OGH 13Os178/98

OGH13Os178/9813.1.1999

Der Oberste Gerichtshof hat am 13. Jänner 1999 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Brustbauer als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Markel, Dr. Rouschal, Dr. Habl und Dr. Ratz als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Matz als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Herbert W***** wegen des Verbrechens des Einbruchsdiebstahls nach §§ 127, 129 Z 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Wiener Neustadt als Schöffengericht vom 19. Oktober 1998, GZ 38 Vr 17/98-16, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht verwiesen.

Text

Gründe:

Herbert W***** wurde vom Schöffengericht des Verbrechens des Einbruchsdiebstahls nach §§ 127, 129 Z 1 StGB schuldig erkannt, weil er einer Bekannten in Pottendorf in der Nacht zum 4. Jänner 1998 11.240 S Bargeld durch Einbruch und Einsteigen in deren Wohnstätte mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichteten Vorsatz weggenommen habe.

Rechtliche Beurteilung

Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten bemängelt mit der Verfahrensrüge (§ 281 Abs 1 Z 4 StPO) zu Recht, daß durch die Ablehnung des Antrages auf Vernehmung von zwei Zeugen, die die Anwesenheit des Angeklagten in einem Tanzlokal in Baden bei Wien derart bekunden sollten, daß diesem keine Zeit geblieben wäre, den in Pottendorf liegenden Tatort aufzusuchen, um dort den ihm angelasteten Einbruchsdiebstahl zu verüben (S 179 f), dessen Verteidigungsrechte in entscheidender Weise beeinträchtigt wurden.

Die Antragsablehnung ist in der Hauptverhandlung lediglich mit "Spruchreife" des Verfahrens begründet worden (S 201). Eine substantielle Begründung, die es ermöglichen würde, jene Erwägungen, von denen das Erstgericht dabei ausgegangen ist, daraufhin zu prüfen, ob durch dieses Zwischenerkenntnis Verfahrensgrundsätze unrichtig angewendet worden sind und welchen Einfluß die Verletzung der Begründungspflicht (§ 238 Abs 2 StPO) auf die Entscheidung übte oder üben könnte, wurden auch in den Urteilsgründen nicht nachgetragen. Trotz der (nach medizinischen Kriterien mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit bestimmten) Übereinstimmung von Blutspuren am Tatort mit Blutproben des Angeklagten (US 4; S 195 f) läßt das Urteil damit nicht erkennen, zu welcher Entscheidung das Schöffengericht gelangt wäre, hätte es die Aussage von zwei angebotenen Alibizeugen in seine Erwägungen aufgenommen. Die Unterlassung einer zureichenden Begründung für die Ablehnung des (Alibi-)Beweisantrages macht das Urteil im Sinn des geltend gemachten Grundes nichtig (Mayerhofer StPO4 § 238 E 2a, 6, 7, 10 ff).

Auch der Mängelrüge (Z 5) ist recht zu geben. Sie moniert, daß die Feststellung, dem Angeklagten wäre trotz der Entfernung zwischen dem Tanzlokal, in dem er sich nachweislich (nach den bisherigen Beweisergebnissen zumindest zum Teil) in der Nacht der Tat aufgehalten hat, und dem Tatort ausreichend Zeit zur Ausführung des Diebstahls zur Verfügung gestanden (US 5), einer (formal) tragfähigen Begründung entbehrt. Der Aktenlage ist zum diesbezüglichen Zeitaufwand überhaupt nichts zu entnehmen. Entgegen der Verfahrensrüge wäre allerdings die Durchführung eines Lokalaugenscheines nur bedingt geeignet, den nach der gegebenen Fallkonstellation zur Tatausführung durch den Angeklagten erforderlichen Zeitaufwand festzustellen. Dieser würde sich allenfalls aus einer entsprechenden Zeit-Weg-Rechnung (unter Einschluß des Aufwandes für die Durchführung des Einbruchsdiebstahls am Tatort) ergeben können.

Von den aufgezeigten Mängeln sind entscheidende Urteilsgrundlagen (die Schuldentscheidung unmittelbar beeinflussende Umstände) betroffen, insbesondere wurden Verfahrensgrundsätze hintangesetzt, deren Beobachtung durch das Wesen eines die Strafverfolgung und die Verteidigung sichernden fairen Verfahrens geboten ist.

Der angefochtene Schuldspruch war somit zu kassieren und die Verfahrenserneuerung anzuordnen.

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