OGH 6Ob35/99m

OGH6Ob35/99m25.3.1999

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Mag. Engelmaier als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schiemer, Dr. Huber, Dr. Prückner und Dr. Schenk als weitere Richter in der Pflegschaftssache des mj. Alexander F*****, geboren am 8. April 1996, wegen Übertragung der Obsorge infolge außerordentlichen Revisionsrekurses der Mutter Tatjana F*****, vertreten durch Dr. Brigitte Birnbaum und Dr. Rainer Toperczer, Rechtsanwälte in Wien, gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgerichtes vom 20. Jänner 1999, GZ 45 R 46/99v-82, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs der Mutter wird mangels der Voraussetzungen des § 14 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen (§ 16 Abs 3 AußStrG iVm § 508a Abs 2 und § 510 ZPO).

Text

Begründung

Die Vorinstanzen übertrugen, bereits im Rahmen einer vorläufigen Maßnahme, iSd § 176 ABGB die Obsorge für das noch nicht dreijährige (legitimierte) Kind dem ehelichen Vater allein, das Rekursgericht nach eingehender Auseinandersetzung mit der vom Erstrichter festgestellten und von der Mutter bekämpften und auch auf einem Sachverständigengutachten beruhenden Tatsachengrundlage. Danach ist der Vater zusammengefaßt für die Übernahme der alleinigen Obsorge besser geeignet als die Mutter.

Rechtliche Beurteilung

Leben die verehelichten Eltern eines Kindes nicht bloß vorübergehend getrennt, hat das Gericht gemäß § 177 Abs 2 ABGB nF auf Antrag eines Elternteils zu entscheiden, wem die Obsorge für das Kind künftig allein zukommt. Diese Rechtslage findet ihre Rechtfertigung darin, daß die Zuteilung der Obsorge für das Kind dessen Wohl zu fördern hat, wogegen die Interessen der Eltern zurückzutreten haben. Die Rspr hat zur Obsorgeentscheidung verschiedene Leitgedanken entwickelt: So ist bei Kleinkindern im allgemeinen - sofern beide Elternteile für die Pflege und Erziehung gleich gut geeignet sind - der Betreuung durch die Mutter der Vorzug zu geben, ohne daß diese daraus ein Vorrecht ableiten könnte; weiters sind Geschwister tunlichst nicht zu trennen und schließlich sind auch bei einer Erstzuteilung der Obsorge die Grundsätze der Kontinuität der Erziehungs- und Lebensverhältnisse - worauf im speziellen die Rechtsmittelwerberin hinweist - nicht zu vernachlässigen, wobei freilich der Grundsatz der Kontinuität der Erziehung dem Wohl des Kindes unterzuordnen ist. Bei einer Kollision verschiedener Leitgedanken kommt es immer auf die Beurteilung wahrscheinlicher künftiger Entwicklungen an, wobei die Umstände bei dem einen Elternteil denen beim anderen in ihrer Gesamtheit gegenüberzustellen sind (stRspr, zuletzt 9 Ob 5/98w). Die nach pflichtgemäßem Ermessen zu treffende gerichtliche Entscheidung, welchem Elternteil bei einer solchen Gegenüberstellung die Obsorge für das Kind übertragen werden soll, ist immer eine solche des Einzelfalles, der keine grundsätzliche Bedeutung iSd § 14 Abs 1 AußStrG zuerkannt werden kann (ÖA 1992, 22 uva; zuletzt 8 Ob 356/97d; RIS-Justiz RS0007101), solange sie das Kindeswohl nicht verletzt. Ein vom Obersten Gerichtshof aufzugreifender Ermessensmißbrauch durch die zweite Instanz liegt nicht vor.

Die an den Obersten Gerichtshof gerichteten, erkennbar das Rechtsmittel der Mutter unterstützenden Schriftsätze des Vereins Frauenrechte Menschenrechte in Wien und des 3. Wiener Frauenhauses entziehen sich einer meritorischen Beurteilung.

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