Spruch:
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 21.375,-- bestimmten Kosten des Rekursverfahrens (darin S 3.562,50 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Begründung
Der am 14. 8. 1946 geborene Kläger absolvierte an der Universität Siegen das Studium der Meßtechnik und ist auch mit Mikrowellenmeßtechnik und Fernsehtechnik vertraut. Vom 19. 7. 1994 bis 9. 5. 1997 war er bei der Beklagten beschäftigt, deren ausschließliche Tätigkeit in der Überlassung von Arbeitskräften besteht. Der Kläger wurde während der gesamten Dauer des Dienstverhältnisses der S***** AG überlassen, bei der er als Prüfer von Stromversorgungsgeräten in der Prüfabteilung tätig war. Insgesamt waren 70 Mitarbeiter der Beklagten als Leiharbeiter bei der S***** AG eingesetzt, die aber im Zuge von Rationalisierungsmaßnahmen sämtlich - zuletzt der Kläger - abgebaut wurden. Am 25. 4. kündigte die Beklagte das Dienstverhältnis mit dem Kläger zum 9. 5. 1997 auf. Der Kläger verdiente bei der Beklagten monatlich zwischen S 29.000,-- und S 33.600,-- brutto. Er ist für zwei Kinder im Alter von 16 und 19 Jahren sorgepflichtig; seine monatlichen Belastungen für Miete, Wohnungkredit, Versicherungen, Strom und Telefon betragen durchschnittlich S 14.846,87,--. Seine Ehefrau verdient S 12.000,-- netto monatlich.
Das Erstgericht wies das auf § 105 Abs 3 Z 2 ArbVG gestützte Klagebegehren, die Kündigung für rechtsunwirksam zu erklären, ab. Über den eingangs wiedergegebenen Sachverhalt hinaus stellte es fest, daß die Kündigung erfolgte, weil für die Beklagte nach Beendigung der Überlassungsverträge mit der S***** AG weder bei ihren Vertragspartnern noch im eigenen Betrieb eine Einsatzmöglichkeit bestand. Es vertrat die Rechtsauffassung, daß die Kündigung zwar wesentliche Interessen des - allerdings durchaus vermittelbaren - Klägers beeinträchtige, daß aber die betrieblichen Interessen der Beklagten, den Kläger mangels einer Einsatzmöglichkeit nicht weiterzubeschäftigen, als überwiegend anzusehen seien.
Das Berufungsgericht hob dieses Urteil über Berufung des Klägers zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung durch das Erstgericht auf. Die vom Berufungsgericht im Aufhebungsbeschluß vertretene Rechtsauffassung ist zutreffend, sodaß es ausreicht, auf die Richtigkeit der Begründung der angefochtenen Entscheidung zu verweisen (§ 510 Abs 3 ZPO).
Ergänzend ist auszuführen:
Rechtliche Beurteilung
Unter eingehender Darlegung der dazu ergangenen Rechtsprechung hat das Berufungsgericht zu Recht darauf verwiesen, daß zur Lösung der Frage, ob eine Kündigung sozial ungerechtfertigt iS § 105 Abs 3 Z 2 ArbVG ist, vorerst ohne Rücksicht auf andere Anfechtungsvoraussetzungen und ohne Koppelung mit anderen Tatbeständen oder Tatbestandsmerkmalen geprüft werden müsse, ob sie wesentliche Interessen der betroffenen Arbeitnehmer beeinträchtigt. Dazu fehle es im Ersturteil an den für eine Prognose über das weitere Schicksal des Klägers erforderlichen Feststellungen. Es sei zu klären, unter welchen Bedingungen der Kläger nach seinen Qualifikationen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt in der Lage sei, einen anderen Arbeitsplatz zu finden, welches Entgelt er erzielen könne und ob bzw. in welchem Umfang er mit Arbeitslosigkeit zu rechnen gehabt hätte. Diese in jeder Hinsicht zutreffenden Ausführungen des Berufungsgerichtes werden von der Beklagten in ihrem Rekurs mit keinem Wort in Frage gestellt. Schon deshalb erweist sich ihr Standpunkt, das Verfahren sei iS der Abweisung des Klagebegehrens spruchreif, als unbegründet.
Zum von der Beklagten zur Rechtfertigung der Kündigung geltend gemachten Tatbestand des § 105 Abs 3 Z 2 lit b ArbVG (betriebliche Erfordernisse) verwies das Berufungsgericht auf die den Arbeitgeber treffende soziale Gestaltungspflicht; er müsse bei sozial benachteiligenden Kündigungen alle Möglichkeiten zur Weiterbeschäftigung ausschöpfen. Bei Leiharbeitsverhältnissen reiche der Nachweis des Wegfalles des Auftrages des Beschäftigers als Nachweis der Einhaltung dieser sozialen Gestaltungspflicht nicht aus. Die Feststellung, daß eine Einsatzmöglichkeit des Klägers weder im eigenen Betrieb noch bei einem anderen Vertragspartner der Beklagten bestanden habe, sei zu kursorisch. Es bedürfe genauer Feststellungen, welche Tätigkeiten der Kläger auszuüben bereit und in der Lage sei und welche korrespondierenden Arbeitsplätze zur Verfügung stünden. Es werde Sache der für das Vorliegen des behaupteten Ausnahmetatbestandes beweispflichtigen Beklagten sein, ein entsprechendes Vorbringen zu erstatten.
