OGH 11Os189/98

OGH11Os189/982.3.1999

Der Oberste Gerichtshof hat am 2. März 1999 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kuch als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Ebner, Dr. Schmucker, Dr. Habl und Dr. Zehetner als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Gutschi als Schriftführer, in der Strafsache gegen Bogdan Jan K***** wegen des Vergehens des Mißbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs 1 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes Eisenstadt als Schöffengericht vom 21. September 1998, GZ 8 Vr 846/98-36, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil, das auch einen in Rechtskraft erwachsenen Teilfreispruch enthält, wurde Bogdan Jan K***** der Vergehen (1) des Mißbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs 1 StGB und (3 und 4) der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB sowie (2) des Verbrechens (im Urteilsspruch offensichtlich irrig - vgl S 165 iVm S 333 und US 18 - als Vergehen bezeichnet) der Unzucht mit Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB schuldig erkannt.

Danach hat er in Breitenbrunn

(1) von Sommer 1992 bis Juni 1998 seine am 6. Jänner 1982 geborene, minderjährige Stieftochter Agnes L***** wiederholt zur Unzucht mißbraucht, indem er sie an Brust und Scheide über und unter der Kleidung streichelte, mit seinem Finger in ihre Scheide eindrang, ihr einen Zungenkuß gab, mit seinem Penis am Gesäß des Mädchens rieb sowie sie mit der Kleidung auf seinen erigierten Penis setzte;

(2) in der Zeit von Sommer 1992 bis 5. Jänner 1996 eine unmündige Person, nämlich die zu Punkt 1 genannte Agnes L***** durch die dort beschriebenen Handlungen auf andere Weise als durch Beischlaf zur Unzucht mißbraucht;

(3) im August und Herbst 1997 Agnes L***** vorsätzlich am Körper verletzt, indem er auf sie einschlug, wodurch sie eine Zerrung des dritten Mittelfingers links und Hämatome am rechten Schulterblatt und rechten Oberarm sowie eine blutende Wunde am Kopf erlitt;

(4) am 20. Juni 1998 Jolanta L***** vorsätzlich am Körper verletzt, indem er auf sie einschlug und eintrat, wodurch sie Schürfwunden am rechten Unterarm sowie Hämatome und Prellungen an der linken Schulter und am linken Oberarm erlitt.

Dagegen richtet sich die auf Z 4, 5, 5a und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, die sich als nicht zutreffend erweist.

Rechtliche Beurteilung

Zu Unrecht reklamiert der Beschwerdeführer in der Verfahrensrüge (Z 4) die Abweisung seines in der Hauptverhandlung vom 21. September 1998 gestellten Antrages auf Vernehmung der Zeugin Dkfm. Elzbieta W***** zum Beweis dafür, "daß Agnes vor der Gendarmerie angegeben habe, ihre Mutter erstmals am 25. Juni 1998 von den sexuellen Übergriffen ihres Stiefvaters in Kenntnis gesetzt zu haben. Dies steht im Widerspruch dazu, daß die Mutter, das heißt die Mutter der minderjährigen Agnes, bereits am 22. Juni 1998, drei Tage zuvor, die polnische Schwester des Angeklagten mit diesem Umstand konfrontiert habe, und auch zum Beweis dafür, daß die Glaubwürdigkeit der Agnes daher in gewissen Punkten in Zweifel zu ziehen ist" (S 295, 297).

Wie das Erstgericht in seinem abweislichen Zwischenerkenntnis (S 331 iVm US 17 ff) zutreffend dargelegt hat, betrifft der unter Beweis gestellte Umstand, nämlich das genaue Datum, an dem Agnes L***** ihrer Mutter über den sexuellen Mißbrauch berichtet hat, keine schuldrelevanten Aspekte und indiziert keinen Schuldausschluß des Beschwerdeführers oder allfällige Rückschlüsse auf die Glaubwürdigkeit der Zeugin in der Schilderung der entscheidungswesentlichen Tathergänge, hat doch das Erstgericht ohnedies berücksichtigt, daß sich die Zeugin auch im Datum geirrt haben kann (US 17 und 18).

Durch die zu Recht unterbliebene Beweisaufnahme erfuhren die Verteidigungsrechte des Angeklagten jedenfalls keine Schmälerung.

Die diesbezüglich in der Nichtigkeitsbeschwerde nachgetragenen Erwägungen haben dabei außer Betracht zu bleiben, da bei der Prüfung der Berechtigung eines Antrages stets von der Verfahrenslage im Zeitpunkt seiner Stellung und den dazu vorgebrachten Gründen auszugehen ist (Mayerhofer StPO4 § 281 Z 4 E 41).

In der Mängelrüge (Z 5) moniert die Beschwerde einen Widerspruch zwischen der Urteilsfeststellung US 7, der Angeklagte habe sich (im Jahr 1997) zum schlafenden Mädchen ins Bett gelegt und es unterhalb seines Nachtgewandes am nackten Körper betastet, zu den "eindeutigen Ergebnissen des Beweisverfahrens", wonach die Zeugin L***** ausgesagt habe, daß es seit 1997 zu den vom Erstgericht festgestellten Übergriffen nicht mehr gekommen sei, da sie sich zu diesem Zeitpunkt bereits gewehrt und der Angeklagte sie nur einmal über dem Gewand gestreichelt hätte (S 137). Dabei übergeht die Beschwerde aber die davor als Antwort auf die Frage, ob es dem Angeklagten gelungen sei, sie wirklich an der Brust und an der nackten Haut zu streicheln, gemachten Depositionen der Zeugin L*****: "Ja, einmal nur, das war voriges Jahr, 1997", (S 135), somit die betreffende Feststellungsgrundlage des Erstgerichtes und erweist sich als nicht prozeßordnungsgemäß ausgeführt.

