OGH 1Ob219/98g

OGH1Ob219/98g29.9.1998

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schlosser als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer, Dr. Gerstenecker, Dr. Rohrer und Dr. Zechner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden und gefährdeten Partei V***** Aktiengesellschaft, ***** vertreten durch Dr. Michael Metzler, Rechtsanwalt in Linz, wider die beklagte Partei und Gegnerin der gefährdeten Partei Ignaz E*****, vertreten durch Dr. Helfried Krainz, Rechtsanwalt in Linz, wegen S 2,000.000,-- sA, infolge Revisionsrekurses der klagenden und gefährdeten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichts Linz als Rekursgericht vom 11. Mai 1998, GZ 4 R 81/98d-20 , womit infolge Rekurses der beklagten Partei und Gegnerin der gefährdeten Partei der Beschluß des Landesgerichts Steyr vom 24. März 1998, GZ 4 Cg 215/96t-13, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird teilweise Folge gegeben.

Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden mit Ausnahme von Punkt 4 der erstinstanzlichen Entscheidung, der als unangefochten unberührt bleibt, dahin abgeändert, daß die Entscheidung wie folgt lautet:

„1. Zur Sicherung der Forderung der klagenden und gefährdeten Partei von S 2,000.000,-- samt 7,75 % Zinsen und 3 % Überziehungszinsen je seit 4. 3. 1995, wobei die vierteljährlich zum 31. 3., 30. 6., 30. 9. und 31. 12. eines jeden Jahres aufgelaufenen Zinsen und Überziehungszinsen dem Kapital hinzugerechnet werden und ab diesem Zeitpunkt das um die Zinsen erhöhte Kapital verzinst wird, wird der beklagten Partei und Gegner der gefährdeten Partei als erbserklärtem Erben die Veräußerung und Belastung der Liegenschaften

a) EZ 18 Grundbuch ***** D*****

b) EZ 36 Grundbuch ***** D*****

c) EZ 89 Grundbuch ***** ***** und

d) EZ 130 Grundbuch ***** M*****

verboten.

2. Diese einstweilige Verfügung gilt bis zum Ablauf von drei Monaten nach Einverleibung des Eigentumsrechts der beklagten Partei und Gegners der gefährdeten Partei auf den unter Punkt 1 genannten Liegenschaften.

3. Um die bücherliche Anmerkung des bewilligten Veräußerungs- und Belastungsverbots

a) auf der EZ 18 Grundbuch ***** D***** wird das Bezirksgericht Neuhofen an der Krems,

b) auf der EZ 36 Grundbuch ***** D*****, der EZ 89 Grundbuch ***** D***** und der EZ 130 Grundbuch ***** M***** jeweils das Bezirksgericht Steyr

ersucht.

5. Das Mehrbegehren der klagenden und gefährdeten Partei, zur Sicherung der unter Punkt 1 genannten Forderung der beklagten Partei und Gegners der gefährdeten Partei werde auch die Veräußerung und Belastung der Liegenschaften

a) EZ 845 Grundbuch ***** S***** und

b) des Hälfteanteils der Liegenschaft EZ 19 Grundbuch ***** H*****

verboten, wird abgewiesen.

6. Die klagende und gefährdete Partei hat die Kosten des Sicherungsverfahrens vorläufig, die beklagte Partei und Gegner der gefährdeten Partei hat diese endgültig selbst zu tragen.“

Text

Begründung

Die klagende und gefährdete Partei (in der Folge kurz klagende Partei) brachte vor, sie habe der beklagten Partei und Gegner der gefährdeten Partei (in der Folge kurz Beklagter) Kontokorrentkredite eingeräumt, wobei - unter Berücksichtigung wechselseitiger anderer Forderungen - zum 9. 3. 1998 ein Gesamtbetrag von S 5,642.439,03 zuzüglich weiterlaufender Zinsen unberichtigt aushafte. Für einen Teilbetrag von S 713.537 sA sei bereits ein Exekutionstitel erwirkt worden. Mit der vorliegenden Klage werde ein weiterer Teilbetrag von S 2,000.000 sA geltend gemacht.

Der Beklagte wendete ein, die klagende Partei habe eigenmächtig Belastungen auf dem Kontokorrentkreditkonto des Beklagten vorgenommen.

