OGH 1Ob318/98s

OGH1Ob318/98s15.12.1998

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schlosser als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer, Dr. Gerstenecker, Dr. Rohrer und Dr. Zechner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei D***** Gesellschaft mbH, ***** vertreten durch Dr. Peter Posch und Dr. Ingrid Posch, Rechtsanwälte in Wels, wider die beklagte Partei C***** Aktiengesellschaft, ***** vertreten durch Saxinger, Baumann & Partner, Rechtsanwälte in Linz, wegen S 108.734,53 sA, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgerichts vom 14. Mai 1998, GZ 3 R 77/98h-9, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichts Linz vom 15. Jänner 1998, GZ 1 Cg 219/97i-4, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Das Urteil des Berufungsgerichts wird dahin abgeändert, daß das erstinstanzliche Urteil wiederhergestellt wird.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 33.192,56 (darin S 3.323,76 Umsatzsteuer und S 13.250,-- Barauslagen) bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens binnen 14 Tagen zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Mit Konzessionsdekret vom 1. 2. 1973 wurde der Baubetrieb, Kies- und Transportbetonwerk Dipl. Ing. Otto D***** Gesellschaft mbH die Konzession zum Betrieb des Baumeistergewerbes mit dem Standort W*****, K*****straße 21, verliehen. Zum Geschäftsführer war damals der am 15. 1. 1991 verstorbene Dipl. Ing. Otto D***** bestellt. Noch im Jahre 1991 änderte die Gesellschaft - die klagende Partei - den Firmenwortlaut in jenen, unter dem sie nun als Prozeßpartei auftritt. Am 16. 5. 1995 verlegte das Unternehmen den Standort von der K*****straße 21 in die G*****straße 6.

Die klagende Partei übertrug einem anderen Unternehmen im Zuge eines Bauvorhabens Dachabdichtungs- und Spenglerarbeiten. Dieses Unternehmen beauftragte die beklagte Partei am 25. 8. 1994, eine Bankgarantie für einen Haftungs- bzw Deckungsrücklaß in der Höhe von S 118.754,31 hinauszulegen, deren Begünstigte die „Firma Dipl. Ing. Otto D*****, K*****straße 21, *****“, sein sollte und in der das Grundgeschäft (der Garantiezweck) unter Anführung der Auftragsnummer, des Auftragsdatums, der Art und des Ortes der durchzuführenden Arbeiten sowie des Auftragswerts anzuführen war. Die beklagte Partei stellte auftragsgemäß die bis zum 17. 7. 1999 abrufbare Bankgarantie aus und übermittelte diese mittels Einschreibbriefs an das oben bezeichnete begünstigte Unternehmen.

Mit Schreiben vom 17. 2. 1997 rief die klagende Partei die Bankgarantie ab und ersuchte, den Betrag von S 108.734,53 dem Haftbrief entsprechend auf ihr Konto zu überweisen. Zugleich nahm auch „Dipl. Ing. Otto D*****, K*****straße 21, *****“, mit einem inhaltlich identischen Schreiben die Garantie in Anspruch und ersuchte die beklagte Partei, den eben erwähnten Betrag auf dasselbe Konto zu überweisen. Beiden Schreiben waren eine Kostenaufstellung, Rechnungen und eine Kopie des Haftbriefs angeschlossen.

Die klagende Partei begehrte die Zahlung von S 108.734,53 samt 8 % Zinsen seit 1. 3. 1997. Bei den Arbeiten des Unternehmens, das sie mit der Durchführung der Dachabdichtungs- und Spenglerarbeiten betraut habe, seien Mängel aufgetreten. Daher sei die Bankgarantie in Höhe der Klagssumme ordnungsgemäß und fristgerecht abgerufen worden. Allen Beteiligten sei klar gewesen, daß für den in der Garantieerklärung genannten Auftrag der klagenden Partei an ihre Subunternehmerin gehaftet werden solle. Die Einwendung der beklagten Partei, nur an „die Firma Dipl. Ing. Otto D*****“ zu zahlen, widerspreche dem Grundsatz von Treu und Glauben im redlichen Geschäftsverkehr. Zur Auszahlung des gesamten Werklohns an die Subunternehmerin sei es nur deshalb gekommen, weil die klagende Partei habe darauf vertrauen dürfen, sie werde für den Fall einer Haftung der Subunternehmerin den Haftungsrücklaß in Anspruch nehmen können.

