OGH 9ObA349/98h

OGH9ObA349/98h14.4.1999

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Maier als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Steinbauer und Dr. Hradil sowie die fachkundigen Laienrichter MR Dr. Richard Warnung und Wilhelm Hackl als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Ing. Mag. Hermann H*****, derzeit ohne Beschäftigung, ***** vertreten durch Dr. Peter Wiesauer und andere, Rechtsanwälte in Linz, wider die beklagte Partei V***** GmbH, ***** vertreten durch Grassner, Lenz, Thewanger & Partner, Rechtsanwälte in Linz, wegen Unwirksamerklärung einer Entlassung (Streitwert S 50.000,--), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 13. Oktober 1998, GZ 11 Ra 200/98f-21, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Linz als Arbeits- und Sozialgericht vom 27. April 1998, GZ 8 Cga 171/97b-14, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Aus Anlaß der Revision werden die Urteile der Vorinstanzen und das ihnen vorangegangene Verfahren als nichtig aufgehoben und die Anfechtungsklage zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.

Text

Begründung

Der Kläger war seit 15. 8. 1978 als Angestellter bei der beklagten Partei beschäftigt. Am 26. 6. 1995 wurde er erstmals entlassen. Diese Entlassung focht er im Verfahren 8 Cga 154/98z des Landesgerichtes Linz als Arbeits- und Sozialgericht erfolgreich an. Mit dem in der Tagsatzung vom 16. 10. 1997 in Anwesenheit des Klägers und seines damaligen Rechtsvertreters Siegmund T*****, Sekretär der Gewerkschaft der Privatangestellten, mündlich verkündeten Urteil wurde die Entlassung für rechtsunwirksam erklärt. Dieses Urteil erwuchs mangels Anfechtung am 24. 10. 1997 in Rechtskraft. Mit Schreiben vom 17. 11. 1997 wurde der Kläger mit der Begründung, daß er den Aufforderungen zum Dienstantritt per 3. 11. bzw 17. 11. 1997 ohne Grund nicht nachgekommen und somit unberechtigt seinem Arbeitsplatz ferngeblieben sei, neuerlich entlassen. Der von der beabsichtigten Entlassung verständigte Betriebsrat äußerte sich hiezu nicht.

Mit seiner vom 5. 12. datierten und am 10. 12. 1997 beim Erstgericht einlangten Klage begehrt der Kläger die Unwirksamerklärung seiner (neuerlichen) Entlassung, weil diese aus einem verpönten Motiv erfolgt sei, keine Entlassungsgründe gegeben seien und die Entlassung sozial ungerechtfertigt sei.

Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und wendete im wesentlichen ein, daß dem Kläger mit Schreiben vom 29. 10. 1997 mitgeteilt worden sei, daß gegen das mündlich verkündete Urteil kein Rechtsmittel erhoben werde, dieses somit rechtskräftig sei und daß sich der Kläger am 3. 11. 1997 zum Dienstantritt melden solle. Eine Durchschrift dieses Schreibens sei auch an die Gewerkschaft der Privatangestellten, die damalige Rechtsvertretung des Klägers, geschickt worden, wo sie am 30. 10. 1997 eingelangt sei. Erst am 3. 11. 1997 habe die Rechtsvertreterin des Klägers den Mitarbeiter der beklagten Partei Josef Z***** telefonisch darüber informiert, daß sich der Kläger urlaubsbedingt im Ausland aufhalte. Die Vertreterin des Klägers habe versucht, eine Urlaubsvereinbarung abzuschließen. Der Mitarbeiter der Beklagten habe daraufhin erklärt, daß er mit dem Personalchef Rücksprache halten müsse. Am 4. 11. sei der Vertreterin des Klägers mitgeteilt worden, daß eine Urlaubsvereinbarung nicht in Betracht komme, weil der zuständige Bereichsleiter den Kläger als Projektmitarbeiter einsetzen wolle. Da der Beklagten keine andere Anschrift des Klägers mitgeteilt worden sei, sei dieser mit dem an seine bisherige Anschrift adressierten Schreiben vom 12. 11. 1997 neuerlich zum Dienstantritt aufgefordert worden und es sei ihm für den Fall des Nichterscheinens die Entlassung angedroht worden. Nach Erhalt eines Schreibens der Rechtsvertreterin des Klägers vom 17. 11. 1997, in welchem diese mitgeteilt habe, daß sie über keine Adresse des Klägers verfüge und dieser "urlaube", sei mit Schreiben der Beklagten vom 17. 11. 1997 die Entlassung des Klägers ausgesprochen worden. Da der Kläger gewußt habe, daß anläßlich der mündlichen Urteilsverkündung keine Berufung angemeldet worden sei, hätten er oder seine Rechtsvertretung sich darüber informieren müssen, ob später eine Berufung angemeldet würde. Wenn der Kläger dieser Verpflichtung nachgekommen wäre, hätte er bereits am 24. 10. 1997 gewußt, daß er seine Arbeit wieder aufnehmen müsse. Diese Unterlassung stelle in Verbindung mit einem einseitigen, mehr als 5 Wochen dauernden Urlaubskonsum einen groben Verstoß gegen arbeitsvertragliche Pflichten dar. Der Kläger habe dadurch die Entlassungstatbestände nach § 27 Z 1 und 4 AngG erfüllt. Die Beklagte wendete überdies ausdrücklich die Verfristung der Anfechtungsklage ein, weil das Entlassungsschreiben dem Kläger spätestens am 18. 11. 1997 zugegangen sei. Der Kläger habe das rechtzeitige Zugehen des nach den Umständen zu erwartenden Schreibens der beklagten Partei durch eine den Gepflogenheiten widersprechende Abwesenheit (d.i. wochenlangen Urlaubskonsum ohne Vereinbarung mit dem Arbeitgeber und ohne Bekanntgabe der Urlaubsadresse) verhindert. Somit sei der Zugang des Entlassungsschreibens zu fingieren.

