OGH 2Ob342/98b

OGH2Ob342/98b14.1.1999

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Niederreiter als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schinko, Dr. Tittel, Dr. Baumann und Hon. Prof. Dr. Danzl als weitere Richter in der Verlassenschaftssache nach der am 17. März 1995 verstorbenen Theresia F*****, infolge Revisionsrekurses der Erben 1. Erna B*****, 2. Inge B*****, 3. Josefa D*****, 4. David W***** und 5. Robin J*****, alle vertreten durch Dr. Otto Holter und andere Rechtsanwälte in Grieskirchen, gegen den Beschluß des Landesgerichtes Wels als Rekursgericht vom 16. September 1998, GZ 22 R 267/98s-60, womit infolge Rekurses dieser Erben der Beschluß des Bezirksgerichtes Wels vom 25. Juni 1998, GZ 1 A 99/95y-54, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung

Der Nachlaß der am 17. 3. 1995 verstorbenen Theresia F***** wurde mit Einantwortungsurkunde vom 20. 11. 1997 den Rechtsmittelwerbern und sechs weiteren Erben, darunter dem Neffen der Erblasserin Franz H*****, zu unterschiedlichen Anteilen eingeantwortet. In dem damals bei Gericht angenommenen Verlassenschaftsinventar schien das PSK-Kapitalsparbuch mit der Nummer ***** mit einem Guthaben von S 1,200.000 nicht auf. Bei der Tagsatzung vor dem Gerichtskommissär am 12. 1. 1996 erklärte der Sohn des ebenfalls verstorbenen Lebensgefährten der Erblasserin Manfred K*****, daß (die Erblasserin) kurz vor ihrem Ableben ihm und ihrem Neffen Franz H***** gegenüber erklärt habe, daß das Sparbuch mit einem Einlagenstand von rund S 1,200.000 Franz H***** gehören soll. Er habe es jedoch erst nach dem Ableben der Erblasserin dem Franz H***** ausgefolgt. Inge und Erna B***** (Erst- und Zweitrechtsmittelwerber) beantragten hierauf, das zum Todestag im Besitz der Erblasserin gewesene Guthaben in die Verlassenschaft einzubeziehen.

Bei einer weiteren Tagsatzung vor dem Gerichtskommissär am 30. 6. 1997 wurden der Besitzstand der Erblasserin an Sparbüchern zum Todestag und deren allfällige Einbeziehung in das Verlassenschaftsverfahren sowie die Angaben des Manfred K***** vom 12. 1. 1996 erörtert; Manfred K***** gab ergänzend an, das Sparbuch sei bereits zu Lebzeiten der Erblasserin dem Franz H***** versprochen worden. Es habe sich bis zum Tod der Erblasserin in ihrer Wohnung, die bereits seit 10 Jahren von den Ehegatten K***** benützt worden sei, befunden. Die Erblasserin habe wiederholt erklärt, daß sich Franz H***** das Sparbuch jederzeit abholen könne. Ihm und auch Franz H***** sei das Losungswort bekannt gewesen.

Bei der Errichtung des Hauptinventars in der Tagsatzung vom 31. 10. 1997 vor dem Gerichtskommissär wurde das angeführte Sparbuch in das Verlassenschaftsinventar nicht aufgenommen und überhaupt nicht erwähnt. Der sodann formulierte Antrag auf Annahme der Erbserklärung und des Inventars sowie auf Einantwortung des Nachlasses wurde von den anwesenden Erben bzw ihren Vertretern, die zugleich auf Rechtsmittel gegen den antragsgemäß ergehenden Beschluß und die Einantwortungsurkunde verzichteten, unterfertigt.

