OGH 10ObS202/98y

OGH10ObS202/98y1.12.1998

Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bauer als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Ehmayr und Hon. Prof. Dr. Danzl sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Michael Zerdik (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Mag. Martin Holzinger (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Beatrice R*****, vertreten durch Dr. Gottfried Eypeltauer, Dr. Alfred Hawel und Dr. Ernst Eypeltauer, Rechtsanwälte in Linz, gegen die beklagte Partei Allgemeine Unfallversicherungsanstalt, 1200 Wien, Adalbert-Stifter-Straße 65, vertreten durch Dr. Vera Kremslehner, Dr. Josef Milchram und Dr. Anton Ehm, Rechtsanwälte in Wien, wegen Versehrtenrente, infolge Revisionsrekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Linz als Rekursgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 18. März 1998, GZ 11 Rs 205/97i-9, womit infolge Rekurses der klagenden Partei der Beschluß (Urteil) des Landesgerichtes Wels als Arbeits- und Sozialgerichtes vom 14. Mai 1997, GZ 17 Cgs 77/97w-5, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden aufgehoben; dem Erstgericht wird die Ergänzung des Verfahrens und neuerliche Entscheidung über die Prozeßeinrede der beklagten Partei wegen "rechtskräftig entschiedener Sache" (richtig: Unzulässigkeit des Rechtsweges) aufgetragen.

Die Kosten des Revisionsrekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Die am 18. 5. 1944 geborene Klägerin erlitt am 28. 5. 1961 im elterlichen Haus einen Unfall (Sturz vom Dachboden), bei dem sie schwer verletzt wurde. Mit Bescheid vom 6. 3. 1962 lehnte die beklagte Partei den Anspruch der Klägerin auf Entschädigung aus Anlaß dieses Unfalles mit der Begründung ab, daß dieser mit den betrieblichen Obliegenheiten der Klägerin als Kellnerlehrling im elterlichen Betrieb in keinem ursächlichen Zusammenhang gestanden sei. Dieser Bescheid wurde der damals siebzehnjährigen Klägerin am 8. 3. 1962 zugestellt und von ihr auch persönlich übernommen.

Am 13. 3. 1997 stellte die Klägerin bei der beklagten Partei unter Hinweis darauf, am 13. 2. 1997 vom Bescheid vom 6. 3. 1962 Kenntnis erlangt zu haben und gegen diesen Bescheid Klage erheben zu wollen, den Antrag, ihr aufgrund ihres Arbeitsunfalles vom 28. 5. 1961 eine Versehrtenrente im gesetzlichen Ausmaß zu gewähren.

Mit Schreiben vom 17. 3. 1997 teilte ihr die beklagte Partei folgendes mit:

"Mit Bescheid vom 6. 3. 1962 haben wir im Bezug auf Ihren Unfall vom 28. 5. 1961 das Vorliegen eines unter Versicherungsschutz stehenden Arbeitsunfalles gemäß § 175 Abs 1 des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes (ASVG) abgelehnt.

Diesen Bescheid haben Sie am 8. 3. 1962 entgegengenommen und dies mit Ihrer eigenen Unterschrift bestätigt.

Nachdem Sie gegen den Bescheid vom 6. 3. 1962 kein Rechtsmittel eingebracht haben, ist dieser Bescheid in Rechtskraft erwachsen.

Es handelt sich somit um eine rechtskräftig entschiedene Sache.

Die Ausstellung eines weiteren Bescheides, wie Sie das anläßlich Ihrer Vorsprache im Büro der AUVA am 13. 3. 1997 gewünscht haben, ist aus rechtlichen Gründen nicht möglich."

Mit der am 21. 3. 1997 direkt bei der beklagten Partei eingebrachten Klage stellte die Klägerin das Begehren, die beklagte Partei zu verpflichten, ihr für die Folgen des Arbeitsunfalles vom 28. 5. 1961 eine Versehrtenrente im gesetzlichen Ausmaß zu gewähren; in eventu, sollte das vorliegende Verfahren als Verwaltungssache behandelt werden, die Klage als Einspruch zu werten.