Dem hielt der Kläger entgegen, daß ihm das von seiner Gattin am 1. 12. 1997 behobene Entlassungsschreiben wegen einer durch Kuraufenthalt bedingten Abwesenheit erst am 4. 12. 1997 zugegangen sei. Infolge einer durch Medikamenteneinnahme herabgesetzten Konzentrationsfähigkeit habe er dem Verhandlungsverlauf am 16. 10. 1997 nicht folgen können. Aufgrund einer schon am 17. 9. 1996 mit dem Personalleiter geführten Besprechung habe er damit rechnen können, daß die Beklagte eine für sie ungünstige Gerichtsentscheidung bis zur letzten Instanz durchfechten und den Kläger sodann binnen kürzester Frist neuerlich entlassen bzw kündigen werde. Er habe daher damit rechnen müssen, daß von der beklagten Partei im früheren Verfahren eine Berufung angemeldet und ausgeführt würde. Aufgrund einer "Last-minute-Buchung" sei es dem Kläger unmöglich gewesen, die Beklagte oder deren Vertreter über seinen Aufenthaltsort zu informieren. Seine frühere Rechtsvertreterin habe überdies am 3. 11. 1997 eine Urlaubsvereinbarung angeboten, zu der seitens der Beklagten keine Erklärung abgegeben worden sei. Selbst ein eigenmächtiger Urlaubsantritt hätte demnach eine Entlassung nicht mehr gerechtfertigt, weil zwischen der Rechtsvertreterin des Klägers und der Beklagten korrespondiert worden sei, die Beklagte aber nicht unverzüglich die Entlassung ausgesprochen habe. Der Kläger habe sich auch insofern in einer Notlage befunden, als sein Urlaub bei Nichtverbrauch gemäß § 4 Abs 5 UrlG verjährt wäre.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Über den eingangs wiedergegebenen Sachverhalt hinaus traf es noch folgende Feststellungen:

