Spruch:
Der Rekurs wird, soweit er Nichtigkeit geltend macht, verworfen.
Im übrigen wird dem Rekurs Folge gegeben. Der angefochtene Beschluß wird dahin abgeändert, daß er lautet:
Der Antrag der Antragstellerin und gefährdeten Partei zur Sicherung ihres Anspruches auf Abstellung des Mißbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung der Antragsgegnerin und Gegnerin der gefährdeten Partei mittels einstweiliger Verfügung insbesondere aufzutragen, in Vereinbarungen zwischen der Antragstellerin und der Antragsgegnerin über die Zusammenschaltung von freikalkulierten Mehrwertdiensten, personenbezogenen Diensten, tariffreien Diensten und Sonderdiensten eine Klausel des Inhaltes einzufügen, die es der Antragstellerin ermöglicht, auch ohne Kündigung von Vereinbarungen Verhandlungen über eine neue Festlegung von Bestimmungen zu verlangen und im Falle des Scheiterns dieser Verhandlungen die Regulierungsbehörde anzurufen, ob und inwieweit vertragsgegenständliche Dienste den Regeln über die Zusammenschaltung gemäß Telekommunikationsgesetzen in der jeweils geltenden Fassung unterliegen, wird abgewiesen.
Die Antragstellerin und gefährdete Partei ist schuldig, der Antragsgegnerin und Gegnerin der gefährdeten Partei die mit S 47.488,80 (darin S 7.914,80 USt) bestimmten Kosten des Provisorialverfahrens zu ersetzen.
Text
Begründung
Bescheinigt ist folgender Sachverhalt:
Die Erbringung des öffentlichen Sprachtelefondienstes über ein festes Netz war bis zum 31. 12. 1997 der Post und Telekom Austria ohne Konzession vorbehalten (§ 125 Abs 7 TKG). Um diesen Dienst auch nach diesem Zeitpunkt erbringen zu können, beantragte die Antragsgegnerin eine Konzession für den öffentlichen Sprachtelefondienst und erhielt ihn mit Bescheid der Telekom-Control-Kommission vom 17. 12. 1997 (K 7/97). Im Bescheid Z 1/97 vom 9. 3. 1998 wurde die Antragsgegnerin als marktbeherrschendes Unternehmen auf dem Markt für öffentliche Sprachtelefonie über ein festes Netz beurteilt. Zum damaligen Entscheidungszeitpunkt verfügte die Antragsgegnerin auf dem sachlich (öffentliche Sprachtelefonie über ein festes Netz) und räumlich (das gesamte Bundesgebiet) relevanten Markt über einen Marktanteil von beinahe 100 %. Gegen diesen Bescheid wurde von der Antragsgegnerin Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof erhoben, die sich jedoch nicht gegen ihre Beurteilung als marktbeherrschendes Unternehmen richtet. In der Bescheidbeschwerde wurde keine aufschiebende Wirkung beantragt.
Mit Bescheid vom 14. 5. 1998 (M 1/98) stellte die Telekom-Control-Kommission gemäß § 33 Abs 4 TKG fest, welche Unternehmen auf den einzelnen sachlich relevanten Telekommunikationsmärkten in Österreich über eine marktbeherrschende Stellung im Sinn des § 33 TKG verfügen. Aus den Ermittlungsergebnissen ergab sich, daß die Antragsgegnerin auf dem Markt für das Erbringen des öffentlichen Sprachtelefondienstes mittels eines festen Telekommunikationsnetzes (Anteil zum 31. 12. 1997, 100 %) ebenso wie auf dem Markt für das Erbringen des öffentlichen Mietleitungsdienstes mittels eines festen Telekommunikationsnetzes (über 95 %) und auf dem Markt für das Erbringen von Zusammenschaltleistungen (über 30 %) zum Entscheidungszeitpunkt über eine marktbeherrschende Stellung verfügte. Dieser Bescheid, mit dem die marktbeherrschende Stellung der Antragsgegnerin festgestellt wurde, wurde dieser gegenüber rechtskräftig.
Auf dem Markt für öffentliche Sprachtelefonie mittels festen Telekommunikationsnetzes gibt es zur Zeit zwar einige aktuelle Mitbewerber der Antragsgegnerin, deren Kundenzahlen und -umsätze sind aber noch so gering, daß kein Zweifel daran besteht, daß auch zum gegenwärtigen Zeitpunkt der Anteil der Antragsgegnerin auf diesem Markt jedenfalls noch über 90 % beträgt (Bescheid der Telekom-Control-Kommission vom 5. 10. 1998, Z 5/98).
Die Antragstellerin ist aufgrund des Bescheides vom 19. 8. 1997 Inhaberin einer Konzession zur Erbringung des öffentlichen Sprachtelefondienstes mittels Mobilfunk im digitalen zellularen Mobilfunkbereich. Der öffentliche Betrieb des Telekommunikationsdienstes wurde bis 16. 2. 1998 noch nicht aufgenommen, es wurde lediglich ein interner Testbetrieb durchgeführt. Am 30. 7. 1998 nahm die Antragstellerin den Betrieb in Tirol und Vorarlberg auf. In diesem Gebiet ist eine Personendeckung von 75 % vorhanden. Auch im übrigen Österreich ist das Netzwerk aufgeschalten, aber noch im Ausbau begriffen. Die Antragstellerin beabsichtigte, den Betrieb in ganz Österreich am 26. 10. 1998 aufzunehmen, und startete unter der Marke "One" eine intensive Werbekampagne unter der Anführung des Betriebsbeginnes am 26. 10. 1998.
Im April 1998 schloß die Antragstellerin mit der Antragsgegnerin einen Zusammenschaltungsvertrag, der allerdings nicht die hier antragsgegenständlichen Sonderdienste betrifft. Über diese Sonderdienste wurde seit 29. 5. 1998 verhandelt, ein schriftliches Angebot der Antragsgegnerin betreffend die Zusammenschaltung der antragsgegenständlichen Sonderdienste erfolgte im Juli 1998. Dieses Angebot nennt bestimmte Preise, ohne aber die Preiskalkulation offen zu legen.
