OGH 1Ob351/98v

OGH1Ob351/98v23.3.1999

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schlosser als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer, Dr. Gerstenecker, Dr. Rohrer und Dr. Zechner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Sieglinde M*****, vertreten durch Dr. Alexander Widter, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Dr. Gerhild H*****, vertreten durch Dr. Ernst Ploil, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 5,555.033,50 sA, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 27. August 1998, GZ 1 R 103/98v-187, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 5. März 1998, GZ 13 Cg 331/93s-182, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben; die Rechtssache wird zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Bei Fällung des Teil- und Zwischenurteils des Erstgerichts vom 17. 1. 1989 hatte die Klägerin von der Beklagten und ihrer damals noch mitbeklagten zweiten Schwester (neben jetzt nicht mehr relevanten Ansprüchen) - entsprechend ihrem Geschäftsanteil - als Hälfte des in der Zeit von 1970 bis 30. 6. 1988 von der ***** M***** OHG (in der Folge nur OHG) erwirtschafteten Gewinns und Vermögens die Zahlung von S 4,928.151,53 sA begehrt. Seit der Verhandlungstagsatzung vom 28. 11. 1995 ist das Auseinandersetzungsguthaben der Klägerin zum 31. 10. 1969 nicht mehr Klagsgegenstand. Mit ihrer ursprünglich erstbeklagten Schwester Freya V***** vereinbarte die Klägerin Ruhen des Verfahrens.

Mit Zwischenurteil vom 21. 5. 1990 (AZ 1 Ob 567/90) erkannte der Oberste Gerichtshof, daß das Klagebegehren, die Beklagte und deren dann noch mitbeklagte Schwester seien zur ungeteilten Hand schuldig, der Klägerin S 4,928.151,53 samt 5 % stufenweisen Zinsen (Ersatz des der Klägerin aus der Auflösung der OHG entstandenen Schadens, insbesondere des Gewinnentgangs) binnen 14 Tagen zu bezahlen, dem Grunde nach zur Hälfte zu Recht bestehe und daß die Beklagten der Klägerin zur ungeteilten Hand für den Schaden, der dieser infolge der Auflösung der OHG und der Einstellung deren betrieblicher Tätigkeit durch den Verlust der Bestandrechte in Hinkunft erwachsen werde, insbesondere für den Gewinnentgang, jeweils zur Hälfte einzustehen haben.