Nach Verkündung des Urteils vom 16. 10. 1997 teilte der damalige Vertreter des Klägers diesem mit, daß die Beklagte nunmehr eine Woche Zeit habe, Berufung anzumelden und daß sich der Kläger daher arbeitsbereit halten solle. Ob der Kläger durch Medikamenteneinnahme wegen einer psychovegetativen Erschöpfung derart in seiner Konzentrationsfähigkeit eingeschränkt gewesen sei, daß er dem damaligen Verhandlungsverlauf und dieser Rechtsbelehrung nicht hätte folgen können, konnte nicht festgestellt werden. Am 30. 10. 1997 erging ein Schreiben der beklagten Partei an die Privatadresse des Klägers, in welchem ihm mitgeteilt wurde, daß das am 16. 10. 1997 ergangene Urteil mangels Berufungsanmeldung rechtskräftig sei und der Kläger daher am 3. 11. 1997 wieder seinen Dienst antreten solle. Diese Aufforderung wurde eingeschrieben und expreß aufgegeben. Der erste Zustellversuch erfolgte am 31. 10. 1997 um 9.30 Uhr, ein zweiter am 3. 11. 1997. Dieses Schreiben wurde nie behoben und ging am 25. 11. 1997 an die beklagte Partei zurück. Am 31. 10. 1997 hatte der Kläger um ca 9.00 Uhr noch in seinen Postkasten geschaut, später jedoch nicht mehr. Eine Durchschrift dieses Aufforderungsschreiben langte am 30. 10. 1997 bei der damaligen Rechtsvertretung des Klägers, der GPA ein. Am 31. 10. 1997 buchte der Kläger ein Sonderangebot nach Gran Canaria, wo er sich dann vom 2. 11. bis 23. 11. 1997 aufhielt. Ebenfalls am 31. 10. 1997 teilte der Kläger seinem damaligen Betreuer vom AMS schriftlich mit, daß ab 3. 11. 1997 infolge eines Auslandaufenthaltes eine Unterbrechung des Leistungsanspruches vorliege. Der Sekretärin seiner Rechtsvertreterin teilte er mit, daß er auf Urlaub gehe, fragte jedoch nicht nach, ob das Urteil vom 16. 10. 1997 rechtskräftig geworden sei. Die Vorgangsweise bei Urlaubsantritten bei der beklagten Partei ist üblicherweise die, daß ein Mitarbeiter bei seinem jeweiligen Vorgesetzten vorspricht und mit diesem eine Urlaubsvereinbarung abschließt. Im Ausland aufhältige Mitarbeiter haben eine solche Vereinbarung sowohl mit dem Vorgesetzten in L***** als auch mit der örtlichen Leitung zu treffen. Am 3. 11. 1997 rief die Vertreterin des Klägers den Personalsachbearbeiter Z***** der beklagten Partei an und wollte mit diesem namens des Klägers eine Urlaubsvereinbarung für die Zeit vom 3. 11. bis 8. 12. 1997 abschließen. Sie teilte dem Sachbearbeiter auch mit, daß der Kläger derzeit in Gran Canaria sei, sie wisse jedoch nicht, wie lange. Der Sachbearbeiter lehnte eine Urlaubsvereinbarung ab, weil er hiefür nicht kompetent sei, eine solche Vereinbarung könne nur mit dem Personalleiter abgeschlossen werden. Am 4. 11. 1997 rief der Sachbearbeiter die Vertreterin des Klägers an und informierte diese, daß er den Personalleiter nicht erreicht habe, ein Abteilungsleiter der Beklagten aber den Kläger für ein Projekt benötige. Am 12. 11. 1997 forderte die beklagte Partei den Kläger neuerlich zum Dienstantritt mit 17. 11. 1997 auf, ansonsten seine Entlassung ausgesprochen werde. Zustellversuche hinsichtlich dieses eingeschrieben und expreß aufgegebenen Schriftstückes erfolgten am 13. 11. und 14. 11. 1997 an der Wohnadresse des Klägers. Auch von diesem Schreiben erhielt die Gewerkschaft der Privatangestellten, welche eine Vollmacht für die Entgegennahme solcher Schreiben hatte, am 14. 11. 1997 eine Durchschrift. Am 17. 11. 1997 teilte die GPA der Beklagten per Fax mit, daß der Kläger auch seiner neuerlichen Aufforderung zum Dienstantritt per 17. 11. 1997 nicht nachkommen könne, weil er "urlaube". Der Beklagten wurde auch darin keine Urlaubsadresse des Beklagten bekannt gegeben. Noch am selben Tage informierte der Personalleiter der Beklagten den Betriebsratsvorsitzenden von der fristlosen Entlassung des Klägers; desgleichen wurde an diesem Tage die Entlassung des Klägers; schriftlich ausgesprochen. Das Entlassungsschreiben wurde eingeschrieben und expreß an die Wohnadresse des Klägers geschickt, ein Zustellversuch erfolgte am 18. 11. 1997. Diesmal erging keine Durchschrift mehr an die GPA. Der Kläger kehrte am 23. 11. 1997 zwischen 21.00 Uhr und 24.00 Uhr von seinem Aufenthalt in Gran Canaria in seine Wohnung zurück und trat am 24. 11. einen einwöchigen Südafrika-Aufenthalt an, wozu er um 15.55 Uhr dieses Tages von Wien abflog. Vor seiner Abreise hatte er am Morgen des 24. 11. 1997 noch in seinen Postkasten geschaut. Er hatte vor seinem Abflug keinen Versuch unternommen, seine Vertreterin zu erreichen. Nach der Rückkehr aus Südafrika am 1. 12. 1997 fuhr der Kläger nach Bad Goisern, wo er einen bereits im September 1997 fixierten Erholungsaufenthalt antrat. Die Mutter des Klägers behob während dessen Abwesenheit einmal wöchentlich die Post aus dem Briefkasten. Am 4. 12. 1997 erging ein weiteres Schreiben der Beklagten an den Kläger, in welchem nochmals das Entlassungsschreiben vom 17. 11. 1997 zur Kenntnis gebracht wurde. Der Kläger focht die Entlassung erst mit der am 10. 12. 1997 eingelangten Klage an.

