das Erstgericht eine beharrliche Pflichtverletzung des Klägers. Darüber hinaus habe der Beklagte selbst zugestanden, dem Kläger ohne Mitteilung einer Begründung Lohn für vergangene Lohnperioden nicht ausgezahlt zu haben. Der Kläger könne sich daher auch auf einen Rechtfertigungsgrund berufen.
Das Berufungsgericht änderte das Ersturteil iS der Abweisung des noch offenen Klagebegehrens ab. Es stellte nach Beweiswiederholung folgenden Sachverhalt fest:
Bereits im Jänner 1993 wurde der Kläger wegen der Verfälschung eines Arbeitsberichtes unter Androhung der Entlassung ermahnt. In der Woche vor der Entlassung hat der Kläger mit einem Arbeitskollegen auf einer Baustelle in Wien insgesamt nur drei Türen eingehängt, obwohl ein geübter Arbeiter (wie der Kläger) pro Tag fünfzehn bis achtzehn Türen einhängen kann. Eine Begründung für diese Minderleistung - (nicht als erwiesen angenommene) Arbeiten über Auftrag des Geschäftsführers einer Partnergesellschaft - wurde dem Beklagten nicht mitgeteilt. Dieser verweigerte dem Kläger deshalb die Zahlung des für diese Woche anfallenden Lohnes, ohne dies dem Kläger gegenüber zu begründen. Am Entlassungstag war der Kläger zur Arbeit auf einer Baustelle in Wien eingeteilt. Durch diese Arbeit wäre die wöchentliche Normalarbeitszeit nicht überschritten worden; der Kläger wäre zu Mittag wieder in L***** gewesen. Dennoch weigerte sich der Kläger, nach Wien mitzufahren.
Aufgrund dieses Sachverhaltes erachtete das Berufungsgericht die Entlassung als gerechtfertigt. Da der Kläger in der Woche vor der Entlassung keine entsprechende Arbeitsleistung erbracht habe, sei der Beklagte berechtigt gewesen, ihm den Lohn vorzuenthalten, sodaß der vom Kläger insofern geltend gemachte Rechtfertigungsgrund nicht gegeben sei. Da er auch schon anläßlich eines früheren Vorfalles ermahnt worden sei, sei seine Arbeitsverweigerung als beharrlich anzusehen. Der Entlassungsgrund des § 82 lit f 2. Tatbestand GewO 1859 sei daher verwirklicht.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Klägers richtet sich die Revision des Klägers mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung im Sinne der Stattgebung des noch offenen Klagebegehrens abzuändern. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Der Beklagte beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist berechtigt.
Der erkennende Senat hat bereits im oben zitierten Aufhebungsbeschluß vom 12. 7. 1997 ausgeführt, daß der Arbeitnehmer berechtigt ist, seine Arbeitsleistung solange zurückzuhalten, bis der Arbeitgeber einen bereits fällig gewordenen Lohnrückstand gezahlt hat (SZ 67/93). Dabei genügt es - wie ebenfalls bereits ausgeführt wurde - daß der Arbeitnehmer einen derartigen die Arbeitsverweigerung rechtfertigenden Grund im Prozeß nachweist, ohne daß es darauf ankommt, ob er diesen Grund im Zeitpunkt der Ablehnung der Arbeit vorgebracht hat (Arb 10.353; Kuderna, Entlassungsrecht**2 67). Allerdings konnte der erkennende Senat auf den vom Kläger zwar in der Revision, nicht aber in erster Instanz erhobenen Einwand, die Arbeitsverweigerung sei im Hinblick auf den ihm ungerechtfertigt vorenthaltenen Lohn gerechtfertigt gewesen, im Hinblick auf das im Rechtsmittelverfahren geltende Neuerungsverbot nicht eingehen.
Im fortgesetzten Verfahren erster Instanz hat sich der Kläger aber nun ausdrücklich auf den eben erörterten Rechtfertigungsgrund berufen. Das Berufungsgericht traf allerdings nunmehr (nach Wiederholung der Beweise) zur bereits im ersten Rechtsgang rechtskräftig entschiedenen Frage eines zum Entlassungszeitpunkt bestehenden Lohnrückstandes andere Feststellungen, als der insofern in Rechtskraft erwachsenen Entscheidung des Erstgerichtes zugrunde lagen. Auf der Grundlage dieser geänderten Feststellungen erachtete es nunmehr die Verweigerung der Zahlung des Lohnes für die vorangegangene Woche als gerechtfertigt und verneinte demgemäß den vom Kläger für die Verweigerung der geforderten Arbeitsleistung geltend gemachten Rechtfertigungsgrund.
Damit hat sich das Berufungsgericht - wie der Revisionswerber zutreffend einwendet - gegen die Bindungswirkung der in Rechtskraft erwachsenen Entscheidung des Erstgerichtes hinweggesetzt, mit der dem Kläger der - um eine nach der Entlassung geleistete Zahlung von S 6.000,- reduzierte - Lohn für die Zeit vom 15. 2. 1993 bis zum 26. 2. 1993, und damit auch der vom Beklagten zurückgehaltene Lohn für die "vorangegangene Woche" zugesprochen wurde. Mit dieser Entscheidung wurde in ein- und demselben Verfahren eine für den noch offenen Anspruch präjudizielle Vorfrage als Hauptfrage rechtskräftig entschieden, sodaß eine neuerliche, von dieser Entscheidung abweichende Beurteilung im fortgesetzten Verfahren nicht mehr möglich ist (RZ 1989/96; SZ 68/103; Ris-Justiz RS0041572; Rechberger in Rechberger, ZPO, Rz 9 zu § 411).
