OGH 15Os148/98 (15Os149/98)

OGH15Os148/98 (15Os149/98)1.10.1998

Der Oberste Gerichtshof hat am 1. Oktober 1998 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Reisenleitner als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag. Strieder, Dr. Rouschal, Dr. Schmucker und Dr. Zehetner als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Fitz als Schriftführer, in der Strafsache gegen Stefan M***** und Ralph B***** wegen des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 2 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten B***** ferner über die Berufungen des Angeklagten M***** und der Staatsanwaltschaft betreffend die beiden Angeklagten gegen das Urteil des Jugendgerichtshofes Wien als Schöffengericht vom 6. Mai 1998, GZ 4 Vr 263/97-41, sowie über die Beschwerde der Staatsanwaltschaft betreffend den Angeklagten B***** gegen den gleichzeitig gemäß § 494a Abs 1 Z 2 StPO gefaßten Beschluß nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen und die Beschwerden werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Gemäß § 390a StPO fallen den Angeklagten auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Der Jugendliche Ralph B***** wurde zugleich mit dem gleichfalls jugendlichen Mitangeklagten Stefan M*****, der keine Nichtigkeitsbeschwerde ergriffen hat, der Verbrechen des Beischlafs mit Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB (A II) und der Vergewaltigung nach § 201 Abs 2 StGB (B II) schuldig erkannt und nach §§ 206 Abs 1, 28 Abs 1 StGB unter Anwendung des § 5 Z 4 JGG sowie unter Bedachtnahme gemäß §§ 31, 40 StGB auf ein Urteil des Jugendgerichtshofes Wien zu einer zusätzlichen Freiheitsstrafe verurteilt, von der gemäß § 43a Abs 4 StGB ein Strafteil unter Bestimmung einer dreijährigen Probezeit bedingt nachgesehen wurde.

Nach dem Urteilsspruch (in Verbindung mit den Urteilsfeststellungen US 11 f) hat Ralph B***** zwischen März 1996 und 31. Jänner 1997 in Wien in mehreren Angriffen

(zu A II) mit einer unmündigen Person, nämlich der am 24. November 1983 geborenen Jasmin M*****, den außerehelichen Beischlaf unternommen, indem er sein Glied in deren Scheide einführte [und es dort zum Samenerguß kam],

(zu B II) (zu ergänzen: außer dem Fall des § 201 Abs 1 StGB) Jasmin M***** mit Gewalt und durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben zur Duldung des Beischlafs genötigt, indem er sie teilweise schlug, teilweise mit dem Umbringen bedrohte.

Rechtliche Beurteilung

Den Schuldspruch bekämpft (nur) der Angeklagte B***** mit Nichtigkeitsbeschwerde aus Z 4 und 5 des § 281 Abs 1 StPO. Den Strafausspruch fechten dieser sowie der Angeklagte M***** und der öffentliche Ankläger betreffend die beiden Angeklagten an, wobei in der Berufung des Angeklagten M***** eine Beschwerde gegen den gleichzeitig verkündeten (und gesetzwidrig in das Urteil aufgenommenen - vgl Mayerhofer StPO4 § 281 Z 11 E 34; § 494 E 3) Beschluß auf Erteilung einer Weisung impliziert ist (§ 498 Abs 3 dritter Satz StPO). Gegen den zugleich gefaßten Beschluß auf Absehen vom Widerruf bezüglich einer dem Angeklagten B***** gewährten bedingten Strafnachsicht erhebt der Staatsanwalt Beschwerde.

Die Nichtigkeitsbeschwerde geht fehl.

Der Verteidiger des Angeklagten B***** stellte in der Hauptverhandlung Anträge auf zeugenschaftliche Vernehmung 1. des Adolf B***** (Vater des Angeklagten) zum Beweis dafür, daß der Beschwerdeführer die Wochenenden im Zeitraum von November 1996 bis Februar 1997 bei ihm in Gerasdorf verbracht hat und wegen der Entfernung zum Hallenbad Donaustadt dieses nicht besuchen konnte, sodaß eine Täterschaft an dem von Jasmin M***** behaupteten Vorfall auszuschließen ist; 2. der Regina A***** (Mutter des Angeklagten) und der im Charlotte B*****-Heim tätigen Erzieherin Sonja G***** sowohl zum Beweis dafür, daß er nicht nur zwischen März 1996 und Anfang November 1997 (nach der Aktenlage muß es 1996 heißen) jeweils von Montag bis Freitag im genannten Heim "gewohnt" und die Wochenenden in diesem Zeitraum stets bei seiner Mutter Regina A***** in Wien 22., Hasibederstraße 21, verbracht hat, sondern auch von November 1996 bis Jänner 1997 im Charlotte B*****-Heim "gewohnt" hat und während dieser Zeit mit Jasmin M***** keinen Kontakt hatte, sodaß die Vorwürfe haltlos sind (307).

Diese Beweisanträge wies der Gerichtshof zwar sofort ab, verkündete aber - entgegen der Vorschrift des § 238 Abs 2 StPO - keine Entscheidungsgründe hiefür und machte diese auch im Protokoll nicht ersichtlich (abermals 307), sondern lieferte die schriftliche Begründung verspätet erst in den Entscheidungsgründen des Urteils nach (US 13 f).