Die beklagte Partei wendete ein, der Abruf der Bankgarantie durch die klagende Partei sei nicht einwandfrei erfolgt, weil die Garantieurkunde auf die „Firma Dipl. Ing. Otto D*****“ laute und nicht zugunsten der klagenden Partei ausgestellt worden sei. Die beklagte Partei sei nicht verpflichtet gewesen, das der Bankgarantie zugrundeliegende Rechtsverhältnis oder die Richtigkeit des Vertragspartners ihres Auftraggebers zu überprüfen. Da eine „Firma Otto D*****“ nie existiert habe, hätte der klagenden Partei die ihrer Ansicht nach unrichtige Bezeichnung des Begünstigten in der Bankgarantie auffallen müssen. Der nicht formgerechte Abruf der Bankgarantie führe demnach zu keiner Zahlungsverpflichtung der beklagten Partei.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Nach dem Grundsatz der formalen Garantiestrenge habe ein aus einer Bankgarantie Begünstigter die Erfüllung aller die Zahlungspflicht der Garantiebank auslösenden Voraussetzungen, somit auch seine Sachlegitimation, spätestens anläßlich des Abrufs der Garantie eindeutig und auf eine für die Garantiebank unbedenkliche Weise darzulegen. Dem sei die klagende Partei nicht nachgekommen. Sie habe vielmehr die Garantie auch unter der Bezeichnung „Dipl. Ing. Otto D*****“ in Anspruch genommen und dadurch zusätzliche Verwirrung ausgelöst. Eine rechtzeitige und mit der Garantieerklärung präzise übereinstimmende Inanspruchnahme der Zahlungsverpflichtung der beklagten Partei durch die klagende Partei sei somit nicht erfolgt.

Das Berufungsgericht änderte die erstinstanzliche Entscheidung in eine nahezu völlige Klagsstattgebung - lediglich ein 3 %iges Zinsenmehrbegehren wurde abgewiesen - ab und sprach letztlich aus, daß die ordentliche Revision zulässig sei. Ein aus einer Bankgarantie Begünstigter könne die die Zahlungspflicht der Garantiebank auslösenden Voraussetzungen bis zum Ablauf des Verfallsdatums der Garantie - hier bis ins Jahr 1999 - nachweisen. Spätestens durch den vom Erstgericht festgestellten und in Wahrheit nie strittigen Sachverhalt sei auch gegenüber der beklagten Partei zweifelsfrei klargestellt worden, daß eine „Firma Dipl. Ing. Otto D*****“, wie sie in der Bankgarantie als Begünstigte angeführt sei, nie existiert habe. Aus der Garantieerklärung der beklagten Partei ergebe sich zweifelsfrei, daß jenes Unternehmen Begünstigter sei, das der Subunternehmerin mit einem genau bezeichneten Antrag Dachabdichtungs- und Spenglerarbeiten übertragen habe. Damit sei der Begünstigte eindeutig bestimmt worden. Die unrichtige Bezeichnung des Begünstigten in der Garantieerklärung sei nicht von Bedeutung, weil es das dort genannte Unternehmen “Firma Dipl. Ing. Otto D*****“ nie gegeben habe. Unzweifelhaft sei die klagende Partei in der Garantieerklärung als Begünstigte gemeint gewesen. Demnach könne die beklagte Partei die Auszahlung der Garantiesumme nicht verweigern. Eine allfällige Weigerung des Masseverwalters im Konkurs über das Vermögen der Subunternehmerin, die Haftung aus der Bankgarantie für die Konkursmasse zu übernehmen, verstieße gegen Treu und Glauben. Die Garantiebank dürfe geringfügige Abweichungen des Abrufs von der Garantieerklärung oder unvertretbare Auslegungen durch den Garantiebesteller nicht zum Anlaß nehmen, die Auszahlung an den erkennbar Begünstigten zu verweigern. Daß die beklagte Partei nur mit der (nicht existenten) „Firma Dipl. Ing. D*****“ einen Vertrag habe abschließen wollen, sei aus den Urkunden nicht ableitbar und als Schutzbehauptung der beklagten Partei zu qualifizieren.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der beklagten Partei ist zulässig und berechtigt.

