OGH 7Ob85/99x

OGH7Ob85/99x14.4.1999

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kropfitsch als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schalich, Hon. Prof. Dr. Danzl, Dr. Schenk und Dr. Schaumüller als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Elisabeth O*****, vertreten durch Dr. Peter Zöchbauer, Rechtsanwalt in St. Pölten, gegen die beklagte Partei Ing. Georg N*****, vertreten durch Dr. Helmut Winkler ua, Rechtsanwälte in Wien, wegen Übergabe eines Bestandobjektes, infolge ordentlicher Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Wr. Neustadt als Berufungsgerichtes vom 4. Juni 1997, GZ 17 R 69/97m‑31, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Baden vom 3. Jänner 1997, GZ 7 C 1148/95h‑24, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Revision der beklagten Partei sowie deren darin enthaltene Einrede der Streitanhängigkeit samt Antrag auf Klagezurückweisung werden zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei zu Handen ihres Vertreters binnen 14 Tagen die mit S 3.248,64 (hierin enthalten S 541,44 USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung zu ersetzen.

Text

Begründung

Gemäß § 510 Abs 3 letzter Satz ZPO kann sich die Zurückweisung einer ordentlichen Revision wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage (§ 502 Abs 1 ZPO) auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken.

Rechtliche Beurteilung

Vorweg sind hiebei folgende (prozessualen) Hinweise angebracht:

1. Entgegen der Auffassung der Revisionsgegnerin ist auch die Entscheidung über einen Übergabsauftrag, obwohl dieser in § 502 Abs 5 ZPO (idF der WGN 1997) nicht ausdrücklich genannt ist, gleich einer Streitigkeit über eine Kündigung ohne Rücksicht auf den Streitwert revisibel; dies hat der Oberste Gerichtshof bereits in seiner Entscheidung 1 Ob 569/94 (zur insoweit wortgleichen Vorgängerbestimmung des § 502 Abs 3 ZPO, sodaß diese Rechtsprechung auch auf die Nachfolgebestimmung unverändert zur Anwendung gebracht werden kann) klargestellt (SZ 67/130 = WoBl 1994/45; RIS‑Justiz RS0044915, RS0043001). Das Vorliegen eines zumindest S 52.000,‑- übersteigenden Streitwertes (samt Bewertung durch das Berufungsgericht) ist daher nicht erforderlich (Danzl, Der Weg zum OGH nach der WGN 1997, ÖJZ‑Sonderheft 5A, 12).

2. Das vom Revisionswerber in der ordentlichen Revision erstmals relevierte Prozeßhindernis der Streitanhängigkeit nach § 233 Abs 1 ZPO (Fasching, Lehrbuch2 Rz 1181 ff) samt damit verbundener Antragstellung auf Zurückweisung der Klage ist nicht gegeben - selbst wenn man (mangels diesbezüglicher Prozeßeinrede im vorinstanzlichen Verfahren) davon ausgehen sollte, daß beide Vorinstanzen übereinstimmend diesen auch von Amts wegen aufzugreifenden Nichtigkeitsgrund zwar nicht spruchmäßig, jedoch implizite in ihren Gründen durch Entscheidung in merito verneinten, sodaß dieser Mangel in der Revision nicht mehr mit Erfolg gerügt werden könnte (SZ 59/104, SZ 62/157; 4 Ob 2011/96f uva). Zwar läßt Ruhen des Verfahrens die Streitanhängigkeit unberührt (RIS‑Justiz RS0036697), eine solche besteht jedoch im Verhältnis zum früheren (und seit 19. 11. 1992 ruhenden) führenden Verfahren 7 C 563/92z des Erstgerichtes (zwischen denselben Parteien, jedoch in umgekehrter Parteirolle) schon deshalb nicht, weil Gegenstand des dortigen (ausgedehnten und dann wiederum eingeschränkten) Begehrens zuletzt bloß die Feststellung des Fortbestehens des Mietverhältnisses laut Mietvertrag vom 10. 8. 1989 über den 31. 10. 1992 hinaus war, und Gegenstand des damit verbundenen Verfahrens 7 C 543/92h die Erlassung eines Übergabsauftrages der Klägerin per 31. 8. 1992 war, während Gegenstand des vorliegenden Verfahrens die Erlassung eines solchen per 31. 8. 1995 bildet. Ziel des gegenständlichen Verfahrens ist damit die Erreichung eines Exekutionstitels zur Übergabe (Räumung) des zwar in sämtlichen Verfahren selben Bestandobjektes, jedoch zu einem anderen (späteren) Endigungstermin, welches Rechtschutzziel demnach auch nicht mit dem zu 7 C 563/97z erhobenen (gegnerischen) Feststellungsbegehren ident ist, weshalb es sich mangels Identität der Ansprüche (über denselben Streitgegenstand) insgesamt um verschiedene und nicht vom Prozeßhindernis erfaßte Begehren handelt.