Das Erstgericht wies mit Urteil das Klagebegehren als unzulässig zurück. Es beurteilte den eingangs zusammengefaßt wiedergegebenen Sachverhalt rechtlich dahin, daß es sich beim Schreiben der beklagten Partei vom 17. 3. 1997 um einen Bescheid handle, welcher - "aus prozeßökonomischen Überlegungen" - zu bestätigen gewesen sei, weil auch einem mündigen Minderjährigen ein Leistungsbescheid rechtswirksam zugestellt habe werden können, ohne daß es hiefür der Mitwirkung ihres damaligen gesetzlichen Vertreters bedurft hätte.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Klägerin gegen diese Entscheidung nicht Folge. Es schloß sich der Auffassung des Erstgerichtes an, wonach der Ablehnungsbescheid vom März 1962 der damals siebzehnjährigen Klägerin rechtswirksam zugestellt habe werden können, welcher mangels Erhebung eines Rechtsmittels bzw eines zulässigen Rechtsbehelfes unangefochten in Rechtskraft erwachsen sei, sodaß nunmehr rechtskräftig entschiedene Sache vorliege.

Gegen diese Entscheidung richtet sich der auf den Rechtsmittelgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung gestützte Revisionsrekurs der Klägerin mit dem Antrag, den Beschluß des Oberlandesgerichtes aufzuheben und die Sozialrechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückzuverweisen.

Die beklagte Partei hat eine Revisionsrekursbeantwortung erstattet.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist - entgegen der Ansicht der beklagten Partei, welche dessen Unzulässigkeit in Ermangelung eines Rechtskraftvorbehaltes behauptet - zulässig, weil in einer Sozialrechtssache nach § 46 Abs 3 Z 3 ASGG gegen die Bestätigung der Zurückweisung einer Klage ohne Sachentscheidung aus formellen Gründen gemäß § 47 Abs 2 ASGG der Revisionsrekurs unabhängig vom Wert des Entscheidungsgegenstandes und ohne Rücksicht auf die Voraussetzung nach § 46 Abs 1 ASGG (erhebliche Rechtsfrage) zulässig ist (Danzl, Der Weg zum OGH nach der WGN 1997, ÖJZ-Sonderheft 5A, 26); eine dem alten "Rechtskraftvorbehalt" entsprechende Zulässigkeitserklärung des Rekurses an den Obersten Gerichtshof ist nur bei Aufhebungs- und Zurückweisungsbeschlüssen vorgesehen (§ 519 Abs 2, § 527 Abs 2 ZPO, § 2 Abs 1 ASGG). Dem Rechtsmittel kommt auch Berechtigung zu. Dies aus folgenden Überlegungen:

Nach § 361 Abs 2 ASVG (Stammfassung wie auch geltende Fassung) sind (waren) zur Stellung von Anträgen betreffend Leistungsansprüche der Anspruchswerber oder sein gesetzlicher Vertreter, bei (mündigen: § 21 Abs 2 ABGB) Minderjährigen, die das 14. Lebensjahr vollendet haben, diese auch selbst antragsberechtigt. Aus der im ersten Satz dieser Gesetzesstelle prioritär erwähnten Nennung der gesetzlichen Vertreter ist dabei klargestellt, daß der Gesetzgeber deren Rolle als Antragsteller - dem sonstigen System des Vertretungsrechtes minderjähriger Kinder folgend (§§ 151 ff ABGB vor wie auch seit der Novelle BGBl 1973/108) - vorrangige Bedeutung zumißt; offenbar - die Gesetzesmaterialien (zur Stammfassung des ASVG) geben hiezu keinen Aufschluß - um Leistungsansprüche auch dann rasch und ökonomisch (im Sinne des anspruchsberechtigten Rechtschutzwerbers und damit auch im Sinne sozialer Rechtsanwendung) erledigen zu können, wurde daneben zusätzlich ("auch") ein Antragsrecht mündiger Minderjähriger ausdrücklich statuiert. Anders als etwa im geltenden deutschen Recht, wo nach dem am 1. 1. 1976 in Kraft getretenen § 36 des Sozialgesetzbuches (SGB) I zwar, "wer das 15. Lebensjahr vollendet hat, Anträge auf Sozialleistungen stellen und verfolgen sowie Sozialleistungen entgegennehmen kann", jedoch "der Leistungsträger den gesetzlichen Vertreter über die Antragstellung und die erbrachten Sozialleistungen unterrichten soll" - wurde eine derartige Verständigungs- und damit Einbindungspflicht des gesetzlichen Vertreters in das (durch einen solchen Minderjährigen allein) ausgelöste Leistungsverfahren nicht normiert. Dies erklärt sich aber daraus, daß eben anders als nach der deutschen Rechtslage dem Minderjährigen ein Recht zur selbständigen Verfolgung von Ansprüchen nicht eingeräumt wurde. Bei § 361 Abs 2 ASVG um eine - nicht zuletzt den aufgezeigten sozialen Grundwertungen des hierin geregelten Rechtsgebietes folgend - Ausnahmeregelung, welche einer ausdehnenden (also die sonstigen Schutzregelungen des bürgerlichen Rechtes für unreife und unerfahrene Menschen als allgemeines Rechtsprinzip verdrängenden oder diese auch nur überlagernden) Auslegung nicht zugänglich ist (allgemein zur Auslegung von Sondermaterien und Ausnahmegesetzen siehe Posch in Schwimann, ABGB I2 Rz 30 zu § 6).

