Spruch:
Dem Rekurs wird Folge gegeben.
Der Aufhebungsbeschluß des Berufungsgerichtes wird aufgehoben und in der Sache selbst erkannt, daß das Ersturteil wiederhergestellt wird.
Die beklagten Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der klagenden Partei die mit S 39.300,45 (darin enthalten S 14.575,-- Barauslagen und S 4.120,91 USt) bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Am 20. 1. 1997 verschuldete der ursprüngliche Erstbeklagte Andreas W***** im Rahmen einer Schwarzfahrt in Steyr als Lenker des von der Zweitbeklagten gehaltenen und bei der drittbeklagten Partei haftpflichtversicherten PKWs Mitsubishi Colt einen Verkehrsunfall, indem er gegen den entgegenkommenden PKW der Klägerin stieß. Das Alleinverschulden an diesem Unfall trifft den Erstbeklagten.
Vor dieser Schwarzfahrt hatte die Zweitbeklagte ihren PKW auf den Firmenparkplatz ihres Arbeitgebers, der Firma H***** in Seewalchen abgestellt und versperrt. Im Betriebsgelände dieser Firma steht den Dienstnehmern ein gemeinsamer Aufenthalts- und Umkleideraum zur Verfügung, wobei jeder Dienstnehmer einen eigenen versperrbaren Kleiderspind hat. Die Zweitbeklagte gab ihre Autoschlüssel in ihre Jacke und ließ diese samt dem darin befindlichen Autoschlüssel in diesem Umkleideraum an der Tür ihres unversperrten Kleiderspinds außen hängen. Von dort hatte sich der Erstbeklagte die Autoschlüssel der Zweitbeklagten widerrechtlich angeeignet und bei der darauffolgenden Schwarzfahrt den Verkehrsunfall verschuldet.
Die Klägerin begehrt von den drei Beklagten zur ungeteilten Hand die Bezahlung ihrer Schäden. Sie brachte vor, die Zweitbeklagte habe es als Fahrzeughalterin fahrlässig ermöglicht, daß sich der Erstbeklagte in den Besitz des Fahrzeuges habe setzen können. Sie habe die unbefugte Inbetriebnahme durch den Erstbeklagten sorglos ermöglicht, weil sie die Jacke mit dem Autoschlüssel nicht in ihrem Kleiderspind versperrt, sondern auf der Spindtür außen hängen gelassen habe. Die Erstbeklagte sei kurzfristig bei der Dienstgeberin der Zweitbeklagten beschäftigt und mit den Gegebenheiten dieser Firma vertraut gewesen (AS 15). Er habe zunächst auf dem Parkplatzgelände nach unversperrten Fahrzeugen gesucht und darauf den Aufenthaltsraum aufgesucht, der wie immer unversperrt und für jedermann zugänglich gewesen sei.
Gegen den Erstbeklagten erging ein rechtskräftiges Versäumungsurteil
Die zweit- und drittbeklagte Partei beantragten die Abweisung des Klagebegehrens. Die Schwarzfahrt sei weder ermöglicht nocht begünstigt worden. Die Zweitbeklagte habe ihren PKW am Firmenparkplatz versperrt und die Autoschlüssel in ihrer Jacke im Umkleideraum belassen. Die Erstbeklagte habe sich in das Firmengelände und in den Umkleideraum geschlichen und sich dort die Autoschlüssel angeeignet. Der Eingang in den Umkleideraum sei nicht für jedermann zugänglich, sondern nur über den Innenhof des Betriebsgeländes erreichbar.
Das Erstgericht gab ausgehend vom eingangs wiedergegebenen Sachverhalt dem Klagebegehren statt. Die Zweitbeklagte als Halterin eines Fahrzeuges habe zwar alle technischen Einrichtungen eines Kraftfahrzeuges ausgenutzt, um der Inbetriebnahme durch Unbefugte ein beträchtliches Hindernis entgegenzusetzen, indem sie den Zündschlüssel abgezogen, alle Fenster geschlossen und alle Türen versperrt habe. Sie habe jedoch den Autoschlüssel nicht sicher genug verwahrt. Um den nach § 6 EKHG erforderlichen Anforderungen zu genügen, hätte sie ihre Jacke mit dem sich darin befindlichen Autoschlüssel im Kleiderspind versperren müssen. Dadurch werde die Pflicht der Halterin zur Sicherung des Fahrzeuges nicht überspannt, weil zum gemeinsamen Umkleideraum nicht nur die Zweitbeklagte, sondern auch alle anderen Arbeitnehmer Zutritt gehabt hätten. Bei einem Raum, zu dem mehrere Personen Zugang hätten, sei es erforderlich und zumutbar gewesen, die Jacke im Kleiderspind zu versperren.