Am 20. 3. 1998 beantragte die klagende Partei die Erlassung einer einstweiligen Verfügung in Form eines Belastungs- und Veräußerungsverbots gemäß § 75 der III. Teilnovelle zum ABGB in Ansehung der aus dem Spruch ersichtlichen Liegenschaften zur Sicherung der gesamten Forderung von S 5,642.439,03 sA. Die Liegenschaften gehörten zum Nachlaß des am 3. 7. 1989 verstorbenen Vaters des Beklagten; dieser habe eine Erbserklärung abgegeben. Der Beklagte habe bereits versucht, Exekutionsschritte zu vereiteln, indem er zum Schein Kaufverträge über vier gepfändete Maschinen errichtet habe. Daraus sei zu schließen, daß der Beklagte alles unternehmen werde, um den Bestand der ihm eingeantworteten Landwirtschaft zu erhalten, ohne sich um die Abdeckung der offenen Forderungen diverser Gläubiger auch nur im geringsten zu kümmern. Die Gefährdung im Sinne des § 379 Abs 2 Z 1 EO sei demnach bescheinigt.

Das Erstgericht erließ die einstweilige Verfügung zur Sicherung der Klagsforderung von 2 Mio S sA antragsgemäß und überwies den Antrag auf Sicherung der Judikatschuld von S 713.537 sA sowie der noch nicht eingeklagten Geldforderung gemäß § 44 Abs 1 JN - unangefochten - an andere Gerichte (Punkt 4 der erstinstanzlichen Entscheidung).

Es nahm als bescheinigt an, der Beklagte sei testamentarischer Alleinerbe nach seinem Vater. Er habe eine unbedingte, vom Verlassenschaftsgericht angenommene Erbserklärung abgegeben. Zu den Nachlaßaktiven gehöre unter anderem ein landwirtschaftlicher Betrieb, bestehend aus den Liegenschaften EZ 18, 36 und 89 je Grundbuch D***** sowie EZ 130 Grundbuch M***** mit einem Übernahmspreis von S 2,810.000, weiters die Liegenschaft EZ 845 Grundbuch S***** mit einem Verkehrswert von S 1,335.950 und der Hälfteanteil der Liegenschaft EZ 19 Grundbuch H***** mit einem Verkehrswert von S 1,750.000. Die Einantwortungsurkunde des Bezirksgerichts Enns vom 15. 1. 1998 sei noch nicht rechtskräftig. Zugunsten der klagenden Partei hafte ein Gesamtbetrag von S 5,642.439,03 unberichtigt aus. Die klagende Partei führe zur Hereinbringung des Teilbetrags von S 713.537 sA vergeblich mehrere Exekutionen. Mit Urteil des Bezirksgerichts Neuhofen an der Krems vom 24. 9. 1997 sei das Begehren, die von der dort erstbeklagten und hier klagenden Partei gegen den hier Beklagten geführte Exekution sei in Ansehung von vier Maschinen unzulässig, abgewiesen worden. Das Gericht habe dort ausgeführt, die für diese Maschinen als Erwerbstitel vorgelegten Urkunden seien bloß zum Schein errichtet worden. Somit habe der dortige Kläger das Eigentum an diesen Maschinen nie erworben. Aus dieser Verhaltensweise sei eine subjektive Gefährdung der Einbringlichkeit der zu sichernden Geldforderung abzuleiten, weshalb die Voraussetzungen für die Erlassung der beantragten einstweiligen Verfügung vorlägen, soweit die Zuständigkeit des Erstgerichts gegeben sei.

Das Rekursgericht wies den Provisorialantrag der klagenden Partei - soweit er bewilligt worden war - ab und sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstands S 260.000 übersteige; der ordentliche Revisionsrekurs wurde für zulässig erklärt. Der Umstand, daß der Beklagte bestimmte Fahrnisse Kaufverträge nur zum Schein errichtet habe, um diese der gegen ihn geführten Exekution zu entziehen, rechtfertige zwar ein „gewisses Mißtrauen“ gegen den Beklagten. Die klagende Partei habe aber keine konkreten Umstände behauptet und bescheinigt, die es wahrscheinlich machten, daß durch das Verhalten des Beklagten die Hereinbringung ihrer Forderung vereitelt oder erheblich erschwert werden würde. Das Bestreben des Beklagten, den Bestand der Landwirtschaft zu erhalten, ohne sich um die offenen Forderungen zu kümmern, sei an sich unbedenklich und auch aus dem Gesichtspunkt des Gläubigerschutzes nicht verwerflich. Was der Beklagte mit den geerbten Liegenschaften tun und wie er sie dem Zugriff der Gläubiger entziehen könnte, ließe sich dem im Provisorialverfahren erstatteten Vorbringen der klagenden Partei nicht entnehmen. Das bloße „Zusammenhalten“ des Gutsbestands sei keine zur Gläubigerbenachteiligung geeignete Handlung.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs der klagenden Partei ist zulässig und großteils berechtigt.