Unabhängig davon, ob man dem gegen den Versicherer bei einem Arbeitsunfall mit Dauerschaden zustehenden Anspruch wegen Beeinträchtigung der Erwerbsfähigkeit des Betroffenen "Unterhaltscharakter" (unter Umständen für das gesamte weitere Leben) zuerkennt (so jüngst Dullinger in JBl 1998, 400), ist doch davon auszugehen, daß jede Unterlassung oder Säumigkeit im Zusammenhang mit der Geltendmachung derartiger Ansprüche jedenfalls die Befriedigung der Lebensbedürfnisse eines Betroffenen massiv gefährden kann. Es kann dem Gesetzgeber (des ASVG) nicht unterstellt werden, daß er (auch) derart weittragende Entscheidungen mündigen Minderjährigen gleichrangig der Position ihres gesetzlichen Vertreters uneingeschränkt überlassen wollte. Aus dem bloßen (Mit-)Antragsrecht eines Minderjährigen allein kann eine prozessuale Handlungsfähigkeit zur Verfolgung derartiger sozialrechtlicher Ansprüche noch nicht abgeleitet werden, wobei die vom Senat bereits mehrfach bejahte Ausnahme vom Mitwirkungserfordernis des Pflegschaftsgerichtes (iS des § 154 Abs 3 ABGB) für Klagen Minderjähriger nur bedeutet, daß deren gesetzlicher Vertreter hiefür nicht der ansonsten für gerichtliche Klagen erforderlichen pflegschaftsgerichtlichen Genehmigung bedarf, nicht aber dessen Vertretungsrechte darüber hinaus eingeschränkt oder gar aufgehoben würden. Dies gilt (den beschriebenen Schutzgedanken Minderjähriger schlechthin weiterverfolgend) auch schon für jene zeitlich davor liegenden Verfahrensschritte, welche derartige Unterlassungen oder Säumigkeiten (zum unter Umständen lebenslangen Nachteil) überhaupt auslösen könnten, also - wie hier - die eine abschlägige Entscheidung in Wirksamkeit setzenden Zustellungen. Dies aus folgenden weiteren Überlegungen:

