OGH 5Ob184/98i

OGH5Ob184/98i15.9.1998

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Klinger als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Floßmann, Dr. Baumann, Dr. Hradil und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofes Dr. Hurch als weitere Richter in der Mietrechtssache des Antragstellers Josef B*****, vertreten durch Dr. Gottfried Eypeltauer, Dr. Alfred Hawel und Dr. Ernst Eypeltauer, Rechtsanwälte in Linz, gegen die Antragsgegnerin B***** Aktiengesellschaft (vormals "M*****"-Warenhandelsgesellschaft m. b. H.), *****, vertreten durch Dr. Christian Kuhn und Dr. Wolfgang Vanis, Rechtsanwälte in Wien, wegen Feststellung der Angemessenheit des begehrten Hauptmietzinses (§ 12a MRG iVm § 37 Abs 1 Z 8 MRG), infolge Revisionsrekurses des Antragstellers gegen den Sachbeschluß des Landesgerichtes Linz als Rekursgericht vom 12. Februar 1998, GZ 13 R 509/97g-27, womit der Sachbeschluß des Bezirksgerichtes Linz vom 7. August 1997, GZ 17 Msch 13/96p-24, bestätigt wurde, folgenden

Sachbeschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung

Die Berechtigung des gegenständlichen Mietzinsanhebungsbegehrens des Antragstellers (er macht eine im Herbst 1995 erfolgte Veräußerung des von der vormaligen Mieterin im Mietgegenstandes betriebenen Unternehmens an die nunmehrige Antragsgegnerin geltend) hängt ua davon ab, ob § 12a MRG im Hinblick auf den möglicherweise vorliegenden Ausnahmetatbestand des § 1 Abs 4 Z 1 MRG überhaupt anwendbar ist. Da das Gebäude, in dem der Mietgegenstand gelegen ist, unstrittig auf Grund einer nach dem 30. 6. 1953 erteilten Baubewilligung errichtet wurde, läßt sich die entscheidungswesentliche Streitfrage sogar darauf einschränken, ob für die Errichtung des Gebäudes öffentliche Mittel iSd § 1 Abs 4 Z 1 MRG aufgewendet wurden. Die hiefür maßgeblichen Feststellungen lauten:

Der Vater (und Rechtsvorgänger) des Antragstellers wollte ein Gebäude zur Unterbringung einer Schuhfabrik errichten. Er beantragte im September 1969 beim ERP-Fonds einen Kredit in der Höhe von S 2,7 Mio, der ihm am 3. 11. 1969 im Ausmaß von S 2,1 Mio auch bewilligt wurde. Im April 1970 wurde mit dem Bau einer entsprechenden Fabrikshalle begonnen und in dieser im November 1970 eine Schuhfabrik eingerichtet. Die vom ERP-Fonds zur Verfügung gestellten Kreditmittel sind zum Teil in die Errichtung der Fabrikshalle geflossen. Im Jahr 1975 vermietete der Vater des Antragstellers die Liegenschaft mit Ausnahme eines für den eigenen Schuhhandel vorgesehenen Teils an die K***** reg. Gen. m. b. H.

Das Rekursgericht zog aus diesen Feststellungen den Schluß, daß sich der Antragsteller auf keinen der in § 12a MRG normierten Mietzinsanhebungstatbestände berufen könne, weil der Ausnahmetatbestand des § 1 Abs 4 Z 1 MRG vorliege, sodaß § 12a MRG auf das gegenständliche Mietverhältnis gar nicht anwendbar sei. Es wies ua deshalb den Sachantrag ab.

Bei Kreditmitteln des ERP-Fonds handle es sich nämlich nicht um öffentliche Mittel iSd § 1 Abs 4 Z 1 MRG. Unter diesem Gesetzesbegriff seien nur Wohnbauförderungsmittel zu verstehen. Von solchen könne nur dann die Rede sein, wenn sie auf Grund gesetzlicher Anordnung der Neuschaffung oder Wiedergewinnung von Wohn- oder Geschäftsräumen gewidmet waren. Andere Mittel der öffentlichen Hand stellten keine öffentlichen Mittel iSd § 1 Abs 4 Z 1 MRG dar (MietSlg 32.265; MietSlg 35.499/22; MietSlg 38.602/32; ÖStZB 1993, 43).