Nach Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Prüfung der Anspruchshöhe begehrte die Klägerin zuletzt S 5,555.033,50 sA. Während sie sich damit dem Gutachten unterwarf, wendete die Beklagte ein, daß auch die der OHG im Verlauf mehrerer Jahre entstandenen Verluste bei der Gewinnermittlung zu berücksichtigen seien; an diesen Verlusten habe sich die Klägerin mit 50 % zu beteiligen. Die Gewinne in den Jahren 1971 bis 1973 hätten nicht die vom Sachverständigen geschätzte Höhe erreicht. Dementsprechend seien auch die vom Sachverständigen für die Jahre 1974 bis 1977 angestellten Schätzungen zu korrigieren. Der Beklagten und ihrer damals noch mitbeklagten Schwester sei ein Unternehmerlohn von S 288.000 jährlich zugestanden, was zu einer Reduktion der Gewinne für die Jahre 1970 bis 1994 um S 6,912.000 führe.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren mit insgesamt S 2,370.827,10 samt Nebengebühren statt und wies das Mehrbegehren ab. Der Klägerin sei nach dem Urteil des Obersten Gerichtshofs vom 21. 5. 1990 die Hälfte ihres Anteils am Gewinn, somit bloß ein Viertel des Gewinns zuzusprechen. Die Klägerin habe die Verluste der OHG nicht mitzutragen, weil ihr ein Anspruch auf Ersatz des Gewinnentgangs und nicht ein Anspruch aus dem Gesellschaftsverhältnis zustehe. Der begehrten Verringerung der Ansprüche für die Jahre 1991 bis 1993 aufgrund nunmehr vorgefundener Bilanzen sei unter Anwendung des § 273 ZPO Rechnung getragen worden. Soweit solche Unterlagen nicht vorlägen, habe es bei der Schätzung des Gewinns durch den Sachverständigen zu bleiben. Ein Unternehmerlohn sei nicht zu berücksichtigen, weil ein solcher nie bezahlt, der Gewinnermittlung nie zugrundegelegt und zeitweise auch gar nicht erwirtschaftet worden sei. Der Hinweis des Sachverständigen beziehe sich lediglich auf eine Schätzung des Ertragswerts des Unternehmens. Das Einkommen aus anderweitiger Gewerbetätigkeit wegen des im Gesellschaftsvertrag normierten Konkurrenzverbots müsse sich die Klägerin deshalb nicht anrechnen lassen, weil dieses Verbot mit Auflösung der OHG geendet habe und anderweitige Einnahmen unberücksichtigt bleiben müßten.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, daß die ordentliche Revision nicht zulässig sei. Die von der Beklagten mit der Berufungsschrift vorgelegten Abgabenerklärungen seien infolge des Neuerungsverbots nicht zu beachten. Die Schätzungen des Sachverständigen seien im übrigen nicht zu beanstanden. Feststellungen über die von der Beklagten behauptete Berichtigung von Steuerschulden der OHG im Betrag von S 900.000 und deren Verbindlichkeiten gegenüber den ÖBB von S 525.000 sowie über eine Aufrechnung mit einer daraus resultierenden Gegenforderung habe die Beklagte nicht begehrt. Auf die Abstattung dieser Verbindlichkeiten sei somit nicht weiter einzugehen. Der geltend gemachte Gewinnentgang für die Zeiträume Mai bis Dezember 1971, Mai bis November 1972, März 1976 bis Februar 1980 und Jänner 1984 bis Juni 1985 sei nicht verjährt, weil die Klägerin diesbezüglich ein Feststellungsbegehren erhoben und keineswegs "fallengelassen" habe. Damit sei die Verjährung der noch nicht fälligen Schadenersatzansprüche unterbrochen worden. Im übrigen habe der Oberste Gerichtshof im Urteil vom 21. 5. 1990 auch über das Feststellungsbegehren abschließend entschieden. Dieses Zwischenurteil über den Grund des Anspruchs entfalte insoweit Bindungswirkung, als die Frage des Anspruchsgrunds nicht neuerlich aufgerollt werden dürfe. Die Einrede der Verjährung berühre den Anspruchsgrund, sämtliche Klagsausdehnungen seien bereits vor Fällung des Zwischenurteils durch den OGH vorgenommen worden. Vom Inhalt dieses Zwischenurteils entferne sich die Beklagte aber auch insoweit, als sie die Auffassung vertrete, die Klägerin müsse auch an den Verlusten der OHG partizipieren und die in den Jahren 1988 und 1990 bis 1994 erwirtschafteten Verluste mittragen. Im Zwischenurteil des Obersten Gerichtshofs sei nämlich bindend ausgesprochen worden, daß der Ersatz des der Klägerin aus der Auflösung der OHG entstandenen Schadens, insbesondere des Gewinnentgangs, dem Grunde nach zur Hälfte zu Recht bestehe. Im Verfahren über die Anspruchshöhe dürfe auch diese den Anspruchsgrund betreffende Frage nicht mehr aufgerollt werden. Die gleichen Überlegungen seien für den von der Beklagten begehrten Abzug in Form eines Unternehmerlohns gültig. Die Ausführungen der Beklagten, der Anspruch der Klägerin sei um die im Gewinnanteil enthaltene Einkommensteuer zu kürzen, unterlägen dem Neuerungsverbot und seien damit unbeachtlich.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der Beklagten ist zulässig und berechtigt.

