OGH 9ObA137/98g

OGH9ObA137/98g19.8.1998

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Maier als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Steinbauer und Dr. Spenling sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Franz Zörner und Norbert Bacher als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Marika G*****, Angestellte, ***** vertreten durch Dr. Wolfgang Hochsteger und andere, Rechtsanwälte in Hallein, wider die beklagte Partei Otto Sch*****, Kaufmann, ***** vertreten durch Dr. Wilhelm Traunwieser und andere, Rechtsanwälte in Salzburg, wegen S 48.484 brutto sA (Revisionsinteresse S 43.475,56 sA), infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 27. Jänner 1998, GZ 12 Ra 8/98b-16, womit infolge Berufung der Klägerin das Urteil des Landesgerichtes Salzburg als Arbeits- und Sozialgericht vom 17. September 1997, GZ 20 Cga 34/97w-11, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 4.058,88 (darin S 676,48 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin arbeitete vom 6. 2. 1996 bis zu der am 5. 7. 1996 zum 18. 7. 1996 ausgesprochenen Dienstgeberkündigung im Hotelbetrieb der beklagten Partei, der ein Klein- bis Mittelbetrieb ist und als Familienbetrieb geführt wird, als Rezeptionistin. Die Klägerin hat eine fünfjährige Hotelfachschule mit Reifeprüfung absolviert und war anschließend etwa sechs oder sieben Jahre als Rezeptionistin in unterschiedlichsten Hotelbetrieben beschäftigt.

Die Klägerin begehrt S 48.484 brutto an Kündigungsentschädigung, anteiligen Sonderzahlungen und Urlaubsentschädigung. Sie habe höhere, nicht kaufmännische Dienste im Sinne des § 1 AngG verrichtet, so daß ihr Dienstverhältnis nicht wie ein Arbeiterdienstverhältnis, sondern unter Einhaltung einer sechswöchigen Kündigungsfrist frühestens zum 31. 8. 1996 hätte aufgekündigt werden können.

Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Die Klägerin sei lediglich als Portierin beschäftigt gewesen. Ihr Dienstverhältnis unterliege den Bestimmungen des Kollektivvertrages für Arbeiter im Hotel- und Gastgewerbe und nicht dem für Angestellte im Hotel-, Gast- und Schankgewerbe.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren mit S 5.008,44 brutto sA statt und wies das Mehrbegehren von S 43.475,56 brutto sA ab. Im Kollektivvertrag für Arbeiter im österreichischen Hotel- und Gastgewerbe sei der Chef de Reception als Angestellter bezeichnet, während der Alleinportier, der Chefportier, der Tag- und Nachtportier als Arbeiter eingestuft würden. Der Hotelportier sei dann Angestellter, wenn er offensichtlich zur zweiten Ebene unter dem Direktor gehöre, wenn ihm ein Aufsichtsrecht zustehe, er über direkte Kommunikationsbefugnis mit dem Hoteldirektor verfüge, um Personalmaßnahmen zu setzen und die Arbeit nicht rein untergeordnete oder rein mechanische Funktionen enthalte. Die Klägerin habe keinerlei dienstrechtliche Weisungsbefugnis oder Aufsichtsrechte innegehabt und es seien zahlreiche Tätigkeiten der Klägerin nach standardisierten und vorgegebenen Richtlinien zu erfüllen gewesen, die keine besondere Selbständigkeit voraussetzten. Ihre profunde Ausbildung sei nur zum Teil anwendbar gewesen, so daß ihre Tätigkeit als Arbeitertätigkeit zu qualifizieren sei.

Das Berufungsgericht gab der gegen den abweisenden Teil gerichteten Berufung der Klägerin Folge und sprach ihr den gesamten geltend gemachten Klagebetrag zu. Es sprach aus, daß die Revision nach § 46 Abs 1 ASGG zulässig sei.

Das Berufungsgericht setzte sich in seiner rechtlichen Beurteilung der eingehenden Feststellungen ausführlich mit der Tätigkeit der Klägerin und der bisherigen Rechtsprechung auseinander. Es führte aus, daß im Sinne einer Gesamtschau und der lediglich Indizwirkung für die Beurteilung einer Tätigkeit als Arbeiter- oder Angestelltentätigkeit zukommenden kollektivvertraglichen Einstufung die Tätigkeit der Klägerin als Rezeptionistin nicht nur aus rein mechanischen Arbeiten, die keine besondere Ausbildung erforderten und so einfach waren, daß sie von jedem normalen Menschen mit gewöhnlicher Durchschnittsbildung erfüllt werden könnten, bestanden habe. Ihre Tätigkeit habe vielmehr entsprechende Vorkenntnisse erfordert, die sie befähigten, selbständig zu handeln und zu denken und mit den Gästen des Beklagten gewandt und geschickt umzugehen. Von der Art der Bedienung der Gäste an der Rezeption hänge nicht zu einem unwesentlichen Teil der wirtschaftliche Erfolg einer Hotelunternehmung ab. Die Klägerin sei als Rezeptionistin aufgenommen worden und die von ihr ausgeübten Tätigkeiten gingen wesentlich über den Tätigkeitsbereich eines Hotelportiers hinaus, erfüllten das Tätigkeitsprofil einer Rezeptionistin, so daß der Klägerin Angestelltenqualifikation zuzuerkennen sei. Daß ihr keine Weisungsbefugnis gegenüber anderen Mitarbeitern zukam, vermöge daran nichts zu ändern, weil dieses nur ein Kriterium für die Beurteilung einer Tätigkeit als Angestelltentätigkeit sei, dessen Fehlen die Angestellteneigenschaft nicht von vornherein ausschließe. Die Kündigung sei daher frühestens zum 31. 8. 1996 möglich gewesen.