Bei diesen Sonderdiensten handelt es sich einerseits um die tariffreien Dienste (Nummernbereich 0-800, vormals "0660 Nummern"). Das sind beispielsweise jene Nummern, unter denen für den Anrufer kostenlos Radarmeldungen bei einem Musiksender erstattet werden können. Derartige Nummern können bei jedem Betreiber angemeldet werden; insoweit sind Antragstellerin und Antragsgegnerin Konkurrenten. Bei den frei kalkulierbaren Mehrwertdiensten (Nummernbereich 0-900) werden bestimmte Leistungen angeboten, wobei das Inkasso für die angebotene Leistung über die erhöhte Gebühr erfolgt. Auch diese Dienste können grundsätzlich bei jedem Betreiber angeboten werden. Die personenbezogenen Dienste (Nummernbereich 0-710) dienen dazu, einen Wechsel der Nummer zu vermeiden, wenn ein Ortswechsel oder ein Wechsel des Betreibers vorgenommen wird. Sie sind betreiber - und ortsunabhängig. Diese Nummern sind noch nicht in Betrieb, können aber ebenfalls von jedem Betreiber angeboten werden. Die "sonstigen Sonderdienste" bietet bisher nur die Antragsgegnerin an. Es handelt sich dabei beispielsweise um Auskünfte, Telegrammaufgabe, etc.
Bezüglich dieser Dienste kam bislang zwischen den Parteien noch keine Einigung zustande.
Die Antragstellerin geht davon aus, daß eine inhaltliche Entscheidung der Regulierungsbehörde (Telekom-Control-Kommission) vier bis fünf Monate in Anspruch nehmen würde, sodaß sie nicht rechtzeitig vor dem vorgesehenen Betriebsbeginn (26. 10. 1998) erfolgen könnte.
In ihrer Entscheidung Z 1/97 vom 9. 3. 1998 (S 23 ff) brachte die Telekom-Control-Kommission bezüglich der m***** GmbH die Rechtsmeinung zum Ausdruck, daß die besondere wirtschaftliche Bedeutung der Zusammenschaltungsvereinbarung und die möglichen Folgen einer Aufkündigung des Zusammenschaltungsvertrages nahelegen, bei der Verfassung des Vertragstextes in den zentralen Vertragsbestimmungen mit besonderer Sorgfalt vorzugehen. Solle dem Zusammenschaltungspartner - unabhängig von den allfälligen Auswirkungen des zu Lasten des marktbeherrschenden Anbieters nach § 34 Abs 1 TKG festgelegten Nichtdiskriminierungsgebotes - die Möglichkeit eröffnet werden, auch ohne Kündigung des gesamten Zusammenschaltungsvertrages in angemessener Zeit nach Inkrafttreten des Vertrages Verhandlungen über eine Neufestsetzung bestimmter Bedingungen zu verlangen und im Falle des Scheiterns dieser Verhandlungen die Regulierungsbehörde anzurufen, so könnte dies in einer entsprechenden Klausel, die diesen Grundsatz auch klar zum Ausdruck bringe, festgelegt werden. Verweigere ein marktbeherrschender Anbieter die Aufnahme einer derartigen Klausel in den Vertrag, so könnte darüber eine Entscheidung der Regulierungsbehörden nach § 41 TKG herbeigeführt werden, bzw könnte in der Weigerung (auch) eine mißbräuchliche Anwendung der Marktmacht im Sinn des § 34 Abs 3 TKG gesehen werden. Hätten die Vertragspartner keine "Öffnungsklausel" für das Tätigwerden der Regulierungsbehörde vereinbart, so bleibe ihnen tatsächlich bloß die Kündigung des Vertrages, um - im Falle der Nichteinigung über die Bedingungen der Fortführung bzw des Neuabschlusses - nach Aufforderung zur Abgabe eines Anbots und Ablauf einer sechswöchigen Verhandlungsfrist gegebenenfalls die Regulierungsbehörde anzurufen.
Um nicht durch den Abschluß einer Vereinbarung der Möglichkeit der Anrufung der Regulierungsbehörde verlustig zu gehen, griff die Antragstellerin die Anregung des zitierten Bescheides auf und ersuchte die Antragsgegnerin um Aufnahme einer derartigen Öffnungsklausel in den Vertragsentwurf vom Juli 1998 mit nachstehendem Wortlaut:
"Es wird festgehalten, daß die Vertragsparteien nicht darin übereinstimmen, ob und inwieweit die vertragsgegenständlichen Dienste den Regeln über die Zusammenschaltung unterliegen. Daher können beide Teile auch ohne Kündigung dieses Vertrages Verhandlungen über eine Neufestlegung von Bestimmungen verlangen und es bleibt ihnen unbenommen, im Falle des Scheiterns dieser Verhandlungen die Regulierungsbehörde anzurufen".
Die Antragsgegnerin erklärte sich allerdings nur zur Aufnahme einer Öffnungsklausel des nachstehenden Inhaltes bereit:
"Es wird festgehalten, daß die Vertragsparteien nicht darin übereinstimmen, ob und inwieweit die vertragsgegenständlichen Dienste den Regeln über die Zusammenschaltung unterliegen. Sollte in einer Entscheidung der Regulierungsbehörde darüber rechtskräftig abgesprochen werden, so kann jede Vertragspartei auch ohne Kündigung eine entsprechende Anpassung dieses Vertrages verlangen".
Am 14. 9. 1998 stellte die Antragstellerin an die Telekom-Control-Kommission den Antrag, anzuordnen, daß eine zwischen der Antragstellerin und der Antragsgegnerin geschlossene Vereinbarung über die Zusammenschaltung von frei kalkulierbaren Mehrwertdiensten, personenbezogenen Diensten, tariffreien Diensten und Sonderdiensten der Bedingung unterliege, daß die Vertragsparteien auch ohne Kündigung des Vertrages Verhandlungen über eine Neufestlegung von Bestimmungen verlangen könnten, und daß es den Vertragsparteien unbenommen bleibe, im Falle des Scheiterns dieser Verhandlungen die Regulierungsbehörde anzurufen, sofern zwischen den Vertragsparteien keine Einigung darüber erzielt werden konnte ob und inwieweit die vertragsgegenständlichen Dienste den Regeln über die Zusammenschaltung unterliegen.
Mit dem dem gegenständlichen Kartellverfahren zugrundeliegenden Antrag vom 24. 9. 1998 begehrt die Antragstellerin, der Antragsgegnerin aufzutragen, den Mißbrauch einer marktbeherrschenden Stellung abzustellen, insbesondere dadurch, daß in Vereinbarungen zwischen der Antragstellerin und der Antragsgegnerin über die Zusammenschaltung von frei kalkulierten Mehrwertdiensten, personenbezogenen Diensten, tariffreien Diensten und Sonderdiensten eine Klausel des Inhaltes einzufügen sei, die es der Antragstellerin ermögliche, auch ohne Kündigung von Vereinbarungen, Verhandlungen über eine Neufestlegung von Bestimmungen zu verlangen und im Falle des Scheiterns dieser Verhandlungen die Regulierungsbehörde anzurufen, ob und inwieweit vertragsgegenständliche Dienste den Regeln über die Zusammenschaltung gemäß Telekommunikationsgesetze in der jeweils geltenden Fassung unterliegen. Überdies begehrt sie die Erlassung einer inhaltsgleichen einstweiligen Verfügung, die Gegenstand des vorliegenden Rekursverfahrens ist.