Das ASVG enthielt weder in der 1962 geltenden noch in der heute gültigen Fassung (ebenso auch nicht das nunmehr geltende ASGG) Sonderregelungen betreffend die Prozeßfähigkeit Minderjähriger. Es hatten daher stets (nunmehr ausdrücklich gemäß § 2 Abs 1 ASGG) die allgemeinen Bestimmungen der ZPO hierüber zur Anwendung zu kommen. § 2 ZPO bestimmt hiezu, daß ein mündiger Minderjähriger in Rechtsstreitigkeiten über Gegenstände, in denen er nach dem bürgerlichen Recht geschäftsfähig ist (alte Fassung: "frei verfügen darf"), nicht der Mitwirkung seines gesetzlichen Vertreters bedarf. In gleicher Weise bestimmt der (gemäß § 357 Abs 1 ASVG im Verfahren vor dem Versicherungsträger anzuwendende) § 9 AVG, daß dann, wenn die persönliche Rechts- und Handlungsfähigkeit von Beteiligten in Frage kommt, diese von der Behörde, wenn in den Verwaltungsvorschriften nichts anderes bestimmt ist, nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechtes zu beurteilen ist. Die in § 151 Abs 2 ABGB der geltenden Fassung (seit dem bereits erwähnten BGBl 1973/108, Art I Z 3) enthaltenen verba legalia, wonach ein Minderjähriger über sein Erwerbseinkommen nur soweit wirksam verfügen und sich verpflichten kann, "als dadurch nicht die Befriedigung seiner Lebensbedürfnisse gefährdet wird", war zwar in der 1962 in Geltung stehenden Fassung dieser Gesetzesstelle noch nicht ausdrücklich enthalten. Auch schon zu dieser alten (und hier maßgeblichen) Rechtslage wurde jedoch von der Rechtsprechung die Auffassung vertreten, daß die Geschäftsfähigkeit jedenfalls dort ihre Grenzen habe, "wo Dispositionen den Lebensunterhalt des Minderjährigen gefährden würden" (so etwa SZ 36/61; ebenso OLG Wien in EFSlg 15.223 und LGZ Wien in EFSlg 13.562), welche Auffassung der Gesetzgeber durch die neue Fassung des § 151 ABGB bloß bestätigte und deshalb festschrieb (Justizausschußbericht 645 BlgNR 13. GP, 3 [zu § 151 ABGB; dort sogar in den Materialien durch gesperrte Schreibweise noch besonders hervorgehoben]).

Dullinger, welche die hier bekämpfte Entscheidung des Rekursgerichtes jüngst in JBl 1998, 399 ff (Zur prozessualen Handlungsfähigkeit Minderjähriger im sozialversicherungsrechtlichen Verfahren) "entschieden ablehnend" besprochen hat, hat dabei die nach damaliger Rechtslage maßgeblichen verba legalia "frei verfügen darf" noch besonders in den Vordergrund gerückt (aaO 400): "Gemäß § 151 ABGB (idF vor BGBl 1973/108) konnte ein minderjähriges, jedoch außer der Verpflegung der Eltern stehendes Kind über das, was es durch seinen Fleiß erworben hatte, sowie über Sachen, die ihm nach erreichter Mündigkeit zum Gebrauch übergeben worden waren, frei verfügen. Nach § 152 Satz 2 ABGB (idF vor BGBl 1973/108) konnte ein außer der Verpflegung der Eltern stehendes Kind sich selbständig durch Vertrag zu Dienstleistungen verpflichten (vgl auch § 246 ABGB idF vor BGBl 1973/108). Grundsätzlich bestand also - anders als heute - Geschäftsfähigkeit und damit prozessuale Handlungsfähigkeit nur dann, wenn das minderjährige Kind außerhalb der Verpflegung seiner Eltern stand. Diese Voraussetzung ist dann erfüllt, wenn die Minderjährige nicht im Haushalt ihrer Eltern lebte und auch nicht auf deren Kosten anderswo untergebracht war. Wohnte die Minderjährige außerhalb des Elterhauses, erhielt sie aber dort unentgeltlich die Mahlzeiten oder hatte sie im Elternhaus zwar die Wohnung, bestritt aber die sonstigen Lebensbedürnisse selbst, ist maßgebend, was im Wirtschaftsleben der Minderjährigen überwog, die Bedürfnisbefriedigung aus eigenem Verdienst oder durch elterliche Unterhaltsleistungen (vgl Wentzel/Plessl in Klang**2 I/2, 82)."

Nach den Ergebnissen des Verfahrens zog sich die Klägerin den verfahrensgegenständlichen Unfall nicht nur im elterlichen Gasthof zu, sondern wohnte damals noch bei ihren Eltern und war mit Ausnahme des Arbeitslohnes vermögenslos. Damit ist aber (unbedenklich) davon auszugehen, daß die Klägerin damals keinesfalls "außerhalb der Verpflegung ihrer Eltern" stand; nur unter dieser Voraussetzung wäre ihr aber überhaupt Eigengeschäftsfähigkeit insbesondere bezüglich ihres Einkommens aus eigener Erwerbstätigkeit zugekommen, sodaß - wiederum mit den Worten Dullingers - auch unter diesem Gesichtspunkt ihr Anspruch aufgrund des gesetzlichen Unfallversicherungsverhältnisses nicht als durch eigenen Fleiß erworbenes und deshalb frei verfügbares Einkommen anzusehen ist. Ob unter den übrigen, von Dullinger beschriebenen Voraussetzungen auch die Fähigkeit eines Minderjährigen zur selbständigen Verfolgung von Ansprüchen auf Versehrtenrenten zu bejahen wäre, braucht dabei nicht näher untersucht zu werden, weil die Klägerin ja nach den Feststellungen damals im elterlichen Haushalt lebte und somit § 152 Abs 2 ABGB (aF) schon aus diesem Grunde nicht anwendbar war.

