OGH 2Ob242/98x

OGH2Ob242/98x15.10.1998

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Angst als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Niederreiter, Dr. Schinko, Dr. Tittel und Dr. Baumann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ottilie K*****, vertreten durch Rechtsanwälte Dr. Grosch & Partner OEG in Kitzbühel, wider die beklagte Partei Gerold S*****, vertreten durch Dr. Herbert Linser und Mag. Christian Linser, Rechtsanwälte in Imst, wegen S 505.687,-- samt Anhang, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht vom 23. April 1998, GZ 2 R 61/98g-23, womit das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 6. Dezember 1997, GZ 17 Cg 254/96m-18, abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen, die im übrigen mangels Anfechtung unberührt bleiben, werden, soweit damit ein Klagebegehren in der Höhe von S 494.000 sA abgewiesen wurde, und ferner im Kostenpunkt aufgehoben. Die Rechtssache wird in diesem Umfang zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten der Rechtsmittelverfahren sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Die Klägerin, die ihren Wohnsitz in der Bundesrepublik Deutschland hat, wurde am 2. 8. 1975 bei einem vom Beklagten in Österreich verschuldeten Verkehrsunfall verletzt und erlitt einen Kompressionsbruch des ersten Lendenwirbelkörpers und eine Rißquetschwunde am linken Unterarm. Am 5. 8. 1975 wurde ein Gipsmieder angelegt. Nach Abschluß der etwa drei Monate dauernden Ruhigstellung nahm die Klägerin Anfang Jänner 1976 ihre berufliche Tätigkeit wieder auf. Im August 1976 trat der Heilungsendzustand ein.

Am 23. 3. 1976 brachte die Klägerin gegen den Beklagten beim Landesgericht Innsbruck eine Klage ein, mit welcher sie unter anderem ein Schmerzengeld von S 30.000 begehrte, wobei sie vorbrachte, aufgrund der erlittenen Verletzungen, deren Folgen bis jetzt bei weitem noch nicht abgeklungen seien, sei ein Schmerzengeld zumindest in dieser Höhe angemessen. Ausdrücklich vorbehalten blieben weitere Schadenersatzansprüche aus dem Titel Schmerzengeld. Im Zusammenhang mit dem ebenfalls erhobenen Feststellungsbegehren brachte die Klägerin vor, sie leide nach wie vor an den Unfallsfolgen. Der Bruch des Lendenwirbelkörpers sei wohl abgeheilt, doch zeige die Lendenwirbelsäule eine erhebliche keilförmige Deformierung und Knickbildung. Die Unfallsfolgen könnten derzeit noch nicht endgültig abgegrenzt werden, weshalb sie ein rechtliches Interesse an der Feststellung der Haftung des Beklagten für künftige Schäden habe.

Auf Grund dieser Klage erging bei einer vom Landesgericht Innsbruck anberaumten ersten Tagsatzung am 6. 5. 1976 ein Versäumungsurteil im klagsstattgebenden Sinn, das in Rechtskraft erwuchs.

Mit der vorliegenden, im Zuge des Verfahrens ausgedehnten Klage begehrt die Klägerin ein weiteres Schmerzengeld von S 500.000 sowie Therapiekosten von S 5.687 mit der Behauptung, in den letzten drei Jahren sei es unfallbedingt zum Auftreten seinerzeit nicht vorhersehbarer Beschwerden gekommen, die auf die im Jahre 1975 erlittene Kompressionsfraktur zurückzuführen seien. Diese nunmehr aufgetretenen Unfallsfolgen seien für sie zum Zeitpunkt der (ersten) Klagseinbringung nicht vorhersehbar gewesen, zumal sie von den Ärzten darüber nicht aufgeklärt worden sei oder gegenteilige Auskünfte erhalten habe.

