OGH 5Ob300/98y

OGH5Ob300/98y15.12.1998

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Klinger als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Floßmann, Dr. Baumann, Dr. Hradil und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofes Dr. Hurch als weitere Richter in der Mietrechtssache der Antragstellerin Franziska K*****, vertreten durch Mag. Dominik Maringer, Rechtsanwalt in 4840 Vöcklabruck, wider die Antragsgegnerin Gerda W*****, vertreten durch Dr. Peter Pfarl, Rechtsanwalt in Bad Ischl, wegen § 37 Abs 1 Z 8, 9, 11, 12 und 13 MRG, infolge Revisionsrekurses der Antragstellerin gegen den Sachbeschluß des Landesgerichtes Wels als Rekursgericht vom 3. Juli 1998, GZ 22 R 176/98h-94, womit der Sachbeschluß des Bezirksgerichtes Frankenmarkt vom 19. Februar 1998, GZ 2 Msch 94/94z-77, teils bestätigt, teils abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung

In dem seit September 1994 anhängigen Mietrechtsverfahren, das sich bereits im zweiten Rechtsgang befindet (siehe die Entscheidung des erkennenden Senates vom 24. 9. 1996 zu 5 Ob 2135/96y), sind an den Obersten Gerichtshof nur noch drei Rechtsfragen herangetragen worden, von denen das Rekursgericht zwei als erheblich iSd § 528 Abs 1 ZPO iVm § 37 Abs 3 Z 16 MRG angesehen und - in Verbindung mit einer Bewertung des Entscheidungsgegenstandes mit mehr als S 130.000 - zur Begründung eines Zulassungsausspruchs nach §§ 500 Abs 2 Z 3, 526 Abs 3 ZPO herangezogen hat: Ob ein "Dachbodenzimmer" im Haus der Antragsgegnerin bei der Berechnung der betriebkostenrelevanten Nutzfläche zu Recht unberücksichtigt bleiben konnte und ob eine ausdrücklich vereinbarte Erhöhung des Hauptmietzinses auch dann iSd § 16 Abs 1 Z 7 aF MRG rechtswirksam ist, wenn sich der Mieter der ohne diese Vereinbarung gesetzlich zulässigen Mietzinshöhe nicht bewußt war. Mit der zweiten Frage hat die Antragstellerin im vorliegenden ordentlichen Revisionsrekurs dann auch noch eine Rechts- und Mängelrüge zur vom Rekursgericht angenommenen Angemessenheit des gemäß § 16 Abs 1 Z 7 aF MRG vereinbarten Hauptmietzinses verknüpft. Auf die jeweils maßgeblichen Entscheidungsgrundlagen und deren rechtliche Beurteilung durch das Rekursgericht wird noch einzugehen sein.

Die Antragstellerin strebt mit ihrem Revisionsrekurs teils die Aufhebung der vorinstanzlichen Sachbeschlüsse (betreffend die Feststellung des Nutzflächenschlüssels sowie die Verneinung von Betriebskostenüberzahlungen der Antragstellerin in den Jahren 1991 bis 1994), teils die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Sachbeschlusses (betreffend die Feststellung von Überschreitungen des gesetzlich zulässigen Hauptmietzinses seit Oktober 1964 samt Erlassung eines Rückzahlungsauftrages an die Antragsgegnerin unter der Annahme nicht rechtswirksamer Mietzinserhöhungsvereinbarungen iSd § 16 Abs 1 Z 7 aF MRG) an.

Die Antragsgegnerin hat sich am Revisionsrekursverfahren nicht beteiligt.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs erweist sich ungeachtet des (den Obersten Gerichtshof nicht bindenden) Zulassungsausspruches des Rekursgerichtes als unzulässig.

Das Dachbodenzimmer, dessen Bodenfläche die Antragstellerin bei der Berechnung der Nutzfläche der Mietgegenstände des Hauses berücksichtigt haben möchte, war zwar von 1960 bis 1965 vermietet, wurde fallweise - zuletzt 1966 - auch von Gästen der Antragsgegnerin zum Übernachten benützt und diente dann noch bis 1978 der damaligen Hauseigentümerin als Schlafraum, ist aber nur behelfsmäßig vom übrigen Dachboden abgetrennt. Das Zimmer ist mit alten Holzfüllungstüren versehen, hat einen alten Bretterboden, ist ohne feuersicheren Zugang und daher nur als Abstellraum verwendbar, weist einen schadhaften Wand- und Deckenverputz sowie ein schlecht schließendes Pfostenstockfenster mit teilweise verfaultem Rahmen auf und darf nicht versperrt gehalten werden, weil es wegen der dort untergebrachten Panzersicherung des Hauses ständig zugänglich sein muß.