Die Verjährungsfrage wurde vom Obersten Gerichtshof im vorliegenden Verfahren bereits zu AZ 1 Ob 567/90 endgültig entschieden (Seite 60 des Revisionsurteils = AS 212 in Band II). Die angeblich verjährten Ansprüche aus dem Titel des Gewinnentgangs betreffen allesamt Zeiträume, über die der Oberste Gerichtshof bereits zu 1 Ob 567/90 abgesprochen hat, nämlich von Mai bis Dezember 1969, von Mai bis November 1972, von März 1976 bis Februar 1980 und von Jänner 1984 bis Juni 1985. Gerade deshalb, weil die Beklagte die Verjährungseinrede schon lange vor Fällung dieses Zwischenurteils (mehrmals) erhoben hat und über sie mit diesem Urteil abgesprochen wurde, ist auf die Verjährungsproblematik nicht mehr weiter einzugehen (vgl dazu 2 Ob 91/98s; ZVR 1997/18; JBl 1996, 666; SZ 46/5).

Die Beklagte meint, bei der Berechnung der Höhe des Schadenersatzes sei die von der Klägerin zu leistende Einkommensteuer (für den ihr gebührenden Gewinnanteil) zu berücksichtigen. Diesem erstmals in der Berufung unsubstantiiert erstatteten Vorbringen steht - wie schon das Gericht zweiter Instanz zutreffend erkannte - das Neuerungsverbot entgegen; entsprechendes Vorbringen wäre schon deshalb erforderlich gewesen, weil die Einkommenssteuerpflicht in einer bestimmten Höhe keineswegs vorausgesetzt werden kann. Im übrigen entsteht die Verpflichtung zur Versteuerung von Einkommen erst mit dessen Erzielung; soweit der Klägerin nach dem Ergebnis dieses Rechtsstreits tatsächlich (entgangene) Gewinne zufließen werden, wird sie diese selbst zu versteuern haben. Warum diese Steuerpflicht der Klägerin Einfluß auf die Höhe des berechtigten Begehrens haben sollte, wird in dem dem Neuerungsverbot verfallenen Vorbringen der Beklagten auch nicht näher ausgeführt.

Keineswegs hat die Beklagte - wie sie nun behauptet - ganz allgemein bereits im ersten Rechtsgang eingewendet, sie (persönlich) habe Steuerschulden und Verbindlichkeiten der OHG bezahlt. Dies trifft lediglich für eine (angebliche) Zahlung an die ÖBB in der Höhe von S 525.067,53 zu (siehe hiezu AS 27, 72, 371 in Band I, Seite 19 des Urteils 1 Ob 567/90 = AS 171 in Band II). Zu (angeblichen) Steuerschulden wurde bloß ausgeführt, daß von der Finanzbehörde ein Betrag von S 900.000 begehrt bzw eine solche Nachzahlung anfallen werde (AS 27, 36 in Band I). Tatsächlich bezahlte Steuerschulden können daher mangels einer entsprechenden Behauptung deren Entrichtung im Verfahren erster Instanz nicht als gewinnmindernd Berücksichtigung finden, ganz abgesehen davon, daß die Beklagte in erster Instanz auch nicht behauptet hat, weshalb solche Schulden bzw deren Begleichung in den Berechnungen des Sachverständigen keinen Eingang gefunden hätten; sie müßten doch wohl aus den Geschäftsbüchern ersichtlich gewesen sein. Entgegen den Behauptungen der Beklagten in deren Berufung (Seite 4 = AS 265 in Band II) hat das Erstgericht auch nicht im Urteil vom 17. 1. 1989 (ON 108) die Begleichung einer Steuerschuld von S 900.000, sondern lediglich festgestellt, daß die Beklagte eine Steuerschuld der OHG beglichen habe (Seite 73 dieser Urteilsausfertigung). Diese Feststellung wurde vom OGH im übrigen im Urteil 1 Ob 567/90 nicht wiedergegeben. Durch die behauptete und festgestellte Zahlung an die ÖBB könnte der Gewinn allerdings letztlich - sofern sie vom Sachverständigen nicht berücksichtigt worden sein sollte -, gemindert worden sein, weil dadurch eine Verringerung des Vermögens herbeigeführt worden sein konnte. Hiezu mangelt es an entsprechenden Feststellungen der Vorinstanzen, die nachzuholen sein werden.