Sie begründet ihren Sicherungsantrag zusammengefaßt damit, daß die Antragsgegnerin seit Beginn der Verhandlungen die Ansicht vertrete, daß es sich bei diesen Diensten um keine Zusammenschaltleistungen iSd TKG und der Zusammenschaltungsrichtlinie 97/33/EG handle. Daher wären nach Ansicht der Antragsgegnerin auch die im TKG geregelten Zusammenschaltungsbedingungen nicht anwendbar. Sie wäre somit auch nicht an die dort festgelegten Kriterien der Kostenorientiertheit und Transparenz gebunden. Während der Verhandlungen habe es die Antragsgegnerin abgelehnt, auf Fragen der Kostenorientierheit einzugehen. Aufgrund des Zeitdruckes, in dem sich die Antragstellerin hinsichtlich dieser Dienste befinde, wäre sie sogar bereit gewesen, diese für sie sehr nachteilige Auslegung der Antragsgegnerin vorläufig zu akzeptieren und die entsprechenden Verträge so schnell wie möglich abzuschließen, sofern die Antragsgegnerin eine sog Öffnungsklausel in den Vertrag aufnehme. Die Antragstellerin wolle nämlich in dieser für sie so wesentlichen Frage, ob es sich um Zusammenschaltleistungen handle, keinesfalls auf ihr Recht auf Klärung dieser Rechtsfrage durch Anrufen der Regulierungsbehörde (Telekom-Control-Kommission) verzichten. Es sei hierüber aber zu keiner Einigung gekommen, weil die Antragsgegnerin nur eine ungenügende Öffnungsklausel angeboten habe. Deshalb habe die Antragstellerin am 14. 9. 1998 die Telekom-Control-Kommission gemäß § 41 Abs 3 TKG angerufen und beantragt, der Antragsgegnerin aufzutragen, in die zu schließenden Vereinbarungen eine entsprechende Öffnungsklausel einzufügen. Die streitgegenständlichen Dienste seien zur Durchführung ihrer Geschäftstätigkeit unbedingt erforderlich, da sie den Kunden alle am Markt erhältlichen Dienste anzubieten habe, um überhaupt konkurrenzfähig zu sein und den am Markt nachgefragten Qualitätsanforderungen zu entsprechen. Jede Behinderung bei der Zurverfügungstellung von Diensten durch die Marktbeherrscher sei eine unzulässige Markteintrittsbarriere. Durch die Verweigerung einer solchen Öffnungsklausel mißbrauche daher die Antragsgegnerin auch ihre marktbeherrschende Stellung iSd § 35 KartG, weshalb auch der gegenständliche Antrag im Kartellverfahren berechtigt und infolge der Dringlichkeit die Erlassung der beantragten einstweiligen Verfügung geboten sei.
Die Antragsgegnerin beantragt die Abweisung der einstweiligen Verfügung und wendet dagegen zusammengefaßt ein, die Antragstellerin habe die marktbeherrschende Stellung der Antragsgegnerin nicht bescheinigt. Bei den antragsgegenständlichen "Sondernummern" handle es sich um Spezialverträge, nicht aber um Verträge betreffend "Zusammenschaltung" iSd TKG. Die Unrichtigkeit der diesbezüglichen Rechtsauffassung der Antragstellerin könne aber auf sich beruhen, weil diese ohnedies bereits einen Antrag auf Erlassung einer Öffnungsklausel bei der Telekom-Control-Kommission eingebracht habe. Die Antragsgegnerin könne sich nicht dadurch mißbräuchlich verhalten, daß sie das Ergebnis dieses Behördenverfahrens abwarte. Im übrigen sei die Erlassung einer einstweiligen Verfügung prozessual unzulässig, weil dadurch eine Sachlage geschaffen werde, die nicht mehr rückgängig gemacht werden könne. Auch im Falle einer Klagsabweisung im Hauptverfahren könnte sich die Antragstellerin fortgesetzt auf die vertragliche Verpflichtung der Antragsgegnerin stützen. Dieser Effekt sei mit dem Wesen einer Sicherungsmaßnahme unvereinbar.
Das Erstgericht erließ die beantragte einstweilige Verfügung mit folgender Beschränkung:
"Die durch diese Klausel ermöglichte Anrufung der Regulierungsbehörde ist erst nach einer allfälligen rechtskräftigen Bestätigung dieses Auftrages durch die Entscheidung im Hauptverfahren zulässig.
Im Falle einer Aberkennung des Anspruches gilt die Klausel als nicht beigesetzt."
Im übrigen schränkte das Erstgericht die einstweilige Verfügung auf die Zeit bis zur rechtskräftigen Beendigung des hier streitgegenständlichen Hauptverfahrens über den von der Antragstellerin gestellten Antrag auf Abstellung des Mißbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung gemäß § 35 KartG ein.
Zusammengefaßt hielt das Erstgericht in seiner umfänglichen rechtlichen Beurteilung die einstweilige Verfügung in der von ihm erlassenen Form aus folgenden Gründen für berechtigt:
Zur Erreichung der Ziele des TKG (§ 1) sei jeder Betreiber eines öffentlichen Telekommunikationsnetzes gemäß § 41 TKG verpflichtet, anderen Betreibern solcher Netze auf Nachfrage ein Angebot auf Zusammenschaltung abzugeben. Die Zusammenschaltung basiere grundsätzlich auf privatrechtlichen (vertraglichen) Vereinbarungen; die Verpflichtung dafür ergebe sich aus Art 4 Abs 2 der Richtlinie 97/33/EG , die ihrerseits auf der RL 90/387 EWG fuße. Komme zwischen einem Betreiber eines Telekommunikationsnetzes, der Telekommunikationsdienstleistungen für die Öffentlichkeit anbiete, und einem anderen Betreiber eines öffentlichen Telekommunikationsnetzes eine Vereinbarung ihrer Zusammenschaltung binnen einer Frist von sechs Wochen ab Einlangen der Nachfrage nicht zustande, könne jeder der an der Zusammenschaltung Beteiligten die Regulierungsbehörde (Telekom-Control- Kommission) anrufen. Die Regulierungsbehörde habe nach Anhörung der Beteiligten innerhalb einer Frist von sechs Wochen, beginnend mit der Anrufung, über die Anordnung der Zusammenschaltung zu entscheiden. Sie könne das Verfahren um längstens vier Wochen verlängern. Die Anordnung ersetze eine zu treffende Vereinbarung. Handle es sich um ein marktbeherrschendes Unternehmen fänden gemäß § 41 Abs 3 TKG in Entsprechung des Art 7 Abs 2 der genannten RL der Grundsatz der Kostenorientiertheit bei der Festlegung der Höhe der Entgelte statt.
