OGH 14Os154/98

OGH14Os154/9824.11.1998

Der Oberste Gerichtshof hat am 24. November 1998 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Massauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Mayrhofer, Dr. Holzweber, Dr. Ratz und Dr. Philipp als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Schmidt als Schriftführer, in der Strafsache gegen Henrico H***** wegen des Vergehens der fahrlässigen Körperverletzung nach § 88 Abs 1 und Abs 4 erster Fall StGB, AZ 4c E Vr 13.019/96 des Landesgerichtes für Strafsachen Wien, über die vom Generalprokurator gegen den Beschluß vom 6. Oktober 1997 (ON 27) erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Raunig, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten und eines Verteidigers, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Beschluß des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 6. Oktober 1997, GZ 4 c E Vr 13.019/96-27, mit dem vom Widerruf der mit dem Urteil des Jugendgerichtshofes Wien vom 29. März 1995, GZ 13 E Vr 219/95-16, dem Angeklagten Henrico H***** gewährten bedingten Strafnachsicht abgesehen und die Probezeit auf fünf Jahre verlängert wurde, verletzt das Gesetz in der Bestimmung des § 494a Abs 1 Z 2 StPO in Verbindung mit dem sich aus dem XX. Hauptstück der Strafprozeßordnung ergebenden Verbot, in derselben Sache nochmals zu entscheiden.

Dieser Beschluß wird aufgehoben.

Text

Gründe:

Mit rechtskräftigem Urteil des Jugendgerichtshofes Wien vom 29. März 1995, GZ 13 E Vr 219/95-16, wurde Henrico H***** des Verbrechens des versuchten Diebstahls durch Einbruch nach §§ 15, 127, 129 Z 1 StGB schuldig erkannt und zu einer gemäß § 43 Abs 1 StGB für eine Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe verurteilt.

Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 28. November 1996, GZ 1 b Vr 10.563/96-41, wurde Henrico H***** des am 2. Oktober 1996 - sohin in der Probezeit - begangenen Verbrechens des schweren Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 4, 129 Z 1 StGB schuldig erkannt und zu einer Freiheitsstrafe verurteilt. Unter einem faßte das Gericht gemäß § 494a Abs 1 Z 4 StPO den Beschluß auf Widerruf der vom Jugendgerichtshof Wien gewährten bedingten Strafnachsicht. Infolge vom Angeklagten erhobener Rechtsmittel erwuchsen Urteil und Beschluß erst am 9. Dezember 1997 in Rechtskraft.

Mittlerweile wurde Henrico H***** mit rechtskräftigem Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 6. Oktober 1997, GZ 4 c E Vr 13.019/96-27, des am 18. Mai 1996 begangenen Vergehens der fahrlässigen Körperverletzung nach § 88 (ergänze: Abs 1,) Abs 4 erster Fall StGB schuldig erkannt und zu einer gemäß § 43 Abs 1 StGB für eine Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe verurteilt. Offenbar in Unkenntnis des vom selben Gericht am 28. November 1996 ausgesprochenen Widerrufes faßte der Einzelrichter unter einem gemäß § 494a Abs 1 Z 2 StPO den Beschluß, vom Widerruf der vom Jugendgerichtshof Wien gewährten bedingten Strafnachsicht abzusehen und (gemäß § 494a Abs 6 StPO) die Probezeit auf fünf Jahre zu verlängern.

Dieser Beschluß steht - wie der Generalprokurator in seiner zur Wahrung des Gesetzes erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zutreffend aufzeig - mit dem Gesetz nicht im Einklang.

Rechtliche Beurteilung

Der Beschluß des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 28. November 1996 auf Widerruf der bedingten Strafnachsicht entfaltete (auch schon vor Eintritt der Rechtskraft) die aus den Bestimmungen über seine Anfechtbarkeit (hier: §§ 494a Abs 4, 498 Abs 1 StPO) und dem XX. Hauptstück der StPO abzuleitende Bindungswirkung, derzufolge ein Gericht ohne vorangegangene Aufhebung dieses Beschlusses nicht berechtigt war, über den Entscheidungsgegenstand neuerlich abzusprechen. Der Einzelrichter des Landesgerichtes für Strafsachen Wien hat daher mit dem angefochtenen Beschluß eine Entscheidungskompetenz rechtswidrig in Anspruch genommen und ohne Vorliegen der Voraussetzungen nach § 494a Abs 1 Z 2 StPO das Absehen vom Widerruf (unter Verlängerung der Probezeit) ausgesprochen. Dieser Beschluß konnte weder den schon hier vorher wirksam beschlossenen Widerruf der bedingten Strafnachsicht beseitigen noch sonst für den Verurteilten irgendwelche Rechtsfolgen nach sich ziehen; die konstitutive Wirkung des Widerrufsbeschlusses blieb vielmehr hievon unberührt (vgl EvBl 1989/64 = JBl 1989, 400 uva).

Obwohl der angefochtene Beschluß für Henrico H***** sohin keinerlei Rechtswirkung entfalten kann war er aus Gründen der Rechtsklarheit aufzuheben (Mayerhofer StPO4 § 494a E 20b).

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