Spruch:
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung
Am 27. 11. 1996 ereignete sich gegen 7.10 Uhr auf einer Landesstraße im Gebiet der beklagten Gemeinde auf der dort befindlichen Westbahnbrücke ein Verkehrsunfall, an welchem unter anderem der Kläger mit einem von ihm gelenkten und gehaltenen PKW beteiligt war. Er kam auf der eisglatten Fahrbahn der Brücke ins Schleudern und stieß gegen einen entgegenkommenden PKW. Durch diese Kollision wurde er verletzt, an seinem Fahrzeug entstand ein Sachschaden.
Im vorliegenden Verfahren begehrt der Kläger - der zunächst das Land Oberösterreich geklagt hatte; das Verfahren ruht - von der Beklagten nunmehr S 237.525,-- sA und die Feststellung der Haftung der Beklagten für sämtliche zukünftige Schäden aus diesem Verkehrsunfall mit der Begründung, zum Unfallszeitpunkt sei die gesamte Fahrbahn auf der Westbahnbrücke eisglatt, die Fahrbahn bis dorthin jedoch lediglich naß, aber nicht vereist gewesen. Die Beklagte sei zum Unfallszeitpunkt für die Betreuung der Landesstraße auch im Bereich der Unfallstelle zuständig gewesen, sei diesen Verpflichtungen jedoch grob fahrlässig nicht nachgekommen. Aus diesem Grund hafte die Beklagte nach § 1319a ABGB dem Kläger gegenüber für dessen Schäden.
Diesem Begehren trat die Beklagte mit der Begründung entgegen, sie sei keinesfalls Halter der Landesstraße im Sinne des § 1319a ABGB, weil dem Land Oberösterreich die Straßenverwaltung der Landesstraßen und damit auch deren Herstellung und Erhaltung obliege, wofür das Land auch die Kosten zu tragen habe. Für den von den Gemeinden geleisteten Winterdienst habe das Land diesen Gemeinden Ersatzbeiträge zu entrichten. Das Land könne zwar die Verpflichtung zur Schneeräumung und Streuung auf Landesstraßen an die Gemeinden übertragen, in welchem Fall aber dennoch das Land als Halter der Straße für das vorsätzliche oder grob fahrlässige Verhalten des jeweiligen Bürgermeisters oder der ihm unterstellten Mitarbeiter zu haften habe. Der Bürgermeister besorge in solchen Fällen die Angelegenheiten des Landes funktionell als Landesorgan. Darüber hinaus hätten sich auch die Mitarbeiter der Beklagten weder vorsätzlich noch grob fahrlässig verhalten, sondern im Gegenteil jegliche erforderliche Sorgfalt aufgewendet.
Darauf replizierte der Kläger, das Land habe den Winterdienst auf den öffentlichen Straßen jenen Gemeinden übertragen, in deren Gebieten die Straßen lägen, der Beklagten also auch hinsichtlich der Unfallstelle; diesen Winterdienst, der auch die Straßenstreuung und die Schneeräumung umfasse, hätten die Gemeinden, also auch die Beklagte, im eigenen Wirkungsbereich zu besorgen. Darüber hinaus habe das Land Oberösterreich der Beklagten auch die Schneeräumung übertragen bzw habe die Beklagte tatsächlich die Schneeräumung auch durchgeführt, weshalb die Beklagte die Aufgaben des Straßenhalters im Sinne des § 1319a ABGB übernommen habe.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ohne Durchführung eines Beweisverfahrens ab, wobei es die Rechtsauffassung vertrat, das Land Oberösterreich sei Halter der Landesstraße und damit Haftpflichtiger im Sinne des § 1319a ABGB. Die gesetzliche und auch faktische Übertragung dieser Pflichten an die Beklagte habe nicht eine solche Qualität erreicht, welche der Beauftragung eines selbständigen Unternehmers mit der Wahrnehmung dieser Pflichten (insbesondere der Straßenstreuung) gleichzusetzen sei. Dies ergebe sich schon allein daraus, daß die Beklagte einer gewissen Weisungsgebundenheit gegenüber dem Land Oberösterreich unterliege, weshalb der Bürgermeister der Beklagten im Zusammenhang mit der Straßenstreuung funktionell als Landesorgan tätig werde.
Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers Folge, hob das Urteil des Erstgerichtes auf und trug diesem eine neuerliche, nach Verfahrensergänzung zu fällende Entscheidung auf. Es sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes insgesamt S 260.000,-- übersteigt, erklärte den Rekurs an den Obersten Gerichtshof für zulässig und führte folgendes aus:
Der gegenständliche Verkehrsunfall habe sich am 27. 11. 1996 ereignet, zu welchem Zeitpunkt das Oö Straßengesetz 1991 (LGBl 1991/84) bereits in Kraft getreten gewesen sei. Nach dessen § 12 Abs 2 obliege dem Land Oberösterreich die Straßenverwaltung der Verkehrsflächen des Landes, also auch die Verwaltung der Landesstraßen einschließlich jener Stelle, an der sich der gegenständliche Verkehrsunfall ereignet habe. Nach § 17 Abs 1 leg cit obliege der Winterdienst, also das Aufstellen von Schneezeichen und Schneezäunen sowie die Schneeräumung und die Streuung auf den öffentlichen Straßen der Gemeinde, in deren Gebiet die Straßen lägen. In Besorgung dieser Aufgabe sei die Gemeinde auch zur Straßenverwaltung der Verkehrsflächen des Landes berufen. Im Hinblick auf § 4 leg cit seien die nach diesem Gesetz der Gemeinde zukommenden Aufgaben im eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde zu besorgen.
Nach Artikel 118 B-VG umfasse der Wirkungsbereich einer Gemeinde den eigenen und den vom Bund oder vom Land übertragenen, wobei nach Artikel 118 Abs 2 B-VG der eigene Wirkungsbereich neben den im Artikel 116 Abs 2 B-VG angeführten Angelegenheiten (Privatwirtschaftsverwaltung) alle jene Angelegenheiten erfasse, die im ausschließlichen oder überwiegenden Interesse der in der Gemeinde verkörperten örtlichen Gemeinschaft gelegen und geeignet seien, durch die Gemeinschaft innerhalb ihrer örtlichen Grenzen besorgt zu werden. Die Gesetze hätten dabei derartige Angelegenheiten ausdrücklich als solche des eigenen Wirkungsbereiches der Gemeinde zu bezeichnen.
Fasse man nun diese verfassungsrechtlichen und einfachgesetzlichen Regelungen zusammen, dann habe das Land Oberösterreich durch die §§ 4, 17 Abs 1 Oö StraßenG 1991 den Winterdienst auf öffentlichen Straßen in Entsprechung des Artikels 118 Abs 2 B-VG in den eigenen Wirkungsbereich jener Gemeinde gelegt, in deren Gebiet die konkreten Straßen lägen. Damit habe das Land Oberösterreich aber auf einfachgesetzlicher Basis die Aufgaben des Winterdienstes, also insbesondere auch der Schneeräumung und der Streuung, an jemanden, nämlich die beklagte Gemeinde, übertragen, der wie ein selbständiger Unternehmer nicht unter den Leutebegriff des § 1319a ABGB falle, in welchem Fall dann dieser, hier also die Beklagte, für eine allfällige Verletzung der Verpflichtungen nach § 1319a ABGB einzustehen habe.
Soweit sich die Beklagte auf die Entscheidung des Obersten Gerichtshofes ZVR 1994/11 = SZ 66/30 berufe, in welcher im Zusammenhang mit dem Land Oberösterreich und einer oberösterreichischen Gemeinde ausgeführt worden sei, das Land hafte als Halter einer Straße nach § 1319a ABGB auch dann, wenn es durch Landesgesetz die Verpflichtung zur Schneeräumung und Streuung einer Landesstraße auf eine Gemeinde übertragen habe, so sei dem zunächst einmal entgegenzuhalten, daß diese Entscheidung aufgrund eines Sachverhaltes ergangen sei, auf den noch nicht das Oö Straßengesetz 1991, sondern das Oö Landesstraßenverwaltungsgesetz 1975 (LGBl 1975/102) Anwendung zu finden habe. Dazu habe der Oberste Gerichtshof ausgeführt, nach dessen § 24 sei zwar eine Übertragung der Besorgung der Landesstraßenverwaltung an die Gemeinde erfolgt, dies jedoch in Anwendung des Artikel 119 Abs 1 B-VG. Im Hinblick auf Artikel 119 Abs 2 B-VG besorge dann der Bürgermeister der Gemeinde diese Aufgaben funktionell als Landesorgan, wobei er an die Weisungen der zuständigen Organe des Landes und die dem Bürgermeister unterstellten Beamten an dessen Weisungen gebunden seien. Aufgrund der der Landesregierung gegenüber dem Bürgermeister zustehenden Weisungsbefugnis könne nicht gesagt werden, das Land Oberösterreich habe die Aufgaben der Landesstraßenverwaltung jemandem übertragen, der wie ein selbständiger Unternehmer nicht unter den Leutebegriff des § 1319a ABGB falle.