Die Bankgarantie ist einseitig verpflichtender Schuldvertrag, der in der Regel der Sicherung der Leistung eines Dritten, meistens des Bankkunden - hier der Subunternehmerin - , an den aus diesem Vertrag begünstigten Gläubiger durch die Garantiebank dienen soll, und zwar so, daß der Gläubiger die Leistung oder doch sein vertraglich festgesetztes geldliches Interesse an dieser in jedem Fall erhält, also auch dann, wenn der Dritte die Leistung vertragswidrig unterläßt oder die Verbindlichkeit des Hauptschuldners nicht zum Entstehen kommt oder später wegfällt. Der Garant übernimmt dem Begünstigten gegenüber die Haftung für einen noch ungewissen Erfolg eines Unternehmens oder für den durch ein Unternehmen entstehenden Schaden. Im Falle einer dreipersonalen Garantie begründet der Garantievertrag eine selbständige, von der Verbindlichkeit des ursprünglichen Schuldverhältnisses unabhängige Schuld. Ob in einer Haftungserklärung eine vom Grundgeschäft losgelöste Garantiezusage zu erblicken ist, muß im Wege der Vertragsauslegung ermittelt werden; dazu ist die Absicht der Parteien zu erforschen (ÖBA 1997, 191; ÖBA 1997, 61; ÖBA 1996, 717; SZ 68/64 uva).

Im vorliegenden Fall ist es nicht weiter strittig, daß die beklagte Partei mit der von ihr im Auftrag der Subunternehmerin erstellten Haftungserklärung eine vom Grundgeschäft losgelöste, also nicht akzessorische (SZ 68/64; ÖBA 1995, 632 uva) Garantieerklärung abgeben wollte und auch abgegeben hat. Strittig ist auch nicht der der Auslegung zugängliche Inhalt der Garantieurkunde (vgl ÖBA 1998, 225; immolex 1997, 12; 8 Ob 2005/96b; WoBl 1997, 104; JBl 1985, 681; JBl 1978, 36), sondern die Frage, ob die beklagte Partei als Garantin ungeachtet des Grundsatzes der formellen Garantiestrenge an einen anderen als den in der Garantieurkunde bezeichneten Begünstigten zahlen müßte. Eine auch von der Garantiebank ausgegangenen falsa demonstratio des Begünstigten (vgl dazu immolex 1997, 325) kann nicht unterstellt werden, hat doch die Subunternehmerin den Begünstigten in ihrem „Antrag“ auf Erstellung einer Bankgarantie so bezeichnet und die beklagte Partei den von der Subunternehmerin derart genannten Begünstigten - ohne weitere Prüfung - in ihre Garantieerklärung aufgenommen. Daß sie selbst in Kenntnis der wahren Identität des Begünstigten und damit einer der Auftraggeberin unterlaufenen Falschbezeichnung gewesen wäre, wurde von den Vorinstanzen nicht festgestellt; insoweit oblag der beklagten Partei auch keinerlei Prüfpflicht. Demgemäß kann der beklagten Partei auch nicht unterstellt werden, sie selbst habe bei der - auftragsgemäßen - Erstellung der Garantie die hier klagende Partei als Begünstigte gewollt, sodaß diese schon deshalb als Begünstigte anzusehen wäre (immolex 1997, 325; 3 Ob 162/97p; JBl 1988, 714; EvBl 1980/99).