Daß die Antragsgegnerin marktbeherrschend iSd TKG sei, habe die Telekom-Control-Kommission bereits mit ihrem Bescheid vom 14. 5. 1998 festgestellt. Inwieweit sie sich auch zur Regulierungsmaßnahmen bezüglich der antragsgegenständlichen Sonderdienste berufen fühle, müsse ihrer Entscheidung vorbehalten bleiben, sodaß sich eine Interpretation des Zusammenschaltungsbegriffes (§ 3 Z 16 TKG) zunächst erübrige. Daß auch die antragsgegenständlichen Sonderdienste unter die Regulierungskompetenz der Telekom-Control-Kommission fielen, sei jedenfalls nach den zitierten gesetzlichen Bestimmungen nicht ausgeschlossen. Es sei ausschließlich Sache der Telekom-Control-Kommission, einem Antrag auf Regulierungsmaßnahmen in diesem Zusammenhang stattzugeben oder ihn abzulehnen.
Gemäß § 32 Abs 2 TKG blieben allerdings die Zuständigkeiten des Kartellgerichtes unberührt. Da sowohl das TKG als auch das KartG Maßnahmen gegen den Mißbrauch einer marktbeherrschenden Stellung - wenn auch allenfalls unter anderen Voraussetzungen - vorsähen, das TKG aber keine Möglichkeit einer vorläufigen Maßnahme im Rahmen einer einstweiligen Verfügung einräume, müsse es einer Partei unter Bedachtnahme auf § 32 Abs 2 TKG unbenommen bleiben, gemäß § 52 Abs 2 KartG eine Maßnahme der Mißbrauchsaufsicht nach § 35 KartG durch einstweilige Verfügung zu beantragen. Ein Mißbrauch einer marktbeherrschenden Stellung liege ganz allgemein dann vor, wenn ein den anderen Marktteilnehmern wirtschaftlich überlegener Unternehmer auf das Marktgeschehen in einer Weise Einfluß nehme, die negative Auswirkungen auf die Markt- und Wettbewerbsverhältnisse befürchten lasse.
Ein Netzbetreiber müsse, um konkurrenzfähig zu sein, seinen Nutzern den Zugang auch zu den antragsgegenständlichen Sonderdiensten ermöglichen. Um dieses Ziel zu erreichen, sei er darauf angewiesen, mit den übrigen Netzbetreibern entsprechende Vereinbarungen abzuschließen.
Das Angebot von Leistungen im Bereich der Telekommunikation sei, insbesondere bei einem Mobilfunkbetreiber, durch besonders lange und kostenintensive Vorbereitungshandlungen für den Netzausbau gekennzeichnet. Nachvollziehbar erscheine, daß es der Festsetzung eines bestimmten Termines bedürfe, auf den sämtliche Werbemaßnahmen abzielten, um die Betriebsaufnahme dem Publikum bekanntzugeben. Die Antragstellerin befinde sich daher unter dem Druck des von ihr selbst festgesetzten Termines für den "offiziellen" Betriebsbeginn. Auch wenn es von der Antragstellerin selbst zu vertreten sei, nicht rechtzeitig die erforderlichen Verträge mit den Mitbewerbern, insbesondere mit der Antragsgegnerin ausgehandelt und zum Abschluß gebracht zu haben, oder - in konsequenter Verfolgung ihres Rechtsstandpunktes - so rechtzeitig die Telekom-Control-Kommission angerufen zu haben, daß noch vor dem von ihr mit 26. 10. 1998 festgesetzten Termin eine Entscheidung der Regulierungsbehörde über die Zusammenschaltung und insbesondere die Festsetzung der Entgelte hinsichtlich der hier antragsgegenständlichen Sonderdienste möglich gewesen wäre, erscheine es mißbräuchlich iSd § 35 Abs 1 KartG, wenn die Antragsgegnerin versuche, die zeitliche Drucksituation der neuen Mitbewerberin auszunützen, indem sie ihr verweigere, sich die Anrufung der Regulierungsbehörde vorzubehalten. Gerade diese Möglichkeit möchte sich die Antragstellerin mit der begehrten Öffnungsklausel vorbehalten.
Entgegen den Befürchtungen der Antragsgegnerin werde durch die begehrte einstweilige Verfügung in der erlassenen Form auch dem Ergebnis des Hauptverfahrens nicht vorgegriffen. Die Ausübung des Vorbehaltes, nämlich die Regulierungsbehörde trotz bestehenden Vertrages anzurufen, werde erst nach Rechtskraft einer allenfalls positiven Entscheidung über den Antrag im Hauptverfahren vorgenommen werden können. Im Falle einer negativen Entscheidung im Hauptverfahren werde die einstweilige Verfügung mit der Wirkung aufzuheben sein, daß die Öffnungsklausel als nicht gesetzt gelte. Der Entscheidung der Regulierungsbehörde, ob die antragsgegenständlichen Sonderdienste den Regeln über die Zusammenschaltung unterliegen, werde dadurch nicht vorgegriffen. Es bleibe der Regulierungsbehörde unbenommen, diesbezügliche Anträge ab- oder zurückzuweisen.
Gegen diesen Beschluß richtet sich der äußerst umfangreiche Rekurs der Antragsgegnerin wegen Nichtigkeit und unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, die einstweilige Verfügung wegen Nichtigkeit aufzuheben und das Verfahren an das Erstgericht zurückzuverweisen, in eventu den Beschluß dahingehend abzuändern, daß der Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung abgewiesen werde.
Die Antragstellerin beantragt in ihrer ebenso umfangreichen Gegenäußerung, dem Rekurs der Antragsgegnerin nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs ist, soweit er Nichtigkeit geltend macht, zu verwerfen, im übrigen ist er im Sinn der Abänderung (Abweisung des Antrags auf einstweilige Verfügung) berechtigt.