Der Beklagte wendete ein, daß die in den letzten Jahren aufgetretenen Beschwerden, soweit sie überhaupt unfallskausal sein sollten, bereits zum Zeitpunkt der ersten Klagsführung voraussehbar gewesen und somit durch das zuerkannte Schmerzengeld, das eine Globalabfindung darstelle, abgegolten seien.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es stellte noch folgendes fest:

Zum Zeitpunkt des Abschlusses der Ruhigstellungsmethode, die einem mit Verknöcherungen verbundenen konservativen Verfahren entspricht, waren weitere Schmerzen für die Zukunft vorhersehbar, sie entsprechen dem gewöhnlichen Verlauf und Fortschritt einer Fehlstellung, die sich aus der damaligen Behandlungsmethode ergeben hat. Die damalige Behandlungsmethode verlangte, daß in Zukunft Therapie und Bewegungsmaßnahmen durchgeführt werden, weil durch weitere Ruhigstellung eine Zunahme des Schmerzbildes zu erwarten war. Die Kompressionsfraktur im Bereich des ersten Lendenwirbelkörpers verheilte in einer Fehlstellung. Der Zwischenwirbelraum ist vollkommen aufgelaufen, unregelmäßig begrenzt, zum Teil vermehrt sklerosiert. Im Bereich einer inkompletten Spangenbildung sind mäßiggradige arthrotische Veränderungen der kleinen Wirbelgelenke erkennbar. Eine angedeutete skoliotische Verkrümmung der Wirbelsäule ist als Unfallsfolge zu werten, nicht jedoch ein Bandscheibenvorfall, der 1994 diagnostiziert wurde, sowie ein aufgrund eines Auffahrunfalles vom 2. 8. 1983 erlittenes Cervikalsyndrom. Im Bereich der Lendenwirbelsäule ist als Folge des vorliegenden Unfalls eine Bewegungseinschränkung beim Vor- und Zurückneigen und ein lokaler Druckschmerz im Ileosakralgelenk linksseitig mit Belastungsschmerzen feststellbar. Die unfallskausalen typischen Schmerzen sind als leichte Schmerzen für die Dauer eines Monats pro Jahr zu bewerten, Kuraufenthalte und Physikotherapien können eine Verbesserung bewirken. Es ist nicht feststellbar, inwieweit die von der Klägerin geltend gemachten Therapiekosten mit der unfallskausalen Beeinträchtigung im Zusammenhang stehen.

Aus rechtlicher Sicht führte das Erstgericht aus, das Schmerzengeld sei in der Regel als Globalbemessung zuzuerkennen, wobei in der Zukunft auftretende vorhersehbare und typische Schmerzen mitzuberücksichtigen seien. Da im vorliegenden Fall nach der damaligen medizinischen Behandlungsmethode vorhersehbar gewesen sei, daß in Zukunft typische Schmerzen auftreten würden, sei davon auszugehen, daß das im Vorprozeß zuerkannte Schmerzengeld als Globalsumme bemessen worden sei, weshalb weiteres Schmerzengeld nicht mehr gefordert werden könne. Für die von der Klägerin darüber hinaus geltend gemachten Therapiekosten fehle der Kausalitätsnachweis.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin teilweise Folge, änderte das erstgerichtliche Urteil, das hinsichtlich der Abweisung eines Teilbegehrens von S 6.000 sA mangels Anfechtung unberührt blieb, dahin ab, daß der Klägerin ein Betrag von S 3.000 sA zugesprochen und das Mehrbegehren von S 502.687 sA (einschließlich des bereits rechtskräftig abgewiesenen Betrages von S 6.000) abgewiesen wurde, und sprach aus, daß die ordentliche Revision zulässig sei. Es führte folgendes aus:

Soweit sich die Berufung gegen die Negativfeststellung in bezug auf die Therapiekosten wende, sei ihr dadurch der Boden entzogen, daß die Parteien bei der Berufungsverhandlung insoweit einen Betrag von S 3.000 als unfallskausal außer Streit gestellt hätten; in diesem Umfang sei der Klage samt den begehrten gesetzlichen Zinsen Folge zu geben gewesen.