Daraus folgt nach Auffassung des Senates, daß ein mündiger Minderjähriger - nach damaliger wie nach geltender Rechtslage - nach bürgerlichem Recht (und damit auch nach Verfahrensrecht), soweit hiedurch der Lebensunterhalt gefährdet wurde (wird), nicht wirksam disponieren konnte (kann), und damit ihm weder vor dem Versicherungsträger (§ 9 AVG) noch vor dem (Sozial-, früher Schieds-)Gericht über einen derartigen Leistungsanspruch (Versehrtenals Dauerrente) Prozeßfähigkeit zukam bzw zukommt. So wie ihm aber schon die (erweiterte) Prozeßfähigkeit bezüglich Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen (aus einem Unfall) mit etwa daraus resultierenden Rentenbegehren (Verdienstentgang; vermehrte Bedürfnisse; unter Umständen auch Schmerzengeld) in allgemeinen Rechtssachen mangelt (MGA ZPO14 E 4 zu § 2; Fasching, Komm II 139; Fucik in Rechberger, ZPO Rz 2 zu § 2), ist diese - und zwar abgeleitet aus dem ABGB und der dort (wie gezeigt) normierten beschränkten Handlungsfähigkeit Minderjähriger - im Leistungs-(unter Umständen auch nachfolgenden Gerichts-)verfahren betreffend die Rentenleistung einer Versehrtenrente nach dem ASVG zu verneinen. Dies gilt dann auch (in Anwendung dieser bürgerlich-rechtlichen Grundsätze, auf die auch das AVG - § 9 letzter Halbsatz - verweist, sodaß dieselben Beschränkungen auch im Verwaltungsverfahren gelten) bereits für die Zustellung derartiger, ein nachfolgendes (Rechtsmittel-, Klage-)Verfahren auslösender behördlicher Schriftstücke im vorgeschalteten Verwaltungsverfahren. Da sich der hier zur Beurteilung anstehende Bescheid (aus dem Jahre 1962) somit nicht auf Sachen bezog, die der (damals minderjährigen) Klägerin gemäß § 151 Abs 2 (vormals § 151) ABGB zur freien Verfügbarkeit standen, mangelte es ihr diesbezüglich an der Prozeßfähigkeit (vgl Oberndorfer, Die österreichische Verwaltungsgerichtsbarkeit 82; ebenso Dullinger aaO), sodaß sich die in § 361 Abs 2 ASVG solchen Personen eingeräumte Antragsbefugnis (und damit eingeschränkte verfahrensrechtliche Handlungsfähigkeit) letztlich ausschließlich auf diesen (das Leistungsverfahren auslösenden) Rechtsakt beschränkt. Nur so läßt sich auch die "oberste Richtschnur" des Kindeswohles (RV 60 BlgNR 14. GP, 15 zum Entwurf eines Bundesgesetzes über die Neuordnung der Rechtsstellung des ehelichen Kindes; Schwimann in Schwimann, ABGB I2 Rz 2 zu § 137) auch für diesen Bereich der Rechtsordnung sinnvoll und befriedigend zugunsten solcher Minderjähriger verwirklichen. Auf diese Weise ist auch die (formelle) Brücke zu § 2 ZPO bzw § 9 AVG hergestellt und der Gleichklang zwischen verfahrensrechtlicher Prozeßfähigkeit einerseits und bürgerlich-rechtlicher Geschäftsfähigkeit andererseits gewahrt.