In der Sache selbst ist folgendes kurz auszuführen (§ 510 Abs 3 ZPO):

Zutreffend hat das Berufungsgericht darauf hingewiesen, daß die Beantwortung der Frage, ob zwischen den Vertragsteilen eines Bestandvertrages ein Endtermin bestimmt wurde, durch Auslegung zu ermitteln ist (1 Ob 72/98i; RIS‑Justiz RS0070201). Die Auslegung des Inhaltes einer konkreten vertraglichen Beziehung ist dabei regelmäßig von der Kasuistik des Einzelfalles geprägt und bildet damit grundsätzlich keine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO (5 Ob 2131/96k, 7 Ob 142/97a); ob auch eine andere Auslegung vertretbar wäre, ist ebenfalls keine erhebliche Rechtsfrage (10 Ob 133/97z).

Im zur Beurteilung anstehenden Fall wurde zwischen den Streitteilen im Mietvertrag vom 10. 8. 1989 vereinbart, daß das Mietverhältnis auf die Dauer von drei Jahren geschlossen wird; es beginnt am 1. 9. 1989 und endet am 31. 8. 1992. In einer zusätzlich schriftlich getroffenen Vereinbarung im Anhang hieß es weiters, daß sich das Mietverhältnis stillschweigend um drei Jahre verlängert, wenn der Vermieter nicht sechs Wochen vor Beendigung schriftlich kündigt. Unstrittig ist, daß die klagende Partei (als Vermieterin) den Termin 31. 8. 1992 verstreichen ließ (im bereits erwähnten Verfahren 7 C 543/92h wurde später Ruhen vereinbart), wodurch sich das Mietverhältnis automatisch verlängerte. Da es sich beim Bestandobjekt (unstrittig) um ein Wohnhaus mit nicht mehr als zwei selbständigen Wohnungen handelt, war die schriftliche Vereinbarung des Erlöschens des Mietvertrages durch den Ablauf der bedungenen Zeit ohne Kündigung zulässig (§ 29 Abs 1 Z 3 lit a MRG idF vor dem 3. WÄG 1993 BGBl 800). Das Berufungsgericht hat aus den schriftlich festgehaltenen Vereinbarungen geschlossen, daß sich aus deren Wortlaut nur eine einmalige Verlängerung um drei Jahre, nicht aber eine solche auch noch darüber hinaus ableiten lasse, weil die Parteien diesfalls eine Formulierung wie „jeweils um drei Jahre“ oder „immer wieder um drei Jahre“ gewählt hätten, sodaß der Mietvertrag durch die Unterlassung einer Kündigung nur einmal um drei Jahre verlängert worden sei und damit jedenfalls nach sechs Jahren, also per 31. 8. 1995 (ohne Kündigung), geendet habe. Dieses Auslegungsergebnis ist keine vom Obersten Gerichtshof korrekturbedürftige Verkennung der Rechtslage, zumal derselbe Senat bereits in der Entscheidung 7 Ob 522/95 ausgesprochen hat, daß es keinen Unterschied machen könne, ob ein auch für den Vermieter zulässig kürzer befristeter Mietvertrag (hier: bei Beurteilung des Vertragspunktes 3 im Sinne einer Endigung des Mietverhältnisses ohne Kündigung zum 31. 8. 1992) oder ein für den Vermieter unzulässig kürzer befristeter Mietvertrag (hier: Bedachtnahme auf ein Kündigungsrecht laut Zusatzvereinbarung) auf die in § 29 Abs 2 MRG vorgesehenen Fristen verlängert wird. Auch im vorliegenden Fall ist daher das Bestandverhältnis insgesamt als Einheit zu betrachten und damit von einer (rechtswirksam vereinbarten und nicht kündigungsabhängigen) Befristung mit insgesamt sechs Jahren auszugehen. In der Entscheidung 5 Ob 570/90 hat der Oberste Gerichtshof überdies ausgesprochen, daß auch durch eine im Mietvertrag vereinbarte Kündigungsfrist die Vereinbarung eines unbedingten zeitlichen Endtermins nicht berührt werde, sondern in einem solchen Fall eben nur für die Zeit vorher (für die ein Kündigungsverzicht nicht vereinbart worden war) eine vom Gesetz abweichende Kündigungsfrist vorliege, was aber auf die Gültigkeit der Vereinbarung eines (späteren) Endtermins iSd § 29 Abs 1 Z 3 lit a MRG ohne Einfluß sei.

Mit dieser Rechtsprechung steht die Entscheidung des Berufungsgerichtes in Einklang. Auf eine (stillschweigende) Erneuerung des Bestandvertrages über den 31. 8. 1995 hinaus (§ 1114 ABGB; § 569 ZPO) kann sich der Beklagte sohin nicht mit Erfolg berufen. Die Klägerin hat ihren Willen, den Vertrag nicht fortsetzen zu wollen, bereits vor Ablauf der Bestandzeit (4 Ob 601/95; 1 Ob 286/98k) unzweifelhaft zum Ausdruck gebracht.

Eine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO liegt demnach nicht vor. An den gegenteiligen Ausspruch des Berufungsgerichtes ist der Oberste Gerichtshof nicht gebunden (§ 508a Abs 1 ZPO).

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahren beruht auf §§ 41, 50 ZPO. Die Klägerin hat ausdrücklich (und bezüglich des Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage auch zutreffend) auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen.

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