Spruch:
Die außerordentlichen Revisionsrekurse der Kindesmutter Birgit P***** und der mütterlichen Großmutter Martha P***** werden mangels der Voraussetzungen des § 14 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen (§ 16 Abs 4 AußStrG iVm § 510 ZPO).
Text
Begründung
Rechtliche Beurteilung
Nach Lehre (Köhler, In welchen Fällen ist die Genehmigung des Vormundschaftsgerichtes bei Ausstellung von Reisepässen erforderlich?, JBl 1952, 409) und Rechtsprechung (EFSlg 29.065 mwN) stellt das Recht, ein minderjähriges Kind auf Urlaubsreisen oder sonstige kürzere Aufenthalte ins Ausland mitzunehmen und zu diesem Zweck die notwendigen Reisedokumente (Paß oder Paßersatz) für das Kind zu beschaffen, einen Bestandteil des - die Sorge für die Person des Kindes im weitesten Sinn umfassenden - Rechtes auf die Pflege und Erziehung iSd § 144 ABGB dar. Derjenige, dem das Kind zur Pflege und Erziehung anvertraut ist (wie etwa hier, wenn auch nur vorläufig, den Pflegeeltern), kann das Recht mit Hilfe des Pflegschaftsgerichtes, notfalls auch gegen den Willen eines Elternteils, dem - wie im vorliegenden Fall der außerehelichen Mutter - die Obsorge gemäß § 176 ABGB entzogen wurde, durchsetzen, sofern nicht die in Aussicht genommenen Reisen dem Wohl des Kindes abträglich sind oder dessen Interessen in psychischer oder physischer Hinsicht nachteilig beeinflussen (vgl EFSlg 24.243; EFSlg 29.065). Maßgeblich ist im vorliegenden Fall also das Kindeswohl.
Die Meinung des Rekursgerichtes, bei Klärung der Frage, ob die Ausstellung eines Reisepasses gutzuheißen ist oder nicht, sei der „Gesamtkontext des Sachverhaltes“ zu beachten, ist zu billigen; es sind alle Lebensumstände des Kindes ins Kalkül zu ziehen. Den Revisionsrekurswerberinnen ist einzuräumen, daß die Ausstellung eines Reisepasses für einen Pflegebefohlenen insbesondere im Hinblick auf damit verfolgte Zwecke problematisch sein kann. Ein augenfälliges Beispiel stellt etwa der Fall dar, daß die Entführung des Kindes ins Ausland zu besorgen wäre (LGZ Wien EFSlg 75.163; vgl auch 1 Ob 595/85 = EFSlg 48.404). Andererseits kann ein Auslandsaufenthalt im Interesse des Pflegebefohlenen liegen, weil etwa dem Kind Gelegenheit geboten wird, Persönlichkeit und Lebensbild zu erweitern (LGZ Wien EFSlg 66.052). Es zeigt sich demnach, daß zur Frage der Ausstellung eines Reisepasses für den Pflegebefohlenen nicht generell zu- oder ablehnend Stellung genommen werden kann, sondern in jedem einzelnen Fall geprüft werden muß, ob die Maßnahme zum Besten des Kindes ist oder nicht. Zutreffend spricht die Kindesmutter in ihrem außerordentlichen Revisionsrekurs daher selbst vom „gegenständlichen Einzelfall“.
Eine krasse Fehlbeurteilung des vorliegenden Einzelfalls durch die Vorinstanzen ist nicht zu erkennen. Die wesentliche Sorge der Revisionsrekurswerberinnen ist, daß ihnen das Kind durch Auslandsaufenthalte entfremdet werden solle und sich dadurch ihre Position im Obsorgestreit verschlechtern könnte. Die Ansicht des Rekursgerichtes, diese Bedenken seien unbegründet, ist zu billigen. Die Revisionsrekurswerberinnen betonen selbst, daß der Anlaß für den gegenständlichen Antrag auf Ausstellung eines Reisepasses ein nur zweitägiger Auslandsaufenthalt anläßlich eines Ärztekongresses der Pflegemutter war. Dafür, daß länger dauernde Aufenthalte mit dem Pflegebefohlenen im Ausland von den Pflegeeltern geplant würden, gibt es ebensowenig Anhaltspunkte wie für die von den Revisionsrekurswerberinnen geäußerten Bedenken, die Pflegemutter könnte während des Kongresses nicht ausreichend für die Aufsicht und Betreuung des Kindes Sorge tragen.
Insgesamt wird in den außerordentlichen Revisionsrekursen nichts vorgebracht, wonach die Beurteilung der Vorinstanzen, die gegenständliche Ausstellung eines Reisepasses geschehe zum Wohl des Pflegebefohlenen, als kraß unrichtig angesehen werden müßte. Mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 14 Abs 1 AußStrG war daher spruchgemäß zu entscheiden.
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