Soweit das Rekursgericht - als weiteres Argument seiner bestätigenden Entscheidung - auf § 106 ASVG verwies, ist hiezu ebenfalls Dullinger zu folgen (aaO 401): Nach dieser Gesetzesstelle (Abs 1 dritter Satz; in der hier maßgeblichen Fassung Abs 1 zweiter Satz) sind mündige Minderjährige "für Leistungen, die ihnen aufgrund ihrer eigenen Versicherung zustehen, selbst empfangsberechtigt". Aus dieser Vorschrift kann jedoch - so wie auch aus dem bereits weiter oben behandelten § 361 Abs 2 ASVG (frühere wie geltende Fassung) - keine generelle Handlungsfähigkeit mündiger Minderjähriger in sozialversicherungsrechtlichen Verfahren abgeleitet werden, denn zum einen sind - worauf ebenfalls bereits hingewiesen wurde - die Minderjährigen in gewissen Bereichen eingeräumte Befugnisse zu ihrem eigenen Schutz eng zu interpretieren, zum anderen kann aus der Eigenberechtigung zum Empfang von (Versicherungs-)Leistungen nicht gleichzeitig der Schluß gezogen werden, daß ein solcher Minderjähriger damit in sozialversicherungsrechtlichen Angelegenheiten auch mit den Risken einer selbständigen Verfahrensführung belastet werden soll, würde doch eine derartige (weite) Auslegung über den Wortlaut hinaus dem generellen Rechtsprinzip des Minderjährigenschutzes (§ 21 Abs 1 ABGB) widerstreiten.

Daraus folgt nun, daß die bisherigen Verfahrensergebnisse für die von den Vorinstanzen bejahte Zurückweisung der Klage wegen "rechtskräftig entschiedener Sache" - richtig: wegen des Prozeßhindernisses der Unzulässigkeit des Rechtsweges (Feitzinger/Tades, ASGG2 Anm 3 zu § 67 und Anm 1 zu § 73; Kuderna, ASGG2 Anm 1 zu § 73) - (noch) keine Grundlage bieten. Ob die diesbezügliche Prozeßeinrede (der Rechtswegunzulässigkeit) tatsächlich nicht doch einer meritorischen Behandlung (und Entscheidung) über den Klageanspruch entgegensteht, kann derzeit freilich noch nicht abschließend beurteilt werden. Dies aus folgenden Gründen:

