OGH 9ObA358/98g

OGH9ObA358/98g24.2.1999

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Maier als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Steinbauer und Dr. Spenling sowie durch die fachkundigen Laienrichter Dr. Othmar Roniger und Dr. Heinz Nagelreiter als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei A***** und S***** GesmbH, ***** vertreten durch Dr. Franz Havlicek, Rechtsanwalt in Hollabrunn, wider die beklagte Partei Gerhard A*****, Angestellter, ***** vertreten durch Dr. Engelbert Reis, Rechtsanwalt in Horn, wegen S 548.917,21 sA (Revisionsinteresse S 433.917,21 sA), infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 28. September 1998, GZ 8 Ra 205/98w-34, womit infolge Berufung des Beklagten das Urteil des Landesgerichtes Korneuburg als Arbeits- und Sozialgericht vom 13. März 1998, GZ 7 Cga 109/95b-29, teilweise bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 19.080 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten S 3.180 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin begehrt nach mehrfacher Ausdehnung den Zuspruch von S 548.917,21 netto sA für vom Beklagten als Gesellschafter und Geschäftsführer der Klägerin in Mißbrauch der Geschäftsführung unberechtigt entnommene Beträge.

Der Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens wegen fehlender Klagelegitimation infolge Nichtvorliegens eines Gesellschafterbeschlusses und bestritt die unberechtigte Entnahme von Geldern der GmbH. Er wendete Gegenforderungen von S 155.000 an ausstehenden Geschäftsführergehältern für 1994 und 1995, S 44.571 für die Zahlung von Körperschaftssteuern durch den Beklagten für die Klägerin an das Finanzamt und S 53.254,53 an Sozialversicherungsbeiträgen, die er für sich selbst gezahlt habe, aber vereinbarungsgemäß seitens der Klägerin zu leisten gewesen wären, kompensando ein.

Das Erstgericht verurteilte den Beklagten zur Zahlung von S 548.917,21 sA und sprach aus, daß die geltend gemachte Gegenforderung nicht zu Recht bestehe.

Nach den Feststellungen war der Beklagte in dem von der Klägerin betriebenen Gastgewerbebetrieb in R***** sowohl Gesellschafter und Geschäftsführer als auch Angestellter. Beide Geschäftsführer waren selbständig vertretungsbefugt. Für die Abgeltung seiner Gesellschafter- und Geschäftsführertätigkeit sollte der Beklagte monatlich S 15.000 erhalten. Der Beklagte war bei der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft als selbständiger Unternehmer gemeldet und hatte seine Sozialversicherungsbeiträge aus eigenem und selbst zu zahlen, ohne daß die GesmbH aufgrund des Gesetzes oder aufgrund einer Vereinbarung hiezu verpflichtet war. Das Finanzamt Hollabrunn verpflichtete den Beklagten mit Bescheid vom 9. 10. 1995 zur Zahlung von etwas mehr als S 50.000 an Einkommensteuer, die er als selbständiger Unternehmer zu tragen hatte. Die Klägerin war auch im Innenverhältnis zur Zahlung dieser Einkommensteuer vertraglich nicht verpflichtet. Außer den dem Beklagten zustehenden monatlichen S 15.000 hat er jedoch immer wieder einzelne Beträge aus der Firmenkassa entnommen. Abgesehen von seiner Entlohnung von S 15.000 hatte er sich unberechtigt S 548.917,21 eigenmächtig zugeeignet.

Das Erstgericht vertrat die Rechtsauffassung, daß der Beklagte die ungerechtfertigten mindestens in Höhe des Klagebetrages getätigten Entnahmen zurückzuerstatten habe. Ungeachtet der Feststellung des Nichtzurechtbestehens der Gegenforderung nahm das Erstgericht in seiner rechtlichen Beurteilung zu den kompensando eingewendeten Gegenforderungen keine Stellung.

Das Berufungsgericht gab der Berufung teilweise Folge, indem es feststellte, daß die Klageforderung mit S 548.917,21 sA und die Gegenforderung mit S 115.000 zu Recht bestünden und der Beklagte schuldig sei, der Klägerin S 433.917,21 sA zu zahlen. Das Berufungsgericht sprach aus, daß die Revision zulässig sei.