Das Rekursgericht vertrat dazu den Standpunkt, daß die Bodenfläche des "Dachbodenzimmers" nicht in die Nutzfläche der von der Antragsgegnerin benützten Wohnung einzurechnen sei. Die Einbeziehung eines Keller- oder Dachbodenraums in die Nutzfläche eines Mietgegenstandes bestimme sich allein nach objektiven Kriterien, nicht nach der Ansicht der Vertragsparteien oder gar nach der tatsächlichen Verwendung (WoBl 1993/124; EWr I/17/21; Würth in Rummel2, Rz 7a zu § 17 MRG). Die Eignung solcher Räume sei ausschließlich nach ihrem objektiven Zustand - auch unter Beachtung der einschlägigen Rechtsvorschriften - zu beurteilen (WoBl 1991/51). Da das gegenständliche "Dachbodenzimmer" keinen feuersicheren Zugang habe und nur als Abstellraum benützbar sei, fehle ihm die objektive Eignung zu Wohn- und Geschäftszwecken und müsse daher bei der Ermittlung der Mietgegenstände des Hauses unberücksichtigt bleiben.

Dagegen wendet die Rechtsmittelwerberin im wesentlichen ein, daß die tatsächliche Ausstattung und Nutzung eines Raumes darüber entscheide, ob er eine Nutzfläche iSd § 17 MRG hat. Auch ein nach den Bauvorschriften als Keller qualifizierter Raum könne bei entsprechender Ausstattung in die Nutzflächenberechnung einbezogen werden. Beim konkreten Dachbodenzimmer habe dies wegen dessen jahrelanger Vermietung und Benützung als Schlafraum der vormaligen Hauseigentümerin zu geschehen.

Diese Argumente stellen die zutreffenden Rechtsausführungen des Rekursgerichtes nicht in Frage. Es entspricht der ständigen Judikatur des Obersten Gerichtshofes, daß für die Beurteilung der Rechtsfrage, ob die Bodenfläche eines Raumes in die Nutzflächenberechnung nach § 17 MRG einzubeziehen ist, immer nur objektive Kriterien maßgeblich sein können; der Absicht der Parteien kommt dabei ebensowenig Bedeutung zu wie der tatsächlichen Verwendung des Objektes (WoBl 1998, 77/47 mwN). Ob im Einzelfall die geforderte Eignung gegeben ist, hängt immer von den konkreten Umständen des Einzelfalles ab (WoBl 1998, 77/47; WoBl 1998, 338/218), könnte daher nur bei einer krassen Fehlbeurteilung - aus Gründen der Rechtssicherheit - die Anrufung des Obersten Gerichtshofes rechtfertigen.

Im konkreten Fall ist eine solche Fehlbeurteilung nicht zu erkennen. Als nutzflächenrelevanter Nebenraum der Wohnung der Antragsgegnerin kommt das "Dachbodenzimmer" mangels Bewohnbarkeit nicht in Frage (5 Ob 36, 37/93 = EWr I/17/8), wobei das Rekursgericht zu Recht auf die Maßgeblichkeit der Bauvorschriften hingewiesen hat (vgl WoBl 1995, 23/9), und auch die selbständige Vermietbarkeit, ein wesentliches Kriterium der Nutzflächenrelevanz einer Räumlichkeit (vgl MietSlg 44/53; immolex 1997, 196/99), scheidet nach der Sachlage aus. Daß das Objekt vor ca 30 Jahren vermietet war und dann noch jahrelang der ehemaligen Hauseigentümerin (offenbar bauordnungswidrig) als nicht abschließbarer Schlafraum diente, ändert an dieser Beurteilung nichts. Die Vermietung liegt nämlich, wie erwähnt, schon Jahrzehnte zurück. Nach dem von den Vorinstanzen festgestellten Sachverhalt kommt eine neuerliche Vermietung mangels Brauchbarkeit des Objektes definitiv nicht in Frage. Zur temporären (vorübergehenden) Unbrauchbarkeit eines Mietobjektes wurde zwar schon judiziert, daß sie dessen vorher gegebene Nutzflächenrelevanz unverändert bestehen läßt (WoBl 1993, 184/124), doch ist grundsätzlich auf die jeweiligen Verhältnisse abzustellen (vgl MietSlg 41.282), sodaß der Dauerzustand der selbständigen Unvermietbarkeit oder mangelnden Eignung zu Wohnbzw Geschäftszwecken auch dazu führt, daß das betreffende Objekt aus der Nutzflächenberechnung auszuscheiden ist. Auf das gegenständliche "Dachbodenzimmer" trifft dies zu.