Darüberhinaus sei die Berufung jedoch nicht berechtigt. Aus kollisionsrechtlicher Sicht sei vorauszuschicken, daß nach Art 3 des Haager Straßenverkehrsübereinkommens österreichisches Recht anzuwenden sei; dies habe auch im übrigen auf den Vorprozeß zugetroffen, weil dieses Übereinkommen für Österreich am 3. 6. 1975, somit vor dem Unfallszeitpunkt, in Kraft getreten sei.

Nach ständiger Rechtsprechung sei das Schmerzengeld in aller Regel im Rahmen einer Globalbemessung zuzusprechen; eine Teileinklagung sei nur ausnahmsweise zulässig, weil es nicht im Belieben des Verletzten stehe, Schmerzengeld nur für einen bestimmten Zeitraum zu begehren. Auch wenn ein Teilschmerzengeld für einen bestimmten Zeitraum begehrt werde, habe das Gericht - im Rahmen des Begehrens - mit einer Globalbemessung vorzugehen, wenn eine zeitliche Beschränkung unbegründet sei. Ausnahmen von dieser Regel im Sinne eines späteren, neuerlichen Schmerzengeldes seien von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes nur dann anerkannt worden, wenn es sich um die Vergütung von Schmerzen handle, die sich nicht als Fortsetzung der früheren darstellten, sondern die nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge nicht zu erwarten gewesen seien. Die Ausklammerung bestimmter Unfallsfolgen aus der Schmerzengeldbemessung sei von der Rechtsprechung auch dann bejaht worden, wenn deren Auswirkungen auch nicht annähernd überblickt und bewertet werden hätten können, so auch bei Änderung des erwarteten Heilungsverlaufes. Alle diese rechtlichen Erwägungen hätten bereits auf das Vorverfahren zugetroffen, und zwar sowohl in bezug auf den Zeitpunkt der Einbringung der Klage als auch der Fällung des (echten) Versäumungsurteils.

Beim Versäumungsurteil nach § 396 ZPO sei das tatsächliche Vorbringen der erschienenen (hier der klagenden) Partei für wahr zu halten, an die rechtlichen Schlußfolgerungen sei das Gericht hingegen nicht gebunden. Die Frage, ob der Schmerzengeldzuspruch im Rahmen des am 6. 5. 1976 gefällten Versäumungsurteils eine Globalbemessung darstelle, sei daher unabhängig von den rechtlichen Schlußfolgerungen in der damaligen Klage zu beurteilen. Es sei somit zu überprüfen, ob das - für wahr zu haltende - tatsächliche Vorbringen über die Verletzungen der Klägerin und die damit verbundenen und zu erwartenden Folgen aus rechtlicher Sicht zu einer Globalbemessung des Schmerzengeldes geführt hätten oder ob ausnahmsweise ein Teilzuspruch möglich gewesen sei. Daß die Teileinklagung nicht im Belieben des Geschädigten liege, führe zwingend auch zum Schluß, daß bei der Prüfung der entsprechenden Kriterien ein objektiver Maßstab anzulegen sei, weshalb es nicht darauf ankomme, ob für die Klägerin selbst in Zukunft zu erwartende Schmerzen und Beschwerden voraussehbar gewesen wären; vielmehr komme es dabei ausschließlich auf die nach dem jeweiligen Stand der Wissenschaft gegebenen objektiven Umstände an. Ob die (auf dem eingeholten Sachverständigengutachten beruhende) Feststellung im Ersturteil, wonach zum Zeitpunkt der Klagseinbringung (im Vorprozeß) für die Klägerin weitere Schmerzen und Beeinträchtigungen vorhersehbar und auch einschätzbar gewesen seien, richtig sei, könne daher dahingestellt bleiben. Die Feststellung im Ersturteil dahin, daß weitere, für die damalige Behandlungsmethode typische Schmerzen für die Zukunft (objektiv, somit für einen Arzt nach dem damaligen Stand der Wissenschaft) vorhersehbar gewesen seien, entspreche hingegen der Beweislage, insbesondere dem Gutachten des vom Erstgericht beigezogenen Sachverständigen und werde vom Berufungsgericht übernommen.

