OGH 1Ob184/98k

OGH1Ob184/98k24.11.1998

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schlosser als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer, Dr. Gerstenecker, Dr. Rohrer und Dr. Zechner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ing. Ferdinand S*****, vertreten durch Dr. Christian Böhm und Dr. Axel Reckenzaun, Rechtsanwälte in Graz, wider die beklagte Partei H***** Gesellschaft mbH, ***** vertreten durch Dr. Klaus J. Mitzner und Dr. Michael Krautzer, Rechtsanwälte in Villach, wegen S 989.869,60 sA infolge Rekurses der beklagten Partei (Rekursstreitwert S 843.939,60) gegen den Beschluß des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgerichts vom 26. März 1998, GZ 6 R 268/97x-42, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichts Leoben vom 29. September 1997, GZ 4 Cg 33/95z-36, teilweise aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden - unter Einschluß des bereits rechtskräftig abgewiesenen Mehrbegehrens - dahin abgeändert, daß das Klagebegehren, die beklagte Partei sei schuldig, der klagenden Partei S 989.869,60 samt 12 % Zinsen seit 8. 1. 1994 zu bezahlen, zur Gänze abgewiesen wird.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen die mit S 307.759,85 (darin S 40.631,10 Umsatzsteuer und S 63.973,25 Barauslagen) bestimmten Prozeßkosten zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger ist seit 26. 9. 1996 iSd §§ 1 ff UmwG Nachfolgeunternehmer einer Gesellschaft mbH. In der Folge wird auch diese Gesellschaft der Einfachheit halber als "Kläger" bezeichnet.

Der Kläger bezog von einer (ursprünglich erstbeklagten) Kommanditgesellschaft (in der Folge kurz KG), mit der er in ständiger Geschäftsbeziehung stand, Lacke eines bestimmten Systems, wobei ihm zur Verarbeitung dieser Lacke Merkblätter zur Verfügung standen. Zwecks Erfüllung eines Großauftrags zur Herstellung einer Inneneinrichtung aus Holz wurde dem Kläger vom Besteller für die Gestaltung der Lackierung ein Werkstück als Muster zur Verfügung gestellt. Daraufhin fertigte der Kläger unter Verwendung eines von der KG bezogenen und von der beklagten Partei hergestellten Decklacks ein eigenes Muster an, das vom Besteller akzeptiert und zur Ausführung freigegeben wurde. In der Folge bestellte der Kläger bei der KG zur Durchführung des Auftrags das gesamte, von der beklagten Partei hergestellte Lacksystem, und zwar einen bestimmten Grund- und einen bestimmten Decklack - jeweils mit Härter - und eine Verdünnung als Lösungsmittel. Die Holzstücke wurden vom Kläger in einer Lackierungsstraße, die von ausgebildeten Lackierern bedient wurde, entsprechend den aus den Merkblättern ersichtlichen Richtlinien der beklagten Partei bearbeitet. Nach dem Auftragen der Decklackierung wurden bei den lackierten Holzteilen Schleifspuren sichtbar. Es zeigten sich matte Flecken; die lackierten Holzstücke wiesen nicht jenen Glanzgrad wie die Muster auf und es kam auch zu Hochzieherscheinungen.

Der Kläger begehrte von der beklagten Partei aus dem Titel des Schadenersatzes S 989.869,60 sA. Die von der beklagten Partei hergestellten Lacke und Verdünnungen seien mangelhaft gewesen, sodaß Mängel an den lackierten Holzflächen aufgetreten seien. Für die Reparatur der mangelhaften Lackierflächen seien Kosten von S 653.869,60 entstanden. Der Besteller habe vom Werklohn S 336.000 an Preisminderung in Abzug gebracht, weil die Holzflächen trotz der vom Kläger vorgenommenen Reparaturarbeiten qualitativ mangelhaft gewesen seien. Die beklagte Partei hafte aufgrund der Bestimmungen des Produkthaftungsgesetzes (PHG).

