OGH 3Ob78/99p

OGH3Ob78/99p30.3.1999

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Angst als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Graf, Dr. Pimmer, Dr. Zechner und Dr. Sailer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei S***** Gesellschaft m. b. H., *****, vertreten durch Dr. Carl Benkhofer, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Republik Österreich, vertreten durch die Finanzprokuratur in 1010 Wien, Singerstraße 17-19, wegen Unzulässigkeit einer Exekution (Streitwert 150.000 S) infolge Revisionsrekurses und Rekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Landesgerichtes Salzburg als Rekurs- und Berufungsgerichtes vom 20. Jänner 1999, GZ 22 R 500/98b und 22 R 501/98z-36, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Gastein vom 19. November 1998, GZ 1 C 427/97p-32, bestätigt und die am 6. November 1998 zur Post gegebene Berufung der klagenden Partei gegen das Urteil des Bezirksgerichtes Gastein vom 21. September 1998, GZ 1 C 427/97p-27, zurückgewiesen wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

1. Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

2. Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung

Mit Urteil vom 21. September 1998 wies das Erstgericht die Exszindierungsklage im zweiten Rechtsgang neuerlich ab. Eine Ausfertigung dieser Entscheidung wurde dem Vertreter der klagenden Partei am 24. September 1998 zugestellt. Deren (erste) Berufung wurde am 22. Oktober 1998 zur Post gegeben. Dieses Rechtsmittel, in dem das Urteil vom 21. September 1998 als angefochtene Entscheidung bezeichnet und primär dessen Abänderung, hilfsweise dessen Aufhebung beantragt wird, wurde vom Klagevertreter unterfertigt und stimmt sonst inhaltlich mit jener (erfolgreichen) Berufung überein, die die klagende Partei im ersten Rechtsgang gegen das Urteil des Erstgerichtes vom 19. März 1998 ergriffen hatte. Die auf das Urteil vom 21. September 1998 und den Zeitpunkt der Rechtsmittelerhebung bezogene Aktualisierung der Daten des (durch die Berufungsentscheidung im ersten Rechtsgang erledigten) seinerzeitigen Rechtsmittelschriftsatzes erfolgte - abgesehen vom Rubrum - mittels handschriftlicher Verbesserungen. Weil dieser Berufung keine Gleichschrift angeschlossen war, trug das Erstgericht dem Klagevertreter ohne Fristsetzung auf, eine solche zu übermitteln. Dieser Verbesserungsauftrag wurde dem Vertreter der der klagenden Partei am 28. Oktober 1998 zugestellt. Daraufhin gab die klagende Partei am 6. November 1998 eine weitere "Berufung" gegen das Urteil vom 21. September 1998 zur Post, die beim Erstgericht am 9. November 1998 einlangte. Dieser Schriftsatz stimmt inhaltlich mit der am 22. Oktober 1998 zur Post gegebenen (ersten) Berufung nicht überein. Gleichzeitig mit Einbringung der zweiten Berufung beantragte die klagende Partei, ihr die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand "gegen die Versäumung der rechtzeitigen Vorlage der Originalberufung" zu bewilligen. Die Übersendung einer Gleichschrift der (ersten) Berufung unterblieb.

Das Erstgericht wies den Wiedereinsetzungsantrag mit der Begründung ab, die klagende Partei habe infolge rechtzeitiger Einbringung der (ersten) Berufung gegen das Urteil vom 21. September 1998 "keine Prozeßhandlung versäumt", sodaß eine Wiedereinsetzung schon deshalb ausscheide.

Das Gericht zweiter Instanz bestätigte diese Entscheidung als Rekursgericht mit der Maßgabe, daß der Wiedereinsetzungsantrag - unter Übernahme der schon vom Erstgericht ausgeführten Begründung - zurückgewiesen wurde. Im übrigen wurde ausgesprochen, daß der Revisionsrekurs jedenfalls unzulässig sei (Pkt. I.). Gleichzeitig wies das Gericht zweiter Instanz die beim Erstgericht am 9. November 1998 eingelangte (zweite) Berufung gegen das Urteil vom 21. September 1998 in seiner Funktion als Berufungsgericht zurück (Pkt. II.), weil "der Grundsatz der Einmaligkeit" des Rechtsmittels nach ständiger Rechtsprechung (auch) im Berufungsverfahren gelte. Die klagende Partei habe daher ihr Recht, das Urteil vom 21. September 1998 zu bekämpfen, bereits mit ihrer (ersten) Berufung konsumiert, habe doch dieser vom Klagevertreter unterfertigte Schriftsatz allen Erfordernissen einer Berufung entsprochen. Durch dessen Unterfertigung sei klargestellt worden, daß sein Inhalt dem Parteiwillen entspreche. Die (zweite) Berufung sei demnach gemäß § 471 Z 2 ZPO als unzulässig zurückzuweisen.

Dagegen wendet sich der "Rekurs" der klagenden Partei, in dem - nach dem Inhalt der Rechtsmittelgründe - einerseits in als Revisionsrekurs zu wertenden Ausführungen die Bestätigung der erstgerichtlichen Entscheidung über den Wiedereinsetzungsantrag, andererseits in einen Rekurs darstellenden Ausführungen die Zurückweisung der (zweiten) Berufung bekämpft wird.

