Spruch:
Der außerordentliche Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.
Text
Begründung
Der Kläger hielt treuhändig Geschäftsanteile einer Gesellschaft mbH, die in einen Straßenbauskandal verwickelt war. Er wollte Rechnungshofpräsident werden. Der Beklagte trat in einer ORF-Sendung vom 17.6.1992 dagegen auf.
I. In dem mit der oberstgerichtlichen Entscheidung 4 Ob 6/93 entschiedenen Provisorialverfahren wurde der Beklagte zur Unterlassung von fünf ehrenbeleidigenden Behauptungen verpflichtet.
Zwei Unterlassungsbegehren des Klägers wurden abgewiesen: a) Der Kläger besitze eine Firma, bei der es auch strafrechtliche Konsequenzen gegeben habe; b) Der Kläger habe innerhalb weniger Stunden mehrfach öffentlich die Unwahrheit gesagt. Der vierte Senat hielt die Wahrheit dieser Äußerungen für bescheinigt (der Kläger hatte im ORF die Treuhandbeteiligung mehrmals geleugnet). Das Hauptverfahren endete mit einem Vergleich. Der Beklagte nahm "die damals erhobenen Vorwürfe gegen seine (= des Klägers) persönliche Qualifikation zum Amt des Rechnungshofpräsidenten zurück".
II. Gegenstand des mit der oberstgerichtlichen Entscheidung 6 Ob 95/97g entschiedenen Prozesses war ein Interview des Beklagten im Fernsehen am 25.8.1994. Der Beklagte wiederholte einen Teil der alten Vorwürfe. Der Kläger begehrte den Widerruf und die Unterlassung von Behauptungen 1. der Nichtqualifizierung zum Amt des Rechnungshofpräsidenten; 2. der Kläger sei von den Vorwürfen des Beklagten nicht rehabilitiert worden; 3. der Kläger sei strafbarer Handlungen verdächtig und mit Recht verdächtigt und vom Staatsanwalt nicht rehabilitiert worden; 4. der Beklagte habe in einem Prozeß vom OGH (gemeint: die E 4 Ob 6/93) mit fünf von acht Punkten recht bekommen und dürfe behaupten, a) der Kläger sei jemand, der innerhalb von wenigen Stunden wiederholt die Unwahrheit gesagt habe und b) der Kläger sei jemand, der mit seiner Firma in einen vom Rechnungshof und Staatsanwalt untersuchten Skandal verstrickt sei. Das Erstgericht (LGZ Wien, 6 Cg 260/94p) gab der Klage nur teilweise statt (hinsichtlich der Behauptung über die Nichtqualifikation zum Amt des Rechnungshofpräsidenten aus dem Grund der Nichtrehabilitierung und hinsichtlich der Behauptung des Tatverdachtes, der Kläger sei mit seiner Firma in einen vom Rechnungshof und Staatsanwalt untersuchten Skandal verstrickt). Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers teilweise Folge und gab den Widerrufsbegehren zur Gänze statt. Die vom Erstgericht zwar nicht spruchmäßig, aber in der Begründung erfolgte schlüssige Abweisung des Unterlassungsbegehrens war vom Kläger nicht angefochten worden. Mit der Entscheidung des Obersten Gerichtshofes 6 Ob 95/97g wurde das Urteil über die Widerrufsansprüche des Klägers bestätigt. Der Beklagte blieb nur hinsichtlich eines Veröffentlichungsmehrbegehrens erfolgreich.
III. Der Beklagte übermittelte in der Folge am 9.9.1997 dem ORF ein Videoband mit seinem Widerruf laut Exekutionstitel in der Fassung der oberstgerichtlichen Entscheidung 6 Ob 95/97g und versah den Widerruf mit dem Zusatz: "Der Oberste Gerichtshof hat entschieden, daß ich berechtigt war, über Herrn Dr.D***** nachstehende Äußerungen zu tätigen: Dr.Werner D***** ist jemand, der innerhalb weniger Stunden wiederholt die Unwahrheit in der Öffentlichkeit gesagt hat, und ist strafbarer Handlungen verdächtig und mit Recht verdächtigt worden und ist nicht von der Staatsanwaltschaft voll rehabilitiert worden".
Der Kläger begehrt nunmehr mit Klage und Sicherungsantrag die Unterlassung der Behauptungen, wie sie im Zusatz des Beklagten zu seinem für die Veröffentlichung im Fernsehen bestimmten Widerruf aufgestellt wurden.
Der Beklagte wandte im wesentlichen das Prozeßhindernis der Rechtskraft der abweislichen Entscheidung über das Unterlassungsbegehren des Klägers ein. Darüberhinaus machte er die Wahrheit seiner Äußerung geltend, nämlich zum Thema, daß der Oberste Gerichtshof über den Unterlassungsanspruch entschieden habe, nicht aber zum Thema, daß es (nach wie vor) wahr sei, daß der Kläger mehrmals die Unwahrheit gesagt habe bzw unter Tatverdacht stehe.
Die Vorinstanzen gaben dem Unterlassungsbegehren im vorliegenden Provisorialverfahren statt. Das Rekursgericht verneinte das Prozeßhindernis der entschiedenen Sache. Im Vorprozeß seien Äußerungen aus 1994 zu beurteilen gewesen, hier gehe es um die Äußerung aus dem Jahr 1997. Unrichtig sei der vermittelte Eindruck, der Oberste Gerichtshof habe über die Berechtigung zur Äußerung entschieden. Der Sachverhalt sei nicht identisch mit dem des Vorprozesses. Die Äußerungen seien nicht inhaltsgleich.