Das Erstgericht wies die Klage ab. Es vertrat die Rechtsauffassung, daß die Entlassung berechtigt und fristgerecht ausgesprochen worden sei. Selbst dann, wenn der Kläger anläßlich der Urteilsverkündung vom 16. 10. 1997 unter Konzentrationsschwierigkeiten gelitten habe, hätte er sich erst recht nach deren Wegfall bei seinem Rechtsvertreter über den Ausgang des Verfahrens erkundigen müssen. Dies habe der Kläger jedoch unterlassen. Aufgrund des von ihm gestellten Begehrens, die Entlassung für rechtsunwirksam zu erklären, hätte er jedenfalls damit rechnen müssen, daß auch seine Pflicht wieder auflebe, seine Arbeit anzutreten. Demgegenüber habe er zumindest fahrlässig einseitig einen Urlaub angetreten, ohne dem Arbeitgeber seinen Urlaubsaufenthalt bekanntzugeben. Selbst wenn er Gefahr gelaufen wäre, seine Urlaubsansprüche durch Verjährung zu verlieren, hätte er zumindest versuchen müssen, eine Urlaubsvereinbarung zu erzielen. Im eigenmächtigen Urlaubsantritt des Klägers liege eine pflichtwidrige Unterlassung der Dienstleistung, welche gemäß § 27 Z 4 AngG einen Entlassungsgrund bilde. Mangels Bekanntgabe einer Urlaubsadresse, wozu der Kläger verpflichtet gewesen wäre, hätten sowohl die Schreiben vom 3. 11. und 12. 11. als auch das Entlassungsschreiben vom 17. 11. als zugegangen zu gelten. Da am 18. 11. 1997 ein Zustellversuch stattgefunden habe, sei das Entlassungsschreiben dem Kläger am 19. 11. 1997 zugegangen, dh an jenem Tage, an welchen er nach gewöhnlichen Umständen, dh im Falle seiner Anwesenheit in L*****, die Möglichkeit gehabt hätte, das Schriftstück abzuholen. Die Anfechtung der Entlassung erst mit 5. 12. 1997 sei daher auch verspätet erfolgt. Entgegen der Ansicht des Klägers sei die Entlassung auch nicht verfristet, weil es sich bei seiner Abwesenheit im Zuge eines nicht genehmigten Urlaubes um einen Dauertatbestand handle, der nicht schon unmittelbar nach Einsetzen dieses Dauerzustandes geltend gemacht werden müsse.

Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil. Es verwies auf die zutreffende Rechtsauffassung des Erstgerichtes (§ 500a ZPO) und führte ergänzend aus, daß der Kläger im Hinblick auf das zu seinen Gunsten ergangene Urteil damit hätte rechnen müssen, seine Arbeit wieder anzutreten. Es seien ihm daher sowohl die mangelnde Informationsaufnahme über den weiteren Verfahrensgang, als auch das Antreten eines Auslandsurlaubes ohne Bekanntgabe seiner Urlaubsadresse als Verschulden anzulasten. Abgesehen von einer wirksamen Zustellung der Dienstantrittsaufforderungsschreiben an die Vertreterin des Klägers seien auch die an seiner Wohnadresse vorgenommenen Zustellversuche mit Zugangswirkung ausgestattet gewesen. Der Kläger habe durch eine Treu und Glauben zuwiderlaufende Vorgangsweise das rechtzeitige Zugehen sowohl dieses Schreibens als auch des Entlassungsschreibens verhindert, obwohl er mit derartigen Schritten hätte rechnen müssen. Zutreffend sei das Erstgericht auch von einem Dauertatbestand ausgegangen, der auch noch am 17. 11. 1997 den Ausspruch einer Entlassung gerechtfertigt habe. Die Fiktion einer Zustellung des Entlassungsschreibens mit 19. 11. 1997 führe auch zur Konsequenz, daß die am 5. 12. 1997 verfaßte und am 10. 12. 1997 überreichte Klage gemäß § 106 Abs 2 iVm § 105 Abs 4 ArbVG verspätet sei.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision des Klägers aus dem Grunde der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, daß dem Klagebegehren stattgegeben werde.

Die Beklagte beantragt, die Revision (mangels Vorliegens einer grundsätzlichen Rechtsfrage) zurückzuweisen; hilfsweise der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist schon gemäß § 46 Abs 3 Z 2 ASGG zulässig.

Aus Anlaß der zulässigen Revision ist jedoch aufzugreifen, daß das selbständige Anfechtungsrecht des Klägers im Sinne des § 106 Abs 2 iVm § 105 Abs 4 ArbVG bei Klageeinbringung bereits verfristet war, weil dieses innerhalb einer Woche nach Zugang der Entlassung an den Kläger auszuüben gewesen wäre (Schwarz in Cerny/Haas-Laßnigg/Schwarz, Arbeitsverfassungsrecht 249). Der Oberste Gerichtshof hat dazu bereits mehrfach ausgesprochen, daß es sich bei der einwöchigen Frist zur gerichtlichen Anfechtung einer Kündigung (Entlassung) um eine prozessuale Frist handelt (SZ 70/217, EvBl 1990/75, RIS-Justiz RS0052033) und daher ein Vergleich mit den Fristen des § 534 ZPO zur Einbringung der Nichtigkeits- und Wiederaufnahmsklage, die ebenfalls prozessualer Natur sind, angebracht ist (SZ 70/217, 8 ObA 133/37k). Hier wie dort liege es daher im Zweifelsfalle am Kläger, Umstände, aus welchen sich die Einhaltung der gesetzlichen Frist ergeben, glaubhaft zu machen (SZ 70/217). In analoger Anwendung des § 543 ZPO seien verspätete Anfechtungsklagen daher auch nicht mittels Urteils ab-, sondern mittels Beschlusses zurückzuweisen. Diese Analogie gebietet aber auch die Konsequenz, daß es sich bei der Einhaltung der Frist um eine besondere Prozeßvoraussetzung (vgl Rechberger/Simotta, Grundriß des österreichischen Zivilprozeßrechtes4 Rz 922) handelt, deren Vorliegen in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen wahrzunehmen ist. Nun haben die Vorinstanzen wohl die Verspätung der Anfechtung erkannt, daraus aber nicht die Konsequenz einer Zurückweisung gezogen, sondern in der Sache selbst verhandelt und auch eine Sachentscheidung getroffen. Der Mangel der besonderen Prozeßvoraussetzungen bedingt jedoch die Nichtigkeit der Vorentscheidungen und des vorangegangenen Verfahrens (vgl zur Wiederaufnahmsklage: OGH vom 20. 1. 1999, 9 ObA 351/98b).

Die Verfristung der Entlassungsanfechtung ergibt sich aus folgenden Erwägungen:

In Lehre und Rechtsprechung ist anerkannt, daß dann, wenn der Empfänger den Zugang einer Erklärung absichtlich bzw wider Treu und Glauben verhindert (zB indem er sich der Zustellung entzieht), der Zugang der Erklärung zu fingieren und sie in jenem Zeitpunkt als wirksam anzusehen ist, in dem sie dem Empfänger unter gewöhnlichen Umständen zugegangen wäre (SZ 70/89 = Arb 11.602 und mwN).