Das von der zweit- und drittbeklagten Partei angerufene Berufungsgericht hob dieses Urteil zur ergänzenden Verhandlung und neuerlichen Entscheidung auf. Es sprach aus, daß der Rekurs gegen den Aufhebungsbeschluß zulässig sei.
Rechtlich erörterte es, daß der Halter bis zur Grenze des unabwendbaren Zufalls alles tun müsse, was in billiger Weise zur Verhinderung von Schwarzfahrten zugemutet werden könne. Dabei seien an die Sorgfaltspflicht des Halters die strengsten Anforderungen zu stellen, doch dürfe seine Pflicht zur Sicherung des Fahrzeuges gegen unbefugte Inbetriebnahme nicht überspannt werden. Die Sicherungsmaßnahmen müßten nicht nur möglich, sondern nach den konkreten Umständen des Einzelfalles als erforderlich erkennbar und zumutbar sein. Der Oberste Gerichtshof habe bereits ausgesprochen, daß durch das Aufhängen einer Jacke mit den darin befindlichen Autoschlüsseln in einer allgemein zugänglichen und nicht ständig beaufsichtigten Garderobe eine vom Schlüsseldieb durchgeführte Schwarzfahrt schuldhaft ermöglicht sei. Die Klägerin habe aber bereits im Verfahren erster Instanz behauptet, der Erstbeklagte habe sich nicht nur auf den Firmenparkplatz, sondern auch in den Umkleideraum eingeschlichen. Er habe ganz offensichtlich die Bediensteten ihrer Dienstgeberfirma überlistet und sich nur infolge geschickter Vorgangsweise unerkannt in die Firma und in den Umkleideraum eingeschlichen. Hätte das Erstgericht Feststellungen im Sinn dieser Behauptungen getroffen, müsse davon ausgegangen werden, daß die Verwahrung der Autoschlüssel einer Verwahrung in einer Garderobe gleichkomme.
Das Berufungsgericht trug daher dem Erstgericht weitere Feststellungen über die Situierung der Garderobe und deren Sicherung gegen das Betreten Unbefugter auf. Es sei zwar theoretisch denkbar, daß ein Firmenangehöriger, also ein Arbeitskollege der Klägerin sich die Autoschlüssel für eine Schwarzfahrt aneigne, doch treffe dies auf den vorliegenden Fall nicht zu.
Rechtliche Beurteilung
Der gegen diesen Aufhebungsbeschluß gerichtete Rekurs der Klägerin ist berechtigt.
Nach Ansicht des erkennenden Senates bedarf es der weiteren vom Berufungsgericht als erforderlich erachteten Feststellungen nicht, weil bereits aufgrund des vorliegenden Sachverhaltes im Sinne einer Wiederherstellung die erstgerichtliche Entscheidung entschieden werden kann.
