OGH 2Ob248/98d

OGH2Ob248/98d15.10.1998

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Angst als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Niederreiter, Dr. Schinko, Dr. Tittel und Dr. Baumann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. Ing. Karl T*****, und 2. Thomas R*****, beide vertreten durch Dr. Günther Klepp und andere Rechtsanwälte in Linz, wider die beklagten Parteien 1. Franz P*****, 2. Andrea S*****, und 3. ***** Versicherungs‑AG, ***** wegen S 87.912,60 (Erstkläger) und S 33.333,33 (Zweitkläger) jeweils sA, infolge Revisionsrekurses der klagenden Parteien gegen den Beschluß des Landesgerichtes Linz als Rekursgerichtes vom 30. März 1998, GZ 11 R 136/97i‑5, womit infolge Rekurses der klagenden Parteien der Beschluß des Bezirksgerichtes Linz vom 24. Oktober 1997, GZ 12 C 1824/97x‑2, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1998:0020OB00248.98D.1015.000

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

In Abänderung der Entscheidungen der Vorinstanzen wird der Zurückweisungsbeschluß des Erstgerichtes aufgehoben und diesem aufgetragen, über die Klage das gesetzliche Verfahren unter Abstandnahme von dem gebrauchten Zurückweisungsgrund einzuleiten.

Die Kosten der Rechtsmittelverfahren sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Der Erstkläger begehrt als Halter eines PKW S 87.912,60 Reparatur- und Mietwagenkosten und der Zweitkläger als Lenker S 33.333,33 Schmerzengeld aus einem Verkehrsunfall. Der Erstbeklagte sei zum Unfallszeitpunkt Lenker, der Zweitbeklagte Halter und die drittbeklagte Partei Haftpflichtversicherer des gegnerischen Fahrzeuges gewesen.

Das Erstgericht wies die Klage a limine wegen sachlicher Unzuständigkeit zurück. Es vertrat die Ansicht, die beklagten Parteien seinen materielle Streitgenossen, weil sie jedenfalls solidarisch verpflichtet seien. Da die Ausnahme des § 55 Abs 2 JN nicht vorliege, seien die in der Klage geltend gemachten Ansprüche des Erst- und Zweitklägers zusammenzurechnen, wodurch die bezirksgerichtliche Streitwertgrenze von S 100.000 überschritten werde.

Das dagegen vom Kläger angerufene Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, der ordentliche Revisionsrekurs sei nicht zulässig.

Es führte aus, Lenker, Halter und Haftpflichtversicherer bildeten insoweit eine einheitliche Streitpartei, als der gegen sie vorgebrachte Haftungsgrund identisch sei. Jede einheitliche Streitpartei stelle zugleich auch eine materielle Streitgenossenschaft dar. Die beklagten Parteien seien daher materielle Streitgenossen im Sinne des § 11 Z 1 ZPO. Gemäß § 55 Abs 1 Z 2 JN seien Ansprüche zusammenzurechnen, wenn sie von mehreren Klägern oder gegen mehrere Beklagte, die materielle Streitgenossen seien, geltend gemacht werden. Da bereits auf Seite der beklagten Parteien eine materielle Streitgenossenschaft vorliege, sei auf die Frage, ob es sich bei den Klägern um materielle oder formelle Streitgenossen handle, nicht mehr einzugehen.

Aufgrund eines Antrags nach § 508 Abs 1 ZPO sprach das Rekursgericht aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs doch zulässig sei, weil ein Abweichen von der oberstgerichtlichen Judikatur denkbar sei.

Dagegen richtet sich der Revisionsrekurs der Kläger mit dem Antrag, die Beschlüsse der Vorinstanzen aufzuheben und dem Erstgericht aufzutragen, das Verfahren durch Klagszustellung fortzusetzen.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist zulässig, weil das Rekursgericht von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes abgewichen ist, er ist auch berechtigt.

Nach ständiger Rechtsprechung bilden Halter, Lenker und Versicherer insoweit eine einheitliche Streitpartei, als der gegen sie vorgebrachte Haftungsgrund identisch ist und es zur Verwirklichung der in § 28 KHVG 1994 vorgesehenen Erstreckungswirkung eines das Schadenersatzbegehren rechtskräftig aberkennenden Urteils erforderlich ist (2 Ob 83/98i; RIS‑Justis RS0035547). Jede einheitliche Streitpartei ist auch zugleich eine materielle Streitgenossenschaft (Rechberger/Simotta, Zivilprozeßrecht4 Rz 202).

Hingegen sind aber mehrere aus einem Unfall Geschädigte nach ständiger Rechtsprechung nur formelle Streitgenossen im Sinne des § 11 Z 2 ZPO (2 Ob 327/97w; 2 Ob 162/89; ZVR 1986/20 ua). Gemäß § 55 Abs 1 Z 2 JN sind mehrere in einer Klage geltend gemachte Ansprüche nur dann zusammenzurechnen, wenn sie von mehreren oder gegen mehrere Parteien erhoben werden, die Streitgenossen nach § 11 Z 1 ZPO sind. Entgegen der Ansicht der Vorinstanzen kann die materielle Streitgenossenschaft auf Seite der beklagten Parteien nicht dazu führen, daß die von formellen Streitgenossen geltend gemachten Ansprüche zusammenzurechnen wären. Aus § 55 Abs 2 JN geht nämlich hervor, daß derselbe Anspruch auch bei materieller Streitgenossenschaft nur einmal in Anschlag zu bringen ist. Die Ansprüche der Kläger sind daher nicht zusammenzurechnen (vgl 2 Ob 327/97w), weshalb die sachliche Zuständigkeit des angerufenen Bezirksgerichtes gegeben ist.

In Stattgebung des Revisionsrekurses war somit dem Erstgericht die Einleitung des gesetzlichen Verfahrens aufzutragen.

Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 Abs 1 ZPO.

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