Das tatsächliche Vorbringen der Klägerin im Vorprozeß gehe dahin, daß die Folgen der erlittenen Verletzungen trotz Abheilung des Bruches des Lendenwirbelkörpers damals bei weitem noch nicht abgeklungen gewesen seien und daß die Unfallsfolgen noch nicht endgültig abgegrenzt werden könnten. Das ersetze nicht das für die Zuerkennung nur eines Teilschmerzengeldes erforderliche tatsächliche Vorbringen dahingehend, daß die Unfallsfolgen auch nicht annähernd überblickt und bewertet werden könnten. Bei richtiger rechtlicher Beurteilung des von der Klägerin im Vorprozeß behaupteten, für wahr zu haltenden Sachverhalts auch unter Bedachtnahme auf die Behauptungspflicht der Klägerin für alle ihren Anspruch begründenden Tatsachen wäre das von der Klägerin damals begehrte Schmerzengeld somit als Globalbetrag zuzusprechen gewesen; in diesem Sinne sei das gefällte Versäumungsurteil demnach aus rechtlicher Sicht zu verstehen. Nachdem die Klägerin ihren nunmehr geltend gemachten weiteren Schmerzengeldanspruch ausschließlich auf Beschwerden und Schmerzen stütze, die typische und vorhersehbare Folgen ihrer aus dem gegenständlichen Unfall resultierenden Verletzungen seien, bestehe dieser Anspruch nicht, weil er bereits im Zuge des zuerkannten globalen Schmerzengeldes abgegolten worden sei. Im Umfang des Schmerzengeldbegehrens sei der Berufung somit nicht Folge zu geben gewesen.

Die ordentliche Revision sei zulässig, weil zu den dem Berufungsgericht erheblich erscheinenden Rechtsfragen, nach welchem Wissensstand künftige Schmerzen voraussehbar sein müßten, um eine Teileinklagung von Schmerzengeld zu rechtfertigen, und welchen Voraussetzungen in bezug auf Bestimmtheit das Klagsvorbringen bei Einklagung von Teilschmerzengeld genügen müsse, wenn ein echtes Versäumungsurteil nach § 396 ZPO gefällt worden sei, keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes vorliege.

Gegen diese Berufungsentscheidung, soweit darin ein Schmerzengeldbetrag von S 494.000 sA abgewiesen wurde, richtet sich die Revision der Klägerin wegen Mangelhaftigkeit des Verfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im Sinne der (im Rahmen der Anfechtungserklärung) vollen Klagsstattgebung abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Der Beklagte beantragt in seiner Revisionsbeantwortung, die Revision zurückzuweisen bzw abzuweisen.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist im Sinne des Aufhebungsantrages auch berechtigt.

Die behauptete Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens liegt allerdings nicht vor, was keiner weiteren Begründung bedarf (§ 510 Abs 3 ZPO). Zur Klarstellung wird bemerkt, daß die Therapiekosten zwar in der Berufungsverhandlung mit S 3.000 außer Streit gestellt wurden, eine entsprechende Klagseinschränkung aber unterblieb und vom Berufungsgericht daher auch nicht übersehen wurde.

In ihrer Rechtsrüge macht die Klägerin im wesentlichen geltend, für sie selbst seien die künftigen Schmerzen nicht vorhersehbar gewesen; durch die Fällung eines Versäumungsurteils im Vorprozeß könne sie nicht schlechter gestellt werden, als sie stünde, wenn sich der Beklagte in den Streit eingelassen hätte und ein im Vorprozeß eingeholtes medizinisches Sachverständigengutachten Klarheit über die tatsächlichen Beeinträchtigungen und Spätfolgen der erlittenen Verletzungen gebracht hätte; auch nach der neueren Rechtsprechung zur Verjährung komme es auf die subjektive Kenntnis des Geschädigten an; die vorliegende Klage habe einen anderen Streitgegenstand als die seinerzeitige, die Rechtskraft des über eine Teilklage ergehenden Urteiles hindere die Restklage nicht; die Beweisergebnisse zur Vorhersehbarkeit der Beschwerden seien unzureichend.