Diesen Ausführungen zufolge ist als der aus der Garantieerklärung der beklagten Partei erstellten Bankgarantie Begünstigte die „Firma Dipl. Ing. Otto D*****“ anzusehen. Die Bankgarantie muß vom Begünstigten frist- und formgerecht bei der in der Garantieerklärung genannten Bank in Anspruch genommen werden. Gewiß ist der Grundsatz der formellen Garantiestrenge kein „Selbstzweck“, doch darf die Garantiebank vom Begünstigten die strikte, ja geradezu pedantische Erfüllung der Voraussetzungen für die Inanspruchnahme der Bankgarantie verlangen, um vor allfälligen Einwendungen ihres Auftraggebers beim Rückgriff geschützt zu werden und um überflüssige Rechtsunsicherheit zu vermeiden (ÖBA 1997, 191; ÖBA 1996, 717; ÖBA 1995, 632; ÖBA 1993, 985; JBl 1990, 177; SZ 62/75 uva). Für die ordnungsgemäße Inanspruchnahme jeder Bankgarantie ist es unerläßliches Erfordernis, daß sie vom Begünstigten herrührt. Insoweit besteht eine Verpflichtung der garantierenden Bank zur Legitimationsprüfung (ÖBA 1988, 601; Avancini/Iro/Koziol, Bankvertragsrecht II Rz 3/77). Gerade im vorliegenden Fall mußte die beklagte Partei Bedenken gegen die Sachlegitimation der klagenden Partei und deren Begünstigtenstellung hegen, ist doch in der Garantieurkunde als Begünstigter die „Firma Dipl. Ing. Otto D*****“ genannt und hat auch diese - ungeachtet ihrer Nichtexistenz - den von den Vorinstanzen getroffenen Feststellungen zufolge die Bankgarantie abgerufen. Daß die Subunternehmerin als Auftraggeberin der Bankgarantie im Verhältnis zum Begünstigten - aus den im Kausalverhältnis begründeten Umständen - zur Anerkennung der Begünstigtenstellung der klagenden Partei verpflichtet wäre, reicht für die erfolgreiche Inanspruchnahme der Garantiebank durch die klagende Partei noch keineswegs aus, weil sich die Bank in einen Streit zwischen dem tatsächlich Begünstigten und dem Auftraggeber nicht hineinziehen lassen und das mit einem solchen Streit verbundene Risiko seines Ausgangs, das sie zumeist abzuschätzen gar nicht in der Lage ist, durch Auszahlung der Garantiesumme nicht auf sich nehmen muß. Bei gegenteiliger Auffassung würde dem Garanten geradezu die Last aufgebürdet, Beweise zu würdigen und - mitunter - schwierige, das Kausalverhältnis betreffende Rechtsfragen zu lösen. Es ist Sache desjenigen, der die Begünstigtenstellung behauptet, die für diese sprechenden Umstände auf eine auch aus der Warte der Garantiebank völlig unbedenkliche Weise darzutun (ÖBA 1993, 985; SZ 62/75 ua; vgl auch Avancini/Iro/Koziol aaO Rz 3/79 und 3/90 sowie 3/93). Gerade dieser Verpflichtung ist die klagende Partei nicht nachgekommen, was schon der Abruf der Bankgarantie durch zwei verschiedene „Begünstigte“ nur zu deutlich macht, zumal von der beklagten Partei nicht ohne weiteres feststellbar wäre, daß die - gleichfalls abrufende - „Firma Dipl. Ing. Otto D*****“, rechtlich inexistent ist und dies auch bei Hinauslegung der Garantie war: Im Geschäftsverkehr werden zudem auch nicht registrierte gewerbliche Unternehmen - entgegen § 4 Abs 1 AGB - üblicherweise als „Firma“ bezeichnet.

Ihrer - allfälligen - Verpflichtung, der klagenden Partei in Befolgung vertraglicher Schutz- und Sorgfaltspflichten unverzüglich die Beanstandung der fehlerhaften Inanspruchnahme mitzuteilen, um die Möglichkeit zu geben, die Garantie formgerecht und rechtzeitig in Anspruch zu nehmen (SZ 68/230), ist die beklagte Partei dadurch nachgekommen, daß sie festgestelltermaßen mit Schreiben vom 18. 2. 1997 die klagende Partei darauf hinwies, die Inanspruchnahme sei nicht einwandfrei erfolgt, weil die Garantieurkunde auf die „Firma Dipl. Ing. Otto D*****“ ausgestellt worden sei (S 5 f des Ersturteils).

Die Entscheidung SZ 68/64 ist mit dem hier vorliegenden Sachverhalt nicht vergleichbar, weil im dort entschiedenen Fall das Unternehmen des Vertragspartners des Garanten unrichtig bezeichnet war, nicht aber das des Begünstigten, der die Garantie abrief.

Der Revision ist sohin im Sinne einer Wiederherstellung des Urteils der ersten Instanz stattzugeben.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.

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