Zur Höhe des Mietzinses wurde im wesentlichen festgestellt, daß die Antragstellerin für ihre 81,53 m2 große Wohnung ursprünglich einen Hauptmietzins von S 350,-- monatlich zu entrichten hatte und dieser in mehreren Jahresetappen auf zuletzt (im Jahr 1992) S 1.300,-- monatlich erhöht wurde. Die frühere Vermieterin, mit der die Antragstellerin ein gutes Einvernehmen pflegte, begründete ihre Forderungen nach einer Mietzinserhöhung vor allem mit notwendigen Reparaturen, die die Antragstellerin mit den Worten hinnahm, sie könne nichts machen, sie müsse eben bezahlen; die Antragsgegnerin, die im August in die Vermieterstellung gelangte, forderte Mietzinserhöhungen mit dem Argument, sie werde Verbesserungen vornehmen, wobei sie ihr Verlagen mit den Worten "entweder bezahlen oder ausziehen", einmal - aus Anlaß der Vermietung einer anderen Wohnung des Hauses um S 3.000,-- monatlich - mit der Androhung einer Kündigung unterstrich. 1992 ersuchte die Antragsgegnerin die Antragstellerin um die (jetzt noch relevante) Mietzinserhöhung auf monatlich S 1.300,-- mit dem Argument, sie habe kein Geld, um Erhaltungsarbeiten durchzuführen, worauf die Antragstellerin der Forderung entsprach. Erst eine im Jahr 1994 geforderte "Indexsteigerung" um 7 % wegen des bevorstehenden Kanalanschlusses sowie der Verlegung eines Stromkabels (wobei die Antragstellerin in einem Aufforderungsschreiben erklärte: "Wenn Ihnen Komfort und Umgebung nicht mehr gefallen, steht es Ihnen frei, zu kündigen") verweigerte die Antragstellerin und beantwortete die Erhöhungsforderung mit dem gegenständlichen Mietzinsüberprüfungsantrag.

Das Rekursgericht zog daraus (unter eingehender Darlegung der temporärrechtlichen Übergangsproblematik) den Schluß, daß es zu mehrmaligen ausdrücklichen Vereinbarungen des Mietzinses iSd § 16 Abs 1 Z 7 MRG gekommen sei. Die Antragstellerin habe nicht bloß einen ihr vorgeschriebenen erhöhten Mietzins widerspruchslos bezahlt, es sei vielmehr zwischen der Antragstellerin und der jeweiligen Vermieterin über die Mietzinserhöhungen gesprochen worden. Der Oberste Gerichtshof habe in seiner Entscheidung 5 Ob 426/97a zum Ausdruck gebracht, daß die Gültigkeitsvoraussetzung einer Kenntnis des Mieters von der mangelnden Durchsetzbarkeit des vom Vermieter verlangten Mietzinses bei einem ausdrücklich erklärten Einverständnis des Mieters nicht zu fordern sei. Ein ausdrücklich erklärtes Einverständnis des Mieters sei vielmehr als a priori rechtswirksam anzusehen; er könne den Vertrag nur nach Maßgabe der §§ 870 ff ABGB anfechten. Mit derartigen Willensmängeln hätte sich zwar auch der Außerstreitrichter in einem Verfahren nach § 37 Abs 1 Z 8 MRG im Rahmen einer Vorfragenbeurteilung zu befassen, doch setze dies ein - im konkreten Fall nicht erstattetes - Vorbringen des Mieters voraus.

Diese Rechtsausführungen bekämpft die Rechtsmittelwerberin vor allem mit dem Argument, daß sie sich nur aus Angst um die Wohnung auf die Zahlung der erhöhten Mietzinse eingelassen habe. Außerdem seien im festgestellten Sachverhalt keine Anhaltspunkte für die Absicht der Antragstellerin bzw ihrer Kontrahentin zu finden, jeweils neue Mietzinsvereinbarungen abzuschließen. Alle Tatbestandsmerkmale gültiger Mietzinsvereinbarungen iSd § 16 Abs 1 Z 7 aF MRG hätte die Antragsgegnerin zu behaupten und zu beweisen gehabt. Sollte sie die Anfechtung von Mietzinsvereinbarungen verabsäumt haben, liege dies an einer Verletzung der richterlichen Anleitungspflicht.