In seinen rechtlichen Ausführungen erachtete es zur Geltendmachung eines Ersatzanspruches gegen den Gesellschaftergeschäftsführer zwar grundsätzlich einen Gesellschafterbeschluß als notwendig, nicht jedoch im vorliegenden Einzelfall. Ein solcher Beschluß könne entfallen, wenn es sich um eine bloße Formalität handeln würde. Dies sei der Fall, weil der zweite Gesellschaftergeschäftsführer einer Zweimanngesellschaft bei der gegen ihn geltend zu machenden Ersatzforderung in der Generalversammlung nicht stimmberechtigt sei. Es erachtete die Berufung des Beklagten insoweit für gerechtfertigt, als sich das Erstgericht mit seinem Entgeltanspruch nicht ausreichend auseinandergesetzt habe. Dem Beklagten hätte für die Zeit 1. 1. 1994 bis 31. 12. 1995 ein Entgeltanspruch von S 360.000 zugestanden, worauf ihm lediglich S 245.000 ausgezahlt worden seien. Der mit S 155.000 geltend gemachte Entgeltanspruch bestehe daher mit S 115.000 zu Recht. Obwohl sich das Erstgericht mit den übrigen Gegenforderungen des Beklagten wie den Sozialversicherungsbeiträgen und der Einkommensteuer nicht befaßt habe, erübrige sich eine Stellungnahme hiezu, weil der Beklagte in seiner Rechtsrüge nicht auf diese Einwendungen zurückgekommen sei. Soweit er Sozialversicherungsbeiträge insoweit in der Berufung releviere, als die Klägerin jedenfalls die Unfallversicherungsbeiträge zu tragen gehabt hätte, habe er diese Forderung in erster Instanz nicht geltend gemacht. Desweiteren sei ein Geschäftsführer, der am Stammkapital mit mehr als 25 % beteiligt sei, einkommensteuerpflichtig. Eine Solidarhaftung der GmbH für vom Geschäftsführer geschuldete Einkommensteuer sei nicht gegeben.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision des Beklagten wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung der Sache und dem Antrag, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Arbeitsrechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht, allenfalls an das Erstgericht zurückzuverweisen; hilfsweise wird ein Abänderungsantrag gestellt.

Die klagende Partei beantragt, der Revision des Beklagten keine Folge zu geben.

Die Revision ist zwar zulässig, aber nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Strittig ist, ob der nach Lehre und Rechtsprechung bei Geltendmachung von Ersatzansprüchen gegen einen Geschäftsführer oder Gesellschafter erforderliche Gesellschafterbeschluß immer zwingend und unabdingbar ein materielles Anspruchserfordernis ist (Reich-Rohrwig, Das österreichische GmbH-Recht2 I Rz 2/394; Koppensteiner, GmbH-Gesetz Kommentar Rz 32 f zu § 35; Lutter/Hommelhoff, (D) GmbH-Gesetz, Kommentar14 Rz 21 zu § 46; Schmidt in Scholz Kommentar zum (D) GmbH-Gesetz8 Rz 152 ff zu § 46; Rowedder (deutsches) Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbHG) Rz 34 zu § 46; RdW 1990, 285 = ecolex 1990, 357; WBl 1996, 410 = ecolex 1997, 101; 9 ObA 86/98g).

Die Behauptungs- und Beweislast der GmbH für das Vorliegen eines Gesellschafterbeschlusses wird zwar über entsprechende Einwendung des Beklagten ausgelöst (RdW 1990, 285 = ecolex 1990, 357; WBl 1996, 410 = ecolex 1997, 101; 9 ObA 86/98g); es ist aber dann nicht entscheidend, ob das Bestehen eines Gesellschafterbeschlusses bewiesen wird, wenn er im Einzelfall nicht erforderlich ist. Ein Gesellschafterbeschluß bedarf keiner besonderen Formvorschriften und kann auch außerhalb einer Generalversammlung und ohne schriftliche Abstimmung gefaßt werden, wenn die Gesellschafter in ihrem Willen übereinstimmen und dies erklären. Die Beschlußfassung bedürfte sogar im Falle einer Klage der durch den Alleingesellschaftergeschäftsführer vertretenen Gesellschaft keines weiteren Formalaktes (RdW 1990, 285 = ecolex 1990, 357; 9 ObA 36/98d mwN).

Das Berufungsgericht hat im Sinne der Lehre in Fällen, in denen das Beschlußerfordernis bloße Formalität, ein überflüssiger Umweg wäre, die Entbehrlichkeit eines Gesellschafterbeschlusses bejaht (Koppensteiner aaO Rz 35 zu § 35; Rowedder aaO Rz 35 zu § 46; insbesondere Schmidt aaO Rz 153 zu § 46). Dieser Auffassung schließt sich auch der erkennende Senat an. Wenn in einer Zweimann-GesmbH wie im vorliegenden Fall beide Gesellschafter selbständig vertretungsbefugte Geschäftsführer sind, kann jeder aufgrund eigenen Entschlusses namens der GmbH gegen den anderen Ersatzansprüche wegen Verletzung der Geschäftsführerpflichten erheben. Dieser Ersatzanspruch der GmbH kann nicht ernstlich als die Zuwendung eines persönlichen Vorteiles im Sinne des § 39 Abs 4 GmbHG angesehen werden, der ein Stimmverbot bewirken würde.