Gemäß § 6 Abs 1 EKHG haftet der Halter oder Betriebsunternehmer eines Fahrzeuges für den Ersatz eines Schadens dann nicht, wenn jemand zur Zeit des Unfalles das Verkehrsmittel der Eisenbahn ohne den Willen des Betriebsunternehmers oder das KFZ ohne den Willen des Halters benutzt. Anstelle des Halters oder Betriebsunternehmers tritt also derjenige, der die Schwarzfahrt mit dem Fahrzeug oder mit der Eisenbahn unternimmt. Mit dem eigenmächtigen Schwarzfahrer haften der Betriebsunternehmer der Eisenbahn und der Halter des KFZ allerdings solidarisch, wenn sie selbst oder ihr Betriebsgehilfe die Schwarzfahrt schuldhaft ermöglicht haben, dh eine für die unbefugte Benützung günstige Bedingung gesetzt haben (Apathy, Komm z EKHG Rz 13 zu § 6 mwN). Dabei sind an die Sorgfaltspflicht des Halters strengste Anforderungen zu stellen; er muß bis zur Grenze des unabwendbaren Zufalls alles tun, was ihm nach den konkreten Umständen des Einzelfalls zur Verhütung von Schwarzfahrten erforderlich erscheinen muß und zugemutet werden kann (Apathy aaO Rz 17 zu § 6; Koziol Haftpflichtrecht II2, 539 jeweils mwN). Für die Beurteilung der Frage, ob der Halter die ihn treffende Sorgfaltspflicht erfüllt hat, sind jeweils die Umstände des Einzelfalls maßgeblich (ZVR 1978/78; EvBl 1997/79 = ZVR 1998/2); die Pflicht des Fahrzeughalters zur Sicherung des Fahrzeuges darf allerdings nicht überspannt werden, die Sicherungsmaßnahmen müssen jedenfalls auch zumutbar sein (Koziol aaO 540 mwN; ZVR 1985/174). Der Oberste Gerichtshof hat bereits ausgesprochen, daß das ungesicherte Zurücklassen von Fahrzeugschlüsseln in einem Raum, zu dem eine Vielzahl von Personen Zutritt haben, der dem Fahrzeughalter zumutbaren Verpflichtung zur Vermeidung von Schwarzfahrten widerspricht (ZVR 1977/18 auch ZVR 1975/200). Im gleichen Sinn wurde entschieden, daß das Aufhängen einer Jacke mit den darin befindlichen Autoschlüsseln in einer allgemein zugänglichen und nicht ständig beaufsichtigten Garderobe eine Schwarzfahrt durch den Schlüsseldieb schuldhaft ermöglicht (ZVR 1997/143). In der Entscheidung EvBl 1997/79 = ZVR 1998/2 wurde festgehalten, daß die dem Fahrzeughalter zumutbare Verwahrungspflicht dann nicht verletzt worden sei, wenn er seinen Mantel mit den darin befindlichen Autoschlüsseln in der - offensichtlich durch eine Garderobierin bewachten und nicht allgemein zugänglichen - Garderobe einer Discothek abgegeben hatte.
Ganz allgemein wurde ausgesprochen, daß ein besonderes Maß an Sorgfalt und Vorsicht dann verlangt werden muß, wenn mit der Möglichkeit einer Schwarzfahrt durch Personen gerechnet werden muß, die mit dem Fahrzeughalter in einer besonderen, eine solche Fahrt erleichternden Beziehung stehen oder standen wie zB Angehörige oder mit den Verhältnissen in einer Betriebsstätte vertraute Personen (vgl die in Danzl EKHG6 § 6 unter E 34 abgedruckten Entscheidungen).
Im vorliegenden Fall ist von Bedeutung, daß der Fahrzeughalterin von ihrem Dienstgeber in einem An- bzw Umkleideraum ein versperrbarer Spind zur Verfügung gestellt wurde und sie dennoch ihre Jacke an der unversperrten Türe des Kleiderspindes außen hängen ließ. Damit hat sie zunächst ihrer grundsätzlichen Verpflichtung, die Autoschlüssel sorgfältig zu verwahren, nicht entsprochen, weil sie auch mit dem Diebstahl der Fahrzeugschlüssel durch Betriebsangehörige rechnen mußte. Dazu kommt noch, daß der Schwarzfahrer ein ehemaliger Betriebsangehöriger des Betriebes der Halterin war und mit den Gebenenheiten des Betriebes vertraut war. Dies hat zwar in den Feststellungen keinen Niederschlag gefunden, doch wurde dem diesbezüglichen ausdrücklichen Vorbringen der Klägerin nicht widersprochen, so daß es als zugestanden gewertet werden kann (§ 267 Abs 1 ZPO). Da die Fahrzeughalterin eine jedermann leicht einsichtbare Maßnahme (Zurücklassen der Kleiderschlüssel im versperrten Spind) nicht getroffen und sie damit eine für die unbefugte Benützung günstigere Bedingungen gesetzt hat, bedurfte es nicht der vom Berufungsgericht erforderlich erachteten ergänzenden Feststellungen.
Der Sachverhalt ist daher spruchreif im Sinne der Wiederherstellung des Erstgerichtes (§ 519 Abs 2 letzter Satz ZPO).
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.
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