Wie bereits dargelegt, habe vorliegendenfalls und im Hinblick auf die Bestimmungen des Oö StraßenG 1991 die Gemeinde den Winterdienst aber im eigenen Wirkungsbereich durchzuführen, im Zuge dessen im Hinblick auf Artikel 118 Abs 4 B-VG die Gemeinde im Rahmen der Gesetze und Verordnungen des Bundes und des Landes in eigener Verantwortung und frei von Weisungen tätig zu werden habe; dem Bund und dem Land komme gegenüber der Gemeinde bei Besorgung ihres eigenen Wirkungsbereiches lediglich ein Aufsichtsrecht nach Artikel 119a B-VG zu. Damit gehe das Oö StraßenG 1991 aber gerade nicht von jener Voraussetzung aus (Weisungsgebundenheit der Gemeinde gegenüber dem Land), welche vom Obersten Gerichtshof in der bereits zitierten Entscheidung ZVR 1994/11 = SZ 66/30 als geradezu essentiell dargestellt worden sei. Richtig sei in diesem Zusammenhang nun zwar, daß auch bereits § 74b des Oö LandesstraßenverwaltungsG eine dem nunmehrigen § 4 Oö StraßenG 1991 inhaltsgleiche Regelung vorgesehen habe, doch dürfte auf diese in der erwähnten Entscheidung nicht hinreichend Bedacht genommen worden sein.
Da der Kläger auf einer Eisfläche verunfallt sei und der Beklagten jedenfalls die Streuung der Unfallstelle in den eigenen Wirkungsbereich übertragen worden sei, vermöge sich der Berufungssenat nicht der Argumentation des Erstgerichtes anzuschließen, das Land Oberösterreich sei weiterhin als Straßenhalter anzusehen, während die Beklagte lediglich unter den Leutebegriff des § 1319a ABGB falle. Die Beklagte habe vielmehr den Winterdienst zumindest hinsichtlich der Streuung im eigenen Verantwortungsbereich wahrzunehmen gehabt. Damit erweise sich aber die Abweisung des Klagebegehrens unter Hinweis auf mangelnde Passivlegitimation der Beklagten als rechtsirrig, weshalb der Berufung im Umfang des gestellten Aufhebungsantrages Folge zu geben gewesen sei.
Im Hinblick auf die diesen Rechtsstreit an Bedeutung übersteigenden Rechtsfragen hinsichtlich der Verantwortlichkeit oberösterreichischer Gemeinden bzw des Landes Oberösterreich im Zusammenhang mit der Wahrnehmung des Winterdienstes auf oberösterreichischen Landesstraßen sei nach § 519 ZPO auszusprechen gewesen, daß der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei, wobei insbesondere auch zu berücksichtigen gewesen sei, daß das Berufungsgericht von einer vom Obersten Gerichtshof vertretenen Auffassung abgewichen sei.
Gegen diesen Aufhebungsbeschluß richtet sich der Rekurs der Beklagten wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, das Klagebegehren abzuweisen; hilfsweise wird beantragt, den angefochtenen Beschluß aufzuheben.
Der Kläger beantragt in seiner Rekursbeantwortung, den Rekurs zurückzuweisen, hilfsweise ihm nicht Folge zu geben.
Der Rekurs ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig; er ist aber nicht berechtigt.
Die Beklagte macht im wesentlichen geltend, die Rechtslage habe sich durch das Inkrafttreten des Oö StraßenG 1991 gegenüber dem Oö LandesstraßenG 1975, zu dem die Entscheidung ZVR 1994/11 ergangen sei, nicht geändert. Dementsprechend sei von einer Weisungsgebundenheit der Gemeinde gegenüber dem Land auszugehen. Die alleinige Verfügungsmacht über die Verkehrsfläche habe das Land, das gemäß § 17 Abs 4 Oö StraßenG 1991 den Gemeinden die Kosten des Winterdienstes auf Landesstraßen refundiere. Halter der Landesstraße im Sinne des § 1319a ABGB sei daher nicht die Beklagte, sondern das Land. Allein die Straßenstreuung auf dieser Landesstraße sei von der Beklagten für das Land wahrgenommen worden, wobei die Organe der Beklagten dabei funktionell als Landesorgane tätig geworden seien. Selbst wenn die Gemeinden den Winterdienst auf oberösterreichischen Landesstraßen im eigenen Wirkungsbereich durchführen sollten, sei die Beklagte nicht Halter der Landesstraße. Die Schneeräumung sei durch die oberösterreichische Straßenverwaltung vorgenommen worden, das Land habe den Winterdienst daher teilweise selbst besorgt. Dies führe dazu, daß das Land zur Straßenverwaltung seiner Verkehrsflächen gemäß § 12 Abs 2 Oö StraßenG 1991 berufen - und damit auch Halter - bleibe.