Diesen Rechtsmittelausführungen ist entgegenzuhalten, daß das Rekursgericht den Grundsätzen der zitierten Entscheidung 5 Ob 426/97a (EWr I/16/143 = immolex 1998, 134/80) gefolgt ist. Die Annahme ausdrücklicher Mietzinsvereinbarungen ist, auch was den zugrundegelegten Abschlußwillen der Parteien betrifft, nach der Sachlage durchaus vertretbar, sodaß in diesen einzelfallbezogenen Rechtsfragen keiner der Gründe des § 528 Abs 1 ZPO für eine Anrufung des Obersten Gerichtshofes vorliegt. Ausreichendes Vorbringen, das vom Gericht zum Anlaß einer im Vorfragenbereich zu beurteilenden Vertragsanfechtung wegen Willensmängeln hätte genommen werden müssen, wurde nicht erstattet; eine Verletzung der richterlichen Anleitungspflicht liegt in diesem Zusammenhang, ohne daß dies näher begründet werden müßte, nicht vor (§ 37 Abs 3 Z 16 MRG iVm §§ 528a, 510 Abs 3 ZPO).

Letztlich hat das Rekursgericht noch die Angemessenheit der jeweils vereinbarten Hauptmietzinse angenommen. Maßgeblich für diese Beurteilung sei stets der Zeitpunkt des Abschlusses der Mietzinsvereinbarung (Würth in Rummel2, Rz 5a zu § 16 MRG; MietSlg 37.297; MietSlg 45.270). Im vorliegenden Fall habe die Angemessenheit des jeweils vereinbarten Hauptmietzinses beurteilt werden können, ohne ein Sachverständigengutachten zu den einzelnen Bemessungskriterien einzuholen. Für eine Wohnung mit 81,53 m2 Nutzfläche, die sich trotz festgestellter Mängel in durchaus brauchbarem Zustand befunden habe und befinde, sei nämlich der seit 1982 jeweils vereinbarte monatliche Hauptmietzins (S 950,-- in dem Jahren 1982 und 1983, S 1.000,-- in den Jahren 1984 bis 1988, S 1.100,-- von Jänner 1989 bis August 1992 und S 1.300,-- seit September 1992) keineswegs überhöht. Es sei allgemein bekannt, daß ein Hauptmietzins in solcher Höhe in den angeführten Zeiträumen für eine Wohnung vergleichbarer Größe, Ausstattung und Lage zu zahlen gewesen sei. Ein Anhaltspunkt für die Angemessenheit des zuletzt vereinbarten Hauptmietzinses von S 1.300,-- monatlich ergebe sich aus § 16 Abs 5 MRG idF vor dem 3. WÄG. Danach sei der vereinbarte Hauptmietzins nur knapp über dem einer Wohnung der Ausstattungskategorie D gelegen. Die angeführte Bestimmung sei zwar auf die gegenständlichen Mietzinsvereinbarungen nicht anwendbar, könne aber durchaus als Anhaltspunkt für die Angemessenheit des jeweils vereinbarten Hauptmietzinses herangezogen werden.

Diese Angemessenheitsprüfung bekämpft die Rechtsmittelwerberin einerseits unter dem Gesichtspunkt der unrichtigen rechtlichen Beurteilung, andererseits macht sie eine Mangelhaftigkeit des rekursgerichtlichen Verfahrens geltend, weil die Beiziehung eines Sachverständigen zur Erhebung von Vergleichswerten verabsäumt worden sei. Die Rechtsfrage, ob die verfahrensgegenständlichen Mietzinsvereinbarungen den jeweils iSd § 16 Abs 1 aF MRG angemessenen Hauptmietzins überschritten haben, ist jedoch vom Rekursgericht ohne offenkundigen, im Interesse der Rechtssicherheit zu korrigierenden Fehler gelöst worden. Die Antragstellerin selbst bringt nichts vor, was die durchaus plausible Argumentation des Rekursgerichtes in Frage stellen könnte. Die Ansicht, ein Hauptmietzins, der nur knapp über dem Mietzins einer Kategorie-D-Wohnung liegt, erfülle, ohne daß es der aufwendigen Erhebung von Vergleichswerten bedürfe, die Angemessenheitskriterien des § 16 Abs 1 aF MRG, erscheint durchaus vertretbar. Die Ermittlung des üblichen Mietzinses ist eine bloße Orientierungshilfe für die Angemessenheitsprüfung, bei der sich der Richter der Hilfe eines Sachverständigen bedienen kann, aber keineswegs muß (vgl 5 Ob 294/98s). Der in diesem Zusammenhang gerügte Verfahrensmangel liegt daher ebenfalls nicht vor (§ 37 Abs 3 Z 16 MRG iVm §§ 528a, 510 Abs 3 ZPO).

Aus diesen Gründen war wie im Spruch zu entscheiden.

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