Nach der Rechtsprechung heilt eine - zufolge des Fehlens der Voraussetzungen des § 2 ZPO - unwirksame Zustellung an einen Minderjährigen nicht (automatisch) mit dem Eintritt seiner Großjährigkeit (RIS-Justiz RS0035229; insb SZ 46/13). Die Klägerin gab bei ihrer Vorsprache am 13. 3. 1997 bei der beklagten Partei hiezu nun an, vom maßgeblichen Bescheid vom 6. 3. 1962 - abgesehen von der aktenkundig ausgewiesenen Zustellung am 8. 3. 1962 (Kopie des Zustellscheines im Pensionsakt mit ihrer eigenhändigen Unterschrift) - erst am 13. 2. 1997 "Kenntnis erlangt" zu haben. Ob hiedurch eine Heilung des Zustellmangels (so nunmehr nach § 7 des am 1. 3. 1983 in Kraft getretenen Zustellgesetzes BGBl 1982/200, welcher die bis dahin insoweit wortgleiche Bestimmung des § 108 ZPO ersetzte [Art II Z 10 Zustellrechtsanpassungsgesetz BGBl 1982/201]) eingetreten ist, kann derzeit nicht beantwortet werden. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die bloße Kenntnis vom Bescheidinhalt kein Zukommen eines Schriftstückes im Sinne des § 7 ZustG (bzw gleichermaßen § 108 ZPO aF), sodaß eine Heilung des Zustellmangels im Sinne einer dieser Gesetzesstellen hiedurch (allein) nicht eintreten konnte (Erk 15. 12. 1995 Zl 95/11/033; 29. 8. 1996, Zl 95/06/0128). Die Heilung von Zustellmängeln setzt vielmehr die einwandfreie Feststellung voraus, daß das Schriftstück selbst dem Empfänger zugekommen ist (JBl 1968, 481). Nur auf diesem Wege hätte jedoch die seinerzeitige unwirksame Zustellung - abgesehen von dem nicht einmal von der beklagten Partei behaupteten Fall einer neuerlichen Zustellung des Bescheides während noch aufrechter Minderjährigkeit der Klägerin an ihren gesetzlichen Vertreter, welcher dann die Klagefrist verstreichen hätte lassen - saniert werden können (SZ 46/13), sodaß nur ein "tatsächliches Zukommen" des Bescheides (nicht also bloß eine Information über dessen Inhalt: vgl Entscheidungsnachweise wie vor) zur Heilung und damit Fristauslösung führen hätte können. Könnte man im Lichte dieser Erwägungen davon ausgehen, daß die Klägerin am 13. 2. 1997 vom Bescheid der beklagten Partei vom 6. 3. 1962 nicht bloß inhaltlich "Kenntnis erlangte", sondern ihr auch der Bescheid (als behördliches Schriftstück) "tatsächlich zugekommen" ist, dann wäre hiedurch ein allfälliger Zustellmangel jedenfalls geheilt worden, was wiederum zur Konsequenz hätte, daß die Klägerin durch die Protokollierung vor dem Versicherungsträger am 13. 3. 1997 ("möchte hiermit gegen den Bescheid vom 6. 3. 1962 Klagen ... mit der Feststellung, daß der Unfall vom 28. 5. 1961 ein Arbeitsunfall war") jedenfalls bereits (Bescheid-)Klage im Sinne des § 67 Abs 1 ASGG (unter Wahrung der vierwöchigen Frist des Abs 2 dieser Gesetzesstelle gerechnet vom Datum der Heilung des behaupteten Zustellmangels) mit der Fiktionswirkung der Klageeinbringung beim zuständigen Gericht nach § 84 letzter Satz ASGG erhoben hätte. Mangels Übergangsregelung hat der Gesetzgeber des ASGG eine rückwirkende Perpetuierung der früher in § 383 Abs 2 ASVG (aF) verankerten Drei-Monate-Frist nicht vorgesehen (vgl hiezu etwa Kuderna ASGG**2 447 Anm 10 zu § 67 unter Hinweis auf die Materialien), sodaß die alte Rechtslage auch nur bis zum Inkrafttreten des ASGG beachtlich wäre (§ 5 ABGB). Feststellungen dazu, daß der Bescheid (selbst) der Klägerin vor diesem Datum, jedoch nach dem Zeitpunkt ihrer eingetretenen Volljährigkeit (18. 5. 1965 nach dem damals in Geltung stehenden § 21 ABGB) rechtswirksam zugestellt ("tatsächlich zugekommen") wäre, wurden von den Vorinstanzen bisher nicht getroffen. Dieser Frage kommt damit aber rechtserhebliche Bedeutung zu. Sollte nämlich der Klägerin der Bescheid bereits früher (als erst am 13. 2. 1997) zugekommen und damit Heilung des Zustellmangels eingetreten sein, wäre die Rechtzeitigkeit (und damit Rechtswegzulässigkeit) einer Klage gegen den Bescheid vom 6. 3. 1962 an der Frist des § 67 Abs 2 ASGG (vier Wochen), bis zum Inkrafttreten des ASGG am 1. 1. 1987 (§ 98 Abs 1 desselben) an jener des § 383 Abs 2 ASVG aF (drei Monate) zu messen - zumal die Klägerin ja längst vor Inkrafttreten des ASGG volljährig geworden war und daher eine Heilung des Zustellmangels durch Zustellung ("Zukommen") des Bescheides auch bereits längst vor Inkrafttreten des ASGG möglich und denkbar ist. Sollte sich derartiges - wozu im fortgesetzten Verfahren ergänzende Erhebungen vorzunehmen und Feststellungen zu treffen sein werden - als zutreffend erweisen, dann würde einer Klage gegen den Bescheid vom 6. 3. 1962 tatsächlich dieses Prozeßhindernis entgegenstehen.

