OGH 10ObS283/98k

OGH10ObS283/98k1.9.1998

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bauer als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Ehmayr und Dr. Steinbauer sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Heinrich Basalka und Mag. Dr. Walter Zeiler (beide aus dem Kreis der Arbeitgeber) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Semir D*****, Geschäftsführer, *****, vertreten durch Dr. Herbert Kaspar, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Allgemeine Unfallversicherungsanstalt, 1200 Wien, Adalbert-Stifter-Straße 65, vertreten durch Dr. Vera Kremslehner und andere Rechtsanwälte in Wien, wegen Pflegegeld, aus Anlaß der Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 28. April 1998, GZ 7 Rs 122/98g-14, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 13. Jänner 1998, GZ 3 Cgs 167/97p-10, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Aus Anlaß der Revision wird das angefochtene Urteil als nichtig aufgehoben. Die Sozialrechtssache wird zur neuerlichen Entscheidung durch einen Senat, in dem alle fachkundigen Laienrichter dem Kreis der Arbeitgeber angehören, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Die klagende Partei hat die Kosten ihrer Revisionsbeantwortung selbst zu tragen.

Text

Begründung

Der Kläger, der - wie sich aus dem Anstaltsakt ergibt - als selbständiger Bauunternehmer (Geschäftsführer einer GmbH) hinsichtlich dieser Tätigkeit in der Kranken- und Pensionsversicherung nach dem GSVG, in der Unfallsversicherung nach dem ASVG teilversichert war, erlitt am 2.4.1996 einen Arbeitsunfall.

Mit Bescheid der beklagten Partei vom 6.5.1997 wurde dem Kläger ab 1.7.1996 ein Pflegegeld in Höhe der Stufe 5 (monatlich S 11.591,--) zuerkannt, gleichzeitig aber ausgesprochen, daß dieses Pflegegeld gemäß § 12 Abs 1 BPGG für die Zeit des stationären Aufenthaltes in einer Krankenanstalt auf Kosten eines Trägers der Sozialversicherung oder des Bundes vom 1.7.1996 bis 1.4.1997 ruhe und daher für diese Zeit kein Pflegegeld ausbezahlt werde.

Dagegen richtet sich die Klage mit dem Begehren, dem Kläger ab dem 1.7.1996 ein Pflegegeld in Höhe der Stufe 7 zu gewähren und (sinngemäß) für die Zeit des Ruhens ein Taschengeld in Höhe von 10 vH des Pflegegeldes der Stufe 3 zuzusprechen.

Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Es bejahte die Voraussetzungen für ein Pflegegeld in Höhe der Stufe 7 wegen praktische Bewegungsunfähigkeit des Klägers und gründete den Zuspruch des Taschengeldes auf § 12 Abs 6 bzw § 13 Abs 1 BPGG idgF.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der beklagten Partei in nichtöffentlicher Sitzung ohne vorhergegangene mündliche Verhandlung nicht Folge. Der Senat des Berufungsgerichtes setzte sich aus drei Richtern und zwei fachkundigen Laienrichtern zusammen, von denen einer dem Kreis der Arbeitgeber und einer dem der Arbeitnehmer angehörte.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der beklagten Partei wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung der Sache mit dem Antrag auf Abänderung im Sinne einer Abweisung des Klagebegehrens, hilfsweise Aufhebung und Zurückverweisung.

Der Kläger beantragte in seiner Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Aus Anlaß dieser zulässigen Revision war von Amts wegen die Nichtigkeit der angefochtenen Entscheidung wahrzunehmen.

Gemäß § 12 Abs 3 zweiter Halbsatz ASGG haben in Streitsachen unter anderem nach dem GSVG alle fachkundigen Laienrichter dem Kreis der Arbeitgeber anzugehören. Dies gilt nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes auch für Sozialrechtssachen, die Angelegenheiten der Unfallversicherung der gewerblich selbständig tätigen Personen betreffen (SSV-NF 1/51 = SZ 60/233; SSV-NF 2/56 ua; Feitzinger/Tades, ASGG2 Anm 3a zu § 12; Kuderna, ASGG2 129 Erl 5 zu § 12; Fasching/Klicka in Tomandl, SV-System 9. ErgLfg 717 bei FN 2). Ein Verstoß gegen diese Bestimmung steht unter Nichtigkeitssanktion (§ 477 Abs 1 Z 2 ZPO); eine Nichtigkeit ist allerdings unter den Voraussetzungen des § 37 Abs 1 ASGG heilbar.

Wenngleich der Kläger im vorliegenden Fall einen Anspruch auf Pflegegeld nach dem BPGG geltend macht, handelt es sich doch um einen Anspruch eines gewerblich Selbständigen gegen den Träger der Unfallversicherung (vgl § 6 Abs 2 Z 1 BPGG) und damit um eine "Streitsache nach dem GSVG" im Sinne des § 12 Abs 3 ASGG.

Ob der Senat des in erster Instanz entscheidenden Arbeits- und Sozialgerichtes Wien richtig zusammengesetzt war, kann dahingestellt bleiben, weil die Parteien in diesem Verfahren durch qualifizierte Personen (§ 40 Abs 1 ASGG) vertreten waren, weshalb eine allfällige unrichtige Senatszusammensetzung nach § 37 Abs 1 ASGG iVm § 260 Abs 4 ZPO nicht mehr berücksichtigt werden könnte.

Der - bei der in nichtöffentlicher Sitzung ohne vorhergehende mündliche Verhandlung erfolgten Entscheidung des Berufungsgerichtes unterlaufene - Verstoß gegen § 12 Abs 3 zweiter Halbsatz ASGG kann hingegen mangels Heilung nicht unberücksichtigt bleiben, sondern bildet den aus Anlaß der zulässigen Revision nach §§ 513 und 471 Z 7 ZPO auch von Amts wegen wahrzunehmenden im § 477 Abs 1 Z 2 ZPO bezeichneten Nichtigkeitsgrund (Feitzinger/Tades aaO Anm 4 zu § 37; Kuderna aaO Erl 4 zu 37).

Die angefochtene Entscheidung war daher aufzuheben und dem Berufungsgericht die neuerliche Entscheidung in einem vorschriftsmäßig besetzten Senat aufzutragen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG.

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