Am 21. 4. 1998 langte beim Erstgericht der Antrag der Rechtsmittelwerber auf Durchführung einer Nachtragsabhandlung im Sinne des § 179 Abs 1 AußStrG ein. Sie beantragten, das Inventar ergänzen zu lassen und ihnen das neu hervorgekommene Verlassenschaftsvermögen, nämlich das Sparbuch mit einem Guthabensstand von zumindest S 1,200.000 zuzuweisen. Dieses Sparbuch habe sich im Zeitpunkt des Ablebens der Erblasserin in deren Besitz befunden. Da es weder im Vermögensbekenntnis noch im Verlassenschaftsinventar aufscheine, handle es sich um vor der Einantwortung nicht bekanntes Verlassenschaftsvermögen.

Das Erstgericht wies diesen Antrag ab, wobei es folgenden Sachverhalt feststellte:

Der Neffe der Erblasserin Franz H***** übersiedelte mit 14 Jahren zu ihr und wurde von ihr großgezogen. Bis zu ihrem Tod hatten die beiden regelmäßig Kontakt. Bereits zu Lebzeiten teilte die Erblasserin Franz H***** mehrmals mit, daß er nach ihrem Tod das Sparbuch mit S 1,200.000 erhalten solle. Sie teilte ihm auch das Losungswort "Franzi" mit. Das Sparbuch befand sich immer im Haus der Erblasserin in Wels.

Kurz vor ihrem Tod besuchten Manfred K*****, seine Gattin und Franz H***** die Erblasserin im Krankenhaus. Dabei bekräftigte sie, daß das Sparbuch Franz H***** zukommen solle. Sie erklärte, daß sich ihr Neffe das "Geld" sofort holen solle. Franz H***** begab sich jedoch trotz dieser Aufforderung nicht sofort in die Wohnung der Erblasserin, um das Sparbuch zu holen. Schließlich wurde es ihm nach dem Ableben der Erblasserin von Manfred K***** ausgefolgt.

In rechtlicher Hinsicht vertrat das Erstgericht die Ansicht, es liege kein nach erfolgter Einantwortung neu hervorgekommenes Verlassenschaftsvermögen vor, weil von dem Sparbuch während des Verlassenschaftsverfahrens bereits mehrfach die Rede gewesen sei.

Das von den im Kopf dieser Entscheidung angeführten Erben angerufene Rekursgericht bestätigte diesen Beschluß und sprach aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei.

Das Rekursgericht schloß sich der Rechtsansicht des Erstgerichtes, es liege kein vorher nicht bekanntes Verlassenschaftsvermögen vor, an. Nach dem Gang des Verlassenschaftsverfahrens sei nämlich bei den Tagsatzungen vor dem Gerichtskommissär mehrfach von dem angeführten Sparbuch die Rede gewesen; es sei allen Beteiligten bekannt gewesen, daß dieses nach dem Tode der Erblasserin von Manfred K***** ihrem Neffen Franz H***** übergeben worden war. Aufgrund der im Akt befindlichen Protokolle des Gerichtskommissärs seien dem Erstgericht diese Umstände bereits vor der Einantwortung bekannt gewesen.

Da das Gesetz weder ausdrücklich noch sonst eindeutig bestimme, was unter dem "vorher nicht bekannten" Verlassenschaftsvermögen im Sinne des § 179 Abs 1 AußStrG zu verstehen sei und dazu auch keine jüngere Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes vorliege, sei der ordentliche Revisionsrekurs zulässig.

Dagegen richtet sich der Revisionsrekurs der oben angeführten Erben mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, daß dem Rekurs Folge gegeben und dem Gericht die Nachtragsabhandlung aufgetragen werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Der Revisionsrekurs ist aus dem vom Rekursgericht aufgezeigten Grund zulässig, er ist aber nicht berechtigt.