1. Soweit die Antragsgegnerin Nichtigkeit des Verfahrens infolge angeblichen Ausschlusses vom rechtlichen Gehör iSd § 477 Abs 1 Z 4 ZPO geltend macht, die darin gelegen sein soll, daß sie von der bevorstehenden Vernehmung des Prokuristen der Antragstellerin als Auskunftsperson nicht in Kenntnis gesetzt und ihr nicht einmal das hierüber aufgenommene Protokoll zur Stellungnahme übersendet worden sei - eine Vorgangsweise die nach ihrer Meinung im Lichte der neuen Judikatur zur Bekämpfung der Beweiswürdigung im Provisorialverfahren nicht mit Art 6 MRK vereinbar sei; nach ihrer Meinung müsse ihr in jedem Fall die Möglichkeit zur kontradiktorischen Mitwirkung an jeder Aussage gewährt werden -, ist ihr zu erwidern, daß sich das Verfahren vor dem Kartellgericht nach dem Verfahren außer Streitsachen richtet (§ 43 KartG), in welchem eine mündliche Verhandlung unter Beiziehung eines allfälligen Antragsgegners grundsätzlich nicht vorgesehen ist, und daß Art 6 MRK auf einstweilige Verfügungen keine Anwendung findet (RdW 1989, 333 ua). So ist das Gericht zB nicht verpflichtet, der gefährdeten Partei die Äußerung des Gegners der gefährdeten Partei zum Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung zu einer Gegenäußerung zuzustellen (MuR 1989, 145). Daraus folgt, daß die Unterlassung der Ladung der Antragsgegnerin zur Einvernahme einer Auskunftsperson oder die Unterlassung der Zusendung des Protokolles über die Einvernahme einer solchen keine Verletzung des rechtlichen Gehörs darstellen kann. Das Verfahren auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung ist ein besonderes Eilverfahren, welches darauf abzielt, einer gefährdeten Partei raschen Rechtsschutz zu gewähren. Zur Wahrung aller Rechte gemäß Art 6 MRK ist das Hauptverfahren vorgesehen. Daran ändert auch der Umstand nichts, daß eine Überprüfung der Beweiswürdigung ausgeschlossen ist, sofern der Erstrichter den Sachverhalt aufgrund von vor ihm abgelegten Zeugen- oder Parteienaussagen als bescheinigt angesehen hat. Der Grund liegt darin, daß das Rechtsmittelgericht selbst Zeugen oder Parteien nicht einvernehmen kann (OGH verst Senat ÖBl 1993, 259; für das Kartellverfahren ÖBl 1998, 261 und 309).
2. Daß die Antragsgegnerin ein marktbeherrschendes Unternehmen auch iSd KartG ist, ist durch die zitierten Bescheide der Telekom-Control-Kommission und die dort festgestellten extrem hohen Marktanteile (Z 1/97; M 1/98; Z 5/98) jedenfalls für das Provisorialverfahren ausreichend bescheinigt, auch wenn sich die Begriffsbestimmung in § 33 TKG nicht mit der des § 34 KartG deckt, sodaß sich ein weiteres Eingehen auf die Argumente der Rechtsmittelwerberin erübrigt.
3. Es ist daher zu prüfen, ob der Mißbrauch einer marktbeherrschenden Stellung bescheinigt ist (§ 52 Abs 2 iVm § 35 KartG). Eine solche Anspruchsbescheinigung ist weiterhin erforderlich; die KartG-Nov 1993 hat auf Anregung des Obersten Gerichtshofes nur die Notwendigkeit einer Gefahrenbescheinigung wegen der regelmäßigen Offenkundigkeit der Gefahr beseitigt (RV BlgNR 18. GP 22; Koppensteiner, Österreichisches und europäisches Wettbewerbsrecht3 240).
Kernpunkt der Argumentation des Erstgerichtes ist, die einstweilige Verfügung nach § 52 Abs 2 KartG sei zu erlassen gewesen, weil das TKG einstweilige Verfügungen nicht vorsehe und dringender Handlungsbedarf bestehe, auch wenn sich die Antragstellerin diesen selbst zuzuschreiben habe, weil sie nicht rechtzeitig einen Antrag nach § 41 Abs 2 TKG gestellt habe.
Zum besseren Verständnis empfiehlt sich, vorerst das System das TKG auf dem Gebiet der Wettbewerbsregulierung (§§ 32 ff TKG) darzustellen.
Der diesbezügliche fünfte Abschnitt des TKG enthält ua Vorschriften, die den Mißbrauch einer marktbeherrschenden Stellung abstellen oder einen solchen vorbeugen sollen sowie zur Sicherstellung der Einhaltung der Grundsätze eines offenen Netzzuganges (§ 32 Abs 1 Z 3 und 4 TKG).
Gemäß § 34 TKG ist letzterer dadurch sicherzustellen, daß ein Anbieter, der auf dem Markt für Telekommunikationsdienstleistungen für die Öffentlichkeit über eine marktbeherrschende Stellung verfügt, Wettbewerbern auf diesem Markt unter Einhaltung des Grundsatzes der Nichtdiskriminierung unter vergleichbaren Umständen zu gleichwertigen Bedingungen in derselben Qualität Leistungen bereitzustellen hat, die er am Markt anbietet oder die er für seine eigenen Dienste oder für Dienste verbundener Unternehmen bereitstellt (Abs 1). Verstößt ein solcher Anbieter gegen Abs 1, kann ihm die Regulierungsbehörde ein Verhalten auferlegen oder untersagen und Verträge ganz oder teilweise für unwirksam erklären, soweit dieser Anbieter seine marktbeherrschende Stellung mißbräuchlich ausnutzt (Abs 3). Ein solcher Mißbrauch wird vermutet, wenn er sich selbst oder verbundenen Unternehmen den Zugang zu seinen intern genutzten oder zu seinen am Markt angebotenen Leistungen zu günstigeren Bedingung ermöglicht, als er sie den Wettbewerbern bei der Nutzung dieser Leistungen für ihre Dienstleistungsangebote einräumt (Abs 4).
Im folgenden (§§ 37, 38 TKG) wird festgelegt, daß ein solcher marktbeherrschender Betreiber eines Telekommunikationsnetzes anderen Nutzern den Zugang zu seinem Telekommunikationsnetz ermöglichen muß (§ 37 Abs 1 TKG) und welche Leistungen die Zusammenschaltung mindestens umfassen muß (§ 38 TKG).