Rechtliche Beurteilung

Dieses Rechtsmittel ist, soweit es sich auf die Entscheidung über den Wiedereinsetzungsantrag bezieht, unzulässig. Im übrigen ist es nicht berechtigt.

1. Es wies bereits das Gericht zweiter Instanz zutreffend darauf hin, daß es den angefochtenen Beschluß - ungeachtet der sich aus dem Spruch der Rekursentscheidung ergebenden Maßgabe - zur Gänze bestätigte, weil es sich der Rechtsansicht des Erstgerichtes, die klagende Partei habe eine fristgebundene Prozeßhandlung gar nicht versäumt, anschloß und nur die Entscheidungsform abänderte.

Abgesehen von einer im Anlaßfall nicht maßgebenden Ausnahme ist der Revisionsrekurs - gleichviel, ob darin eine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung im Sinne des § 528 Abs 1 ZPO aufgeworfen wird oder nicht - gemäß § 528 Abs 2 Z 2 ZPO jedenfalls unzulässig, wenn das Gericht zweiter Instanz den angefochtenen erstrichterlichen Beschluß - wie hier - zur Gänze bestätigte.

Das Rechtsmittel der klagenden Partei ist daher, soweit es als Revisionsrekurs anzusehen ist, gemäß § 526 Abs 2 ZPO als absolut unzulässig zurückzuweisen.

2. Das Rechtsmittelrecht einer Partei wird jedenfalls durch die Einbringung eines formal einwandfreien, zur meritorischen Behandlung geeigneten und inhaltlich nicht verbesserungsbedürftigen Rechtsmittels konsumiert (5 Ob 382-388/87), weil im Rechtsmittelverfahren jeder Partei grundsätzlich nur ein Schriftsatz zusteht. Daran hält der Oberste Gerichtshof auch nach der ZVN 1983 BGBl 135 in ständiger Rechtsprechung fest. Eine Ausnahme gilt nur dann, wenn mehrere am gleichen Tag zur Post gegebene und bei dem für ihre Behandlung zuständigen Gericht auch am gleichen Tag eingelangte Rechtsmittelschriftsätze vorliegen oder ein fehlerhaftes Rechtsmittel und dessen Ergänzung gleichzeitig bei Gericht einlangten (3 Ob 546/95 uva; Kodek in Rechberger, Kommentar zur ZPO Rz 12 vor § 461 mwN aus der Rsp).

Die (erste) Berufung der klagenden Partei ist formal einwandfrei, zur meritorischen Behandlung geeignet und inhaltlich nicht verbesserungsbedürftig. Demnach wurde das Recht der klagenden Partei, das Urteil des Erstgerichtes vom 21. September 1998 mittels Berufung anzufechten, bereits durch jenen Rechtsmittelschriftsatz konsumiert.

Die klagende Partei hält den dargestellten Einmaligkeitsgrundsatz selbst ausdrücklich für zutreffend, sie vertritt jedoch ungeachtet dessen den Standpunkt, ein Rechtsmittelschriftsatz sei nur dann als solcher anzusehen und könne offenkundig auch nur dann meritorisch erledigt werden, wenn sein gesamter Inhalt vom wahren (inneren) Parteiwillen getragen werde. Einen solchen Willen dokumentiere nicht schon die bloße Unterfertigung eines formal ordnungsgemäßen Schriftsatzes durch den Prozeßbevollmächtigten.

Der erkennende Senat vermag sich dieser Ansicht nicht anzuschließen. Sie steht mit der einheitlichen Rechtsprechung im Widerspruch, daß Prozeßhandlungen stets nach ihrem objektiven Erklärungswert auszulegen sind (SZ 70/266 mwN). Überdies wäre die Übernahme dieser Ansicht gleichbedeutend mit einem Abgehen vom erörterten Einmaligkeitsgrundsatz. Eine solche Rechtsprechungswende ließe aber eine rationelle und kostengünstige Abwicklung des Rechtsmittelverfahrens überhaupt nicht mehr zu, müßte doch das Gericht dann - nach entsprechenden Nachforschungen - in jedem Einzelfall beurteilen, welcher von mehreren Schriftsätzen einer Partei innerhalb der Rechtsmittelfrist ihrem wahren (inneren) Rechtsmittelwillen entspricht, um dadurch erst zu klären, worüber denn im Rechtsmittelverfahren meritorisch eigentlich abzusprechen ist.

Aus diesen Gründen folgt, daß das Berufungsgericht das (zweite) Rechtsmittel der klagenden Partei gegen das erstgerichtliche Urteil vom 21. September 1998 ohne Rechtsirrtum als unzulässig zurückwies. Im übrigen sei angemerkt, daß die (zweite) Berufung überdies erst lange nach Ablauf der Rechtsmittelfirst eingebracht wurde.

Dem zufolge § 519 Abs 1 Z 1 ZPO zulässigen Rekurs ist somit ein Erfolg zu versagen.

Eine Kostenentscheidung ist mangels eines Kostenersatzbegehrens nicht zu fällen.

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