Hiezu wurde erwogen:

Das Schmerzengeld ist nach ständiger Rechtsprechung prinzipiell eine einmalige Abfindung. In die Globalbemessung sind auch die künftigen, nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge zu erwartenden Schmerzen einzubeziehen. Eine ergänzende Bemessung kommt dann in Betracht, wenn Schmerzen bei der ersten Bemessung nicht vorhersehbar oder in ihrem Ausmaß nicht abschätzbar waren und daher das dem Verletzten gebührende Schmerzengeld nicht zur Gänze beurteilt werden konnte. Mangels besonderer, vom Verletzten darzustellender Gründe steht es nicht in seinem Belieben, Teileinklagungen vorzunehmen. Die Auffassung des Schmerzengeldes als grundsätzlich einmalige Pauschalabgeltung erspart es nicht nur dem Geschädigten, immer wieder neue Schmerzengeldklagen einzubringen, sondern verhindert auch, daß der Schädiger ständig neuen Forderungen ausgesetzt ist, obwohl die Verletzungsfolgen im Bemessungszeitpunkt des ersten Prozesses bereits hinreichend überschaubar waren. Selbst bei Zuerkennung eines Schmerzengeldbetrages durch Versäumungsurteil kann ohne nachträgliche Sachverhaltsänderung ein weiteres Schmerzengeld nicht zugesprochen werden, und zwar auch dann nicht, wenn in der Klagserzählung die Ausdehnung der Forderung aufgrund eines ärztlichen Sachverständigengutachtens ausdrücklich vorbehalten wurde. Der Verletzte müßte besondere Gründe dafür darlegen, warum er bloß einen Teilbetrag geltend macht (ZVR 1997/67 mwN; RIS-Justiz RS0031082, RS0031051, RS0031056; vgl Apathy, EKHG § 13 Rz 38; Reischauer in Rummel2 § 1325 Rz 49; Harrer in Schwimann2 § 1325 Rz 83 jeweils mwN).

Mit ihrer damaligen Klage, in der sie sich neben der Forderung von S 30.000 weitere Schmerzengeldansprüche vorbehielt und zur Sicherung künftiger Ansprüche ein Feststellungsbegehren erhob, strebte die Klägerin eine Teilbemessung an. Dies stand freilich nicht in ihrem Belieben, sondern setzte voraus, daß sie die künftigen Schmerzen nicht ausreichend vorhersehen konnte.

Nach ihrem damaligen Klagsvorbringen waren die Verletzungsfolgen bei Klagseinbringung bei weitem noch nicht abgeklungen und konnten die Unfallsfolgen damals noch nicht endgültig abgegrenzt werden. Diese Behauptung kann im Zusammenhang mit dem übrigen Klagsinhalt ohne weiteres dahin gedeutet werden, künftige Schmerzen könnten in ihrem Ausmaß noch nicht abgeschätzt werden. Auf den formelhaften Gebrauch bestimmter Redewendungen kommt es hiebei nicht an, zumal sich auch der Oberste Gerichtshof bei der Beschreibung der Zulässigkeitsvoraussetzungen von Teilbemessungen unterschiedlicher Ausdrucksweisen bedient (vgl etwa ZVR 1983/345, 1985/93, 1986/117, 1989/134, 1990/158). Die vom Berufungsgericht für notwendig gehaltene, aus ZVR 1974/116 entnommene Formel betraf damals im übrigen lediglich die Ausklammerung bestimmter Unfallsfolgen (mit Fistelbildung verbundene Operationen).