§ 41 TKG regelt, wie es zu Abschlüssen über die Zusammenschaltung zu kommen hat. Diese Bestimmung gilt für alle Betreiber eines öffentlichen Telekommunikationsnetzes. Grundsätzlich sind Zusammenschaltungen mit den Mitteln des Privatrechts herbeizuführen; es sind also Verträge abzuschließen. Hiezu sieht § 41 Abs 1 TKG vor, daß jeder Betreiber eines öffentlichen Telekommunikationsnetzes verpflichtet ist, anderen Betreibern solcher Netze auf Anfrage ein Anbot auf Zusammenschaltung abzugeben. Kommt eine solche Vereinbarung binnen sechs Wochen ab dem Einlangen der Nachfrage nicht zustande, kann jeder der an der Zusammenschaltung Beteiligten die Regulierungsbehörde (Telekom-Control-Kommission) anrufen (Abs 2). Diese hat in einem Schlichtungsverfahren als Art Schiedsrichter (RV 759 Blg NR 20. GP, 51) nach Anhörung der Beteiligten innerhalb einer Frist von sechs Wochen, beginnend mit der Anrufung, über die Anordnung der Zusammenschaltung zu entscheiden; diese Frist kann von der Regulierungsbehörde höchstens um vier Wochen verlängert werden (Abs 3), sodaß spätestens zehn Wochen nach Anrufung der Regulierungsbehörde eine endgültige Entscheidung vorliegen muß, weil gegen deren Entscheidungen kein ordentliches Rechtsmittel zulässig und die Anrufung des Verwaltungsgerichtshofes ausgeschlossen ist (§ 115 Abs 2 TKG iVm Art 133 Z 4 B-VG).
Entsprechend der RL 90/387/EWG findet der Grundsatz der Kostenorientiertheit nur bei der Festlegung der Höhe der Entgelte von marktbeherrschenden Unternehmungen Anwendung (Abs 3 letzter Satz). Das bedeutet, daß dann, wenn die Regulierungsbehörde Zusammenschaltungsvereinbarungen ersetzt, für die ein marktbeherrschendes Unternehmen ein Anbot abzugeben hat, nicht nur - wie bei der nachträglichen Überprüfung der Vereinbarungen marktbeherrschender Unternehmen nach § 34 TKG - die Nichtdiskriminierung zu überprüfen ist, sondern auch die Entgelte "kostenorientiert" festzulegen sind und die marktbeherrschenden Unternehmen verpflichtet sind, ihre Kostenrechnung offenzulegen und Einsicht in die Unterlagen zu gewähren (vgl §§ 45, 46 TKG).
Es ist daher verständlich, daß die Antragstellerin ihrerseits die von ihr nachgefragten Sonderdienste der Antragsgegnerin als Zusammenschaltleistungen iSd TKG gewertet wissen will, weil sie dann die Entgelte hiefür nur "kostenorientiert" zu leisten hat, die marktbeherrschende Antragsgegnerin diese Sonderdienste aus gerade diesem Grund aber nicht den Regeln über die Zusammenschaltung unterworfen wissen will.
Der für die Klärung dieser Frage primär vorgesehene - und zeitlich auch durchaus beschreitbare - Weg wäre gewesen, nach dem Scheitern der Verhandlungen mit der Antragsgegnerin im Frühsommer 1998 die Regulierungsbehörde anzurufen und eine Entscheidung iSd § 41 Abs 3 TKG zu begehren. Diesen Weg hat die Antragstellerin aber vorerst nicht beschritten. Weil sie an einem schnellen Vertragsabschluß mit der Antragsgegnerin interessiert war, sich aber dennoch die Möglichkeit einer nachträglichen Überprüfung der Verträge durch die Regulierungsbehörde auch im Hinblick auf die Kostenorientiertheit offenhalten wollte, kam sie auf die Idee, die Antragsgegnerin zur Vereinbarung der oben wiedergegebenen "Öffnungsklausel" im Sinn der Ausführungen der Regulierungsbehörde im Fall Z 1/97 (S 23 ff) zu veranlassen; auch hierüber kam keine Einigung mit der Antragsgegnerin zustande.
Schließlich beantragte die Antragstellerin Mitte September 1998 bei der Regulierungsbehörde, es möge angeordnet werden, daß in die mit der Antragsgegnerin künftig zu schließenden Verträge eine derartige Klausel aufgenommen werde. Diesen an sich zulässigen Antrag lehnte die Regulierungsbehörde zwischenzeitig mit Bescheid vom 26. 11. 1998, Z 8/98, mit der Begründung ab, daß die beantragte Teilanordnung lediglich der Festlegung einer einzelnen Vertragsklausel, die noch dazu eine bloße Nebenabrede beträfe, bezwecke und nicht geeignet wäre, eine vertragliche Vereinbarung über die Zusammenschaltung zu ersetzen, weil die sonstigen Vertragsteile zwar erörtert, jedoch kein Konsens darüber hergestellt wurde, daß diese Entwürfe unabhängig von der Entscheidung der Regulierungsbehörde über die Öffnungsklausel zwischen ihnen als vereinbart gelten sollten. Hierauf stellte die Antragstellerin doch am 4. 12. 1998 den schon im Sommer 1998 - also beinahe ein halbes Jahr früher - möglichen Antrag auf Erlassung einer Zusammenschaltungsanordnung über den die Regulierungsbehörde bereits mit Bescheid vom 9. 2. 1999 (Z 12/98) im wesentlichen antragsgemäß entschied: die gewünschten Sonderdienste unterliegen demnach den Regeln über die Zusammenschaltung iSd TKG; die hiefür zu entrichtenden Entgelte wurden festgelegt und der Antragstellerin die gewünschte Öffnungsklausel ab 30. 9. 1999 für die Zeit ab 1. 1. 2000 zugebilligt (S 14, 83 f des Bescheides.
Unter diesem Hintergrund ist zu prüfen, ob der wenige Tage nach der ersten Anrufung der Telekom-Control-Kommission an das Kartellgericht gerichtete Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung nach § 52 Abs 2 iVm § 35 KartG zulässig und berechtigt ist.
§ 32 Abs 2 TKG sieht vor, daß die Zuständigkeiten des Kartellgerichtes unberührt bleiben.