Die beklagte Partei wendete ein, die von ihr hergestellten und vom Kläger bezogenen Produkte seien im Zeitpunkt des Inverkehrbringens fehlerfrei gewesen. Die im Rahmen ihrer internen Betriebsorganisation eingerichtete Abteilung für Materialprüfung unterziehe jede Produktcharge einer Endkontrolle, bei der sich keine Mängel gezeigt hätten.

Das Erstgericht verurteilte die beklagte Partei zur Zahlung von S 843.939,60 sA und wies das Mehrbegehren von S 145.930 sA samt einem Zinsenmehrbegehren aus dem zugesprochenen Kapitalsbetrag unbekämpft ab.

Es stellte fest, die mit dem Lack der beklagten Partei versehenen Holzstücke hätten wegen aufgetretener Mängel vom Kläger abgeschliffen werden müssen. Die Verkleidung und das Stockfutter der Türen sowie die Heizkörper- und Wandverkleidungen seien ein zweites Mal mit einem Decklack behandelt worden. Auch danach seien noch Schleifspuren und matte Flecken vorhanden gewesen. Die Türen und die Heizkörper- und Wandverkleidungen seien mit einem von der KG nachgelieferten abgematteten Decklack behandelt worden. Nach dieser Lackierung hätten diese Holzstücke keine Mängel aufgewiesen. Die Verkleidungen und das Stockfutter der Türen seien ohne weitere Behandlung mit den vorhandenen Schleifspuren und matten Flecken an den Besteller ausgeliefert worden. Die dem Kläger von der beklagten Partei gelieferten Lacke seien unmittelbar nach der Lieferung verbraucht worden. Es seien jeweils die einzelnen Lackgebinde mit der jeweiligen Härtermenge gemischt worden. Am 1. und 7. 10. 1992 sei die beklagte Partei vom Kläger informiert worden, daß es Probleme mit den gelieferten Lacken gebe. Die bei den lackierten Holzstücken aufgetretenen Schleifspuren, matten Flecken und Hochzieherscheinungen seien durch die mangelhaften Grundlacke bestimmter Chargennummern in Kombination mit dem Decklack und dem Lösungsmittel verursacht worden. Die Mängel seien nicht auf Fehler beim Transport oder bei der Lagerhaltung und auch nicht auf Verarbeitungsfehler zurückzuführen. Zur Behebung der Mängel an den Türen sowie an den Heizkörper- und Wandverkleidungen sei ein Kostenaufwand von S 597.939,60 (richtig: S 507.939,60) erforderlich gewesen. Die Lackierungsarbeiten hätten infolge der aufgetretenen Mängel vorerst nicht fortgeführt werden können. Daraus seien bei acht Arbeitern des Klägers Stehzeiten im Ausmaß von jeweils acht Tagen angefallen. Daraus seien dem Kläger Lohnkosten im Betrag von S 121.600 entstanden. Mit Schreiben vom 18. 1. 1992 habe der Kläger der beklagten Partei mitgeteilt, welche Arbeiten zur Mängelbehebung durchgeführt worden seien, und Kosten von S 653.859,60 in Rechnung gestellt. Die Bestellerin habe vom Werklohn des Klägers S 336.000 abgezogen, was der "Wertminderung" der vom Kläger nicht ordnungsgemäß gelieferten Holzteile entspreche. Aufgrund der Reklamationen des Klägers Anfang Oktober 1992 habe die beklagte Partei die Rückstellmuster jener Produktionschargen überprüft, aus welchen die Lacklieferungen an den Kläger erfolgt seien. Dabei seien keine Mängel feststellbar gewesen.

In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht aus, es sei das PHG idFd BGBl 1988/99 anzuwenden, weil die Produkte bereits 1992 hergestellt und in Verkehr gebracht worden seien. Die von der beklagten Partei hergestellten Grundlacke aus zwei Produktionschargen seien mangelhaft und sei daher eine ordnungsgemäße Verarbeitung nicht möglich gewesen. Für die an den vom Kläger bearbeiteten Holzteilen aufgetretenen Schäden hafte die beklagte Partei. Sie habe die zur Behebung der Mängel erforderlichen Kosten von S 507.939,60, aber auch die vom Werkbesteller in Abzug gebrachte Preisminderung von S 336.000 zu ersetzen. Beim Begehren auf Ersatz der Kosten für acht Tage Stehzeit von acht Mitarbeitern des Klägers handle es sich um einen nach dem PHG nicht zu ersetzenden Sachfolgeschaden.