Nach § 75 der III. Teilnovelle zum ABGB können zur Sicherung von Forderungen gegen einen Erben bei Vorhandensein der im § 379 Abs 2 EO angegebenen Voraussetzungen zugunsten der Gläubiger des Erben in Ansehung des ihm angefallenen Erbguts vor der Einantwortung einstweilige Verfügungen getroffen werden. Je nach dem zu erreichenden Zweck können mittels einstweiliger Verfügungen die notwendigen Sicherungsmittel der §§ 379 und 382 EO angewendet werden. Aufgrund einer einstweiligen Verfügung nach § 75 der 3. TN kann auch ein Belastungs- und Veräußerungsverbot bei einer dem Erben noch nicht eingeantworteten Liegenschaft angemerkt werden (1 Ob 147/97t; SZ 53/32; SZ 53/132; SZ 24/334). Voraussetzung für die Erlassung einer solchen einstweiligen Verfügung ist aber, daß die gefährdete Partei, die die Sicherung einer Geldforderung anstrebt, gemäß § 379 Abs 2 Z 1 EO (die Z 2 der zitierten Bestimmung scheidet nach der Sachlage hier aus) konkrete Umstände behauptet und bescheinigt, die es wahrscheinlich machen, daß ohne Erlassung der beantragten einstweiligen Verfügung die Hereinbringung der Forderung der gefährdeten Partei durch das Verhalten ihres Gegners vereitelt oder erheblich erschwert würde. Es ist also die Behauptung und Bescheinigung einer subjektiven Gefährdung erforderlich. Diese setzt ein darauf gerichtetes positives Handeln des Schuldners voraus. Aus Eigenschaften oder dem Verhalten des Schuldners muß sich eine hohe Wahrscheinlichkeit für Vereitelungshandlungen ableiten lassen. Rein passives Verhalten begründet keine subjektive Gefährdung (6 Ob 303/97b; ÖA 1997, 165; 1 Ob 2009/96i; 4 Ob 530/95; 3 Ob 522/90; 8 Ob 604/88; EvBl 1981/177; 7 Ob 618/81; 5 Ob 13/74; EvBl 1971/112; EvBl 1968/363; Feil. EO Rz 3 zu § 379).

Nun hat der Beklagte nach dem von den Vorinstanzen als bescheinigt angenommenen Sachverhalt zwei Traktoren und zwei andere Maschinen, die in Exekution gezogen worden waren, bloß zum Schein verkauft, um diese Gegenstände der gegen ihn geführten Exekution zu entziehen. Diese Vorgangsweise rechtfertigt nicht nur ein „gewisses Mißtrauen“ gegen den Beklagten - so aber das Gericht zweiter Instanz -, sondern es sind aufgrund dieses Sachverhalts Eigenschaften und ein Verhalten des Beklagten bescheinigt, aus welchen mit hoher Wahrscheinlichkeit darauf geschlossen werden kann, er werde solche Vereitelungshandlungen auch in Hinkunft vornehmen, um (auch) auf diese Weise - so die Vorinstanzen - den Bestand der Landwirtschaft unbedingt zu erhalten. Das darauf gerichtete Vorbringen der klagenden Partei und die entsprechenden Sachverhaltsannahmen des Erstgerichts dürfen nicht so verstanden werden, daß der Beklagte in durchaus löblicher Weise den Gutsbestand der Landwirtschaft zu erhalten versuche, sondern daß er sich mit allen Mitteln - und damit auch solchen der Exekutionsvereitelung - gegen deren Verlust zur Wehr setzen werde. Ausgehend von diesem Sachverhalt erscheint der Anspruch der klagenden Partei sehr wohl gefährdet, die konkrete subjektive Gefährdung durch besorgniserregendes Verhalten des Beklagten (1 Ob 2009/96i uva) ist hinreichend bescheinigt.

Infolge ausreichender Bescheinigung der subjektiven Gefährdung der klagenden Partei ist ferner noch zu prüfen, ob die einstweilige Verfügung in zu weitem Umfang bewilligt wurde:

Entgegen der vom Beklagten in seinem Rekurs geäußerten Ansicht hat das Erstgericht die zugunsten der klagenden Partei aushaftende Forderung nicht betraglich (endgültig) festgestellt, sondern das Bestehen dieser Forderung und deren Höhe bloß als bescheinigt angenommen. Die darauf abzielenden Einwendungen des Beklagten gehen demnach ins Leere.