Soweit die Verwendung des Wortes "offensichtlich" auf US 14 und 16 als undeutliche bzw offenbar unzureichende Begründung moniert wird, genügt die Erwiderung, daß dieses Wort lediglich - zwar sprachlich nicht geglückt - als Füllwort verwendet wurde. Auch bei dessen Weglassen ist dem Urteil weiterhin unmißverständlich zu entnehmen, welche Tatsachen als erwiesen angenommen wurden und aus welchen Gründen dies geschah, sodaß diesbezüglich die behauptete Mangelhaftigkeit nicht vorliegt.

Da nur der Ausspruch über eine für die rechtliche Beurteilung entscheidende - nämlich solche, die für das Erkenntnis in der Schuldfrage einschließlich der einen bestimmten Strafsatz bedingenden Tatumstände maßgeblich sind - Tatsache von einem formellen Begründungsmangel betroffen sein kann, die Frage des genauen Endes der Übergriffe des Angeklagten vor der Verhaftung ebenso, inwieweit das frühreife Verhalten der Geschädigten L***** auf den Mißbrauch durch den Angeklagten zurückgeführt werden könnte, keine entscheidenden Tatsachen betreffen, gehen die diesbezüglichen Einwände ins Leere.

Insofern die Mängelrüge darüber hinaus das angefochtene Urteil als in "den Feststellungen und in der Begründung als undeutlich, unvollständig, aktenwidrig und offenbar unzureichend begründet" anficht, ist die Rüge mangels näherer Substantiierung einer sachbezogenen Erwiderung nicht zugänglich.

Aber auch aus dem Aspekt der Tatsachenrüge (Z 5a) stellt das - zum einen den Inhalt der Verfahrensrüge wiederholende, zum anderen zusätzlich die Glaubwürdigkeit der Angaben der Zeugin Agnes L***** bestreitende - Vorbringen, das Erstgericht habe Beweisergebnisse bedenklich gewürdigt, keine für die Anfechtung erforderliche, an die Aktenlage gebundene Geltendmachung von Bedenken gegen die Annahme entscheidender Tatsachen dar. Der Nichtigkeitsgrund der Z 5a gestattet nämlich nicht die Bekämpfung der tatrichterlichen Beweiswürdigung nach Art einer Schuldberufung. Insbesondere kann der zur Darlegung erheblicher Zweifel am Gelingen der Wahrheitsfindung gebotene Vergleich aktenkundiger Umstände mit entscheidenden Feststellungen nicht - wie hier - durch die Behauptung ersetzt werden, von der ersten Instanz als glaubhaft angesehene Zeugenaussagen seien unglaubwürdig (Mayerhofer aaO § 281 Z 5a E 4). Im übrigen hat sich das Erstgericht - dem Beschwerdevorbringen zuwider - mit den Abweichungen in der Geschehensdarstellung der Agnes L***** zum Hergang der Körperverletzung (US 14 ff) ebenso wie mit den den Angeklagten entlastenden Zeugenaussagen (US 15 ff) auseinandergesetzt und dargelegt, warum es welche ihrer Angaben für glaubwürdig erachtete. Die Beschwerde vermag somit weder schwerwiegende, unter Außerachtlassung der Pflicht zur amtswegigen Wahrheitsforschung zustande gekommene Mängel in der Sachverhaltsermittlung aufzuzeigen, noch auf aktenkundige Beweisergebnisse hinzuweisen, die nach den Denkgesetzen oder nach der allgemeinen menschlichen Erfahrung, also intersubjektiv, erhebliche Zweifel gegen die Richtigkeit der Beweiswürdigung in entscheidungswesentlichen Fragen aufkommen lassen.

Die Rechtsrüge (Z 9 lit a), die Feststellungsmängel zur Frage der Zerrüttung der Ehe des Angeklagten sowie eines regelmäßig übermäßigen Alkoholkonsums der Ehegattin behauptet und die "Feststellung dieser Umstände für die Beurteilung der Tat als erheblich" ansieht, läßt den für eine prozeßordnungsgemäße Ausführung dieses Nichtigkeitsgrundes erforderlichen Hinweis vermissen, inwieweit es sich um Umstände handelt, von deren Vorhandensein nach richtiger Rechtsansicht die Beantwortung der Frage abhängt, ob sich der Angeklagte einer gerichtlich strafbaren Handlung schuldig gemacht habe (Mayerhofer aaO § 281 Z 9a E 5c und 9).

Schlichtweg unverständlich ist Punkt I des Rechtsmittelantrages, "nach § 288a StPO die Hauptverhandlung zu vernichten"; denn der (der Sache nach damit relevierte) Nichtigkeitsgrund des § 281a StPO (Entscheidung eines unzuständigen Oberlandesgerichtes über einen Anklageeinspruch oder eine Versetzung in den Anklagestand), auf den § 288a StPO abstellt, konnte im vorliegenden Verfahren nicht verwirklicht werden, weil ein Oberlandesgericht in diesem Zusammenhang gar nicht angerufen worden ist (ON 21 iVm ON 24).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher gemäß § 285d Abs 1 StPO schon bei der nichtöffentlichen Beratung zurückzuweisen.

Über die Berufungen des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft wird demzufolge der hiefür zuständige Gerichtshof zweiter Instanz zu befinden haben (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a StPO.

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