Auch diese Ausführungen sind richtig. Die Rekurswerberin hält ihnen entgegen, daß bei Leiharbeitsverhältnissen nicht der Überlasser, sondern der Beschäftiger die Dauer des Arbeitseinsatzes bestimme. Dem überlassenen Arbeitnehmer sei von Anfang an bewußt, daß er nur so lange beschäftigt werde, als ihn der Beschäftiger benötige. Der Wegfall der Beschäftigungsmöglichkeit im Beschäftigerbetrieb bedinge zugleich den Verlust des Arbeitsplatzes für die überlassene Arbeitskraft. Eine Weiterbeschäftigung des Klägers wäre daher nur möglich gewesen, wenn die Beklagte gerade zum Zeitpunkt, als sie seinen Beschäftiger als Kunden verloren habe, wieder einen anderen Auftrag hereinbekommen hätte, der eine Verwendung des Klägers ermöglicht hätte.
Diese Ausführungen verkennen den Charakter des nach den maßgebenden Bestimmungen des AÜG und des AMFG zulässigen Leiharbeitsverhältnisses. Diese darf sich nicht auf bloße Arbeitsvermittlung beschränken. Arbeitskräfteüberlassung liegt nur vor, wenn der Überlasser das wirtschaftliche Wagnis eines Unternehmers trägt, also der Arbeitskraft gegenüber die vertraglichen Verpflichtungen eines Arbeitgebers tatsächlich und nicht nur scheinbar erfüllt und auch das Risiko der Auslastung der vereinbarten Arbeitszeit mit Überlassungen auf sich nimmt. Wird dieses wirtschaftliche Wagnis durch den Überlasser tatsächlich nicht übernommen, weil Entgeltverlust oder Entgeltschmälerung während überlassungsfreier Zeiten eintritt oder weil der Überlasser sonstige Arbeitgeberpflichten nicht erfüllt, so liegt demnach verbotene Arbeitsvermittlung vor (§ 9 Abs 4 AMFG; Leutner/Schwarz/Ziniel, AÜG, Anm 1 zu § 1). Mit diesem Verständnis der Arbeitskräfteüberlassung ist es aber nicht vereinbar, wenn der Überlasser jegliches Risiko der Auslastung des Arbeitnehmers ablehnt, indem er den Dienstnehmer nur so lange beschäftigt, als er von einem konkreten Beschäftiger benötigt wird. Der Standpunkt der Beklagten, der Wegfall der Beschäftigungsmöglichkeit im Beschäftigerbetrieb bedinge zugleich die Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit dem Überlasser, entspricht daher in dieser Allgemeinheit nicht dem Gesetz.
Im übrigen räumt selbst die Rekurswerberin ein, daß sie als Dienstgeberin eine soziale Gestaltungspflicht treffe, die sie verpflichte, von der allenfalls gegebenen Möglichkeit zur Beschäftigung des Dienstnehmers bei anderen Vertragspartnern Gebrauch zu machen. Ihr Standpunkt, diese Verpflichtung beschränke sich auf den Fall, daß ihr gerade im Zeitpunkt des Verlustes der bisherigen Beschäftigungsmöglichkeit ein neuer, eine Beschäftigungsmöglichkeit eröffnender Auftrag vorliegt, bedarf aber im Hinblick auf die sie als Arbeitskräfteüberlasser treffenden Arbeitgeberpflichten ebenfalls einer Korrektur. Im Hinblick auf ihre Verpflichtung, das Risiko der Auslastung der vereinbarten Arbeitszeit zu tragen, ist nämlich eine betriebsbedingte Notwendigkeit zur Kündigung auch dann zu verneinen, wenn nach dem üblichen Geschäftsgang damit zu rechnen ist, daß sich innerhalb eines zumutbaren Zeitraumes eine Möglichkeit zur Weiterbeschäftigung des Dienstnehmers bei anderen Auftraggebern eröffnen wird.
Bei der in diesem Sinne vorzunehmenden Prüfung der Möglichkeit einer Weiterbeschäftigung des Klägers ist nicht nur auf die ihm zuletzt konkret ausgeübte Tätigkeit abzustellen; vielmehr sind - wie das Berufungsgericht richtig ausgeführt hat - sämtliche Tätigkeiten zu berücksichtigen, die der Kläger auszuüben bereit und in der Lage ist. Daß der Kläger keine konkrete Verwendungsmöglichkeit behauptet hat, ändert daran nichts, weil es - wie der erkennende Senat zuletzt in 9 ObA 142/97s (RdW 1998, 357) klargestellt hat - Sache der für die behaupteten betrieblichen Erfordernisse beweispflichtigen Beklagten ist, alle Umstände zu behaupten und zu beweisen, die für die Annahme dieses Ausnahmetatbestandes wesentlich sind. Daß - wie die Beklagte meint - der Kläger selbst hätte initiativ werden und seine Bereitschaft zur Ausübung schlechter entlohnter Tätigkeiten hätten mitteilen müssen, gilt - wie gerade der zuletzt zitierten Entscheidung zu entnehmen ist - nur für von der bisherigen Tätigkeit stark abweichende, schlechter entlohnte Posten (so mußte laut 9 ObA 142/97s der Dienstgeber dem bisher als EDV-Operator tätigen Dienstnehmer nicht von sich aus die Tätigkeit eines Autowäschers, Lagearbeiters oder Staplerfahrers anbieten).
Das Berufungsgericht hat daher zu Recht auch in diesem Zusammenhang Verfahren und Feststellungen als ergänzungsbedürftig erachtet.
Die Entscheidung über die Kosten des Rekursverfahrens gründet sich auf die §§ 41, 50 Abs 1 ZPO. Da die Beklagte mit ihrem Rekurs in jeder Hinsicht erfolglos blieb, hat sie dem Kläger die Kosten seiner Rekursbeantwortung zu ersetzen.
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