Rechtliche Beurteilung
Hiezu wurde erwogen:
Nach herrschender Ansicht gilt als Halter eines Weges im Sinne des § 1319a ABGB derjenige, der die Kosten für die Errichtung und/oder Erhaltung des Weges trägt sowie die Verfügungsmacht hat, die entsprechenden Maßnahmen zu setzen (SZ 51/129; ZVR 1990/120 ua; RIS-Justiz RS0030011; Reischauer in Rummel2 § 1319a ABGB Rz 8; Harrer in Schwimann2 § 1319a ABGB Rz 10 jeweils mwN). Zur Erhaltung des Weges gehört auch der Winterdienst, insbesondere die Streupflicht (vgl Harrer aaO Rz 18, 19 mwN).
Gemäß § 17 Abs 1 Oö StraßenG 1991 LGBl 84 obliegt in Oberösterreich der Winterdienst (Aufstellen von Schneezeichen und Schneezäunen, Schneeräumung und Streuung) auf den öffentlichen Straßen der Gemeinde, in deren Gebiet die Straßen liegen; dies gemäß § 4 leg cit (früher § 74b Oö Landes-StraßenverwaltungsG 1975, welche Bestimmung in SZ 66/30 = ZVR 1994/11 unberücksichtigt blieb) im eigenen - weisungsfreien - Wirkungsbereich der Gemeinde (vgl Art 118 B-VG). § 17 Abs 1 leg cit sieht aber auch die Möglichkeit vor, daß das Land den Winterdienst auf Verkehrsflächen des Landes teilweise oder zur Gänze selbst besorgt. Wer den Winterdienst besorgt, ist insoweit zur Straßenverwaltung dieser Verkehrsflächen berufen.
Im vorliegenden Fall ergibt sich aus dem in der Berufungsverhandlung verlesenen und erörterten Verwaltungsakt, daß im Bereich der Unfallstelle die Schneeräumung durch die oberösterreichische Straßenverwaltung erfolgte; der Gemeinde verblieb somit die Streuung und das Aufstellen von Schneezeichen und Schneezäunen. Die Verfügungsmacht über den Winterdienst als Erhaltungsarbeit lag somit einerseits beim Land und andererseits bei der Gemeinde (im eigenen Wirkungsbereich).
Die Kosten des Winterdienstes auf den öffentlichen Straßen sind gemäß § 17 Abs 4 leg cit (in der hier maßgebenden Fassung vor der Novelle LGBl 82/1997) grundsätzlich von der Gemeinde zu tragen. Das Land leistet hiezu nach Maßgabe der im Voranschlag des Landes für das jeweilige Verwaltungsjahr vorgesehenen Mittel Beiträge, deren Ausmaß insbesondere von der Länge des Landes- und Bezirksstraßennetzes in der Gemeinde, der Höhenlage und der Finanzsituation der Gemeinde abhängt. Die Kosten des Winterdienstes werden somit prinzipiell von Land und Gemeinde gemeinsam getragen.
Aus dieser Gestaltung von Kostentragung und Verfügungsmacht ergibt sich, daß die beklagte Gemeinde im hier gegebenen Zusammenhang zumindest Mithalter der Landesstraße im Sinne des § 1319a ABGB war; Mithalter haften nach der Rechtsprechung zur ungeteilten Hand (ZVR 1990/120 mwN). Die Passivlegitimation der Beklagten wurde vom Berufungsgericht somit zutreffend bejaht.
Eine abschließende Beurteilung der Rechtssache ist mangels Sachverhaltsfeststellungen nicht möglich, weshalb es beim Aufhebungsbeschluß des Berufungsgerichts zu bleiben hat.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 52 ZPO.
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