Gemäß § 1 Abs 2 des ERP-Fonds-Gesetzes (BGBl 1962/207) habe der ERP-Fonds die Aufgabe, den Ausbau, die Rationalisierung und die Produktivität der österreichischen Wirtschaft insbesondere durch Unterstützung und Anregung der produktiven Tätigkeit und des Warenaustausches zu fördern und dadurch auch zur Erhaltung der Vollbeschäftigung und zur Erhöhung des Sozialproduktes unter Bedachtnahme auf die Stabilität des Geldwertes beizutragen. Demzufolge seien die vom ERP-Fonds zur Verfügung gestellten Kreditmittel nicht als "öffentliche Mittel" (iSd § 1 Abs 4 Z 1 MRG) zu qualifizieren, weil sie nach ihrer gesetzlichen Anordnung (Zweckbestimmung) nicht der Neuschaffung oder Wiedergewinnung von - etwa im Krieg zerstörter oder beschädigten Wohnungen - gewidmet sind, sondern hauptsächlich der Ankurbelung der österreichischen Wirtschaft nach dem zweiten Weltkrieg dienen sollten. Es handle sich bei den Krediten des ERP-Fonds um keine Wohnbauförderungsmittel.

Als weiteren Grund für die Abweisung des Sachantrages zog das Rekursgericht das auch vom Erstgericht verwendete Argument heran, ein im Mietvertrag vereinbartes Weitergaberecht schließe eine Mietzinserhöhung nach § 12a MRG aus. Hierauf ist, wie sich zeigen wird, nicht weiter einzugehen.

Diese Entscheidung enthält den Ausspruch, daß der ordentliche Revisionsrekurs zur Klärung der Frage zulässig sei, ob es sich bei Kreditmitteln des ERP-Fonds tatsächlich um keine "öffentlichen Mitteln" iSd § 1 Abs 4 Z 1 MRG handle.

Im jetzt vorliegenden Revisionsrekurs macht der Antragsteller (der sich auch noch mit dem Abweisungsgrund des Weitergaberechtes auseinandersetzt) im wesentlichen geltend, daß der ERP-Fonds den fraglichen Kredit, wenn auch im Rahmen seiner Aufgaben zur Wirtschaftsförderung, zur Errichtung einer Geschäftsräumlichkeit zur Verfügung gestellt, also für diesen Zweck gewidmet habe. Dazu wäre allenfalls noch ergänzend festzustellen gewesen, daß der Zweck der Kreditgewährung eben nicht die allgemeine (ungebundene) Förderung des Unternehmens des Vaters des Antragstellers gewesen sei, sondern die Förderung der Errichtung der verfahrensgegenständlichen Geschäftsräumlichkeiten. Damit liege die mit den "öffentlichen Mitteln" des § 1 Abs 4 Z 1 MRG verbundene (einzige) Voraussetzung vor, daß der ERP-Kredit der Errichtung von Geschäftsräumlichkeiten diente, was die dem ERP-Fonds auferlegte Wirtschaftsförderung keineswegs ausschließe.

Der Revisionsrekursantrag geht dahin, den angefochtenen Sachbeschluß entweder im Sinn einer Stattgebung des Mietzinserhöhungsbegehrens abzuändern, oder aber aufzuheben und die Rechtssache zur Ergänzung der Verhandlung und neuerlichen Entscheidung an eine der Vorinstanzen zurückzuverweisen.

Die Antragsgegnerin hat dazu fristgerecht eine Revisionsrekursbeantwortung erstattet und wegen der schon vom Rekursgericht gegebenen Judikaturhinweise, die keine Zweifel an der Rechtslage offenließen, die Zulässigkeit des Revisionsrekurses bestritten, letztlich aber nur beantragt, ihm nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist aus dem vom Rekursgericht angeführten Grund zulässig, jedoch nicht berechtigt.