Andererseits hat die (von Anfang an qualifiziert vertretene) Klägerin in ihrer am 21. 3. 1997 - ebenfalls bei der beklagten Partei überreichten (§ 84 ASGG) - Klage ausgeführt (Einleitungssatz), diese gegen den Bescheid der beklagten Partei vom 17. 3. 1997, womit ihr Antrag auf Gewährung einer Versehrtenrente "zurückgewiesen" worden sei, zu erheben. Der Ausspruch einer Behörde (so die Diktion der beklagten Partei in ihrem bereits einleitend wörtlich wiedergegebenen Schreiben vom 17. 3. 1997), daß kein Bescheid erlassen werde oder daß ein Bescheid nicht ergehen könne, ist jedoch eine Erledigung, der gerade keine Bescheidqualität zukommt (ausführlich Fink, Sukzessive Zuständigkeit, 341 und 351). Schon aus dieser Erwägung müßte daher eine Bescheidklage hiegegen prozessual scheitern - die Ablehnung der Erlassung eines Bescheides würde nur die Möglichkeit einer Säumnisklage (nach § 67 Abs 1 Z 2 ASGG) eröffnen, deren Voraussetzungen (bezogen auf einen Antrag im März 1997) hier aber ebenfalls nicht vorliegen (SSV-NF 5/24); bezogen auf die Jahre 1961/1962 wären die Voraussetzungen für eine Säumnisklage hingegen nur dann erfüllt, wenn das Verfahren seinerzeit über Antrag eingeleitet worden wäre, über welchen bei Nichtheilung des Zustellmangels bisher noch nicht entschieden worden wäre; wurde das Verfahren seinerzeit hingegen von Amts wegen eingeleitet, dann wären die Voraussetzungen für eine Säumnisklage nicht erfüllt, denn die Nichterlassung eines Bescheides eröffnet nach § 67 Abs 1 ASGG ja nur dann die Möglichkeit zur Säumnisklage, wenn auch ein diesbezüglicher Antrag gestellt wurde (Kuderna, ASGG**2 446 f Anm 7 und 8 zu § 67).

Wenn aber die Voraussetzungen für die Erhebung einer Klage gegen den Bescheid vom 6. 3. 1962 - nach Klärung der hiezu noch offenen und im Rahmen der vorstehenden Ausführungen bereits näher aufgezeigten Voraussetzungen - bejaht werden sollten (also Konvalierung des Zustellmangels längstens vier Wochen vor dem 13. 3. 1997), wäre diese Klage mangels Erfüllung der Formerfordernisse (§ 226 ZPO einerseits, § 82 ASGG andererseits) verbesserungsbedürftig gewesen (§§ 84, 85). Eine solche Verbesserung hätte jedoch die Klägerin bereits selbst im Rahmen der Ausführungen der als Klage gegen den Bescheid vom 17. 3. 1997 bezeichneten Eingabe vom 19. 3. 1997 (eingelangt am 21. 3. 1997) nachgetragen. Insoweit müßte die letztgenannte Klage daher nach Auffassung des Senates - trotz Benennung des bekämpften Bescheides mit Datum 17. 3. 1997 - inhaltlich als solche gegen den Bescheid vom 6. 3. 1962 erhoben angesehen werden.

Nur dann, wenn bis zur Klageeinbringung (am 21. 3. 1997) keine Heilung des Zustellfehlers eingetreten ist, wobei zu den Voraussetzungen hiezu auf die vorstehenden Ausführungen verwiesen werden kann, müßte davon ausgegangen werden, daß ein Bescheid (im Sinne des § 67 Abs 1 Z 1 ASGG) bislang wirksam nicht erlassen wurde und der Rechtsweg daher aus diesem Grunde (§ 73 ASGG) nicht zulässig ware.

Eine Entscheidung in merito ist damit erst dann möglich, wenn das dagegen von der beklagten Partei eingewendete Prozeßhindernis der Rechtswegunzulässigkeit verläßlich verneint werden kann. Dies abschließend zu beurteilen, bedarf indes nach den vorstehenden Ausführungen einer Abklärung durch das Erstgericht. Sollten dabei die Voraussetzungen der Unzulässigkeit des Rechtsweges im aufgezeigten Sinne weiterhin als gegeben erachtet werden, hätte es bei der Klagezurückweisung zu verbleiben; andernfalls wären die (materiell-rechtlichen) Voraussetzungen für die geltend gemachte Versehrtenrente zu prüfen und hierüber (unter Verwerfung der Prozeßeinrede) mit Urteil zu entscheiden.

Aus allen diesen Erwägungen war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Der Kostenvorbehalt ist in § 52 Abs 1 ZPO (§ 2 Abs 1 ASGG) begründet.

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