Glas/Vartian (Handbuch Telekommunikationsrecht 113) führen zum Verhältnis TKG und KartG lediglich aus, daß die Parallelgeltung von sektorspezifischen und allgemeinem Wettbewerbsrecht grundsätzlich dann zu Schwierigkeit führen könne, wenn dieselbe Materie unterschiedlich geregelt werde. Eine Regelung, wonach das allgemeine Kartellrecht nur gelte, wenn die sektorenspezifischen Bestimmungen keine Spezialnormen enthielten, sei nicht vorgesehen. Eingehender befaßt sich Tahedl (Kartellrechtlicher Kontrahierungszwang für marktbeherrschende Telekommunikationsunternehmen, ÖBl 1997, 107 ff [112 f] mit diesem Problem; diesbezüglich sind seine Ausführungen zum Entwurf des TKG durchaus aktuell. Der Oberste Gerichtshof teilt seine dort näher begründete Ansicht, daß aus § 32 Abs 2 TKG abgeleitet werden muß, daß bei Vorliegen der jeweiligen Voraussetzungen Mißbrauchsverfahren nach § 35 KartG (einschließlich der vorläufigen Abstellung eines Mißbrauchs durch einstweilige Verfügung nach § 52 Abs 2 KartG) unabhängig von der Möglichkeit, Mißbräuche nach dem TKG abstellen zu lassen, geführt werden können, auch wenn dies zu teilweise überlappenden Verfahren führt (vgl auch die sich teilweise überschneidenden Verfahren nach § 35 KartG und dem UWG). Diese Meinung teilt auch Schroeder (Telekommunikationsgesetz und GWB, WuW 1999, 14 ff) in Bezug auf die gleichlautende Bestimmung des § 2 Abs 3 dTKG. Zwar vertritt Möschel (in FIW-Schriftenreihe Heft 177, Multimedia: Kommunikation ohne Grenzen - Grenzenloser Wettbewerb? 53 f [54 f]) dazu zusammengefaßt die These von einer Spezialität des TKG im Verhältnis zum GWB, sodaß letztlich allgemeines Wettbewerbsrecht und insbesondere das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen subsidiär immer dann Anwendung finde, wenn keine Spezialregelung getroffen sei. Gegen die Richtigkeit dieser These spricht die Mitteilung der Kommission zur Anwendung der Wettbewerbsregeln auf Zugangsvereinbarungen im Telekommunikationsbereich (ABl C 76/9 vom 11. 3. 1997, 9 ff), die zwar nicht bindend ist, aber ihre grundsätzliche Haltung bei der wettbewerbsrechtlichen Beurteilung von Praktiken im Telekommunikationsbereich zum Ausdruck bringt. Die Kommission ist entschlossen, Zugangs- bzw Zusammenschaltungsverweigerungen marktmächtiger Telekommunikationsunternehmen auch nach wettbewerbs- bzw kartellrechtlichen Maßstäben zu beurteilen und die entsprechenden Verpflichtungen konkret durchzusetzen, auch wenn unnötige Überschneidungen von Verfahren tunlichst vermieden werden sollen (vgl dazu näheres Tahedl aaO 115 f).
Die Mißbrauchsbestimmung des § 34 Abs 3 TKG ist prima vista enger formuliert als § 35 KartG. Eine Abstellung des Mißbrauchs ist expressis verbis nur vorgesehen, wenn ein marktbeherrschendes Unternehmen gegen den Kontrahierungszwang unter Verletzung des Grundsatzes der Nichtdiskriminierung verstößt. Ein derartiger Verstoß wird von der Antragstellerin gar nicht behauptet. Sie geht vielmehr davon aus, daß die Antragsgegnerin bereit sei, mit allen Betreibern Verträge hinsichtlich der Sonderdienste abzuschließen, sie aber in allen ihren Verträgen derartige Öffnungsklauseln ablehne. Sie vertrete gegenüber allen Betreibern den Standpunkt, daß es sich bei den begehrten Zusammenschaltleistungen um keine iSd TKG und der Zusammenschaltungsrichtlinie 97/33/EG handle, daß es aber allen Betreibern, die eine derartige Zusammenschaltung anstreben, freistehe, nach § 41 Abs 2 TKG vorzugehen und von der Regulierungsbehörde diese Frage klären zu lassen. Ob die Weigerung, die strittige Öffnungsklausel in ihre Verträge aufzunehmen, auch gegen § 34 Abs 3 TKG verstoßen könnte (vgl Bescheid der Telekom-Control-Kommission Z 1/97 S 24 vorletzter Abs), ist hier nicht zu untersuchen, weil in diesem kartellrechtlichen Verfahren nur zu prüfen ist, ob ein Verstoß gegen § 35 KartG bescheinigt ist, der die Erlassung einer einstweiligen Verfügung rechtfertigen könnte.
Der Mißbrauchsbegriff des § 35 KartG entspricht fast zur Gänze dem des Art 86 EGV. Hier wie dort wird dieser Begriff durch einen inhaltsgleichen Beispielskatalog erläutert. Hier wie dort ist schon aufgrund der sprachlichen Fassung der Bestimmung davon auszugehen, daß es sich bei diesem Katalog nicht um eine abschließende, sondern bloß um eine beispielhafte Konkretisierung handelt. Unter die beispielshaft aufgezählten Fälle ist der behauptete Mißbrauch der marktbeherrschenden Stellung der Antragsgegnerin (Weigerung die von der Antragstellerin begehrte Öffnungsklausel freiwillig in ihre Verträge aufzunehmen) jedenfalls nicht zu subsumieren, auch nicht unter die bisher von der Rechtsprechung anerkannten Fälle (näheres siehe Koppensteiner, aaO 231 ff mit vielen Beispielen; Barfuß/Wollmann/Tahedl, Österreichisches Kartellrecht 38 ff; Tahedl,
Der Mißbrauch marktbeherrschender Stellung im österreichischen Kartellrecht 138 ff). Am ehesten könnte die von der Antragstellerin inkriminierte Weigerung der Aufnahme einer Öffnungsklausel noch unter den Mißbrauch durch Abschlußverweigerung zu angemessenen Bedingungen subsumiert werden, die zur Anordnung eines Vertragsabschlusses zu angemessenen Bedingungen, einschließlich der Anordnung einer einstweiligen Verfügung führen könnte (vgl Tahedl, ÖBl 1997, 112, 114).
Zweck der Mißbrauchsbestimmung ist, konkrete Verhaltensweisen im wirtschaftlichen Wettbewerb, die sich negativ auf dem Markt auswirken können, zu unterbinden. Als mißbräuchlich werden sämtliche Verhaltensweisen eines Unternehmers in beherrschender Stellung bezeichnet, welche die Strukturen eines Marktes beeinflussen können, auf dem der Wettbewerb gerade wegen der Anwesenheit des fraglichen Unternehmers bereits geschwächt ist und die Aufrechterhaltung des auf dem Markt noch bestehenden Wettbewerbs oder dessen Entwicklung durch die Verwendung von Mitteln behindern, die von den Mitteln eines normalen Produkt- oder Dienstleistungswettbewerbs auf der Grundlage der Leistungen der Marktbürger abweichen. Ein Mißbrauch einer marktbeherrschenden Stellung liegt somit ganz allgemein dann vor, wenn ein den anderen Marktteilnehmern wirtschaftlich überlegener Unternehmer auf das Marktgeschehen in einer Weise Einfluß nimmt, die negative Auswirkungen auf die Markt- und Wettbewerbsverhältnisse befürchten läßt. Es ist nicht erforderlich, daß der Marktbeherrscher, um sein Verhalten umzusetzen, auf andere Marktteilnehmer aktiv Druck ausübt. Es genügt, daß der Marktbeherrscher seinen aus der Abhängigkeit des Partners resultierenden Handlungsspielraum "wahrnimmt". Bei der Prüfung, ob eine mißbräuchliche Ausnützung einer marktbeherrschenden Stellung vorliegt, ist jedoch stets eine sorgfältige Abwägung der einander widerstreitenden Interessen vorzunehmen (für alle Barfuß/Wollmann/Tahedl 97 f).