Der vom Beklagten in seiner Revisionsbeantwortung dagegen erhobene Einwand, der Themenkomplex "entsprechende Arbeitsleistung oder Minderarbeitsleistung vor der Entlassung" sei im ersten Rechtsgang nicht behandelt worden, ändert an diesem Ergebnis nichts. Die Behauptungs- und Beweispflicht für Umstände, die es rechtfertigen, dem Arbeitnehmer trotz aufrechten Arbeitsverhältnisses den Lohn zu verweigern, trifft den Arbeitgeber. Prozeßvorbringen in diesem Sinne hat der Beklagte im ersten Rechtsgang nicht aufgestellt. Wird aber einer Partei auf der Grundlage eines bestimmten rechtserzeugenden Sachverhaltes ein Anspruch rechtskräftig zuerkannt, kann der Gegner in einem Folgeprozeß zwischen denselben Parteien (hier: im fortgesetzten Verfahren über weitere Ansprüche) dem rechtskräftig zuerkannten Anspruch nicht mit anspruchsvernichtenden Tatsachen entgegentreten, die in dem für die Vorentscheidung maßgeblichen Zeitpunkt bereits entstanden waren, aber nicht ausgeführt wurden (SZ 68/12; JBl 1998, 126). Im übrigen hat der Beklagte auch im zweiten Rechtsgang keinerlei Prozeßvorbringen - Angaben in der Parteiaussage können Prozeßbehauptungen nicht ersetzen (Ris-Justiz RS0038037) - über eine die Einbehaltung von Lohn rechtfertigende Minderleistung des Klägers erstattet.
Aufgrund der rechtskräftigen Entscheidung über den in Rede stehenden Lohnanspruch ist jedenfalls davon auszugehen, daß der Beklagte zur Auszahlung des Lohnes für die Woche ab 15. 2. 1996 verpflichtet war. Damit erweist sich aber iS der oben dargestellten Rechtslage die dem Kläger angelastete Verweigerung der ihm aufgetragenen Arbeit durch die Weigerung des Beklagten, dem Kläger den ihm zustehenden Lohn auszuzahlen, als gerechtfertigt. Da nach der dargestellten Rechtslage durch das Vorenthalten des fälligen Lohnes die völlige Verweigerung der Arbeitsleistung gerechtfertigt gewesen wäre, kann sich der Beklagte nicht mit Erfolg darauf berufen, daß die Entlassung gerechtfertigt sei, weil der Kläger nur die ihm aufgetragene, nicht aber jegliche Arbeitsleistung verweigert habe.
Ob der Kläger zur Rechtfertigung der Arbeitsverweigerung auf die Vorenthaltung des aushaftenden Lohnes verwiesen hat, steht nicht fest, ist aber unter den hier gegebenen Umständen nicht entscheidend. Zwar ist richtig, daß die Unterlassung der möglichen Mitteilung des in Anspruch genommenen Rechtfertigungsgrundes die Annahme eines Mitverschuldens des Arbeitnehmers an der Entlassung und damit eine Mäßigung seiner entlassungsabhängigen Ansprüche rechtfertigen kann, falls der Arbeitgeber bei Kenntnis des Rechtfertigungsgrundes die Entlassung aller Voraussicht nach nicht ausgesprochen hätte (Kuderna, aaO 67; RdW 1997, 88). Der insofern behauptungs- und beweispflichtige Beklagte - er muß zwar nicht ausdrücklich ein Mitverschulden einwenden, wohl aber entsprechende Tatsachenbehauptungen aufstellen (Kuderna, aaO 75) - hat nämlich dazu keinerlei Vorbringen erstattet, sodaß darauf schon deshalb nicht näher einzugehen ist.
Da sich somit die Entlassung des Klägers im Hinblick im Hinblick auf den von ihm geltend gemachten Rechtfertigungsgrund als unberechtigt erweist, war in Stattgebung der Revision die Entscheidung des Erstgerichtes wiederherzustellen.
Die Entscheidung über die Verfahrenskosten gründet sich auf die §§ 41 und 50 Abs 1 ZPO. Der vom Kläger für die Berufungsverhandlung verzeichnete Ansatz ist überhöht, weil diese Verhandlung wegen der im Protokoll ersichtlichen Unterbrechungen nur 12 halbe Stunden dauerte. Der für die Verfassung der Revision unter Berufung auf § 21 RAT verzeichnete Zuschlag von 50 % zum tariflichen Honorar war nicht zuzusprechen. Der Klagevertreter beruft sich dabei auf einen "erheblichen Mehraufwand infolge notwendiger Fremdsprachenkenntnisse" und bezieht sich damit offenkundig auf die mangelnde Beherrschung der deutschen Sprache durch den Kläger. Mangels näherer Begründung ist aber nicht erkennbar, warum in einem Verfahrensstadium, in dem die Tatsachenfeststellungen des Erstgerichtes ohnedies nicht mehr bekämpft werden können und daher die Notwendigkeit umfangreicher Informationsaufnahmen nicht mehr besteht, die Verfassung eines Rechtsmittelschriftsatzes für den Rechtsanwalt wegen fehlender Sprachkenntnisse des Mandanten in relevantem Ausmaß mit höherem Aufwand verbunden sein soll.
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