Nach den insoweit unbekämpften Feststellungen der Vorinstanzen hat die Beklagte nie einen Unternehmerlohn bezogen (Seite 7 des Ersturteils). Eine Reduzierung des Gewinns durch einen Unternehmerlohn fand demnach nie statt. Die Ausführungen des Sachverständigen (Seite 17 des Gutachtens ON 156 = AS 379 in Band II), inwieweit der Unternehmerlohn Verluste erhöhen (oder Gewinne vermindern) könnte, sind deshalb auch nur rein theoretischer Natur. Daher sind auch die Gewinne der OHG und damit der Anteil der Klägerin an diesen nicht etwa um einen fiktiven Unternehmerlohn (siehe Seite 2 des Protokolls vom 30. 10. 1997 = AS 497 in Band II) zu kürzen. Das Berufungsgericht hat zutreffend darauf hingewiesen, daß die Beklagte bei ihren Erörterungen über den Unternehmerlohn nicht vom festgestellten Sachverhalt ausging (Seite 12 des Urteils der zweiten Instanz).

Soweit es nun die Einbeziehung der "Verlustperioden" aus den Jahren 1988 und 1990 bis 1994 in die Gewinnermittlung geht, ist den Vorinstanzen allerdings nicht zu folgen:

Das ursprüngliche Begehren, das auch die Beteiligung an Gewinnen aus den zuletzt genannten Jahren umschloß (Seite 1 des Protokolls vom 28. 11. 1995 = AS 313 in Band II), wurde nach Erstattung des Sachverständigengutachtens (ON 156) zwar eingeschränkt und umfaßt daher keine Ansprüche auf Beteiligung an Gewinnen in diesen Jahren mehr (Seite 2 f des Schriftsatzes vom 26. 11. 1996 = AS 408 f und Seite 2 des Schriftsatzes vom 17. 9. 1997 = AS 480). Die Beklagte hat aber zutreffend darauf hingewiesen, daß die Klägerin auch die fiktiven Verluste der aufgelösten OHG (zu 50 %) mitzutragen gehabt hätte (Seite 1 des Protokolls vom 30. 10. 1997 = AS 495 in Band II). In die Berechnung des "aus der Auflösung der OHG entstandenen Schadens" (vgl 1 Ob 567/90) sind nicht nur erzielte Gewinne, sondern auch mitzutragende Verluste einzubeziehen; soweit die Klägerin beim Fortbestand der OHG Verluste mitzutragen gehabt hätte, hat sie durch deren Beendigung nicht nur keinen Schaden erlitten, sondern ist dadurch vor Vermögensverlusten bewahrt worden. Insoweit hat eine Vorteilsausgleichung stattzufinden. Diese Verluste wurden unbekämpft der Höhe nach festgestellt (Seite 7 des Ersturteils), doch wird das Erstgericht das Vorbringen der Klägerin zu prüfen haben, bei ordnungsgemäßer Geschäftsführung hätten auch in diesen Jahren Gewinne erzielt werden müssen (Seite 3 des Protokolls vom 30. 10. 1997 = AS 499 in Band II bzw Seite 5 der Berufungsbeantwortung). Soweit die Beklagte von höheren Verlusten als den insgesamt in einer Höhe von S 1,400.537,49 festgestellten, nämlich von S 1,593.133 ausgeht (siehe Seite 1 des Protokolls vom 30. 10. 1997 = AS 495 in Band II und Seite 7 der Revision), entfernt sie sich von den Tatsachenfeststellungen der Vorinstanzen.

Angesichts dieser Erwägungen sind die Urteile der Vorinstanzen in Stattgebung der Revision der Beklagten aufzuheben; das Erstgericht wird das Verfahren im aufgezeigten Umfang zu ergänzen und danach neuerlich zu entscheiden haben. Dabei wird ausdrücklich festgehalten, daß die neuerliche Verhandlung auf die verbliebenen Streitpunkte (behauptete Zahlung einer Schuld der OHG an die ÖBB im Betrag von S 525.067,53 durch die Beklagte bzw Berücksichtigung der der OHG entstandenen Verluste bei der Gesamtgewinnermittlung) zu beschränken ist. Die übrigen Streitpunkte haben mit der vorliegenden Entscheidung des erkennenden Senats ihre abschließende Erledigung gefunden.

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 ZPO.

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