Allerdings ist im vorliegenden Verfahren in der Tat nur ein Anspruch von 2 Mio S sA (insgesamt etwa 2,7 Mio S) zu sichern. Deshalb ist zu prüfen, ob ein Belastungs- und Veräußerungsverbot bei allen vom Erstgericht in Exekution gezogenen Liegenschaften zur Sicherung nötig ist:

Das Erstgericht hat festgestellt, daß den Liegenschaften EZ 18, 36 und 89 je KG D***** und der EZ 130 KG M***** als einheitlichem landwirtschaftlichen Betrieb ein Übernahmspreis von S 2,810.000 beizulegen sei; die Liegenschaft EZ 845 KG S***** habe einen Verkehrswert von S 1,335.950 und der Hälfteanteil der EZ 19 KG H***** einen solchen von S 1,750.000. Diese Werte nahm es aufgrund der Ergebnisse des Verlassenschaftsverfahrens A 1068/92g des Bezirksgerichts Enns als bescheinigt an (S 5 ff des Erstbeschlusses). Aus dem Verlassenschaftsakt ergibt sich aber - in Übereinstimmung mit dem Vorbringen des Beklagten - auch, daß dem aus den EZ 18, 36 und 89 je KG D***** sowie der EZ 130 KG M***** bestehenden landwirtschaftlichen Betrieb ein Verkehrswert von mehr als 36 Mio S beizumessen sei (Schätzungsgutachten vom 13. 2. 1992 = ON 32, Abhandlungsprotokoll des Gerichtskommissärs vom 10. 9. 1997), daß aber gemäß § 11 AnerbenG, wonach der Übernehmer „wohl bestehen können“ müsse, der Übernahmspreis mit nur S 2,810.000 festzusetzen sei (S 13 des zuvor genannten Schätzungsgutachtens). Es kann daher angenommen werden, daß die gegebenenfalls zu erzwingende Verwertung des aus den EZ 18, 36 und 89 je KG D***** und EZ 130 KG M***** bestehenden landwirtschaftlichen Gutes zur Befriedigung des im vorliegenden Rechtsstreit geltend gemachten Anspruchs der klagenden Partei ausreichen wird. Zweck jeder Exekutionsführung ist es, einerseits dem Gläubiger möglichst rasch zur Befriedigung seines Anspruchs zu verhelfen, andererseits aber soll gegen den Verpflichteten nicht mehr Zwang ausgeübt werden, als der beabsichtigte Zweck, die Exekution erfolgreich zu gestalten, erfordert. Dieser Grundsatz ist schon bei der Exekutionsbewilligung und nicht nur beim Exekutionsvollzug und auch noch nachher zu beachten. Dieser Gesichtspunkt, den Beklagten als Verpflichteten nicht stärker zu belasten, als nötig ist, erfordert es, den Zugriff auf die in Exekution gezogenen Liegenschaften auf das notwendige Maß zu beschränken (SZ 67/126; SZ 66/21; SZ 57/39; Heller-Berger-Stix 2 341). Auch einstweilige Verfügungen sind auf die zur Sicherung des Anspruchs unumgänglich notwendigen Mittel zu beschränken (SZ 66/21). Dies hat aber zur Folge, daß die Erlassung eines Belastungs- und Veräußerungsverbots bezüglich der Liegenschaft EZ 845 KG S***** und des Hälfteanteils der EZ 19 KG H***** nicht erforderlich ist, sodaß das darauf gerichtete Begehren der klagenden Partei abzuweisen ist. Eine Einschränkung der Exekution auf die beiden zuletzt genannten Liegenschaften erscheint allerdings nicht tunlich, weil aufgrund des Wertes dieser beiden Liegenschaften nicht sichergestellt wäre, daß die hier streitverfangene Forderung der klagenden Partei samt Nebengebühren bei Verwertung dieser Liegenschaften zur Gänze befriedigt wird.

Gemäß § 393 Abs 1 EO hat die klagende Partei die Kosten des Sicherungsverfahrens vorläufig selbst zu tragen. Dem Beklagten ist die Abwehr des Sicherungsantrags - geht man von den Verkehrswerten der in Exekution gezogenen Liegenschaften aus - nur zu einem geringen Teil gelungen; aufgrund des geringen Erfolgs hat er gemäß § 402 EO sowie §§ 43 Abs 2 und 50 ZPO keinen Kostenersatzanspruch (1 Ob 147/97t mwN).

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