Wo Monopolstellungen oder Quasimonopolstellungen vorliegen, wird ein Kontrahierungszwang teilweise gesetzlich angeordnet (Koppensteiner aaO 244). Ein solcher Fall liegt hier vor. § 41 TKG sieht einen Kontrahierungszwang bei Zusammenschaltungen ganz allgemein, unabhängig von einer marktbeherrschenden Stellung vor und regelt genau, wie vorzugehen ist, wenn sich die Betreiber nicht vertraglich einigen können (siehe oben). Dieses Verfahren ist äußerst straff und effektiv ausgestaltet (§ 41 Abs 3 TKG). Eine Entscheidung der Regulierungsbehörde hat binnen kürzester Zeit (6, bei Verlängerung höchstens 10 Wochen ab Anrufung) zu erfolgen und unterliegt keinem weiteren Rechtszug (§ 115 Abs 2 TKG iVm Art 133 Z 4 B-VG). Wenn auch das TKG - wohl aus guten Gründen, die in der Natur der hier zu treffenden Anordnungen liegen - keine einstweiligen Maßnahmen vorsieht, hat es ein so straffes Verfahren geschaffen, welches eine Entscheidung in so kurzer Zeit herbeiführt, daß einstweilige Verfügungen nach dem KartG, nur weil es der Bewerber "eilig" hat, an sich unnötig sind.
Im vorliegenden Fall hat sich die Antragstellerin ganz alleine selbst zuzuschreiben, daß sie in Zeitnot gekommen ist. Abgesehen davon, daß sie bei Beginn ihrer Werbekampagne den absehbaren Zeitfaktor hätte leicht berücksichtigen können, wäre ihr selbst bei dem von ihr ins Auge gefaßten Betriebstermin möglich gewesen, eine entsprechende Entscheidung der Regulierungsbehörde herbeizuführen, wenn sie die in § 41 TKG vorgesehene Vorgangsweise eingehalten und sich nicht auf Nebengeleise begeben hätte. Wie sich im vorliegenden Fall deutlich zeigt, entschied die Regulierungsbehörde über den dort gestellten Parallelantrag nach dem TKG weit schneller als es in einem zweiinstanzlichen Kartellverfahren schon aufgrund der jeweils vierwöchentlichen Rekurs- und Gegenäußerungsfrist (§ 53 Abs 2 KartG) je geschehen kann. Eine kartellrechtlich relevante Zwangslage könnte nur dann vorliegen, wenn bescheinigt wäre, daß die Antragsgegnerin diese von der Antragstellerin selbst herbeigeführte Drucksituation mißbräuchlich ausgenützt hat. Dazu bedarf es aber, wie erwähnt, einer Interessensabwägung.
Es sind die Interessen der Antragsgegnerin, die zu ihrer Weigerung führen, die begehrte Öffnungsklausel freiwillig in ihre Verträge aufzunehmen, zu berücksichtigen und gegen die Interessen der Antragstellerin abzuwägen. Würde die Antragsgegnerin freiwillig - oder mit den Mitteln des Kartellrechts gezwungen - die begehrte Öffnungsklausel in ihre Verträge aufnehmen, hätte sie sich auf Dauer ihres Rechtsstandpunkts begeben, daß die begehrten Sonderdienste nicht einer Prüfung der Kostenorientiertheit durch die Regulierungsbehörde unterliegen, weil sie sich durch diese Klausel freiwillig - oder mittels Anordnung durch das Kartellgericht - einer solchen Kontrolle unterwerfen würde. Wenn sich die Antragsgegnerin weigert, eine solche Öffnungsklausel in ihre Verträge aufzunehmen, und die Antragstellerin auf das vorgesehene und dieser auch zeitlich zumutbare Verfahren nach § 41 TKG verweist, ist das das gute Recht jedes Betreibers eines Telekommunikationsnetzes: In diesem Verfahren kann, ohne daß die Antragsgegnerin bereits präjudiziert wäre, geklärt werden, ob die begehrten Sonderdienste den Regeln über die Zusammenschaltung nach dem TKG unterliegen und daher eine kostenorientierte Festlegung der Entgelte durch die Regulierungsbehörde zu erfolgen hat, und im Sinne des Bescheides der Telekom-Control-Kommission, Z 1/97 S 24, versucht werden, die Überprüfung der kostenorientierten Festlegung der Entgelte auf einen späteren Zeitpunkt verschieben zu lassen.
Stellt man die dargestellten Interessen gegenüber, muß im vorliegenden Fall die Interessensabwägung zu Gunsten der Antragsgegnerin ausfallen: Sie konnte gewichtige Gründe für ihre Weigerung bescheinigen, denen keine gleich wichtigen der Antragstellerin gegenüberstehen. Zusammenfassend ergibt sich daher, daß es der Antragstellerin nicht gelungen ist, einen Mißbrauch der marktbeherrschenden Stellung der Antragsgegnerin zu bescheinigen.
4. Es erübrigt sich daher, auf die weiteren im Rekurs erhobenen Einwände und sonstigen Bedenken (vgl die Begründung des Bescheides der Telekom-Control-Kommission vom 26. 11. 1998, Z 8/98) gegen die Zulässigkeit der einstweiligen Verfügung in der beantragten oder erlassenen Form einzugehen.
Der angefochtene Beschluß war daher spruchgemäß abzuändern und der Antrag auf Erlassung der begehrten einstweiligen Verfügung abzuweisen.
Unterliegt die gefährdete Partei, dann ist das Provisorialverfahren als ein vom Hauptverfahren losgelöster Zwischenstreit anzusehen, bezüglich dessen nicht § 393 EO, sondern § 45 KartG iVm §§ 402, 78 EO, §§ 40 ff ZPO zur Anwendung kommt (MGA EO12 § 393/E 7 ff), sodaß die Antragstellerin der Antragsgegnerin die Kosten des Provisorialverfahrens zu ersetzen hat.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)