Das Rekursgericht sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes 260.000 S übersteige und daß der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei.
Mit seiner Zulassungsbeschwerde im außerordentlichen Revisionsrekurs rügt der Beklagte einen Verstoß gegen die Rechtskraft der Abweisung des Unterlassungsbegehrens im Vorprozeß.
Rechtliche Beurteilung
Res iudicata liegt nicht vor, weil der rechtserzeugende Sachverhalt nicht identisch ist. Die Behauptungen unterscheiden sich nicht nur durch das Zeitmoment, sie sind auch nicht inhaltlich ident. Streitgegenstand des mit der E 6 Ob 95/97g entschiedenen Rechtsstreits waren die Behauptungen des Beklagten a) über den Tatverdacht (ohne Bezug auf eine oberstgerichtliche Entscheidung) und
b) der Vorwurf, der Kläger habe die Unwahrheit gesagt sowie der Verstrickungsvorwurf unter Bezug auf eine oberstgerichtliche Entscheidung (des vierten Senates).
Der hier zu beurteilende Streitgegenstand besteht in der Äußerung des Beklagten unter Hinweis auf eine oberstgerichtliche Entscheidung (unklar bleibt, ob die des vierten Senates oder die des sechsten Senates oder beide gemeint sind), daß der Beklagte berechtigt war, dem Kläger den Vorwurf wahrheitswidriger Äußerungen und den Vorwurf des Verdachts strafbarer Handlungen und der Nichtrehabilitierung zu machen. Im Vorprozeß war über die Richtigkeit der Tatsachenbehauptungen zu entscheiden (also die Richtigkeit des Vorwurfs, der Kläger habe wiederholt Unwahrheiten geäußert, und über die Richtigkeit des vom Beklagten geäußerten strafrechtlich relevanten Tatverdachts). Im vorliegenden Verfahren geht es aber, was der Beklagte selbst unterstreicht, um die Richtigkeit der Behauptung, der Oberste Gerichtshof habe entschieden, daß der Beklagte seine Vorwürfe seinerzeit berechtigt erhoben hätte. Die rechtskräftige Abweisung des auf die Äußerung aus 1994 gestützten Unterlassungsbegehrens könnte allenfalls dann Bindungswirkung äußern, wenn der Beklagte seine Behauptungen inhaltsgleich wiederholt hätte (vgl den vergleichbaren Fall der Kündigung bei identem Sachverhalt lediglich zu verschiedenen Kündigungsterminen: SZ 68/103). Bei der rechtskräftigen Verneinung eines Anspruchs setzt die Bindungswirkung voraus, daß im Folgeprozeß der Anspruch wieder auf die schon geltend gemachten, aber bereits verneinten Gründe (= Sachverhaltsfeststellungen) gestützt wird (Rechberger in Rechberger, ZPO Rz 10 zu § 411 mwN; zur Bindungswirkung weiters verstärkter Senat SZ 68/195). Wie die Feststellungen im Vorprozeß zustandekamen (etwa durch Außerstreitstellungen), ist nicht entscheidend (4 Ob 1660/95). Die Bindungswirkung ist Folge der materiellen Rechtskraft. Hier geht es aber - wie schon ausgeführt - nicht um idente Äußerungen. Der Beklagte kann sich daher weder auf die Rechtskraft der Abweisung der Unterlassungsbegehren im Vorprozeß, noch auf eine dadurch ausgelöste Bindungswirkung berufen.
In der Sache selbst ist die Stattgebung des Sicherungsbegehrens nicht zu beanstanden. Zunächst ist schon einmal die Behauptung, der Oberste Gerichtshof habe erkannt, daß der Beklagte zu seinen Äußerungen berechtigt gewesen sei, falsch, weil der Oberste Gerichtshof sich über die Unterlassungsansprüche im Vorprozeß mangels Anfechtung der Abweisung durch den Kläger gar nicht zu äußern hatte. Unrichtig ist also der durch die Äußerung des Beklagten vermittelte Eindruck, der Oberste Gerichtshof habe die Richtigkeit der Vorwürfe des Beklagten geprüft und die Vorwürfe für wahr erachtet. Die Unrichtigkeit der Vorwürfe des Beklagten geht aus der oberstgerichtlichen Entscheidung vielmehr klar aus der Stattgebung des Widerrufsbegehrens hervor. Mit seiner nun bekämpften Äußerung (Zusatz zum Widerruf) verkehrt der Beklagte dieses Ergebnis geradezu ins Gegenteil, zumindest in dem Sinn, daß die Wahrheit seiner Äußerungen zumindest seinerzeit festgestanden sei. Nach dem in ständiger Rechtsprechung vertretenen Grundsatz, daß mehrdeutige Formulierungen nach der für den Täter ungünstigsten Auslegung zu dessen Lasten gehen und daß eine Beleidigung in Verdachtsform ausreicht, ist das Unterlassungsbegehren hier ausreichend bescheinigt, vermittelte doch der Beklagte mit seinem Zusatz zum Widerruf den falschen Eindruck, der Oberste Gerichtshof habe die Wahrheit der Äußerungen geprüft und festgestellt, was jedenfalls nicht zutrifft. Daß die - wenn auch nur für die Vergangenheit und indirekt neuerlich erhobenen Vorwürfe - den Kläger in seiner Ehre verletzen und daher den Unterlassungsanspruch rechtfertigen, ist nicht zweifelhaft. Rechtsfragen erheblicher Bedeutung sind nicht zu lösen.
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