Aus heutiger sachverständiger Sicht war der weitere Schmerzverlauf vorhersehbar (in diesem Sinne sind die erstgerichtlichen Feststellungen zu verstehen), maßgebend für die Beurteilung der damaligen Teileinklagung ist aber der damalige Wissensstand. Wäre im Vorprozeß eine Bestreitung erfolgt und in der Folge der Sachverständigenbeweis aufgenommen worden, hätte sich die Klägerin die damaligen Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft zu eigen machen und ihr Begehren im Hinblick auf eine Globalbemessung des Schmerzengeldes unter anderem auch der sachverständigen Zukunftsprognose anpassen können. Im Zeitpunkt der Klagseinbringung war der Klägerin eine verläßliche Abschätzung künftiger Schmerzen typischerweise nicht möglich, wenn sie nicht selbst über entsprechende medizinische Fachkenntnisse verfügte, worauf nichts hindeutet, oder umfassende Privatgutachten eingeholt hatte, wozu sie nicht verpflichtet war. Da der Vorprozeß sogleich mit Versäumungsurteil beendet wurde, hatte sich der Wissensstand der Klägerin durch die Verfahrensergebnisse nicht geändert.

Nach Auffassung des erkennenden Senates war es somit grundsätzlich zulässig, im Vorprozeß lediglich einen Teilbetrag geltend zu machen, was nach Fällung des Versäumungsurteils eine spätere Globalbemessung nicht ausschließt. Schon in ZVR 1973/93 wurde übrigens im Fall eines Anerkenntnisurteiles - wenn auch unter Hinweis auf die Lebensgefahr des Verletzten - ausgesprochen, es könne nicht in die Hand des Schädigers gelegt sein, durch ein sofortiges Anerkenntnis einer vorläufigen Schmerzengeldforderung (hier: durch Versäumung der ersten Tagsatzung) dem Verletzten die Möglichkeit abzuschneiden, eine Abgeltung für später auftretende Schmerzen und Dauerfolgen zu verlangen, möge auch - rückschauend betrachtet - einem medizinischen Sachverständigen der Heilungsverlauf nunmehr als normal erscheinen.

Eine Schmerzengeldergänzung darf aber insgesamt zu keinem höheren Anspruch als bei einer einmaligen Globalbemessung führen (ZVR 1990/158 mwN; RIS-Justiz RS0031064, RS0031323; Apathy aaO; Reischauer aaO § 1325 Rz 49; Harrer aaO § 1325 Rz 84 jeweils mwN). Frühere Teilzahlungen sind bei der endgültigen Bemessung des Schmerzengeldes entsprechend der inzwischen gesunkenen Kaufkraft des Geldes aufzuwerten (ZVR 1989/203 mwN; RIS-Justiz RS0031242; Apathy aaO; Reischauer aaO § 1325 Rz 50; Harrer aaO § 1325 Rz 84 jeweils mwN).

Im vorliegenden Fall reichen die Feststellungen der Vorinstanzen für die vorzunehmende ergänzende Bemessung nicht aus, weil nicht festgestellt wurde, seit wann neuerlich Schmerzen aufgetreten sind (nach den Klagsangaben in den letzten drei Jahren vor Klagseinbringung), und auch eine eindeutige Zukunftsprognose fehlt. Es bedarf daher noch einer (allenfalls mit Hilfe des Sachverständigen vorzunehmenden) Verfahrensergänzung, weshalb die Rechtssache unter Aufhebung der vorinstanzlichen Urteile im angefochtenen Umfang an das Erstgericht zurückzuverweisen war. Da der erkennende Senat hier bereits aus den obigen Gründen eine neuerliche Einklagung von Schmerzengeld für unbedenklich hält, muß auf die in der Lehre (vgl jüngst Ertl, Noch immer nicht Veraltetes zur Teileinklagung von Schmerzengeldansprüchen, RZ 1997, 146 mwN) geäußerten Bedenken gegen die dargestellte ständige Rechtsprechung nicht eingegangen werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 52 ZPO.

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