Da die Begründung des angefochtenen Urteils zutreffend ist, reicht es aus, auf deren Richtigkeit hinzuweisen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Ergänzend ist den Ausführungen des Revisionswerbers entgegenzuhalten:

Rechtliche Beurteilung

Ob die Klägerin höhere Dienstleistungen nicht kaufmännischer Art geleistet hat, die ihre Qualifikation als Angestellte bewirkten, ist eine Frage des Einzelfalles (8 ObA 36/97w), die anhand der getroffenen Feststellungen zu lösen ist. Auch wenn für die Beurteilung, ob ein Arbeitnehmer vorwiegend höhere, nicht kaufmännische Dienste geleistet hat, Kollektivverträge wesentliche Hinweise sind (SSV-NF 3/99, 6/20), ist ausschlaggebendes, ausschließliches Kriterium die Art der geleisteten Dienste, die in ihrer Gesamtheit beurteilt werden müssen (Arb 11.461 ua). Als höhere, nicht kaufmännische Dienstleistung kommt eine Arbeit in Betracht, die in Richtung der Betätigung entsprechende Vorkenntnisse und Schulung, Vertrautheit mit den Arbeitsaufgaben und eine gewisse fachliche Durchdringung derselben verlangt, also nicht rein mechanisch ausgeübt und nicht von einer zufälligen Ersatzkraft geleistet werden kann. Diese Arbeiten müssen zusätzlich wesentlich über den Durchschnitt einer Arbeiter- oder gar Hilfsarbeitertätigkeit hinausgehen. Angestelltentätigkeit wird unter anderem indiziert durch die über das durchschnittliche Maß hinausgehende größere Selbständigkeit, umfassendere Fachkenntnisse, Genauigkeit und Verläßlichkeit. Schulische oder sonstige Vorbildung allein stellen noch kein Qualifikationskriterium dar (Arb 10.932, 11.461; SSV-NF 6/20; infas 1995 A 104; 8 ObA 36/97w). Als weiteres Kriterium, das eine Angestelltentätigkeit indizieren könne, führt die Rechtsprechung auch die Fähigkeit der Beurteilung der Arbeiten anderer, die Aufsichts- und Leitungsbefugnis und die Einsicht in den Produktionsprozeß an (infas 1995 A 104; Arb 11.461). Da die von der Judikatur genannten Kriterien nur Indizien sind, liegt keine Fehlbeurteilung vor, soweit bei Würdigung der Gesamtheit der Dienste das Fehlen einer Aufsichts-, Kontroll- oder Weisungsbefugnis bei Vorhandensein anderer Kriterien die Wertung als Angestelltentätigkeit nicht hindert. Auch der im Kollektivvertrag als Arbeiter angeführte Alleinportier gibt im Hinblick darauf, daß der Kollektivvertrag nur Indizien liefert, aber die Gesamtheit der geleisteten Dienste im Einzelfall zu beurteilen ist, keinen Hinweis auf einen Beurteilungsfehler des Berufungsgerichtes, wenn es die Tätigkeit der Klägerin als Rezeptionistin, die nach den Feststellungen über die des Alleinportiers hinausgeht, als Angestelltentätigkeit ansieht. Daß eine Vielzahl von Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt den Umgang mit Computern erfordern, ist weder ein Argument für noch gegen die Qualifikation der Klägerin als Angestellte, weil dies nur eine Facette der Gesamttätigkeit bildet. Daß die Klägerin verschiedene Entscheidungen über Sonderkonditionen etc nur mit Rücksprache, sohin nicht selbständig vornehmen konnte, ändert nichts an der Eigenverantwortlichkeit bezüglich der ihr übertragenen Arbeiten. Ob es noch weitere Tätigkeiten gab, die nicht zu ihrem Wirkungskreis gehörten, kann daher nicht entscheidend sein.

Gerade bei einem Familienbetrieb, bei dem die Klägerin dem Hotelinhaber als "Chef" unterstand, ist es keine Verkennung der Rechtslage, höherqualifizierte Dienste der Klägerin als selbständige Rezeptionistin wie beispielsweise selbständige Durchführung von Reservierungen samt der dazugehörigen Korrespondenz, die Erstellung von Hotelrechnungen (wenn auch nur teilweise über Computer), Inkassotätigkeiten, Besprechungen über Organisation von Veranstaltungen mit Kunden etc ausschlaggebende Bedeutung für den Klein- bis Mittelbetrieb zuzuerkennen (infas 1995 A 104), auch wenn zu ihrem Aufgabenbereich weitere Tätigkeiten gehörten, die auch ein im Kollektivvertrag als Arbeiter geführter Hotelportier zu verrichten hat.

Die Kostenentscheidung ist in §§ 41 und 50 Abs 1 ZPO begründet.

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