Das Berufungsgericht hob das in der Abweisung des Teilbetrags von S

145.930 sA und des Zinsenmehrbegehrens aus dem zugesprochenen Kapitalbetrag unangefochten gebliebene Urteil im übrigen Umfang auf und erklärte den Rekurs an den Obersten Gerichtshof für zulässig. Es führte aus, der beklagten Partei sei der ihr gemäß § 7 Abs 2 PHG obliegende Entlastungsbeweis, nämlich die Wahrscheinlichkeit, daß das Produkt den für den Schaden ursächlichen Fehler zum Zeitpunkt des Inverkehrbringens noch nicht gehabt habe, darzutun, nicht gelungen. Demnach hafte sie grundsätzlich für jene Schäden, die an den vom Kläger bearbeiteten Holzteilen aufgetreten seien. Das Verfahren erster Instanz erweise sich aber - was die Höhe des vom Kläger begehrten Schadenersatzes betreffe - als mangelhaft. Das Gericht erster Instanz habe sich mit wesentlichen Verfahrensergebnissen überhaupt nicht auseinandergesetzt. Der Sachverständige habe zur Schadenshöhe ausschließlich auf ein Schreiben des Klägers vom 18. 11. 1992 (Beilage E) Bezug genommen, nicht aber auf die - spätere - Aussage des Klägers, der die Arbeiten abweichend von dem im genannten Schreiben eingenommenen Standpunkt geschildert habe. Der Reparaturaufwand sei damit nicht hinreichend geklärt. Der Kläger sei neuerlich zur behaupteten Schadenshöhe einzuvernehmen und es müsse ein ergänzendes Sachverständigengutachten eingeholt werden. Der Kläger habe auch Anspruch auf Ersatz der geltend gemachten Wertminderung, die allerdings in der "objektiven Wertminderung" ihre Grenzen finde.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs der beklagten Partei ist im Ergebnis berechtigt.

Vorauszuschicken ist, daß - was schon die Vorinstanzen zutreffend erkannten - auf das hier zu beurteilende Schadensereignis die Bestimmungen des PHG in seiner Stammfassung anzuwenden sind, weil die von der beklagten Partei hergestellten Produkte vor dem im § 19a PHG in der geltenden Fassung genannten Zeitpunkt in Verkehr gebracht worden sind. Die das PHG betreffenden Zitate beziehen sich daher auf dessen Stammfassung.

Die Haftung der beklagten Partei für die vom Kläger geltend gemachten Schäden ist schon aus rechtlichen Erwägungen zu verneinen:

§ 1 PHG setzt einen Personen- oder Sachschaden voraus. Unter Sachschaden ist nicht der am Produkt entstandene Schaden zu verstehen, sondern der sogenannte Folgeschaden, den ein Fehler des Produkts an anderen Sachen als dem fehlerhaften Produkt verursacht hat. Ein bloßer ("reiner") Vermögensschaden, der schon im Rahmen der Produkt-Verschuldenshaftung prinzipiell außer Ansatz bliebe, scheidet aus dem Anwendungsbereich des PHG aus (Fitz/Purtscheller/Reindl, Produkthaftung Rz 8 und 12 zu § 1 PHG;

Popper/Prandstötter/Leeb/Bernhard, Produkthaftungsgesetz 10;