Auf eben diesem Grundsatz beruhen auch jene Entscheidungen, in denen der (rechtzeitige) Zugang von Erklärungen mit der Begründung fingiert wurde, der Empfänger habe die Zugangserschwerung oder -vereitelung deshalb zu vertreten, weil er Maßnahmen unterlassen habe, zu deren Vornahme er nach dem Inhalt des im Einzelfall gegebenen Rechtsverhältnisses verpflichtet gewesen wäre (SZ 70/89 unter Zitat der Vorentscheidungen DRdA 1984, 50 und 4 Ob 25/84, nach denen der Dienstnehmer, der seinen Wohnsitzwechsel dem Dienstgeber nicht gemeldet hat, eine an die letzte bekanntgegebene Adresse gerichtete Kündigungs-(Entlassung-)erklärung gegen sich gelten lassen muß). Dabei wurde die Verpflichtung der Betroffenen, für die Möglichkeit des Zugangs von rechtsgeschäftlichen Erklärungen vorzusorgen, umso stärker gewichtet, je eher mit der Möglichkeit des Einlangens solcher Erklärungen zu rechnen war (SZ 70/89 unter Zitat von EvBl 1995/43).

Diese Erwägungen kommen auch hier zum Tragen: Die Vorinstanzen haben bereits zutreffend darauf hingewiesen, daß der Kläger selbst dann, wenn er bei Verkündung des Urteils über die erfolgreiche Anfechtung der (ersten) Entlassung an Konzentrationsschwierigkeiten gelitten habe, dennoch damit hätte rechnen müssen, seine Arbeit ehestens wieder antreten zu müssen, weil er ja, was ihm bewußt war, mit seinem Begehren obsiegt hatte und daraus der aufrechte Bestand seines Dienstverhältnisses die logische Konsequenz sein mußte. Der Kläger durfte - abgesehen von den rechtlichen Konsequenzen des § 61 Abs 1 Z 5 ASGG - nicht jedenfalls mit einem Rechtsmittel der Klägerin rechnen. Vom Kläger wäre daher wie von jedem auch nur durchschnittlich sorgfältigen Arbeitnehmer in seiner Lage zu erwarten gewesen, daß er sich über den weiteren Verfahrensgang am laufenden gehalten und in Erwartung seines Arbeitsantrittes dem Arbeitgeber zumindest seinen von der Wohnadresse unterschiedlichen Aufenthaltsort mitgeteilt hätte, um - wenn er die Arbeit schon nicht von aus sich aus angetreten hatte - von einer Aufforderung zum Arbeitsantritt zumindest verständigt werden zu können. All dies hat der Kläger indes unterlassen. Er mußte aber nicht nur mit einer Aufforderung zum Wiederantritt der Arbeit, sondern auch mit entsprechenden Konsequenzen des Arbeitgebers für den Fall des Zuwiderhandelns, nämlich einer Entlassung wegen einer den Umständen nach erheblicher Zeit der Unterlassung der Dienstleistung (§ 27 Z 4 erster Fall AngG) rechnen. Demgegenüber setzte der Kläger ein Verhalten, welches einer den Gepflogenheiten widersprechenden Abwesenheit vom Arbeitsplatz gleichzuhalten ist und verhinderte dadurch das ordnungsgemäße Zugehen sowohl der Dienstantrittsaufforderung als auch des Entlassungsschreibens. Daraus folgt, daß - unabhängig von der tatsächlichen Rückkehr des Klägers an die Abgabestelle und seiner Kenntnisnahme von diesen Schreiben - der Zugang derselben zu fingieren ist (vgl EvBl 1995/43, DRdA 1981, 320). Zutreffend ist demnach auch die Rechtsansicht des Berufungsgerichtes, daß der Kläger unter normalen Umständen am 19. 11. 1997 in der Lage gewesen wäre, die hinterlegte Postsendung mit dem Entlassungsschreiben zu beheben und daher an diesem Tage hievon Kenntnis zu erlangen. Daraus folgt wiederum, daß eine - frühestens am 5. 12. 1997 erfolgte - Anfechtung der Entlassung mit der vorliegenden Klage verspätet ist. Erwägungen über die Berechtigung und Rechtzeitigkeit der wirksam ausgesprochenen Entlassung können demgemäß auf sich beruhen.

Die Aufhebung der Verfahren der Vorinstanzen und deren Entscheidungen bleibt im Hinblick auf § 58 Abs 1 ASGG ohne Kostenfolgen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind gemäß § 51 Abs 2 ZPO gegenseitig aufzuheben.

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