Hingegen ist der Gesellschaftergeschäftsführer gemäß § 39 Abs 4 GmbHG vom Stimmrecht ausgeschlossen, wenn gegen ihn Ansprüche aus seiner Geschäftsführung geltend gemacht werden sollen. Er ist daher bei Beschlüssen, die die Einleitung oder Erledigung eines Rechtsstreites zwischen der Gesellschaft und dem Gesellschafter betreffen, wegen des Verbotes des Richtens in eigener Sache von der Abstimmung ausgeschlossen (Koppensteiner aaO Rz 43 zu § 39; Schmidt aaO Rz 155 zu § 46, Rz 132 zu § 47; Rowedder aaO Rz 37 zu § 46, Rz 62 zu § 47; SZ 25/200, SZ 58/88, vgl auch 9 ObA 302/92).

Gesellschafterbeschlüsse werden in der Generalversammlung mit einfacher Mehrheit der abgegebenen Stimmen gefaßt (§ 39 Abs 1 GmbHG). Beschlußfähig ist die Generalversammlung nach § 38 Abs 6 GmbHG, wenn wenigstens der zehnte Teil des Stammkapitals vertreten ist. Bei der Klägerin war daher bei einer Stammeinlage von je S 250.000 die Beschlußfähigkeit der Generalversammlung auch nur bei Vertretung durch einen Gesellschafter gegeben. Zur Ermittlung des Beschlußergebnisses sind die Anzahl der abgegebenen Ja- und Nein-Stimmen zu zählen (Koppensteiner aaO Rz 6 zu § 39, Rowedder aaO Rz 8 zu § 47; Lutter/Hommelhoff aaO Rz 4 zu § 47). Erscheint nur ein Gesellschafter, so beschließt er allein (Schmidt aaO Rz 3 zu § 47). Der vom Stimmrecht ausgeschlossene Gesellschafter stimmt nicht mit (Schmidt aaO Rz 175 zu § 47). Bei Berechnung der abgegebenen Stimmen bleiben die Stimmen der mit einem Stimmverbot belegten Gesellschafter unberücksichtigt (Lutter/Hommelhoff aaO Rz 25 zu § 47).

Daraus folgt, daß die Abhaltung einer förmlichen Generalversammlung mit Abstimmung über einen Beschluß, gegen den Beklagten Ersatzansprüche geltend zu machen, lediglich ein zeitverzögernder das Ergebnis nicht verhinderbarer Umweg, sohin eine (überflüssige) bloße Formalität gewesen wäre. Der zweite Gesellschafter und selbständig vertretungsbefugte Geschäftsführer ist auch bei Abhaltung einer förmlichen Generalversammlung mit Abstimmung nicht verhindert, den Anspruch gegen den Beklagten aus seiner Geschäftsführung namens der GmbH geltend zu machen.

Da dem Beklagten nach den Feststellungen ein monatlicher Entgeltanspruch von S 15.000 - ohne Bestehen einer Verpflichtung der GmbH zur Zahlung von Sozialversicherungsbeiträgen und Einkommensteuer - sohin für den Zeitraum 1. 1. 1994 bis 31. 12. 1995 ein Betrag von S 360.000 zustand, ihm S 245.000 ausgezahlt wurden, hat das Berufungsgericht zu Recht lediglich die Differenz von S 115.000 von der mit S 155.000 kompensando geltend gemachten Gegenforderung berücksichtigt. Es hat im Gegensatz zu den Revisionsausführungen diese Gegenforderung damit zur Gänze behandelt. Was die vom Beklagten eingewendete Zahlung von Körperschaftssteuer von S 44.571 für die Klägerin betrifft, so hat der Beklagte diese Einwendung in der Berufung nicht aufrechterhalten, sondern lediglich Ausführungen zur Einkommensteuer erstattet. Dieser in der Berufung nicht mehr aufrechterhaltene Einwand kann somit nicht mehr Gegenstand des Revisionsverfahrens sein (RZ 1995/93).

Weiters steht fest, daß der Beklagte nach dem GSVG sozialversichert war und die Klägerin keine Verpflichtung zur Zahlung der Sozialversicherungsbeiträge traf. Den Einwand, daß die Klägerin die Sozialversicherungsbeträge von S 53.254,53 zu zahlen hätte, hielt der Beklagte in der Berufung in Abweichung seines Vorbringens vor dem Erstgericht lediglich insoweit aufrecht, als die Klägerin jedenfalls zur Zahlung des Unfallversicherungsbeitrages verpflichtet gewesen wäre. Eine entsprechende und aufgeschlüsselte Forderung hat er in erster Instanz jedoch nicht erhoben. Daher gilt auch für die nicht in der Berufung, sondern erst in der Revision geltend gemachte Rüge, daß diese Forderung vom Berufungsgericht nicht behandelt worden wäre, daß sie mangels Geltendmachung in der Berufung nicht mehr Gegenstand des Revisionsverfahrens sein kann.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 Abs 1 ZPO.

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