Barchetti/Formanek, Das österreichische Produkthaftungsgesetz 32 f). Die beklagte Partei weist zutreffend darauf hin, daß die Produkthaftung einen verschuldensunabhängigen, vor allem Konsumenten begünstigenden Mindestschutz gewähren soll: Es ist nicht Aufgabe der Produkthaftung, alle nachteiligen Folgen auszugleichen. Der Ersatz ist auf die Kosten der Wiederherstellung einer beschädigten Sache oder den Ersatz deren Wertes zu beschränken. Für "Sachfolgeschäden", insbesondere entgangenen Gewinn, ist nach dem PHG kein Ersatz zu leisten (Welser, Kommentar zum PHG Rz 7 zu § 1; derselbe, Das neue PHG, in WBl 1988, 165 [168, 176]; derselbe, Lücken und Tücken des PHG, in WBl 1988, 281 [282]; Preslmayr, Handbuch des PHG 13;

Fitz/Purtscheller/Reindl aaO Rz 19 zu § 1; Müsgen/Nadler, Produkthaftungsgesetze in Österreich und der BRD, in WBl 1989, 101 [104]; Graf von Westphalen, Produkthaftungshandbuch II Rz 28 zu § 59;

Posch, Eine erste Analyse der Probleme zum PHG, in RdW 1988, 65 [74];

Krejci, Das PHG, in VersRdSch 1988, 209 [221]; Andreewitch, Sachfolgeschäden und Produkthaftungsgesetz, in WBl 1990, 168 [169];

P. Bydlinski, Bemerkungen zu aktueller Produkthaftungsliteratur, in ZVR 1989, 33 [35]).

Im vorliegenden Fall kann dem Begehren des Klägers schon deshalb kein Erfolg beschieden sein, weil keine vom Produkt der beklagten Partei verschiedene körperliche Sache (des Klägers) beschädigt wurde. Ist nämlich eine fertige (körperliche) Sache noch nicht vorhanden, sondern wird eine neue Sache erst - wie hier mangelhaft - hergestellt, so liegt darin keine Sachbeschädigung (Wussow, AHB8 § 1 Anm 41). Sachbeschädigung und mangelhafte Herstellung einer Sache schließen einander begrifflich aus (vgl NJW 1961, 269 ua). Die Sache, die der Kläger herstellen sollte, war erst im Stadium der Bearbeitung, sie konnte daher als solche nicht beschädigt werden. Bei dem vom Kläger geltend gemachten Schaden, der in den Kosten einer über die sonst erforderliche Bearbeitung hinausgehenden Behandlung des Werkstücks gelegen ist, handelt es sich daher nicht um einen nach § 1 Abs 1 PHG ersetzbaren Sachschaden, sondern um einen "reinen" Vermögensschaden, der dem Kläger dadurch entstanden ist, daß er zur Herstellung der von ihm an den Besteller zu liefernden Sache übermäßige Aufwendungen zu tätigen hatte. Ein solcher Vermögensschaden ist nach dem PHG - wie dargestellt - ebensowenig ersetzbar wie der "reine" Vermögensschaden, der dem Kläger dadurch erwachsen ist, daß er für sein an den Besteller ausgeliefertes Werk nicht jenes Entgelt erzielte, das - bei mängelfreier Lieferung - vom Besteller vereinbarungsgemäß zu zahlen gewesen wäre. Der aus dem Titel der "Wertminderung" vom Besteller einbehaltene Betrag verringerte zwar die Einkünfte des Klägers; dieser Abzug vom Werklohn stellt schon begrifflich keinen Sachschaden dar, der nach § 1 Abs 1 PHG ersatzfähig wäre.

Der Kläger hat den gegen die beklagte Partei erhobenen Schadenersatzanspruch lediglich auf die Bestimmungen des PHG gestützt. Auf sonstige Haftungsgründe muß demnach nicht eingegangen werden, die Streitteile standen nicht in vertraglicher Beziehung, sodaß bei Annahme eines Verschuldens der beklagten Partei nur Deliktshaftung in Frage käme, bei der die Haftung für Vermögensschäden regelmäßig nicht in Betracht kommt und außerdem auch die Erfüllungsgehilfenhaftung (§ 1313a ABGB) entfiele.

Der Rekurs der beklagten Partei ist sohin im Ergebnis berechtigt und das Klagebegehren iSd § 519 Abs 2 2. Satz ZPO zur Gänze abzuweisen.

Die Entscheidung über die Prozeßkosten aller drei Instanzen beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.

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