In dem Rechtsmittel wird geltend gemacht, von einem "nicht bekannten Verlassenschaftsvermögen" im Sinne des § 179 Abs 1 AußStrG könne nur dann gesprochen werden, wenn das Vermögen dem Gericht bisher nicht bekannt gewesen sei, wobei die Kenntnis nur durch ein Inventar bzw ein eidesstättiges Vermögensbekenntnis erfolgen könne. Dies habe das Landesgericht für ZRS Wien in der Entscheidung vom 9. 10. 1986 (EFSlg 52.891) ausdrücklich ausgesprochen. Jenes Vermögen, welches nicht in die Todfallsaufnahme oder das eidesstättige Vermögensbekenntnis aufgenommen worden sei, sei daher einer Nachtragsabhandlung zuzuführen. Dies entspreche auch dem Sinn und Zweck des Abhandlungsverfahrens. Im gegenständlichen Verlassenschaftsverfahren sei jedoch das streitgegenständliche Sparbuch nicht berücksichtigt worden, es sei weder in der Todfallsaufnahme noch im Vermögensbekenntnis noch im Verlassenschaftsinventar oder im Einantwortungsbeschluß des Erstgerichtes enthalten gewesen. Übereinstimmend mit der oben zitierten Entscheidung des Landesgerichtes für ZRS Wien sei demnach das Sparbuch weder im Inventar noch in einem eidesstättigen Vermögensbekenntnis dem Gericht zur Kenntnis gebracht worden und handle es sich um ein nachträglich hervorgekommenes Verlassenschaftsvermögen.

Rechtliche Beurteilung

Hiezu wurde erwogen:

Gemäß § 179 Abs 1 AußStrG sind, wenn nach erfolgter Einantwortung "ein vorher nicht bekanntes Verlassenschaftsvermögen aufgefunden" wird, nachträglich die erforderlichen Amtshandlungen darüber vorzunehmen (Nachtragsabhandlung). Wie der Oberste Gerichtshof

bereits mehrfach ausgesprochen hat (5 Ob 107/73 = EFSlg 21.369 und

21.382; 5 Ob 139/74 = EFSlg 23.632, 23.645, 23.648) ist ein "vorher

nicht bekanntes Verlassenschaftsvermögen" ein solches, das bisher der Abhandlung nicht unterzogen wurde, wobei es nicht darauf ankommt, ob dieses Vermögen den Erben bereits vor der Einantwortung bekannt war. Gemäß § 97 AußStrG hat das Inventar ein genaues und vollständiges Verzeichnis allen Vermögens zu enthalten, in dessen Besitz sich der Erblasser zur Zeit seines Todes befunden hat. Selbst bei Erstattung eines eidesstättigen Vermögensbekenntnisses kann es nicht im Belieben der Erben stehen, zu bestimmen, welche zur Verlassenschaft gehörigen Vermögensstücke der Abhandlung zu unterziehen sind. Im vorliegenden Fall haben aber nicht nur die Erben Kenntnis von dem Sparbuch gehabt, sondern auch das Gericht selbst. Wenn aber nach dem Inhalt des Verlassenschaftsaktes zum Nachlaß gehöriges Vermögen vorhanden ist, dann kann dieses nicht im Sinne des § 179 Abs 1 AußStrG nachträglich hervorkommen. Für die Ansicht, nur in ein Inventar oder eidesstättiges Vermögensbekenntnis aufgenommenes Vermögen sei dem Gericht bekannt geworden, finden sich im Gesetz keinerlei Anhaltspunkte. § 179 Abs 1 AußStrG spricht von vorher nicht bekanntem Verlassenschaftsvermögen, worunter eben ein dem Gericht nicht bekanntes Vermögen zu verstehen ist, wobei aber nicht darauf abgestellt wird, auf welche Weise das Gericht von dem Vermögen Kenntnis erhielt. Wenn daher - wie im vorliegenden Fall -, das Verlassenschaftsgericht aufgrund des Akteninhaltes Kenntnis von Verlassenschaftsvermögen hat, dann handelt es sich bei diesem Vermögen - unabhängig davon, ob es nun der Abhandlung unterzogen wurde oder nicht - nicht um vorher nicht bekanntes Verlassenschaftsvermögen.

Dem unberechtigten Rekurs war deshalb keine Folge zu geben.

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