Ungeachtet dessen versagt die dagegen erhobene Verfahrensrüge (Z 4):

Die Beweisanträge enthalten nämlich in Wahrheit überhaupt kein überprüfbares Beweisthema; denn damit wird der Anklagevorwurf bloß global und unsubstantiiert insgesamt bestritten, aber nicht konkret dargelegt, welche heiminternen und/oder familiären Maßnahmen es dem Angeklagten unmöglich gemacht haben sollten, an mehreren (nicht mehr exakt feststellbaren) Tagen während des inkriminierten Zeitraumes Kontakt mit Jasmin M***** aufzunehmen. Dies wäre angesichts der gegen die Antragsbehauptungen sprechenden Verfahrensergebnisse, wie sie in der - erst im Urteil enthaltenen - sachgerechten Begründung des bekämpften Zwischenerkenntnisses verwertet wurden (abermals US 13 ff), der nichts mehr hinzuzufügen ist, umso notwendiger gewesen. Dieses Versäumnis bei Antragstellung in erster Instanz kann selbst durch das erst in der Beschwerdeschrift - somit prozessual verspätete - weitwendige Vorbringen, welches die erstgerichtlichen Argumente vorwiegend unberücksichtigt läßt und diese auch nicht widerlegt, saniert werden.

Der Zeuge Adolf B***** wurde zudem nur zur letzten - in der Toilette des Hallenbades Donaustadt stattgefundenen (US 11) - der mehreren inkriminierten Vergewaltigungen geführt.

Demnach wurde der Nichtigkeitswerber - der Beschwerde zuwider - durch die Abweisung seiner sowohl formell fehlerhaft gestellten als auch inhaltlich nicht zielführenden Beweisanträge in seinen Verteidigungsrechten nicht verkürzt.

Die Mängelrüge (Z 5) hinwieder, welche die im Urteilsspruch (US 3 f) und in den Gründen (US 11 f) gewählte Umschreibung des Tatzeitraumes "in der Zeit von März 1996 bis zum 31. 1. 1997 in mehreren Angriffen" als "jeglicher Bestimmtheit und Präzision einer strafgerichtlichen Verurteilung entbehrend" kritisiert und dem Erstgericht in diesem Zusammenhang vorwirft, es habe weder einen "konkreten Tatzeitpunkt angeführt", noch "Tatzeitpunkte ungefähr umschrieben", weshalb das Urteil undeutlich und nur unzureichend begründet sei, verkennt zum einen die Tatsache, daß die genaue Begehungszeit ebenso wie der Ort der Tat, soferne diese Umstände - wie in dem hier zu beurteilenden Fall - nicht näher ermittelt werden können (US 16 Mitte), nicht zu den wesentlichen, die Identität einer Tat bestimmenden Merkmalen gehören, wenn - wie vorliegend - nicht zweifelhaft ist, daß Anklage und Urteil dasselbe Tun erfassen (vgl. Mayerhofer aaO § 260 E 31 b, 32; § 281 Z 5 E 18).

Zum anderen läßt sie unberücksichtigt, daß die Erkenntnisrichter den Schuldspruch nach einer ausführlichen und kritischen Gesamtschau aller maßgebenden Verfahrensergebnisse sowie unter Verwertung des persönlich gewonnenen Eindrucks getreu den Vorschriften über die freie Beweiswürdigung (§ 258 Abs 2 StPO) denkmöglich, unmißverständlich, konkret und zureichend (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) begründet haben. Angesichts dessen läuft der ausdrückliche Beschwerdehinweis auf den Grundsatz "in dubio pro reo", womit eine Beweiswürdigungsmaxime (Mayerhofer aaO § 258 E 48) ins Spiel gebracht wird, bloß auf eine in den Verfahrensgesetzen gegen schöffengerichtliche Urteile nicht vorgesehene und damit unzulässige Bekämpfung der tatrichterlichen Beweiswürdigung hinaus.

Die behaupteten formellen Begründungsfehler haften daher dem bekämpften Schuldspruch nicht an.

Nicht nachvollziehbar ist schließlich der Rechtsmittelantrag, "nach § 288a StPO die Hauptverhandlung zu vernichten"; denn der (damit relevierte) Nichtigkeitsgrund des § 281a StPO (Entscheidung eines unzuständigen Oberlandesgerichtes über einen Anklageeinspruch oder eine Versetzung in den Anklagestand), auf den § 288a StPO abstellt, konnte im vorliegenden Verfahren deshalb nicht verwirklicht werden, weil das vom Beschwerdeführer angerufene Oberlandesgericht Wien (vgl 246, 251 ff) zur Entscheidung über den Anklageeinspruch dieses Beschuldigten zuständig war und in der Nichtigkeitsbeschwerde keine Umstände dargetan werden, weshalb dieser Gerichtshof zweiter Instanz unzuständig gewesen sein sollte.

Aus den dargelegten Gründen war sonach die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten als offenbar unbegründet gemäß § 285d Abs 1 Z 2 StPO schon bei einer nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen.

Daraus folgt die Kompetenz des Oberlandesgerichtes Wien zur Entscheidung über die Berufungen der beiden Angeklagten und der Staatsanwaltschaft sowie über die Beschwerden zuständig ist.

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