Der erkennende Senat teilt die Rechtsauffassung des Rekursgerichtes, daß Kredite des ERP-Fonds, auch wenn sie für die Errichtung von Geschäftsräumlichkeiten gewährt wurden, nicht als öffentliche Mittel iSd § 1 Abs 4 Z 1 MRG zu qualifizieren sind. Es kann diesbezüglich auf die überzeugenden Rechtsausführungen des Rekursgerichtes verwiesen werden, die aus der bereits vorhandenen Judikatur des Obersten Gerichtshofes (siehe insbesondere MietSlg 38/32 mwN; im selben Sinn judiziert der VwGH: WoBl 1993, 144/109) die richtigen Schlüsse ziehen. Erst jüngst hat der Oberste Gerichtshof wiederum bekräftigt, daß unter "öffentlichen Mitteln" im Zusammenhang mit dem Mieterschutz nur jene Mittel zu verstehen sind, die von der öffentlichen Hand kraft gesetzlicher Anordnung zur Neuschaffung von Wohn- und Geschäftsräumen zur Verfügung gestellt werden (3 Ob 556, 557/95 = EWr I/29/74 = MietSlg 47.328 = RIS-Justiz RS0069302). Es muß sich, wenn auch in einem etwas weiteren Sinn, um Mittel der Wohnbauförderung handeln (vgl Würth in Würth/Zingher, Miet- und Wohnrecht20, Rz 53 zu § 1 MRG). Das legt das historische Begriffsverständnis nahe, zu dem sich offenbar auch der Gesetzgeber des MRG bekannte, indem er eine durch die Spruchpraxis bereits ausgedeutete Regelung kommentarlos fortschrieb. Tatsächlich hatte der Gesetzgeber die öffentlichen Mittel immer als ein mit konkreten Bestimmungen des MG (jetzt eben mit denen des MRG) korrespondierendes Instrument des Mieterschutzes gesehen. Der Begriff "ohne Zuhilfenahme öffentlicher Mittel", der schon in § 1 Abs 3 Z 1 MG enthalten war, stammt nämlich ursprünglich aus dem Wohnungsanforderungsgesetz (BGBl 1949/204). Danach war von einer Zuhilfenahme öffentlicher Mittel nur die Rede, wenn die Finanzierung der Wiederherstellung kriegsbeschädigter oder zerstörter Räume aus Geldmitteln stattfand, die kraft gesetzlicher Anordnung der Neuschaffung oder Wiedergewinnung von Wohnräumen gewidmet waren. Diese Rechtsprechung wurde auch § 1 Abs 3 Z 1 MG zugrundegelegt und hat ihre Bedeutung für die Auslegung des § 1 Abs 4 Z 1 MRG nicht verloren. Sind öffentliche Gelder anderen als den Zwecken der Schaffung von Wohn- bzw Geschäftsräumen, etwa der Fremdenverkehrsförderung, gewidmet, kann nicht von "Zuhilfenahme öffentlicher Mittel" gesprochen werden (Bernat, der Geltungsbereich des MRG [§ 1], in Korinek/Krejci, HdB zum MRG, 117).

Die gesetzlichen Anordnungen über den Einsatz von ERP-Mitteln, wie sie sich aus den bereits vom Rekursgericht zitierten Aufgaben des ERP-Fonds ergeben (§ 1 Abs 2 ERP-Fonds-Gesetz, BGBl 1962/207), lassen keinen Zusammenhang mit einer den Mietern von Wohn- und Geschäftsräumen zugedachten Förderung der Errichtung von Gebäuden erkennen. Es geht kurz gesagt um die Rationalisierung und Produktivitätssteigerung der österreichischen Wirtschaft. Daß eine sinnvolle Förderung der Wirtschaft auch darin bestehen kann, Fondsmittel für den Bau von Geschäftsräumlichkeiten zur Verfügung zu stellen (was im gegenständlichen Fall geschehen sein mag), rechtfertigt die Vollanwendung des MRG auf Mietobjekte in derartigen Gebäuden nicht, weil der Gesetzgeber mit der Verwaltung der ERP-Mitteln andere Ziele verfolgte als sie den Mieterschutzvorschriften des MRG zugrundeliegen.

Schon aus diesem Grund war die Abweisung des Sachantrages zu bestätigen; auf die mit dem vereinbarten Weitergaberecht verbundenen Rechtsfragen war mangels Erheblichkeit nicht mehr einzugehen.

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